NJW 1999, 3481
Zentrale Probleme:
Im Zentrum der sehr lehrreichen Entscheidung stehen grundsätzliche Fragen des Gewährleistungsrechts sowie des Allgemeinen Teils. Von Interesse sind dabei die in Studium und Examen häufig Schwierigkeiten bereitende Frage des Verhältnisses eines Gewährleistungsausschlusses zur Eigenschaftszusicherung. Das Gesetz regelt in § 476 BGB lediglich die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses im Falle des § 463 S. 2 (arglistiges Verschweigens eines Mangels), nicht aber für den Fall des § 463 S. 1 BGB (Eigenschaftszusicherung). Hier ergibt sich der Vorrang der Eigenschaftszusicherung bereits aus ihr selbst heraus, d.h. aus dem darin zum Ausdruck kommenden Willen, verschuldensunabhängig für alle Folgen des Fehlens der Eigenschaft einstehen zu wollen. Das Vorliegen eines Gewährleistungsausschlusses ist daher kein Widerspruch zur Annahme einer Eigenschaftszusicherung, führt aber u.U. zu stärkeren Anforderungen an die Feststelltung des Garantiewillens.
Zum Ausschluß einer Haftung für zugesicherte Eigenschaften durch AGB (§§ 4, 11 Nr. 11 AGBG) vgl. die Anm. zu BGH v. 22.3.2000, VIII ZR 325/98 = NJW 2000, 2018.Hier wird die - vom BGH lehrbuchartig vorgenommene - Abgrenzung von bloßer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 459 I BGB und Eigenschaftszusicherung i.S.v. § 459 II BGB besonders wichtig.
Die Partei, die die Nichternstlichkeit eines Geschäfts behauptet, trägt hierfür auch dann die Beweislast, wenn sie sich gegen einen Anspruch auf Ersatz des Gewinns verteidigt, den der Geschädigte aus dem Geschäft gezogen hätte.
Aufgrund notarieller Angebots- und Annahmeerklärungen
vom 27. 7. und 7. 12. 1988 kauften die Kl. von der bekl. Gemeinde (Bekl.)
das Grundstück Flurstück 397 der Gemarkung S., Grünland,
0,2544 ha zum Preis von 960 000 DM. Hinzu traten Vorauszahlungen über
insgesamt 44460 DM für Kanalgebühren. Im Anschluß an die
Freistellung der Bekl. von der Haftung für Sachmängel bestimmt
der Abschnitt VI des Vertrags: "Der Veräußerer erklärt,
daß das Vertragsgrundstück aufgrund des bestehenden Bebauungsplanes
mit einem Gebäude E + 1 + D, wobei D ein Vollgeschoß sein kann,
bebaut werden kann. Die Geschoßflächenzahl beträgt für
das Vertragsgrundstück 0,7. Der Erwerber beabsichtigt, auf dem Vertragsgrundstück
ein Apparthotel oder Seniorenwohnheim in Form des Wohnungseigentums zu
errichten." Tatsächlich war ein Bebauungsplan nicht vorhanden. Ein
Planentwurf aus dem Jahr 1979 sah allerdings eine Bebauung des Grundstücks
vor. Die Kl. reichten Mitte 1989 Bauanträge für das Apparthotel
ein, die sie auf Anregung des Landratsamtes in mehreren Punkten abänderten.
Am 12. 10. 1989 stimmte der Gemeinderat dem Bauvorhaben zu. Gegen Ende
des Jahres 1989 kam eine Bürgerinitiative zustande, die sich gegen
den Bau des Hotels richtete. Am 15. 11. 1989 teilte das Landratsamt den
Kl. mit, ihr Vorhaben sei gegenwärtig wegen der Außenbereichslage
nicht genehmigungsfähig; die Weiterbearbeitung erfolge erst nach Erreichen
der Planreife im Bebauungsplanverfahren. Weder vor noch nach der Kommunalwahl
vom 18. 3. 1990 kam es zu einem Beschluß der Bekl. über die
Aufstellung eines Bebauungsplanes. Der neugewählte Gemeinderat sprach
sich gegen das Bauvorhaben aus. Zwischenzeitlich hatten die Kl. der Firma
P Treuhand-GmbH Steuerberatungsgesellschaft, München (P) das Grundstück
für 1 840 876 DM zum Kauf angeboten. Das notarielle Angebot vom 13.
11. 1989 enthielt eine Zusicherung der Kl., die der Erklärung der
Bekl. in Abschnitt VI des Vertrags vom 27. 7/7. 12. 1988 entsprach. P sollte
ein Rücktrittsrecht für den Fall zustehen, daß nicht spätestens
am 31. 1. 1990 eine Genehmigung des Bauantrags vorlag, der die Zustimmung
der Gemeinde gefunden hatte. P hatte das von den Kl. am 25. 1. 1990 abgeänderte
Angebot am gleichen Tag angenommen. Die Änderungen bestanden darin,
daß das Rücktrittsrecht erst bestehen sollte, wenn nicht bis
30. 6. 1990 eine bestandskräftige Baugenehmigung vorlag und daß
der Vertrag bis zur Genehmigung aufschiebend bedingt war. Mit Urkunde vom
19. 6. 1990 wurde die Frist für den Eintritt des Rücktrittsrechts
bis Ablauf des 31. 7. 1990 verlängert. Am 1. 8. 1990 trat P von dem
Vertrag zurück. Am 5. 10. 1990 hoben die Parteien den Kaufvertrag
vom 27. 7./ 7. 12. 1988 auf. Die notarielle Urkunde enthält folgende
Bestimmung: "Der Veräußerer verpflichtet sich zunächst
zur Bezahlung eines Betrags in Hohe von 1400000 DM an den Erwerber, ohne
daß bereits jetzt vom Veräußerer anerkannt wird, zur Zahlung
eines Betrags in dieser Höhe verpflichtet zu sein, noch vom Erwerber
über diesen Betrag hinaus bereits geltend gemachte Ansprüche
ausgeschlossen werden." Die Bekl. entrichtete den Betrag von 1400000 DM,
weitere Zahlungen lehnte sie ab. Die Kl. haben die Differenz zwischen dem
im Vertrag mit P beurkundeten Kaufpreis und der erfolgten Zahlung als Schadensersatz
geltend gemacht und von der Bekl. jeweils Zahlung in Höhe von 220438
DM nebst Zinsen verlangt.
Das LG hat die Klage abgewiesen und hieran auch
nach Aufhebung seines Urteils und Zurückverweisung der Sache festgehalten.
Auf die erneute Berufung der Kl. hat das OLG der Klage stattgegeben. Die
Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. geht davon aus, daß die Bekl.
den Kl. die Bebaubarkeit des Grundstücks im Sinne der in den Vertrag
aufgenommenen Erklärung zugesichert habe. Den Kl. stünden die
verlangten Beträge als entgangener Gewinn zu, denn es stehe fest,
daß der Vertrag mit P kein Scheingeschäft, sondern ernstlich
gemeint gewesen sei. Hierbei stützt sich das Berufungsurteil auf die
notariellen Urkunden, die Zeugenaussage des Geschäftsführers
F der P und die Umstände des Geschäfts. Die Preisdifferenz zwischen
den beiden Geschäften stehe dem nach den eingeholten Gutachten nicht
entgegen. Der Zeuge F habe Gewinnerwartungen der P, die den akzeptierten
Kaufpreis verständlich machten, glaubhaft dargelegt. Schließlich
sei ein angemessener Verkaufsgewinn der Kl. in Rechnung zu stellen. Dies
hält der Revision stand.
II. 1. Die Deutung der Erklärung der Bekl.
in Abschnitt VI des Kaufvertrags der Parteien als Zusicherung der Bebaubarkeit
(§ 459 II BGB) läßt keinen Auslegungsfehler (§§
133, 157 BGB) erkennen. Das BerGer. hat sich, anders als die Revision meint,
mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß die Erklärung einem
allgemeinen Ausschluß der Gewährleistung für Sachmängel
folgte. Es hat die Freizeichnung auch für die Baulandeigenschaft
in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Überlegung verneint,
daß sie mit dem von ihm festgestellten Einstandswillen der Bekl.
unvereinbar sei. Mit der Frage, ob die Bebaubarkeit auch lediglich Gegenstand
einer vertraglichen Beschaffenheitsangabe (§ 459 I BGB) sein konnte
(BGHZ 117, 159 [162] = NJW 1992, 1384 = LM H. 9/1 992 § 459 BGB Nr.
112), die im Falle ihrer Unrichtigkeit keinen Schadensersatzanspruch nach
§ 463 BGB auslöst, hat sich das BerGer. zwar nicht ausdrücklich
befaßt. Es hat aber die weitere Möglichkeit der bloßen
Geschäftsgrundlage mit Erwägungen verneint, die seine Auffassung,
die Bebaubarkeit sei zugesichert worden, tragen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung
des von der Revision an sich zu Recht hervorgehobenen Umstandes, daß
an eine Zusicherung gegenüber der Beschaffenheitsvereinbarung erhöhte
Anforderungen zu stellen sind. Aus dem zutage getretenen ausschließlichen
Interesse der Kl. als Bauunternehmerinnen an einer baulichen Nutzung des
Grundstücks konnte das BerGer. den Schluß darauf ziehen, die
Bekl. habe die Gewähr für das Vorhandensein dieser Eigenschaft
übernommen und sich verpflichtet für alle Folgen ihres Fehlens
einzustehen. Mehr setzt die Zusicherung rechtlich nicht voraus (Senat,
NJW 1996, 2027 = LM H. 8/1 996 § 459 BGB Nr. 131 = BGHR BGB §
459 Abs. 2, Eigenschaft, zugesicherte 20).
2. Die Kl. haben ihren entgangenen Gewinn aus
dem Geschäft mit der Bekl. aufgrund der von ihnen getroffenen Anstalten
und Vorkehrungen, nämlich des Vertragsschlusses mit P, errechnet.
Dem ist das BerGer. in Übereinstimmung mit § 252 S. 2 BGB gefolgt,
wonach als entgangen und nach Satz 1 der Vorschrift zu ersetzen der Gewinn
gilt, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder, wie hier,
nach den besonderen Umständen, insbesondere den getroffenen Anstalten
und Vorkehrungen des Geschädigten, erwartet werden konnte. Allerdings
ist die in § 252 S. 2 BGB begründete Vermutung, der wahrscheinlich
zu erwartende Gewinn wäre auch eingetreten (BGHZ 100, 36 [49] = NJW
1987, 1703 = LM § 7 AnfG Nr. 10), im Streitfalle nicht ausschlaggebend;
denn wenn der Kaufvertrag mit P, worüber die Parteien allein streiten,
ernstlich gewollt war, steht der Gewinnausfall der Kl. fest. Auch auf die
in § 287 I ZPO vorgesehene Erleichterung des Beweises des Geschädigten
für die besonderen Umstände, aus denen er seine Gewinnerwartung
herleitet (Senat, NJW 1991, 3277 = LM H. 2/1992 § 325 BGB Nr. 27 =
BGHR BGB § 252, Schätzgrundlage 3), kommt es hier nicht entscheidend
an. Denn für den fehlenden Willen der Kl. und P, den Weiterverkauf
des Grundstücks ernstlich vorzunehmen, trägt die Bekl. die Beweislast.
Das Gesetz geht nämlich davon aus, daß abgeschlossene Vereinbarungen
auch ernstlich gemeint sind (zu § 117 BGB: BGH, LM § 117 BGB
Nr. 4; NJW 1984, 2350 = LM § 117 BGB Nr. 8 = FamRZ 1984, 874 [876]).
Hieran ändert, entgegen der Auffassung der Revision, auch der Umstand
nichts, daß sich die Bekl. gegenüber Behauptungen der Kl. zum
Schadenseintritt und zur Schadenshöhe verteidigt. Zwar kann der Abschluß
eines Kaufvertrags als "juristische Tatsache" (vgl. Senat, DtZ 1995, 328
= LM H. 1/1 996 Art. 233 EGBGB 1986 Nr. 8, und BGH, NJW 1998, 2058 = LM
H. 11/1998 § 1004 BGB Nr. 234 = BGHR ZPO § 138 Abs. 1, Tatsachen,
juristische 1 und 2) Gegenstand des Bestreitens im Prozeß sein. Die
Bekl. läßt indes die Tatsache des Vertragsschlusses mit P als
solche unstreitig und wendet sich lediglich mit der rechtshindernden Einwendung
(BGH, NJW 1991, 1617 = LM § 797 ZPO Nr. 4) der fehlenden Ernstlichkeit
gegen die Wirksamkeit des Geschäfts. Ihre Voraussetzungen hat sie,
wie sonst auch, nachzuweisen. Die Klage wäre mithin bereits dann erfolgreich,
wenn die Ernstlichkeit des Geschäfts mit P zwar zweifelhaft, aber
nicht widerlegt wäre. Das BerGer. hat darüber hinaus die Ernstlichkeit
positiv festgestellt. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen greifen
nicht durch. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters, an dessen Feststellungen das RevGer. gem. § 561 ZPO gebunden
ist. Dieses kann lediglich prüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend
dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen
umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung
also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze
oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, NJW 1987, 1557 = LM
§ 1610 BGB Nr. 14 = BGHR ZPO § 286 Abs. 1, Revisionsrüge
1). Diese Grenzen der rechtlichen Nachprüfbarkeit hält das Berufungsurteil
ein, eine darüber hinausgehende Beurteilung der Uberzeugungskraft
seiner Beweisgründe ist dem RevGer. versagt.
a) Zu Unrecht wirft die Revision dem BerGer. vor,
es habe die Ambivalenz (vgl. BGH, NJW 1993, 935 = LM H. 6/1993 § 857
BGB Nr. 3) der rechtlichen Ausgestaltung des Kaufs mit P verkannt. Die
von ihm für die Bejahung des Bindungswillens herangezogenen Umstände,
das Rücktrittsrecht der P für den Fall der Nichtbebaubarkeit
und die zusätzlich vereinbarte aufschiebende Bedingung der Bebaubarkeit,
sind rechtlich geeignete Mittel zur Absicherung des ernstlich gesinnten
Käufers gegen das erkannte Risiko. Die Überlegung der Revision,
sie kämen ebenso als Sicherungsmittel der P für den Fall in Betracht,
daß die Kl. dieser gegenüber eine Scheinabrede leugneten, setzt
im tatsächlichen eine doppelte Kollusion, nämlich einmal zwischen
den Kl. und P zum Nachteil der Bekl., zum anderen zwischen den Kl. untereinander
zum Nach-teil der P, voraus. Die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen
läßt mithin einen Schluß auf die Ernstlichkeit des Vereinbarten
eher zu, als auf ein Scheingeschäft. Zudem konnte das BerGer. rechtsfehlerfrei
dem Umstand, daß die Kaufparteien den Beginn des Rücktrittsrechts
der P wiederholt hinausgeschoben haben, zugunsten der ernstlichen Absicht
würdigen. Das Vertragsverhalten der Parteien findet letztlich eine
Parallele in der Willensbildung der Bekl., die sich angesichts auftretender
Widerstände in der Bevölkerung, der bevorstehenden Kommunalwahlen
und deren Ergebnis von der Bejahung des Bauvorhabens bis zu dessen endgültiger
Ablehnung wandelte. Das Rücktrittsrecht machte es P möglich,
hierauf zu reagieren und den durch die Bedingung geschaffenen rechtlichen
Schwebezustand (BGH, NJW 1994, 3228) zu beenden.
b) Die Rüge, das BerGer. habe sich lediglich
mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen, nicht aber mit der Glaubhaftigkeit
seiner Aussage befaßt, greift in der Sache nicht durch. Die von dem
Zeugen dargestellte Kalkulation der P ist nicht deshalb unglaubhaft, weil
sie zu einem negativen Ergebnis führen konnte. Das Berufungsurteil
kommt mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen zu dem Ergebnis,
daß ein Mißerfolg des Vorhabens bei einem Einstandspreis von
1 840 876 DM zwar nicht ausgeschlossen, andererseits aber auch nicht abzusehen
oder auch nur wahrscheinlich war. Die Ernstlichkeit der Vorstellung des
Zeugen, P handle kaufmännisch zweckmäßig, konnte das BerGer.
vor diesem Hintergrund bejahen. Dies gilt um so mehr, als der Zeuge sich
nach den unangegriffenen Feststellungen bereits seit Jahren für das
Grundstück interessiert hatte. Wegen der weiteren Verfahrensrügen
zu diesem Punkte, die nicht durchgreifen, macht der Senat von der Möglichkeit,
nach § 565 a ZPO von einer Begründung abzusehen, Gebrauch. c)
Die Preisdifferenz zwischen den beiden Verträgen gab keinen zwingenden
Anlaß, die Ernstlichkeit des Geschäfts mit P in Frage zu stellen.
Die in den Instanzen eingeholten Wertgutachten schwanken zwischen 1,5 bzw.
1,3 Mio. DM (Gutachter W) und 1,14 Mio. DM (Gutachter B), das im Auftrag
der Bekl. erstattete Gutachten gelangt zu 1,14 Mio. DM. Eine abschließende
Feststellung zum Verkehrswert brauchte das BerGer. nicht zu treffen, denn
es hatte entscheidend nicht auf die objektiven Verhältnisse im einzelnen,
sondern auf die Glaubhaftigkeit der Erfolgsrechnung der P vor dem in Frage
kommenden Tatsachenhintergrund abzustellen. Zudem hat das BerGer. von der
Revision unangegriffen festgestellt, daß ein anderes Bauunternehmen
einen Kaufpreis von 1,7 Mio. DM angeboten hatte. Diesen hat die P in einem
rechtlich nachvollziehbaren Rahmen überboten.
<- Zurück mit dem "Back"-Button Ihres Browsers!