NJW 1999, 2584
Der Kleinkrieg geht weiter: Nachdem der IX. Senat
in einem aufsehenerregenden Beschluß die Vorlage als unzulässig
bezeichnet hat (ZIP 2000, 404), hat sich mittlerweile
die Sache durch Rücknahme der Revision erledigt. Es wird also bedauerlicherweise
nicht zu einer Klärung der Fragen durch den Großen Senat kommen.
1. Ist die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft
oder Mithaftungsübernahme wegen finanzieller Überforderung für
alle Bürgen und Mithaftenden nach einheitlichen Kriterien zu beurteilen?
Gilt dies auch für vor dem 1. 1. 1999 geschlossene Verträge?
2. Ist eine Bürgschaft oder Mithaftungsübemahme
bei krasser finanzieller Uberforderung des Bürgen oder Mithaftenden
auch ohne Hinzutreten besonders belastender Umstände grundsätzlich
sittenwidrig und daher nichtig? Liegt eine solche hasse finanzielle Überforderung
vor, wenn der Bürge oder Mithaftende bei Übernahme der Verpflichtung
voraussichtlich allein nicht in der Lage sein wird, auch nur die vertraglich
vereinbarten Zinsen zu entrichten?
3. Stellt es grundsätzlich einen angemessenen
Interessenausgleich dar, wenn der finanziell kraß überforderte
Bürge oder Mithaftende aus dem Kredit mittelbare Vorteile erlangt,
oder sind nur unmittelbare Vorteile zu berücksichtigen?
Die Parteien streiten über die Rückzahlungsverpflichtung
der Kl. aus einem Darlehen über 360 000 DM, das die bekl. Bank 1981
dem inzwischen geschiedenen Ehemann der Kl., einem Architekten, im Zusammenhang
mit der Sanierung des ihm allein gehörenden Wohn- und Geschäftshauses
eingeräumt und für das die Kl. mit formularmäßiger
Erklärung die unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung übernommen
hat. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Kl. 32 Jahre alt und Mutter
eines zwei Jahre alten Kindes. Sie arbeitete seit 1976 als kaufmännische
Angestellte im Architektenbüro ihres damaligen Ehemanns und verdiente
zuletzt monatlich rd. 1650 DM netto. Ferner war sie Eigentümerin eines
bebauten und eines unbebauten Grundstücks in H. Das auch von den Eheleuten
bewohnte Hausgrundstück hatte einen Verkehrswert von rd. 700 000 DM
und war mit Grundschulden über 500 000 DM und 1 076 320 DM belastet.
Die monatlichen Mieteinnahmen betrugen 350 DM. An dem unbebauten Grundstück
waren Grundschulden über 50 000 DM und 100 000 DM bestellt. Es besaß
einen Verkehrswert von ca. 130 000 DM und war für 180 DM im Monat
vermietet. Nach den AGB der Bekl. hatten verheiratete Darlehensnehmer die
gesamtschuldnerische Haftung zu übernehmen. Außerdem mußte
jeder Ehepartner eine Selbstauskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse
erteilen. Das Darlehen wurde durch eine Grundschuld auf dem Hausgrundstück
des damaligen Ehemanns der Kl. gesichert, das nach einem Wertgutachten
aus dem Jahre 1980 einen Verkehrswert von rd. 720 000 DM hatte und bereits
mit einer Grund-schuld über 620 000 DM belastet war. Im September1983
kündigte die Bekl. den Darlehensvertrag wegen Zahlungsrückständen
fristlos. Kurze Zeit darauf wurde über das Vermögen des damaligen
Ehemanns der Kl. das Konkursverfahren eröffnet. Bei der Zwangsversteigerung
seines beliehenen Wohn- und Geschäftshauses fiel die Bekl. mit einer
Restforderung von fast 420 000 DM aus. Im Jahre 1987 wurden schließlich
auch die Grundstücke der Kl. zwangsversteigert. Die Sozialhilfe beziehende
Kl. ist vor allem der Auffassung, ihre Mithaftungsübernahme sei wegen
Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, jedenfalls aber im Hinblick
auf die Ehescheidung im Jahre 1993 nach den Regeln über den Wegfall
der Geschäftsgrundlage erloschen.
Die Bekl., die bereits einen rechtskräftigen
Vollstreckungsbescheid über einen Teilbetrag von 5000 DM erwirkt hat,
hält dem in erster Linie entgegen, die Kl. sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
weder erkennbar finanziell leistungsunfähig noch geschäftlich
unerfahren gewesen. Mit der Klage begehrte die Kl. die Herausgabe des Vollstreckungsbescheids
und die Feststellung, daß sie der Bekl. keinerlei Zahlungen aus dem
Darlehensvertrag schuldet. Das LG hat dem Feststellungsantrag stattgegeben
und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Berufung der Bekl. ist erfolglos
geblieben. Mit der Revision verfolgte sie den Klageabweisungsantrag weiter.
Aus den Gründen:
II. Der Bekl. steht nur dann ein weiterer Zahlungsanspruch
gegen die Kl. zu, wenn die unbeschränkte Mithaftung nicht wegen Verstoßes
gegen die guten Sitten nichtig ist und die Regeln über den Wegfall
der Geschäftsgrundlage keine Anwendung finden. Beide Fragen hat das
BerGer auf der Grundlage der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zur sogenannten
Ehegattenbürgschaft beantwortet. Diese Rechtsprechung ist zwar für
die nach dem 1. 1. 1999 übernommenen Bürgschaften neuerdings
insoweit modifiziert worden, als der Gläubiger nunmehr dem Interesse
an einem Schutz vor Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten
durch eine vertragliche Haftungsbeschränkung eindeutig Ausdruck verleihen
muß (NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998,
2327 [2330]); für die sogenannten Alt-fälle wie den vorliegenden
bleibt es aber dabei, daß eine solche Zweckrichtung in der Regel
,,die alleinige rechtlich tragbare Grundlage" (BGHZ 134, 325 [329] = NJW
1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114) für die unbeschränkte
Bürgen-haftung bildet. Die neuere Rechtsprechung des IX. Zivilsenats
wirft außerdem für Alt- wie für Neufälle erhebliche
Zweifelsfragen hinsichtlich der Beurteilungsmaßstäbe für
die Sitten-widrigkeit von Bürgschafts- und sonstigen Mithaftungserklärungen
auf, die im Interesse der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung einer abschließenden Klärung bedürfen.
Der XI. Zivilsenat hält deshalb eine Entscheidung
des Großen Senats für Zivilsachen über die im Beschlußtenor
niedergelegten Fragen für erforderlich (§ 132 IV GVG).
III. 1. Der IX. Zivilsenat hat bisher in ständiger
Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß für die Frage der
Sittenwidrigkeit von Bürgschaften mittelloser Kinder des Hauptschuldners
einerseits und Ehegatten oder Lebensgefährten sowie naher Verwandter
bzw. vergleichbarer Personengruppen andererseits unterschiedliche Kriterien
gelten.
a) Bei Bürgschaftserklärungen von Kindern
für die Geschäftsverbindlichkeiten ihrer Eltern hat der IX. Zivilsenat
die Sittenwidrigkeit der unbeschränkten Bürgschaft grundsätzlich
bereits dann bejaht, wenn die übernommene Verpflichtung die finanzielle
Leistungsfähigkeit des Bürgen weit übersteigt, der Bürge
bei Vertragsschluß nicht geschäftserfahren war und die Verpflichtung
aus Hilfsbereitschaft gegenüber den Eltern oder zwar aus einem gewissen
Eigeninteresse, aber ohne Einbindung in das finanzierte Projekt und die
Investitionsentscheidung übernahm (BGHZ 125,206 [210ff.] = NJW 1994,
1278 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91; BGH, NJW 1997, 52 = LM H. 2/1997
§ 765 BGB Nr. 110 = WM 1996, 2194 [2195]). Dies beruht zum einen darauf,
daß im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Überforderung
- anders als bei Ehegatten - keine sogenannte Gesamtbetrachtung vorgenommen
wurde, bei der geprüft wird, ob der oder die Bürgen gemeinsam
mit dem Hauptschuldner voraussichtlich in der Lage sind, die Darlehensschuld
zu tilgen. Vielmehr gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung, bei der das
wirtschaftliche Leistungsvermögen des Hauptschuldners und anderer
Sicherungsgeber außer Betracht zu bleiben hat (BGH, NJW 1997, 52
= LM H. 2/1997§ 76SBGBNr. 110 = WM 1996, 2194 [2196 f.]). Zum anderen
ist nach Auffassung des IX. Zivilsenats zu vermuten, daß die Eltern
das mittellose Kind unter Verstoß gegen ihre familiäre Rücksichtnahmepflicht
i. S. des § 1618 a BGB zur Übernahme der Bürgschaft veranlaßt
haben und die Bank das rechtlich mißbilligenswerte Verhalten der
Eltern bei Vertrags-schluß kannte (BGHZ 125,206 [214 f.] = NJW 1994,
1278 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91; BGH, NJW 1997,52 = LM H. 2/1997
§ 765 BGB Nr. 110 = WM 1996, 2194 [219sf.]).
Das Interesse der Bank, sich vor Vermögensverlagerungen
vom Kreditnehmer auf seine Kinder zu schützen, hat der IX. Zivilsenat
als Rechtfertigung für die Übernahme einer umfassenden Haftung
nicht ausreichen lassen, sondern sie auf eine "dieses spezifische Risiko
betreffende vertragliche Regelung" verwiesen (NJW 1997, 52 = LM H. 2/1997
§ 765 BGB Nr. 110 = WM 1996, 2194 12196]). Darüber hinaus hat
er bei Bürgschaften finanziell überforderter Kinder ein mittelbares
Interesse an der Kreditaufnahme wegen erhöhter Erb-aussichten für
unerheblich gehalten (BGHZ 125, 206 [211] = NJW 1994,1278 = LM H. 9/1994
§ 765 BGB Nr. 91).
b) Demgegenüber hat der IX. Zivilsenat für
Ehegattenbürgschaften unter Heranziehung des Gedankens der Schicksals-und
Wirtschaftsgemeinschaft § 138 1 BGB für unanwendbar erklärt,
wenn das Vermögen und Einkommen beider Ehepartner voraussichtlich
zur Tragung der vertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsraten ausreicht
(BGHZ 132, 328 [339] = NJW 1996, 2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr.
108; BGH, NJW 1996, 1274 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 104 = WM 1996,
519 [522]; NJW 1997, 3230 = LM H. 8/1997 § 276 [Fb] BGB Nr. 78 = WM
1997, 1046). Ferner ist er in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen,
daß ein Ehegatte die geforderte Bürgschaft im Zweifel in freier
Selbstbestimmung übernimmt (BGHZ 128, 230 [233 f.] = NJW 1995, 592
= LM H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 98) und daß daher grundsätzlich
nur unzulässige und dem Gläubiger zurechenbare Beeinträchtigungen
der Entscheidungsfreiheit oder andere besonders belastende Umstände
die Nichtigkeitsfolgen des § 138 1 BGB auslösen (BGHZ 132, 328
[329 f.] = NJW 1996, 2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108 m.w. Nachw.).
Indessen hat der IX. Zivilsenat diese Rechtsprechung
neuerdings modifiziert und hervorgehoben, daß sich eine finanziell
krass überforderte Ehefrau oder Verlobte im Zweifel nur aufgrund emotionaler
Bindung an den Hauptschuldner auf das unbeschränkte Mithaftungsbegehren
einläßt und die Bank die schwächere Verhandlungsposition
des Vertragsgegners gewöhnlich in anstößiger Weise ausnützt
(BGHZ 136, 347 [351] =NJW 1997, 3372=LM H. 5/1998 § 765 BGBNr. 126;BGH,
NJW 1999, 58 LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327 [2328]).
Auch dieser Lösungsansatz führte jedoch in der Regel nicht zur
Sirtenwidrigkeit, weil das Interesse der Bank an einem Schutz vor Vermögensverlagerungen
selbst bei einer eindeutigen finanziellen Überforderung des Bürgen
anerkannt wurde (BGHZ 128, 230 [234 f.] = NJW 1995, 592 = LM H. 6/1995
§ 765 BGB Nr. 98; BGHZ 132, 328 [333 f.] = NJW 1996, 2088 = LM H.
9/1996 § 765 BGB Nr. 108; BGHZ 134, 325 [328] = NJW 1997, 1003 = LM
H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114; BGHZ 136, 347 [353] = NJW 1997, 3372
= LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 126; BGH, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999
§ 765 BGB Nr. 132 = WM 1998,2327 [2328]). Außerdem soll bei
Ehegattenbürgschaften für Geschäftskredite des Ehepartners
bereits das mittelbare Interesse des Bürgen am Kredit wegen der zu
erwartenden höheren Unterhaltsleistungen die Sittenwidrigkeit entfallen
lassen, sofern der Vertragsschluß nicht mit unzulässigen Mitteln
herbeigeführt wurde (BGHZ 128,230 [233 f] = NJW 1995,592 = LM H. 6/1
995 § 765 BGB Nr. 98; BGH, NJW 1996, 1274 = LM H. 6/1996 § 765
BGB Nr. 104 = WM 1996, 519 [521]; NJW 1997, 1005 = LM H. 5/1997 §
765 BGB Nr. 113 = WM 1997, 465 [466]).
Da der IX. Zivilsenat danach nur selten zur Sittenwidrigkeit
des Bürgschaftsvertrags kam, hat er, schon um den Vorgaben des BVerfG
(BVerfGE 89,214 [229 f., 233 f.] = NJW 1994,36; BVer[G, NJW 1994,2749 [2750])
zu genügen, die erzielten Ergebnisse mit Hilfe der Vertragsauslegung
sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben korrigiert und dem in keine Vermögensverschiebung
verstrickten leistungsunfähigen Ehepartner in Anlehnung an die Rechtsfigur
des pactum de non petendo ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht
zugebilligt. Außer dem wurde dem Ehegatten nach Auflösung der
Ehe mit dem Darlehensempfänger unter Heranziehung der Regeln über
den Wegfall der Geschäftsgrundlage trotz wirksamer Begründung
des Bürgschaftsvertrags die Möglichkeit einer Befreiung von der
Bürgschaftsschuld eröffnet (BGHZ 128, 230 [235 ff.] = NJW 1995,
592 = LM H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 98; BGHZ 132, 328 [332ff.] = NJW
1996, 2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108; BGHZ 134, 325 [328ff.]
= NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114 m. w. Nachw.).
Diese Grundsätze hat der IX. Zivilsenat in
seiner weiteren Rechtsprechung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften (NJW
1997,1005 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 113 = WM 1997,465 [466]), auf
Verlobte (BGHZ 136, 347 [350] = NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765
BGB Nr. 120), auf Geschwister mit "vergleichbar engen persönlichen
Beziehungen" (BGHZ 137, 329 [335] = NJW 1998, 597 = LM H. 5/1998 §
765 BGB Nr. 121; BGH, NJW 1999, 2372 = LM H. 7/1 999 EGÜbk Nr. 58
= WM 1999, 681 [683], z. Veröff. in BGHZ vorgesehen), auf die Beziehungen
zwischen Base und Vetter (NJW 1997, 3230 = LM H. 8/1997 § 276 [Fb]
BGB Nr. 78 = WM 1997, 1045 [1046]) sowie auf die Bürgschaftserklärung
eines mit dem Hauptschuldner persönlich verbundenen Strohmann-Gesellschafters
(BGHZ 137, 329 [337] = NJW 1998, 597 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr.
121) übertragen; sogar die Anwendung auf eine finanziell überforderte
Gemeinde wurde erwogen (BGH, NJW 1998, 2138 = LM H. 9/1998 § 765 BGB
Nr. 125 = WM 1998, 976 [979]).
2. Der XI. Zivilsenat ist demgegenüber in
ständiger Rechtsprechung (BGHZ 120, 272 [275] = NJW 1993, 322 = LM
H. 4/1993 § 138 [Bc] BGB Nr. 75; BGHZ 134, 42 [48] = NJW 1997,257
= LM H. 2/1997 § 5 AGBG Nr. 25; BGHZ 135,66 [69] = NJW 1997, 1773
= LM H. 9/1997 § 138 [Bb] BGB Nr. 80; BGH, NJW 1991,923 = LM §
55 GewO Nr. 8 = WM 1991, 313 [315]; NJW 1994, 1726 = LM H. 9/1994 §
ib AbzG Nr. 29 = WM 1994, 1022 [1023]) davon ausgegangen, daß die
Kriterien, nach denen die Sittenwidrigkeit von Mithaftungsvereinbarungen
zu beurteilen ist, für alle Gruppen von Bürgen und sonstigen
Mithaftenden einheitlich sein müssen. Dabei hat er es stets abgelehnt,
das Interesse der kreditgewährenden Bank an einem Schutz vor Vermögensverlagerungen
bei einem unbeschränkten Mithaftungsbegehren als einen die Sittenwidrigkeit
ausschließenden Umstand anzuerkennen (BGHZ 134, 42 [49] = NJW 1997,257
= LM H. 2/1 997 § 5 AGBG Nr. 25 m.w. Nachw.; BGHZ 135, 66 [68] = NJW
1997, 1773 = LM H. 9/1997 § 138 [Bb] BGB Nr. 80). Er hat ferner von
Anfang an die Auffassung vertreten, daß bei der Beurteilung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit auch des Ehepartners keine Gesamtbetrachtung vorzunehmen
ist, sondern allein dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse
maßgebend sind (BGHZ 120, 272 [276] = NJW 1993, 322 = LM H. 4/1993
§ 138 [Bc] BGB Nr. 75; BGH, NJW 1994, 1726 = LM H. 9/1994 § 1
b AbzG Nr. 29 = WM 1994, 1022 [1023]). Schließlich wurden im Rahmen
der Interessenabwägung grundsätzlich nur die dem finanzschwachen
Mithaftenden aus dem Darlehen unmittelbar zugeflossenen geldwerten Vorteile
berücksichtigt (BGH, NJW 1991, 923 = LM § 55 GewO Nr. 8 = WM
1991, 313 [315]; BGHZ 120, 272 [278] = NJW 1993, 322 = LM H.4/1993 §
138 [Bc] BGB Nr.75; BGH, NJW 1994, 1726 = LM H. 9/1994 § 1 b AbzG
Nr. 29 = WM 1994, 1022 [1024]; BGHZ 134,42 [49 f.] = NJW 1997, 1773 = LM
H. 9/1997 § 138 [Bb] BGB Nr. 80; NJW 1999, 135 = LM H. 3/1999 §
138 [Bb] BGB Nr. 90 = WM 1998, 2366 [2367]). Daran wird in allen Punkten
festgehalten. 3. Die vom IX. Zivilsenat aufgestellten Grundsätze führen
- zumindest für die sogenannten Altfälle - zu Wertungswidersprüchen
und erheblicher Rechtsunsicherheit.
a) Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich,
für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei
Kindern des Hauptschuldners andere Maßstäbe anzulegen als bei
sonstigen nahen Angehörigen oder bei Dritten. Die Mithaftung wird
in allen Fällen zur Absicherung gegen eine Insolvenz des Hauptschuldners
übernommen. Deshalb ist es bereits im Ansatz verfehlt, bei Ehegatten
auf das gemeinsame Leistungsvermögen von Hauptschuldner und mithaftendem
Partner abzustellen. Vollends unverständlich wird diese vom Normalfall
abweichende Betrachtungsweise durch die Übertragung der für die
Ehegattenbürgschaft entwickelten Grundsätze auf Geschwister und
sonstige mehr oder weniger nahe Angehörige. Daß Vettern und
Basen einander näherstehen als Eltern und Kinder, läßt
sich weder dogmatisch noch genetisch noch auch nur empirisch herleiten.
Da im übrigen klare Grundsätze für den Kreis der dem Ehepartner
gleichzustellenden Personengruppen fehlen, führt die unterschiedliche
Behandlung von Kindern und sonstigen Angehörigen zwangsläufig
zur Konturlosigkeit und Beliebigkeit.
b) Dasselbe gilt für die Berücksichtigung
des Interesses der kreditgewährenden Bank an der Verhinderung von
Vermögensverschiebungen. Schon der Ausgangspunkt, daß die Wahrscheinlichkeit
solcher Verlagerungen der Haftungsmasse in einer Ehe größer
ist als im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, ist wenig überzeugend.
Jedenfalls ist die mehr oder weniger große abstrakte Gefahr kollusiven
Zusammenwirkens zwischen Hauptschuldner und Mithaftendem kein hinreichender
Grund für unterschiedliche Kriterien bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit
einer finanziellen Überforderung des Mithaftenden durch eine von solchen
Praktiken unabhängige gegenständlich unbeschränkte Einbindung
in das unternehmerische Risiko des Hauptschuldners. Im übrigen führt
auch hier wieder die Übertragung der für Ehegatten entwickelten
Grundsätze auf andere Angehörige zu unhaltbaren Ergebnissen:
Es kann sicher keine Rede davon sein, daß
die Wahrscheinlichkeit von Vermögensverschiebungen zwischen Verwandten
in der Seitenlinie größer ist als zwischen Eltern und ihren
direkten Abkömmlingen. Damit fehlt jede Berechtigung, die Mithaftung
von Geschwistern oder von Vettern und Basen bei einem noch genauer zu definierenden
Grad der gegenseitigen Zuneigung unter dem Blickwinkel des § 138 I
BGB anders zu beurteilen als bei Kindern, die für den einem Elternteil
gewährten Kredit einstehen sollen. Ebenso liegen die Dinge bei der
(nachträglichen) Festlegung des angeblich in Wahrheit gewollten Haftungsumfangs.
Selbst innerhalb des Anwendungsbereichs der Ehegatten-bürgschaft
sind die vom IX. Zivilsenat gewonnenen Ergebnisse inkonsistent. Ein einigermaßen
klarer Wegfall der Gefahr von Vermögensverschiebungen läßt
sich - wenn man die Möglichkeit der Wiederheirat außer Betracht
läßt - nur für den Fall der Ehescheidung annehmen. Alle
anderen Personengruppen, auf die die Grundsätze für die Ehegattenbürgschaft
übertragbar sein sollen, können sich nicht in vergleichbarer
Weise endgültig von der Mithaftung befreien.
4. Die hier vertretene Betrachtungsweise wird
im Ergebnis für nach dem 1. 1. 1999 abgegebene Bürgschaftserklärungen
nunmehr auch vom IX. Zivilsenat geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert,
die von ihm für die Zukunft anerkannten Gesichtspunkte auch auf Altfälle
anzuwenden (NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998,
2327 [2329 f.]), weil für die Kreditgeber nicht klar gewesen sei,
inwieweit sie ihr Interesse an einem Schutz vor Vermögensverschiebungen
über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft hinaus durch
geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten.
Diese Begründung für die Anwendung der
bisherigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats auf Altfälle überzeugt
nicht. Es kann offen bleiben, inwieweit das Vertrauen auf eine höchstrichterlich
geklärte Rechtslage schutzwürdig ist (vgl. dazu BGHZ 73, 266
[272] = NJW 1979, 1161 = LM § 179 BGB Nr. 12; BGHZ 132, 119 [131 f.]
= NJW 1996, 1467 = LM H. 9/1 996 § 765 BGB Nr. 107). Eine solche Situation
ist nicht gegeben. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen
ist erstmals als Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG vom 19. 10. 1993
(BVerfGE 89, 214 [229ff.] = NJW 1994, 36) allein vom IX. Zivilsenat im
Bürgschaftsrecht berücksichtigt worden (BGHZ 128,230 [234 f.]
= NJW 1995, 592 = LM H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 98); er hat dabei ausdrücklich
der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (NJW 1991, 923 = LM
§ 55 GewO Nr. 8 = WM 1991, 313 [315]; BGHZ 120, 272 [278 f.] = NJW
1993, 322 = LM H. 4/1993 § 138 [Bc] BGB Nr. 75) widersprochen. Der
XI. Zivilsenat hat bis in die Gegenwart daran festgehalten, daß allein
das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes
Mithaftungsbegehren nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42 [49] = NJW 1997, 257
= LM H. 2/1997 § 5 AGBG Nr. 25 m.w. Nachw.; BGHZ 135, 66 [69] NJW
1997, 1773 = LM H 9/1997 § 138 [Bb] BGB Nr. 80). Von einer höchstrichterlich
geklärten Rechtslage kann also keine Rede sein. Im übrigen betrifft
keine der bisherigen Entscheidungen des BGH zur Frage der Sittenwidrigkeit
der Bürgschaft oder sonstigen Mithaftungsvereinbarung einen Fall,
in dem Vermögensverschiebungen tatsächlich eine Rolle gespielt
hätten. Durch die Rechtsprechung des XI. und im Ergebnis auch durch
die des IX Zivilsenats sind den Kreditinstituten deshalb nur Titel verwehrt
worden, aus denen ohnehin nicht vollstreckt werden könnte. Soweit
nach der neueren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats (vgl. BGHZ 134, 325
[328 ff.] = NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114) der Gesichtspunkt
der Verhinderung von Vermögensverlagerungen jetzt auch dazu dient,
die Haftung des finanziell überforderten Bürgen trotz wirksamer
Begründung des Bürgschaftsvertrages inhaltlich auf den Fall der
Vermögensverschiebung zu begrenzen, ist für den als notwendig
angesehenen Vertrauensschutz der Kreditwirtschaft von vornherein kein Raum.
IV. Zwischen dem IX. und XI. Zivilsenat besteht
sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung Einigkeit darüber,
daß eine Bürgschaft oder Mithaftungsvereinbarung auch ohne Hinzutreten
besonders belastender und dem Gläubiger zurechenbarer Umstände
gegen die guten Sitten verstößt und daher nichtig ist, wenn
ein Fall krasser finanzieller Überforderung vorliegt und der Mithaftende
kein erkennbares eigenes persönliches bzw. wirtschaftliches Interesse
an der Kreditaufnahme hat. Wann diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt
sind, bedarf allerdings nach Auffassung des XI. Zivilsenats einer abschließenden
Festlegung durch den angerufenen Großen Senat.
1. Der XI. Zivilsenat hat in ständiger Rechtsprechung
(NJW 1991, 923 = LM § 55 GewO Nr. 8 = WM 1991, 313 [314]; BGHZ 135,
66 [70] NJW 1997, 1773 = LM H. 9/1997 § 138 [Bb] BGB Nr. 80) das Vorliegen
einer krassen finanziellen Überforderung des Ehegatten oder nahen
Angehörigen davon abhängig gemacht, daß dieser bei Abgabe
der Mithaftungserklärung mit seinen eigenen Mitteln auf absehbare
Zeit keine nennenswerten Tilgungsleistungen erbringen und nicht einmal
die vertraglich vereinbarten Zinsen bezahlen konnte. Demgegenüber
ist nach mehreren Entscheidungen des IX. Zivilsenats eine krasse finanzielle
Überforderung speziell bei Ehegattenbürgschaften zu bejahen,
wenn die pfändbaren Einkünfte des Bürgen voraussichtlich
nicht ausreichen, innerhalb von fünf Jahren - gerechnet ab Fälligkeit
der Bürgschaftsforderung - ein Viertel der Bürgschaftssumme (Hauptschuld)
abzudecken (BGHZ 136, 347 [351] = NJW 1997,3372 = LM H. 5/1998 § 765
BGB Nr. 120; BGH, NJW 1999, 2372 = LM H. 7/1999 EGübk Nr. 58 = WM
1999, 681 [683], z. Veröff. in BGHZ vorgesehen).
Dieser Betrachtungsweise vermag sich der XI. Zivilsenat
nicht anzuschließen. Vielmehr ist eine krasse finanzielle Über-forderung
des Bürgen oder Mithaftenden dann anzunehmen, wenn er mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einmal in der Lage ist, die vertraglich
geschuldeten Zinsen aufzubringen. Die vom IX. Zivilsenat ursprünglich
zur Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. dazu BGHZ
132, 328 [338] = NJW 1996, 2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108;
BGHZ 134, 325 [332] = NJW 1997, 1003 = LM H 5/1997 § 765 BGB Nr. 114;
BGH, NJW 1997, 1005 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 113 = WM 1997, 465
[467]) entwickelte Formel (sog. 25%-Grenze) bietet in der vorliegenden
Frage keine tragfähige Entscheidungsgrundlage. Abgesehen davon, daß
sowohl die 25%-Grenze als auch die Fünfjahresfrist in ihrer empirischen
Herleitung alles andere als überzeugend sind, steht das Abstellen
auf die Hauptforderung auch dogmatisch in unüberbrückbarem Widerspruch
zu der gesetzlichen Regelung der Tilgungsreihenfolge in § 3671 BGB.
Etwaige Zahlungen des Mithaftenden werden nicht auf die Hauptschuld, sondern
zunächst auf Kosten und Zinsen angerechnet. Dieser - nur für
Verbraucherkreditverträge durch § 11 III 1 VerbrKrG modifizierten
- rechtlichen Ausgangslage trägt die Betrachtungsweise des XI. Zivilsenats
weit besser Rechnung: Reicht die, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
des Mithaftenden nicht einmal aus, die vorab zu bedienenden Zinsen aufzubringen,
und besteht deshalb für ihn keine Aussicht, sich jemals aus eigener
Kraft von der Schuldenlast zu befreien, so liegt eine krasse finanzielle
Überforderung vor. Dies läßt es gerechtfertigt erscheinen,
dem Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen,
daß die unbeschränkte Mithaftung im wesentlichen aus eigennützigen
Motiven übernommen wurde.
2. Bei der Frage, ob die Voraussetzungen einer
krassen finanziellen Überforderung zu bejahen sind, ist allein auf
die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Bürgen oder
sonstigen Mitverpflichteten abzustellen. Zwar ist die Ehe im Verhältnis
der Ehegatten untereinander eine Schicksals- und Risikogemeinschaft, sie
ist jedoch keine Solidargemeinschaft, die im Außenverhältnis
ein Einstehen für die Verbindlichkeiten des Partners erwarten läßt
(Senat, BGHZ 135, 66 [71] = NJW 1997, 1773 = LM H. 9/1997 § 138 [Bb]
BGB Nr. 80 m.w. Nachw.). Dieser Grundsatz wird durch eine Gesamtbetrachtung
in sein Gegenteil verkehrt. Die Annahme, daß auch die Einbindung
eines finanziell kraß überforderten Ehepartners in die Haftung
grundsätzlich nicht zur Sittenwidrigkeit führt, wenn neben ihm
ein - scheinbar - wirtschaftlich potenter Hauptschuldner vorhanden ist,
bürdet dem Mithaftenden das Risiko einer wesentlichen Verschlechterung
der Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder einer fehlenden
Leistungsbereitschaft des anderen auf. Die Mithaftung wird regelmäßig
für den Fall der Insolvenz des Hauptschuldners vereinbart. Auf diesen
Fall ist deshalb bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
des Bürgen oder Mitverpflichteten abzustellen; In späteren Entscheidungen
des IX. Zivilsenats wird deshalb auch bei Ehegattenbürgschaften keine
Gesamtbetrachtung mehr vorgenommen, sondern richtigerweise allein die finanzielle
Leistungsfähigkeit des Bürgen beurteilt (BGHZ 134, 325 [327]
NJW 1997,1003 = LM H. 5/1997§ 765 BGB Nr. 114; BGHZ 136,347 [351]
= NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120; BGH, NJW 1999,
58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327).
3. Ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eigenes
Vermögen des Mithaftenden vorhanden, so ist dieses unter Beachtung
der banküblichen Gepflogenheiten zu berücksichtigen. Da die Bank
die geforderten dinglichen Sicherheiten grundsätzlich vor der Hereinnahme
auf ihre Werthaltigkeit hin überprüft, muß sie von sich
aus entsprechende Ermittlungen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse
des künftigen Vertragsgegners anstellen. Hat sie von solchen Nachforschungen
abgesehen, insbesondere den Betroffenen nicht zu seiner finanziellen Leistungsfähigkeit
befragt, muß sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als
bekannt entgegenhalten lassen (BGH, NJW 1996, 513 = LM H. 4/1996 §
138 [Bd BGB Nr. 85 = WM 1996, 53 [54]; NJW 1999, 58 = LM H. 3/1 999 §
765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327 [2329]). Diese Auffassung wird vom XI.
Zivilsenat geteilt.
Bei der Bewertung des unbeweglichen Vermögens
des Mithaftenden sind etwaige dingliche Belastungen zu berücksichtigen.
Die gegenteilige Ansicht des IX. Zivilsenats (NJW 1996, 1470 = LM H. 8/1996
§ 767 BGB Nr. 31/32 = WM 1996, 766 [768]; BGHZ 137, 153 = NJW 1998,
450 = LM H. 6/1998 § 765 BGB Nr. 124 = WM 1998, 67 [69]), nach der
sogar bis zum Verkehrswert belastete Grundstücke des Bürgen grundsätzlich
einen ,,potentiell erheblichen Vermögenswert" darstellen, vermag nicht
zu überzeugen. Die lediglich potentielle Werthaltigkeit von Vermögen
- insbesondere Grundvermögen -, das zur Zeit der Haftungsmitübernahme
wegen anderweitiger Belastungen keinen realen Sicherungswert hat, ist kein
hinreichender Grund, die Sittenwidrigkeit einer gegenständlich unbeschränkten
Mithaftung des im übrigen leistungsunfähigen Eigentümers
ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Sicherungswert im Zeitpunkt
des Sicherungsfalls zu verneinen. Die gegenteilige Ansicht führt -
wie der hier zu entscheidende Fall zeigt - zu einer persönlichen lebenslangen
Verschuldung des Eigentümers gerade in den Fällen, in denen sich
die Hoffnungen des Gläubigers, auf das derzeit über den Verkehrswert
hinaus belastete Vermögen später zugreifen zu können, nicht
erfüllt haben. Dem vom IX. Zivilsenat zutreffend als schutzwürdig
angesehenen Interesse des Gläubigers, dem Zugriff ande rer Gläubiger
unterliegende Vermögensgegenstände als künftige eigene Sicherheit
in den Haftungsverband einzubeziehen, kann durch geeignete Vertragsgestaltungen
Rechnung getragen werden.
4. Grundsätzlich ist bei der Feststellung
der finanziellen Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden auch
zu berücksichtigen, ob der Hauptschuldner für den ausgereichten
Kredit eine oder mehrere dingliche Sicherheiten bestellt hat. Insoweit
hat der IX. Zivilsenat (BGHZ 136, 347 [352 f.] = NJW 1997, 3372 = LM H.
5/1998 § 765 BGB Nr. 120) ausdrücklich klargestellt, daß
hinsichtlich des Risikos, das der Bürge eingeht, vom vollen Nennwert
der Bürgschaft auszugehen ist, wenn der Gläubiger zwar weitere
Sicherheiten erhalten hat, jedoch die Rechte des Bürgen aus §
776BGB abbedungen sind und nicht sichergestellt ist, daß er nur in
einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme
in Anspruch genommen wird. Dagegen kann trotz eines Nominalbetrags der
Bürgschaftsverpflichtung, der jedes vernünftige Maß übersteigt,
eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen zu verneinen
sein, sobald er im Hinblick auf die übrigen dem Gläubiger gewährten
Sicherheiten davor geschützt ist, aus der Bürgschaft in einem
Maße in Anspruch genommen zu werden, das völlig außer
Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steht
(BGHZ 136, 347 [352] = NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr.
120; BGH, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998,
2327 [2328]).
Als Konsequenz aus diesen Entscheidungen ist im
Ergebnis festzuhalten, daß anderweitige Sicherheiten des Gläubigers
nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie das Haftungsrisiko des
Bürgen oder Mithaftenden in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares
Maß beschränken.
5. Bei der Beurteilung der Frage, ob die unbeschränkte
Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme wegen krasser finanzieller
Überforderung gegen die guten Sitten verstößt, ist der
Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Auf eine tatsächliche
Vermutung, daß die zur Zeit der Inanspruchnahme besseren Einkommens-
und Vermögensverhältnisse des Betroffenen voraussehbar waren,
vermag sich der Kreditgeber grundsätzlich nicht zu berufen. Die Frage
der finanziellen Überforderung ist nach den Verhältnissen bei
Vertragsschluß zu beurteilen. Der XI. Zivilsenat hat daher darauf
abgestellt, ob insbesondere aufgrund der Schul- und Berufsausbildung oder
anderer erwerbsrelevanter Fähigkeiten des Betroffenen. eine begründete
Aussicht auf eine alsbaldige wesentliche Verbesserung der finanziellen
Leistungsfähigkeit bestand (BGHZ 120, 272 [276] = NJW 1993, 322 =
LM H. 4/1 993 § 138 [Bc] BGB Nr. 75; BGHZ 135, 66 [70] = NJW 1997,
1773 = LM H. 911998 § 138 [Bb] BGB Nr. 80; BGH, NJW 1999, 135 = LM
H. 3/1 999 § 138 [Bb] BGB Nr. 90 = WM 1998, 2366).
Dagegen hält es der IX. Zivilsenat grundsätzlich
für sachgerechter, die Zukunftsprognose jedenfalls dann auf den Zeit
punkt des Eintritts der Fälligkeit der Bürgschaftsschuld auszurichten,
wenn bis dahin kein ungewöhnlich langer, außerhalb jeder Erwartung
liegender Zeitraum vergangen ist (BGHZ 132, 328 [334 f.] NJW 1996, 2088
= LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108; wohl auch BGH, NJW 1998, 450 = LM
H. 6/1 998 § 765 BGB Nr. 124 = WM 1998, 67 [69], insoweit in BGHZ
137, 153, n. abgedr.; anders dagegen BGH, NJW 1996, 513 = LM H. 4/1996
§ 138 [Bd BGB Nr. 85 = WM 1996, 53 [54], u. NJW 1996, 1274 = LM H.
6/1996 § 765 BGB Nr. 104 = WM 1996, 519 [522]). Liegt bei Fälligkeit
der Bürgschaft Leistungsfähigkeit vor, so spricht seiner Auffassung
nach eine tatsächliche Vermutung dafür, daß dies im Zweifel
bereits bei Bestellung der Bürgschaft voraussehbar war (BGHZ 132,
328 [33Sf.] = NJW 1996, 2088 LM H. 9/1996 § 76S BGB Nr. 108). In der
Entscheidung vom 8. 10. 1998 (NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB
Nr. 132 = WM 1998, 2327 [2329 f.]) hat der IX. Zivilsenat allerdings diese
Rechtsprechung modifiziert und betont, daß ein später eingetretener
Vermögenserwerb nicht als vbrhergesehen ver 2588 NJW 1999, Heft
35 Entscheidungen - Zivilgerichte: BGH
mutet wird, sondern daß er - genauso wie
das Interesse des Gläubigers an einem Schutz vor Vermögensverschiebungen
- durch vertragliche Vereinbarung zum Haftungszweck gemacht werden muß.
Nur noch hinsichtlich einer künftigen Einkommensverbesserung soll
also offenbar eine tatsächliche Vermutung gelten. Auch dem vermag
der XI. Zivilsenat nicht zu folgen.
Die Annahme einer tatsächlichen Vermutung
für die Vorhersehbarkeit der finanziellen Verhältnisse des Bürgen
oder Mithaftenden im Zeitpunkt seiner tatsächlichen Inanspruchnahme
verlagert im Endeffekt die Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
von dem eigentlich maßgebenden Vertrags-schluß auf die allein
vom Gläubiger bestimmte Geltendmachung seiner Rechte. Die genannte
Einschränkung der Vermutung bei späterem Vermögenserwerb
zeigt, daß dies jedenfalls dort auch nach Ansicht des IX. Zivilsenats
zu untragbaren Ergebnissen führen würde. Warum da‘s bei unerwarteter
Verbesserung der Einkommensverhältnisse anders sein sollte, ist nicht
einzusehen. Nimmt ein Gläubiger einen Mitverpflichteten in Anspruch,
der zur Zeit der Haftungsübernahme finanziell kraß überfördert
war, so hat er darzulegen und zu beweisen, daß die Einbindung in
die Haftung ausnahmsweise wegen einer zu erwartetiden Verbesserung der
finanziellen Lage dieses Mitschuldners wirtschaftlich sinnvoll war. Er
wird diese Erwartung bei kaufmännisch korrekter Vorgehensweise in
den Kreditunterlagen niedergelegt haben. Es besteht deshalb kein Anlaß,
ihm zu Lasten eines wirtschaftlich Schwächeren bei der Darlegung und
dem Beweis seiner eigenen Vorstellungen Erleichterungen zuzubilligen.
V. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein eigenes
persönliches oder wirtschaftliches Interesse des Bürgen bzw.
sonstigen Mithaftenden an der Kreditaufnahme einen angemessenen Ausgleich
zur krassen finanziellen Überforderung schafft, sind nach Auffassung
des XI. Zivilsenats grundsätzlich nur solche Vorteile zu berücksichtigen,
die dem Betroffenen unmittelbar und in einem ausreichenden Maße aus
der Kreditaufnahme zugeflossen sind. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit,
die es jedem erlaubt, sich zur Erfüllung eigener Wünsche auch
weit über seine finanzielle Leistungsfähigkeit hinaus zu verschulden,
verbietet
es nach der übereinstimmenden Auffassung des IX. und XI. Zivilsenats,
an die krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden
das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu knüpfen, wenn der Mitverpflichtete
aus dem Kredit ins Gewicht fallende eigene Vorteile zieht. Insbesondere
trifft die Bank kein Vorwurf, falls sie mit mehreren Personen, die ein
gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung haben, eine gesamtschuldnerische
Haftung vereinbart.
Vor diesem Hintergrund hat der XI. Zivilsenat
auch eine den finanzschwachen Ehepartner übermäßig belastende
Mithaftungsvereinbarung nicht für nichtig erachtet, wenn er sich aufgrund
der Kreditmittelverwendung in ähnlicher Lage wie bei einer gemeinsamen
Darlehensaufnahme befindet (NJW 1991, 923 = LM § 55 GewO Nr. 8 = WM
1991,313 [315]; BGHZ 120,272 [2781 = NJW 1993,322 = LM H. 4/1993 §
138 [Bc] BGB Nr. 75; BGH, NJW 1994, 1726 = LM H. 9/1994 § 1 b AbzG
Nr.29 = WM 1994, 1022 [1024]; BGHZ 134,42 [49] = NJW 1997, 257 = LM H.
2/1997 § 5 AGBG Nr. 25; BGH, NJW 1999, 135 = LM H. 3/1999 § 138
(Be) BGB Nr. 75 = WM 1998, 2366 [2367]).
Allerdings bestehen unterschiedliche Auffassungen
in der Frage, ob es erforderlich ist, daß der Mithaftende aus der
Kreditgewährung unmittelbare geldwerte Vorteile zieht, oder ob - wie
der IX. Zivilsenat speziell bei Ehegattenbürgschaften für Geschäftskredite
angenommen hat (BGHZ 128, 230 [234] = NJW 1995, 592 = LM H. 6/1995 §
765 BGB Nr. 98; BGH, NJW 1996, 1274 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 104
= WM 1996, 519 [521]; NJW 1997, 1005 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr.
113 = WM 1997, 465 [466]) - auch mittelbare Vorteile in Form von zu erwartenden
höheren Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen sind. Ob diese
Rechtsprechung fortgeführt werden soll, erscheint nach seiner Entscheidung
vom 8. 10. 1998 (NJW 1999 58 - LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM
1998, 2327 [2328]), in der dieser Gesichts- punkt nicht mehr erwähnt
wird, zweifelhaft. Insoweit bedarf es deshalb der abschließenden
Klärung durch den Großen Senat.
Der XI. Zivilsenat ist der Auffassung, daß
mittelbare Vorteile nicht ausreichen, die Sittenwidrigkeit der unbeschränkten
Bürgschaft oder Mithaftung zu verneinen. Der gegenteilige Standpunkt
führt zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner
selbständiger Unternehmer ohne Rücksicht auf ihre finanzielle
Leistungsfähigkeit. Die Unterhaltsbedürftigkeit des einen Partners
ist kein vertretbarer Gesichtspunkt, ihn ohne Rücksicht auf seine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in das unternehmerische Risiko
des anderen einzubinden. Für den Normalfall ist davon auszugehen,
daß der Unterhaltspflichtige im Rahmen seiner Fähigkeiten selbst
entscheidet, ob er sich die Mittel für den Unterhalt seiner Familie
durch eine abhängige oder durch eine selbständige Tätigkeit
verschafft. Die Abhängigkeit vom Leistungsvermögen des Unterhaltspflichtigen
ist kein Grund, dem Abhängigen die wirtschaftliche Mitverantwortung
für diese nicht von ihm getroffene Entscheidung aufzubürden und
seine Unterhalts-bedürftigkeit als Rechtfertigung für die im
Ergebnis sinnlose Belastung mit einer nicht abtragbaren Schuldenlast anzusehen.
Schließlich besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der Aussicht
des Ehepartners auf eine erhöhte Unterhaltsleistung und der auch vom
IX. Zivilsenat grundsätzlich für unerheblich gehaltenen Chance
des mittellosen Kindes des Hauptschuldners auf eine größere
Erbschaft. Zwar mag es sich in den letztgenannten Fällen um völlig
unbestimmte und in keinem inneren Zusammenhang mit der Kreditgewährung
stehende Vorteile handeln. Bei den - angeblich - zu erwartenden höheren
Unterhaltsleistungen des Kreditnehmers liegen aber die Dinge nicht viel
anders, zumal gewöhnlich nicht einmal sicher ist, ob der Ehepartner
an einer tatsächlichen Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
in angemessener Weise und dauerhaft partizipieren wird.