NJW 1999, 2882
1. Bei Gesamtvertretung einer Vertragspartei
genügt es für das Einverständnis i. S. des § 117 I
BGB, wenn lediglich ein Vertreter wußte, daß der Vertragspartner
seine Erklärung nur zum Schein abgeben wollte.
2. Der Vertragspartner kann den Einwand des
Scheingeschäfts jedoch nicht geltend machen, wenn die Simulationsabrede
gegenüber dem Vertretenen kollusiv geheimgehalten werden sollte.
Das Standardproblem des arglistigen Zusammenwirkens
von Vertreter und anderer Vertragspartei zum Schaden des Vertretenen (Kollusion)
besteht meist darin, daß der Vertretene an das nachteilige Rechtsgeschäft
nicht gebunden sein will. Dies ergibt sich aus § 138 I BGB (Sittenwidrigkeit).
In der vorliegenden Fallkonstellation ging es darum, daß der Vertreter
und die andere Vertragspartei ein Geschäft im Namen des Vertretenen
nur zum Schein abgeschlossen hatten und der Vertretene das Geschäft
gelten lassen wollte. An sich liegt in einem solchen Fall ein nach §
117 I BGB unwirksames Scheingeschäft vor, selbst wenn der Vertretene
nicht wußte, daß die andere Partei ihre Willenserklärung
nur zum Schein abgegeben hat. Für den Fall der Kollusion sieht der
BGH hier allerdings zu Recht einen Fall analog § 116 BGB zu behandelnden
Fall des unbeachtlichen geheimen Vorbehalts: Der Geschäftspartner
spiegelt dann mit Hilfe des Vertreters dem Vertretenen in gleicher Weise
wie in § 116 BGB anvisiert das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen
Willens vor. Für den Grundkurs sind insbesondere die fett wiedergegebenen
Passagen wichtig.
Zum "mißlungenen Scheingeschäft" sowie
zur Zurechnung der Scheinabrede eines Verhandlungsgehilfen s.
BGH, Urt. v. 26. Mai 2000 - V ZR 399/99 = NJW 2000, 3127.
Die kl. Bank macht Rückzahlungsansprüche
aus Darlehensvertragen geltend. Die Kl. belastete am 17. 3. 1992 ein Kreditkonto
des Bekl. in Höhe von 220 000 DM und schrieb den Betrag einem Geschäftskonto
des Bekl. gut. Die Parteien streiten darüber, ob diesem Vorgang ein
Darlehen der Kl. an den Bekl. zugrunde liegt, welches den Bekl. zur Rückzahlung
verpflichtet, oder ob nur zum Schein ein Darlehensverhältnis mit ihm
begründet wurde, in Wirklichkeit aber ein Dritter, der Zeuge W, zur
Rückzahlung verpflichtet sein sollte. Der Bekl. hat eingewendet: Das
angebliche Darlehen sei nur deshalb als solches bezeichnet worden, um der
Kl. die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit dem Zeugen W zu ermöglichen.
Es sei ausdrücklich vereinbart worden, daß nicht der Bekl.,
sondern allein der Zeuge W die Rückzahlung aus den Gewinnen seiner
Immobiliengeschäfte vornehmen sollte. Hintergrund der Vereinbarung
sei gewesen, daß die von dem Zeugen W geführte I-GmbH und dieser
persönlich verpflichtet gewesen seien, ein zum 31. 12. 1991 fällig
gewordenes Darlehen von 220 000 DM an den Bekl. zurückzuzahlen. Dazu
seien beide Schuldner aufgrund finanzieller Schwierigkeiten jedoch nicht
in der Lage gewesen. Um Vollstreckungsmaßnahmen des Bekl. und den
wirtschaftlichen Zusammenbruch des Zeugen W und der 1-GmbH zu vermeiden,
habe das damalige Vorstandsmitglied der Kl., der Zeuge T, vorgeschlagen,
die Rückzahlung des von dem Bekl. an den Zeugen W gewährten Darlehens
durch die Kl. vorzunehmen, indem sie dem Bekl. zum Schein ein Darlehen
gewährte, zu dessen Rückzahlung allein der Zeuge W verpflichtet
sein sollte.
Das LG hat die Klage auf Rückzahlung dieses
Darlehens abgewiesen. Die Berufung der Kl. wurde zurückgewiesen. Die
Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Berufung
der Kl. zurückgewiesen worden ist, und zur Zurückverweisung der
Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die im Frühjahr 1992 von der Kl. vorgenommene Auszahlung des Betrags von 220 000 DM auf das Geschäftskonto des Bekl. beruhe nicht auf einem verbindlich geschlossenen Darlehensvertrag der Parteien. Ein solcher sei nur zum Schein geschlossen worden und habe eine in Wirklichkeit gewollte dreiseitige Abrede unter Einschluß des Zeugen W verdeckt, nach der ausschließlich der Zeuge W gegenüber der Kl. zur Rückzahlung der Darlehenssumme verpflichtet sein sollte. Daß dem äußeren Schein nach ein Darlehensvertrag geschlossen worden sei, habe der Bekl. nie in Abrede gestellt. Im übrigen ergebe sich dies aus den vorliegenden Unterlagen der Kl., insbesondere aus dem internen Kreditantrag vom 5. 3. 1992 und der darin niedergelegten Genehmigung des Vorstandes sowie aus den Kontounterlagen der Kl. Der Einwand des Bekl., dieses Darlehen sein nur pro forma eingegangen worden, es handele sich insoweit um ein Scheingeschäft, sei aufgrund der Bekundungen der vom LG vernommenen Zeugen als erwiesen anzusehen. Diese hätten als Teilnehmer an den maßgebenden Verhandlungen, die der Zeuge T, der Streithelfer der Kl., als damaliger Vorstand der Kl. für diese führte, übereinstimmend die erörterte und schließlich mündlich vereinbarte Lösung geschildert. Danach habe im Ergebnis Einigkeit darüber bestanden, dem Zeugen W die Fortführung seiner Geschäfte zu ermöglichen, weil man sich aus der Veräußerung der von ihm erworbenen Immobilien nicht nur eine Erfüllung der Kreditforderungen der Kl. versprach, sondern allseits davon überzeugt gewesen sei, die Verkaufserlöse würden den Zeugen W zu einem späteren Zeitpunkt auch in die Lage versetzen, zusätzlich den Betrag von 220 000 DM aufzubringen und an die Kl. zurückzuzahlen. Deshalb sei vereinbart worden, daß die Kl. den Betrag von 220 000 DM vorab an den Bekl. auszahlen sollte. Die Rückzahlung sollte ausschließlich von dem Zeugen W aus den von ihm erzielten Verkaufserlösen bewirkt werden. Zum Schein sollte aber ein Darlehensvertrag mit dem Bekl. geschlossen werden. Soweit der Zeuge T zum Kernpunkt der Besprechung abweichende Angaben gemacht habe, seien diese nicht geeignet, die Aussagen der anderen Zeugen zu widerlegen. Im Außenverhältnis sei der Zeuge T als Vorstand bevollmächtigt gewesen, die Kl. rechtsgeschäftlich zu vertreten. Das Risiko eines etwaigen Vollmachtsmißbrauches habe die Kl. zu tragen. Ein Mißbrauch, insbesondere ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil der Kl., sei aber nicht erkennbar. Es liege vielmehr auf der Hand, daß der Zeuge T in der konkreten für die Kl. schwierigen Situation das im wirtschaftlichen Interesse der Kl. liegende unternommen habe, um das nicht unerhebliche Kreditengagement bei dem Zeugen W nicht zu gefährden und letztlich eine Erfüllung der Forderungen der Kl. zu erreichen.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist, daß das BerGer. zu der Annahme gelangt, die Vereinbarung eines Darlehens über 220 000 DM zwischen den Parteien habe nach dem übereinstimmenden Willen der handelnden Personen nur zum Schein vorgenommen werden sollen. Die diesbezügliche in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbare Beweiswürdigung des BerGer. läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Sie enthält keine Widersprüche und berücksichtigt das Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.
2. Das BerGer. ist zu Unrecht davon ausgegangen,
der Streithelfer der Kl. sei als Vorstand im Außenverhältnis
ohne Einschränkung bevollmächtigt gewesen, die Kl. zu vertreten.
Bei der Kl. handelt es sich um eine eingetragene Genossenschaft. Diese
wird durch den Vorstand vertreten, der aus mindestens zwei Mitgliedern
besteht (§ 24 I, II GenG). Die Mitglieder des Vorstandes sind grundsätzlich
nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt, wobei das Statut Abweichendes
bestimmen kann (§ 25 1 GenG). Feststellungen über eine solche
abweichende Bestimmung hat das BerGer. nicht getroffen. Die von der Kl.
in der Revisionsinstanz vorgelegte Satzung der Kl. enthält in §
15 leine der gesetzlichen Regelung entsprechende Bestimmung. Der Streithelfer
der Kl. war daher nicht allein vertretungsberechtigt.
Die Anwendung des § 117 BGB scheitert
allerdings nicht bereits daran, daß der Darlehensvertrag vom Gesamtvorstand
der Kl. genehmigt wurde, während die Simulationsvereinbarung nur mit
dem Streithelfer der Kl. getroffen wurde. Das in § 117 I BGB vorausgesetzte
Einverständnis über den Widerspruch von Willen und Erklärung
ist nicht rechtsgeschäftlicher Natur (vgl. RGZ 134, 33 [37]; Erman/Brox,
BGB, 9. Aufl., § 117 Rdnr. 4; Staudinger/Dilcher, BGB, 11. Bearb.,
§ 117 Rdnr. 12). Bei der Simulationsabrede müssen sich nur beide
Teile bewußt sein, daß ihren Erklärungen kein Wille entsprechen
soll (RGZ 134, 33 [371). Bei Gesamtvertretung einer Vertragspartei
genügt es für dieses Bewußtsein und damit für das
Einverständnis i. S. des § 117 BGB, wenn wie hier
lediglich ein Gesamtvertreter wußte, daß der Vertragspartner
seine Erklärung nur zum Schein abgeben wollte (Senat, NJW 1996, 663
[664 unter III 1] = LM H. 4/1996 § 117 BGB Nr. 15).
3. Nicht berücksichtigt hat das BerGer. jedoch,
daß der zum Schein abgeschlossene Darlehensvertrag unter den hier
gegebenen Umständen gegenüber der Kl. ausnahmsweise als gültig
zu behandeln sein kann.
Schließt ein Vertreter zur Täuschung
des Vertretenen in Kollusion mit dem Geschäftsgegner ein Scheingeschäft
ab, so ist das Geschäft gegenüber dem gutgläubigen Vertretenen
wirksam. Denn der Geschäftsgegner müßte sich, um sich dem
Vertretenen gegenüber mit dem Einwand des Scheingeschäfts durchzusetzen
auf seine eigene Täuschungsabsicht berufen. Er hat dem Vertretenen
das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen Willens in gleicher Weise
vorgespiegelt, wie wenn er mit ihm ohne das Zwischenglied eines Vertreters
verhandelt hätte. Bei der Kollusion zwischen dem Vertreter und dem
Geschäftsgegner ist die Scheingeschäftsabrede daher gegenüber
dem Vertretenen wie ein unbeachtlicher geheimer Vorbehalt des
Geschäftsgegners zu werten (vgl. RGZ 134, 33 [37]; Erman/Brox,
§ 117 Rdnr. 10; Kramer, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 117 Rdnr.
17; Schramm, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 166 Rdnr. 6; Palandt/Heinrichs,
BGB, 58. Aufl., § 117 Rdnr. 7; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl.,
§ 117 Rdnr. 15; Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl., § 166 Rdnr.
18; Staudinger/Schilken, BGB, 12. Bearb., § 166 Rdnr. 19, § 167
Rdnr. 100). Der der vertretenen Kl. gegenüber kollusiv geheim gehaltene
Vorbehalt des Bekl., den Darlehensvertrag nur zum Schein abzuschließen
und eine Haftung in Wirklichkeit nicht übernehmen zu wollen, wäre
daher der Kl. gegenüber unbeachtlich (§ 116 BGB analog).
Das BerGer. hat die Kollusion nur unter dem Gesichtspunkt
des Vollmachtsmißbrauchs behandelt und sie verneint, da ein Zusammenwirken
des Bekl. und des Vertreters zum Nachteil der Kl. nicht erkennbar sei.
Darum geht es im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht. Wenn der Vertreter
und der Geschäftsgegner bewußt zum Nachteil des Vertretenen
zusammenwirken, ist das Rechtsgeschäft nach § 138 BGB nichtig
(vgl. Schramm, in: MünchKomm, § 164 Rdnr. 99; Staudinger/ Schilken,
§ 167 Rdnr. 100). Das macht auch die Kl. nicht geltend. Sie stützt
sich im Gegenteil auf die Verbindlichkeit des vom Bekl. ohne Rechtsbindungswillen
abgeschlossenen Darlehensvertrags. Die Entscheidung, ob der Zeuge T wie
das BerGer. meint mit der Simulationsabrede "das im wirtschaftlichen
Interesse der Kl. liegende unternommen" hat, oblag dem Gesamtvorstand.
Sollte diesem der fehlenden Rechtsbindungswille nach den übereinstimmenden
Absichten des Bekl. und des Zeugen verheimlicht werden, um eine negative
Entscheidung zu vermeiden, könnte sich der Bekl. gegenüber dem
Erfüllungsverlangen der Kl. nicht auf die Scheinnatur des Darlehensvertrags
berufen (Staudinger/Schilken, § 166 Rdnr. 19, § 164 Rdnrn. 93,
100).