NJW 1999, 2266
BGHZ 141, 357
Es geht um das geläufige Problem, daß
eine Hilfsperson (Stellvertreter oder Verhandlungsgehilfe) eines Vertragspartners
aufgrund von Schmiergeldzahlungen der anderen Seite für das Zustandekommen
eines Vertrages zwischen den Parteien sorgt. Unstreitig ist der Vertrag
zwischen der Hilfsperson und dem Vertragspartner, der selbst die Schmiergeldzahlung
zum Gegenstand hat, nach § 138 I BGB wegen Sittenwidrigkeit bzw. wegen
Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (z.B. § 299 StGB) nach
§ 134 BGB nichtig. Fraglich ist allerdings, ob die Nichtigkeit auch
den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als sog. Folgevertrag
ergreift. Die Entscheidung führt hier die st. Rspr. des BGH fort,
wonach der Folgevertrag nach § 138 I BGB dann nichtig ist, wenn er
dem Geschäftsherrn der bestochenen Hilfsperson nachteilig ist. Ist
ein Anhaltspunkt für einen solchen Nachteil gegeben, wird er nach
den Grundsätzen des Anscheinsbeweises (proma facie-Beweis)
vermutet.
Der BGH deutet für den vorliegenden Fall
eine weitere Lösungsmöglichkeit an: Sofern es sich bei der bestochenen
Person um einen rechtsgeschäftlichen Stellvertreter des Geschäftsherrn
gehandelt hat, kann man das Zustandekommen eines Vertrags auch nach den
Grundsätzen des Mißbrauchs der Vertretungsmacht verneinen.
Für den Fall des Verhandlungsgehilfen bejaht der BGH nunmehr (BGH
NJW 2001, 1065) eine Haftung des den Verhandlungsgehilfen
"schmierenden" Vertragspartners eine Haftung aus culpa in
contrahendo, wenn der Vertragspartner die Provisionszahlung nicht offenlegt
(Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht).
1. Ein im Zusammenhang mit einer Bestechung
abgeschlossener Architektenvertrag ist nicht ohne weiteres nichtig.
2. Ein Geschäftsführer ist im Zweifel
ohne vorherige Information seines Geschaftsherrn nicht befugt, für
diesen einen Vertrag mit dem Verhandlungspartner abzuschließen, der
den Geschäftsführer gerade bestochen hat.
Der Kl. verlangt restliches Architektenhonorar in Hohe von 3679793,37 DM. Die bekl. Wohnbaugesellschaft verlangt widerklagend geleistete Abschlagszahlungen in Höhe von 1 338 158,20 DM zurück, ferner Zahlung unstreitiger Mietrückstände in Höhe von 25666,24 DM. Mit der Widerklage außerdem geltend gemachte Schadensersatzansprüche sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Die Bekl. ist Eigentümerin von Großplattenbauten in H. Ab 1991 hat sie deren Sanierung in Angriff genommen. In diesem Zusammenhang hat der Kl. aufgrund zunächst mündlicher Abreden Architektenleistungen übernommen und erbracht. Am 30. 4. 1992 haben die Parteien einen schriftlichen, als Rahmenvertrag ausgestalteten Architektenvertrag über die Sanierung einiger Wohnblöcke abgeschlossen. Der Kl. hat dem damaligen Geschäftsführer der Bekl. ein Bestechungsgeld von monatlich 5000 DM zugesagt, das ab Mai 1992 auch zehnmal gezahlt worden ist. In dem Architektenvertrag haben die Parteien unter anderem Abschlagszahlungen für die Leistungen des Kl. in Höhe von monatlich 100 000 DM vereinbart. Auf dieser Grundlage hat der Kl. bis 1993 für die Bekl. gearbeitet. Ab Mai 1993 hat die Bekl. keine Abschlagszahlungen mehr an den Kl. geleistet. Mit Schreiben vom 30. 8. 1993 informierte der Kl. die Bekl. über die dem damaligen Geschäftsführer gezahlten Bestechungsgelder. Mit Schreiben vom 16. 9. 1993 kündigte die Bekl. fristlos, wobei sie sich auf unvollständige und mangelhafte Leistungen des Kl. berief. Das LG hat den Architektenvertrag wegen der Schmiergeldzahlungen für nichtig gehalten. Es hat durch Teilurteil die Klage abgewiesen und auf die Widerklage den Kl. zur Zahlung von 1 363 824,44 DM verurteilt. Das OLG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. 1. Nach Auffassung des BerGer. hat der Kl. keinen
vertraglichen Honoraranspruch. Der Architektenvertrag sei nichtig.
Mit dem Bestechungsgeld habe der Kl. gegen die
guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB). Deshalb sei die Schmiergeldabrede
nichtig. Wenn der aufgrund der Bestechung zustande gekommene Folgevertrag
zu einem Nachteil des Geschäftsherrn führe, erfasse die Nichtigkeitsfolge
nicht nur die Schmiergeldabrede, sondern auch den Folgevertrag. Das sei
hier der Fall. Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, daß
die Schmiergeldabrede sich zum Nachteil der Bekl. ausgewirkt habe. Es sei
anzunehmen, daß der Kl. jedenfalls bereit gewesen wäre, von
dem im Architektenvertrag vereinbarten Honorar einen Betrag mindestens
in Höhe des versprochenen Bestechungsgeldes abzuziehen. Im übrigen
könnten sich auch in der weiteren Vertragslaufzeit noch eine ganze
Anzahl möglicher Benachteiligungen der Bekl. ergeben. Der insoweit
beweispflichtige Kl. habe keine Umstände dargetan, die eine Benachteiligung
der Bekl. widerlegen könnten. Die Nichtigkeit des Architektenvertrags
folge auch aus § 134 BGB, § 12 UWG. Der Kl. habe den Straftatbestand
des § 12 UWG erfüllt. Die durch § 12 UWG zum Ausdruck kommende
Mißbilligung richte sich nicht allein gegen die Schmiergeldabrede,
sondern auch gegen die aufgrund dieser Vereinbarung erreichte unlautere
Bevorzugung im Wettbewerb. Diese unlautere Bevorzugung geschehe durch den
Abschluß des Folgevertrags; auch dieser müsse demnach als verbotswidrig
angesehen werden.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß die
Vereinbarung des Kl. mit dem früheren Geschäftsführer der
Bekl. über die Zahlung von Bestechungsgeld nichtig ist (§§
138 I, 134 BGB i. V. mit § 12 UWG bzw. § 299 StGB). Sie ist auch
nicht der Gegenstand des Rechtsstreits. Mit dem BerGer. ist ferner davon
auszugehen, daß die Nichtigkeit einer Schmiergeldabrede nicht ohne
weiteres einen daraufhin abgeschlossenen Folgevertrag erfaßt. Der
Folgevertrag muß seinerseits von der Rechtsordnung derart mißbilligt
sein, daß auch ihm die Wirksamkeit zu versagen ist. Das gilt gleichermaßen
bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) wie
bei Verstößen gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Danach
erlauben die Feststellungen des BerGer. es nicht, den Architektenvertrag
der Parteien für nichtig zu halten.
a) Es ist nicht ersichtlich, daß der Architektenvertrag
ein gesetzliches Verbot verletzt (§ 134 BGB). Insbesondere bedeutet
der Abschluß dieses Vertrags keinen Verstoß gegen § 12
UWG (heute § 299 StGB). Danach ist es in dem dort gezogenen Rahmen
mit Strafe bedroht, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
Bestechungen zu gewähren oder entgegenzunehmen. Darum handelt es sich
bei dem Architektenvertrag der Parteien nicht, auch wenn seinem Abschluß
eine möglicherweise strafbare Bestechung vorangegangen ist. In dem
Architektenvertrag sind reguläre Architektenleistungen und ein Honorar
nach der HOAI vereinbart worden. Gegenstand der Architektenleistung waren
Wohnbausanierungen. Dieser Vorgang wird von § 12 UWG bzw. § 299
StGB nicht umfaßt. Der gesetzliche Schutz des lauteren Wettbewerbs
will zwar nicht nur Bestechungen unterbinden, sondern vor allem unlautere
Verzerrungen des Wettbewerbs verhindern. Dieses Ziel ändert jedoch
nichts daran, daß die Strafnorm sich auf Bestechungen bezieht, nicht
an daran sich etwa anschließende Vertragsschlüsse. Auch die
§ 12 UWG bzw. § 299 StGB zugrunde liegende, in § 1 UWG umfassend
normierte rechtliche Mißbilligung bestimmter wettbewerbsverzerrender
Verhaltensweisen erlaubt für sich allein nicht die Annahme, ein daran
anschließender Vertrag verstoße seinerseits gegen ein gesetzliches
Verbot i. 5. des § 134 BGB. Voraussetzung für die Nichtigkeit
gem. § 134 BGB aus wettbewerbsrechtlichen Gründen ist, daß
der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst die Wettbewerbswidrigkeit
des Verhaltens innewohnt (BGHZ 110, 156 [175] = NJW 1991, 287 = LM §
1 UWG Nr. 545; BGH, NJW 1998, 2531 = LM H. 11/1998 § 1 UWG Nr. 772
= BB 1998, 1917). Das ist bei dem Architektenvertrag der Parteien nicht
der Fall.
b) Die Feststellungen des BerGer. tragen nicht
dessen Auffassung, der Architektenvertrag verstoße gegen die guten
Sitten (§ 138 BGB). Bei der Abwicklung des Vertrags etwa denkbare
Benachteiligungen der Bekl. durch ihren damaligen Geschäftsführer,
auf die das BerGer. verweist, genügen in ihrer Allgemeinheit und Ungewißheit
unabhängig davon nicht, daß es um die rechtliche Würdigung
nicht der Vertragsabwicklung, sondern des Vertrags selbst geht. Die Annahme
des BerGer., der Architektenvertrag sei mindestens in Höhe des versprochenen
Schmiergeldes als der Bekl. nachteilig anzusehen, rechtfertigt die Beurteilung
des Vertrags als sittenwidrig nicht. Anhaltspunkte für einen Nachteil
bei der übrigen Vertragsgestaltung sind nicht gegeben.
(1) Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig,
wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden
verstößt (st. Rspr., vgl. BGHZ 69, 295 [2971 = NJW 1977, 2356
LM § 134 BGB Nr. 197 a). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen,
ob das Rechtsgeschäft nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt,
Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten
nicht zu vereinbaren ist (BGHZ 107, 92 [97] = NJW 1989, 1276 = LM §
138 [Aa] BGB Nr. 38 m. w. Nachw.). In diesem Rahmen kann ein aufgrund einer
Bestechung zustande gekommener Vertrag sittenwidrig sein, wenn die Schmiergeldabrede
zu einer für den Geschäftsherrn nachteiligen Vertragsgestaltung
geführt hat (BGH, NJW-RR 1990,442 = LM § 138 [Ca] BGB Nr. 20
= BB 1990, 733; BGH, NJW 1989,26 = LM § 138 [Aal BGB Nr. 36 = WM 1988,
1380). Fehlt ein solcher Nachteil, ist der Vertrag trotz der Bestechung
nicht sittenwidrig (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 442 = LM § 138 [Ca] BGB
Nr. 20 = BB 1990, 733). Ist dagegen ein Anhaltspunkt für einen Nachteil
gegeben, hat nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht der Geschäftsherr
den Nachteil, sondern umgekehrt derjenige das Fehlen eines Nachteils zu
beweisen, der bestochen hat (vgl. BGH, NJW 1989, 26 = LM § 138 [Aa]
BGB Nr. 36 = WM 1988, 1380); hier gelten die Grundsätze über
den Beweis des ersten Anscheins. Gibt es keinen dahingehenden Anhaltspunkt,
fehlt eine entscheidende Voraussetzung für die Sitten-widrigkeit des
Vertrags. Diese kann insbesondere so lange nicht ohne weiteres angenommen
werden, als die betroffene Partei den Vertrag auch in Kenntnis aller Umstände
für sinnvoll und ausgewogen hält (vgl. dazu Staudinger/Sack,
BGB, 13. Bearb., § 138 Rdnr. 473).
(2) Nach diesem Maßstab ergibt sich nicht,
daß der Architektenvertrag der Parteien sittenwidrig ist. Unabhängig
davon, daß nicht jeglicher noch so geringe Nachteil eine Beurteilung
als sittenwidrig erlauben würde, ist auf seiten der Bekl. ein zur
Sittenwidrigkeit des Architektenvertrags führender Nachteil nicht
ersichtlich. Die Annahme des BerGer., die Honorarvereinbarung im Architektenvertrag
sei wenigstens im Umfang des vorgesehenen Bestechungsgeldes als der Bekl.
nachteilig anzusehen, ist nicht gerechtfertigt. Sie entspricht weder allgemeiner
Erfahrung noch typischen Geschehensabläufen. Entgelte für die
Leistungen von Architekten werden mit den dort vorgesehenen Ausnahmen nach
der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure berechnet (§
1 HOAJ). Daran haben sich die Parteien gehalten. Sie haben ein Honorar
auf der Grundlage der Mittelsätze gemäß HOAI vereinbart.
Es kann nicht angenommen werden, daß die im Architektenvertrag getroffene
Vereinbarung von Honorarmittelsätzen anstelle niedrigerer oder der
Mindestsätze einen im vorliegenden Zusammenhang erheblichen Nachteil
der Bekl. darstellt. Die Vereinbarung von Mittelsätzen enthält
im allgemeinen keinen Hinweis auf einen zur Sittenwidrigkeit führenden
Nachteil. Ihre Vereinbarung zeigt keine Überteuerung des Architekten-honorars
an, es sei denn, es handele sich um ein Bauvorhaben mit Anforderungen,
die unabhängig von der Einordnung in die entsprechende Honorarzone
ein Honorar nach Mittelsätzen nicht rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür
finden sich im Berufungsurteil nicht. Außerdem hat die Bekl. ihrerseits
die Vereinbarung von Mittelsätzen nicht angegriffen oder als nachteilig
bezeichnet. Sie hat sich im Prozeßverlauf wiederholt und detailliert
mit den verschiedenen Schlußrechnungen des Kl. auseinandergesetzt
und zahlreiche, zum Teil schwerwiegende Beanstandungen zur Abrechnung vorgetragen.
Die zugrunde liegenden Mittelsätze hat sie dabei auch in Kenntnis
des Fehlverhaltens ihres Geschäftsführers sowie des Kl. stets
akzeptiert. Dadurch unterscheidet sich der Streitfall von der zitierten
Entscheidung des BGH (vgl. NJW 1989, 26 = LM § 138 [Aa] BGB Nr. 36
= WM 1988, 1380), auf die sich das BerGer. hauptsächlich stützt.
Für den dort zu beurteilenden Kaufvertrag war ein 10%iger Aufschlag
auf den normalen Kaufpreis festgestellt worden; auf dieser Grundlage hat
der BGH ausgeführt, es sei von einer Beeinflussung gegen den Willen
und zum Schaden des Geschäftsherrn, also von einem Nachteil im erörterten
Sinne auszugehen. Auch in dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall (RGZ
136, 359), auf den der BGH (vgl. NJW 1989, 26 = LM § 138 [Aa] BGB
Nr. 36 = WM 1988, 1380) seinerseits verwiesen hat, war ein Grund zur Annahme
eines Nachteils des Geschäftsherrn gegeben: dort hatte der Bekl. eine
Uberteuerung der in Rechnung gestellten Preise geltend gemacht. Im Streitfall
ist ein vergleichbarer Anhaltspunkt für einen Nachteil der Bekl. durch
überhöhte Preise nicht gegeben.
(3) Gründe dafür schließlich,
daß der Architektenvertrag unabhängig von der Voraussetzung
eines Nachteils der Bekl. keinen Bestand haben darf, sind nicht gegeben.
II. Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehen
bleiben; es ist aufzuheben. Bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung
wird das BerGer. zu bedenken haben, daß der damalige Geschäftsführer
der Bekl. für den Kl. erkennbar seine Vertretungsmacht mißbraucht
haben könnte (vgl. zum Mißbrauch BGH, NJW 1994, 2082 = LM H.
9/1994 § 164 BGB Nr. 75; NJW 1984, 1461 = LM § 37 GmbHG Nr. 5).
Ein Geschäftsführer ist im Zweifel ohne vorherige Information
seines Geschäftsherrn nicht befugt, für diesen einen Vertrag
mit dem Verhandlungspartner abzuschließen, der den Geschäftsführer
gerade bestochen hat. Daraus kann sich ergeben, daß der Architektenvertrag
entsprechend § 177 I BGB schwebend unwirksam ist und damit der Bekl.
die Moglichkeit eröffnet ist, das Rechtsgeschäft zu genehmigen
(vgl. Schramm, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 164 Rdnr. 102a; Jauernig,
BGB, 8. Aufl., § 164 Rdnr. 8; Palandt/Heinrichs, 58. Aufl., §
164 Rdnrn. 14 f.). Auch nach einer Genehmigung bliebe das Recht der Bekl.
zur außerordentlichen Kündigung unberührt.