Sittenwidrigkeit des Kaufs akademischer Titel; Rückforderungsausschluß nach § 817 BGB


OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.1998 -7U 124/98


Fundstelle:

NJW 1999, 2904



(Eigene) Leitsätze:

1. Ein Vertrag über die Verschaffung eines akademischen Titels ist nach § 138 I BGB sittenwidrig und nichtig.
2. Die Rückforderung des gezahlten Entgelts ist gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen; dies gilt entgegen BGH NJW 1997, 47 auch für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Form des "Auch fremden-Geschäfts".



Zum Sachverhalt:
Der Kl., der ein Studium der Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität W. absolviert hat und die Voraussetzungen zur Promotion besitzt, meldet sich im Jahr 1990 auf eine Zeitungsanzeige des Bekl., in welcher dieser sich als Professor und Dr. ausgab und jedem österrreichischen Staatsbürger die Vermittlung einer Promotion durch eine anerkannte amerikanische Universität anbot. Der Bekl. betrieb u.a. eine "Studien- und Promotionsberatung". Er bezeichnete sich als Vizepräsident einer Fa.. I, welche angeblich in Österreich anerkannte amerikanische Universitäten vertrete und über welche österreichische Staatsbürger einen anerkannten und umschreibbaren akademischen Grad erwerben könnten. Die Parteien einigten sich dahin, daß der Bekl. dem Kl. den Erwerb des Titels der University of Washington aufgrund eines "Fernstudiums" ermöglichen solle, wofür als Studiengebühr 280 000öS an die Universität über den Bekl. zu zahlen seien. Der Bekl. zahlte 1990 eine erste Rate von 140 000 öS und 1992 den Rest. Er fertigte eine als "Dissertation" bezeichnete Arbeit an und erhielt darauf eine sogenannte "Promotionsurkunde" der University of Washington. Beim Versuch, diese umschreiben zu lassen, stellte sich heraus, daß sie gefälscht war. Der Kl. verlangt Rückzahlung der gezahlten Beträge. Er hat behauptet, er sei davon ausgegangen, daß kein sittenwidriger Titelhandel voliege, da er die Voraussetzung für eine Promotion erfülle und die Studiengebühren bezahlt habe, die in dieser Höhe auch tatsächlich von ausländischen Universitäten erhoben würden. Der Bekl. hat vorgetragen: Er sei selbst das Opfer eines Herrn A. gewesen, der behauptet habe, er könne den Erwerb des Doktorgrades der Universität Washington im Wege des Fernstudiums vermitteln. Für diesen sei er als Vermittler aufgetreten. Er habe nicht gewußt, daß die Promotionsurkunden gefälscht seien. Als er es unternommen habe, die Verleihung des Doktorgrades an den Kl. zu vermitteln, sei er noch gutgläubig gewesen.

Das LG hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der zwischen den Parteien abgeschlossene Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter sei gem. § 138 I BGB nichtig. Es bestehe auch kein Anspruch aus §§ 675, 812 BGB, da eine Rückforderung wegen § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

Gemäß Art. 27 I EGBGB ist deutsches Recht anzuwenden, da die Parteien dies vereinbart haben.

1. Dem Kl. steht kein vertraglicher Anspruch gegen den Bekl. zu, denn der von den Parteien abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag ist sittenwidrig und demgemäß nach § 138 I BGB unwirksam. Der Vertrag hatte zum Inhalt, daß der Bekl. dem Kl. ohne ordentliches Promotionsverfahren und gegen Zahlung einer Geldsumme von 280 000 öS einen Doktortitel vermitteln sollte. Der Doktortitel soll die in einem speziellen Verfahren nachgewiesene wissenschaftliche Qualifikation des Trägers bekunden. Ein gekaufter Titel spiegelt eine solche Qualifikation wahrheitswidrig vor und täuscht die Öffentlichkeit. Ein solcher Titelhandel widerspricht daher dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und ist sittenwidrig (vgl. BGH, NJW 1994, 187=LM § 138 (G) BGB Nr. 5).

Beiden Parteien war auch bekannt, daß es um einen Titelhandel ging. Sie wußten, daß der Kl. gegen die Zahlung einer Geldsumme und ohne reguläres Promotionsverfahren einen Titel kaufen wollte. Es ist allgemein bekannt, daß der Doktorgrad aufgrund einer wissenschaftlichen Leistung und nicht aufgrund der Zahlung einer größeren Geldsumme erworben wird. Der Bekl. hat seine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit seiner Tätigkeit auch eingeräumt. Auch der Kl. hatte diese Kenntnis, wie die Umstände mit hinreichender Deutlichkeit zeigen. Zwar will er die 280 000 öS angeblich für ein Fernstudium an der University of Washington mit Promotion bezahlt haben, doch war auch ihm bewußt, daß diese Zweckbestimmung nicht zutraf. Er hat an keinem Fernstudium teilgenommen, was ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nach seinen eigenen Angaben auch nicht möglich gewesen wäre. Er hat erklärt, er habe den Doktortitel aus Zeitgründen neben seinem Beruf nicht in einem regulären Verfahren erwerben können. Noch weniger wäre ihm ein reguläres Fernstudium mit anschließender Promotion möglich gewesen. Er hat auch gewußt, daß die von ihm angefertigte "Dissertation" keine wissenschaftliche Leistung war, die zur Erlangung der Doktorwürde ausreichend gewesen wäre. Denn er hat erklärt, daß er aus Zeitgründen nicht in der Lage war, eine reguläre Dissertation anzufertigen. Zudem hat er mehrfahc betont, er besitze die Voraussetzung für eine promotion an einer österreichischen Universität. Dennoch hat er seine "Dissertation" nicht bei einer einheimischen Universität eingereicht, wo gegen relativ geringe Gebühren hätte promoviert werden können. Daß er es vorgezogen hat, seine Arbeit gegen Zahlung von 280 000 öS über den Bekl. an eine ihm völlig unbekannte Universität zu geben, zeigt, daß er von der wissenschaftlichen Wertlosigkeit der Arbeit selbst überzeugt war. Aus alledem ergibt sich zur Überzeugung des Senats, daß dem Kl. als Akademiker bekannt war, daß es um einen Titelmkauf ging. Unter diesen Umständen besteht keine Veranlassung, dn Kl. persönlich anzuhören.

2. Dem Kl. steht gemäß § 817 S. 2 BGB auch kein Bereicherungsanspruch zu. Zwar liegen die Voraussetzungen einer leistungskondiktion nach § 812 I 1 BGB vor. Der Bekl. hat die eingezahlten  280000 öS an den Bekl. geleistet, der mit der Leistung bezweckte Erfolg, Verschaffung eines Doktortitels, ist jedoch nicht erreicht worden. Der Kl. sah auch den Bekl. und nicht etwa eine eine ihm völlig unbekannte Universität als Geschäfts- und Vertragspartner an. Der Bekl. sollte dem Kl. gegen die bezahlte Summe einen Doktortitel an einer amerikanischen Universität verschaffen. Nach dem Willen des Kl. war der Bekl. also keineswegs eine bloße Zahlstelle zur Weiterleitung des Geldes. Die Zahlung an den Bekl. war gemäß dem Willen des Kl. kein bloß vorübergehendes Überlassen des Geldes; sie war vielmehr als endgültige Leistung gewollt (vgl. dazu auch BGH, NJW 1961, 1461=LM § 812 BGB Nr. 47; OLG Köln, NJW-RR 1994, 1541). Die Passivlegitimation des Bekl. ist daher gegeben.

a) Der Anspruch aus § 812 I 1 BGB ist jedoch gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil dem Kl. ebenso wie dem Bekl. eine Sittenwidrigkeit zur Last fällt. In solchen Fällen übt die Rechtsordnung eine Selbstbeschränkung aus. Handeln beide Parteien sittenwidrig, so befaßt sich die Rechtsordnung nicht mit ihren Problemen, sondern überläßt sie sich selbst. Dies mag bisweilen zu Härten führen, wie auch dem Gesetzgeber bewußt war. Der Leistende hat dies jedoch sich selbst zuzuschreiben, er kann nicht damit rechnen, in sittenwidrigen Angelgenheiten, mit denen er sich von der Rechtsprechung entfernt, von dieser Hilfe zu erhalten (vgl. Wieling, BereicherungsR, § 3 III 6 a, d). Wie schon ausgeführt, war dem Kl. ebenso wie dem Bekl. klar, daß es sich im vorliegenden Fall um einen Titelkauf handelte, der gem. § 138 I BGB gegen die guten Sitten verstieß. Die Anwendung des § 817 S. 2 BGB ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Bekl. das ausgezahlte Geld nicht dauernd behalten, sondern weitergeben sollte. Diese Einschränkung gilt für die Fälle, in welchen die erbrachte Leistung selbst oder gleichwertige Vermögensobjekte nach einiger Zeit an den Leistenden zurückgegeben werden sollen (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 57. Aufl., § 817 Rdnr. 17). In diesem Fall besteht die Leistung nur in der zeitweiligen Überlassung. Hier war jedoch die Leistung des Kl. als endgültig anzusehen, eine Rückgabe kam nach dem Vertragsinhalt nicht in Betracht.

b) Die Anwendung des § 817 S. 2 BGB ist auch nicht gem. § 242 BGB deshalb ausgeschlossen, weil die Berufung des Bekl. auf diese Vorschrift gegen Treu und Glauben verstieße. Daß die Versagung der Rückforderung der Leistung eine Härte darstellen kann, hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen. Bei der Anwendung des § 817 S. 2 BGB kann daher nur im Einzelfall zu prüfen sein, ob nicht aus besonderen Gründen die Rechtsordnung ihre Zurückhaltung aufgeben und regelnd in die Verhältnisse der Parteien eingreifen muß. Eine solche Situation ist nur gegeben, wenn Umstände vorliegen, welche über die einfache Sittenwidrigkeit hinausgehen, etwa ein Delikt eines Beteiligten (vgl. RGZ 85, 293; Wieling, § 3 III 6f.). Eine solche Situation ist aber hier nicht gegeben. Der Kl. trägt zwar vor, der Bekl. habe ihn betrogen, doch hat er Beweis dafür nicht angetreten. ...

3. Dem Kl. steht schließlich auch kein Anspruch aus §§ 681 S. 2, 667 BGB zu. Der Bekl. hat nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Kl. gehandelt. Er hat ein eigenes Geschäft besorgt, als er für den Kl. tätig wurde; denn er wollte den abgeschlossenen Vertrag mit dem Kl. erfüllen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob er wußte, daß dieser Vertrag unwirksam war oder nicht, auf die Willensrichtung des Bekl. bei seiner Tätigkeit wirkt sich diese Untersuchung nicht aus. Der Bekl. hatte keinen Fremdgeschäftsführungswillen. Würde man in solchen Fällen eines unwirksamen Geschäftsführungsvertrags gegen den Wortlaut des Gesetzes einen Anspruch aus §§ 681 S. 2, 667 BGB geben, so läge darin eine methodischer Fehler, weil dadurch § 817 S. 2 BGB umgangen würde (so zutreffend die h.M., vgl. Schubert, AcP 185, 451; Gursky, AcP 185, 32; Fikentscher, SchuldR, § 82 I 4 a cc bbb; Schlechtriem, Bes. SchuldR, 3. Aufl. (1993), Rdnr. 613; Seiler, in: MünchKomm, § 677 Rdnr. 42; Ermann-Ehrmann, BGB, § 677 Rdnr. 9; Schwark, JuS 1984; 326; Gold, JA 1994, 205; Schild, JuS 1995, 957; Lorenz, NJW 1996, 883; Voit-Geweke, JuS 1997, 533; Larenz-Canaris, SchuldR II 2, § 74 II 2, jew. m. w. Nachw.). Nach dieser Ansicht könnte der Titelkäufer in allen Fällen sein Geld zurückverlangen. Daß dies nicht dem Sinn des Gesetzes entspräche, ist oben ausgeführt.

Allerdings hat der BGH in seiner Entscheidung BGH, NJW 1997, 47=LM § 138 (Cd) BGB Nr. 29, dem Titelkäufer einen Anspruch aus §§ 681 S. 2, 677 BGB gegeben und dem Titelhändler damit die Berufung auf § 817 S. 2 BGB abgeschnitten. Im dortigen Fall sind aber besondere Umstände gegeben, welche die Rechtsanwendung des Gerichts erklären können. Der Empfänger des Geldes war nicht der Titelverkäufer, sondern ein Rechtsanwalt als Treuhänder, der das erhaltene Geld erst auszahlen sollte, wenn der Titelerwerb erfolgt oder doch gesichert war. Die Interessenlage in einem solchen Fall erscheint geeignet, die Anwendung der §§ 681 S. 2, 667 BGB zu erklären. Mit den §§ 812, 817 BGB kommt man allerdings zum gleichen Ergebnis, wenn man annimmt, daß für den Fall des Fehlschlagens des Geschäfts nur eine vorläufige Überlassung des Geldes gegeben ist. In den Normalfällen des Titelkaufs, wozu der vorliegende Fall zählt, hat auch der BGH nicht die §§ 681 S. 2, 667 BGB angewandt, sondern die §§ 812, 817 BGB (vgl. BGH, NJW 1994, 187=LM § 138 (Cg) BGB Nr. 5; ebenso OLG Köln, NJW 1994, 1540; OLG Koblenz, NJW 1996, 665).