Kondiktionsfestigkeit
der Ersitzung und Schutz Nicht-Geschäftsfähiger: "Menzelbilder-Fall"
RG v. 6.10.1930 Fundstelle: RGZ 130, 69 Leitsätze: 1. Über Geschäftsunfähigkeit
infolge von Geistesschwäche.
Die Klägerin ist durch Beschluß des
Amtsgerichts B. vom 4. Juni 1914 wegen Geisteskrankheit entmündigt
worden. Durch Beschluß desselben Gerichts vom 22. Februar 1919 wurde
diese Entmündigung in eine solche wegen Geistesschwäche umgewandelt.
Gründe: I. .... (zur Geschäftsunfähigkeit der Schenkerin z.Zt. der Schenkung nach § 104 Nr. 2 BGB) II. Sollte sich ergeben, daß die Klägerin bei Vornahme der Schenkung geschäftsunfähig war, so würde die schenkungsweise Übereignung der Bilder nichtig sein (§ 105 Abs. 1 BGB) und der Beklagte damals kein Eigentum erworben haben. Der Beklagte hat sich aber auf den inzwischen (1918) vollendeten Erwerb des Eigentums durch Ersitzung berufen und behauptet, deren Erfordernisse lägen vor. Demgegenüber wird die Klage gegebenenfalls darauf gestützt, daß gleichwohl eine Herausgabepflicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung bestehe, da der Beklagte die Bilder auf Grund der nichtigen Schenkung, also ohne Rechtsgrund, erlangt habe. Es fragt sich, ob diese Bereicherungshaftung gegenüber der vollendeten Ersitzung noch geltend gemacht werden kann. Das war nach gemeinem Recht, wo zur Ersitzung ein justus titulus nötig war, die Ersitzung also ihren rechtlichen Grund, die causa, in sich trug, zu verneinen. Auch für das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das keinen Titel erfordert, wurde der Ausschluß der Bereicherungshaftung zunächst allgemein angenommen, obwohl die zugrunde liegende Vorschrift des § 748 Abs. 2 des ersten Entwurfs später gestrichen worden war (Mot. Bd. 3 S. 353; Prot. II S. 686 und die von Oertmann im Recht 1910 Sp. 585 flg. angeführten Lehrbücher und Kommentare). Neuerdings wird dagegen die Meinung vertreten, daß sich die Frage nicht schlechthin bejahen lasse und daß es darauf ankomme, ob im Einzelfall der zur Ersitzung führende Eigenbesitz mit oder ohne Rechtsgrund erworben sei. Wenn das letztere zutreffe, müsse eine condictio possessionis zulässig sein, die sich nach § 818 Abs. 1 BGB auch auf Herausgabe des auf Grund des Besitzes (der Ersitzung) erlangten Eigentums erstrecke (Wolff Sachenrecht § 71 Nr. IV; Oertmann a.a.O. und Komm. Vorbem. 2cß zu § 812 BGB S. 1330; Ennecerus Lehrb. Bd. 2 § 442 Anm. 19; Staudinger Bem. 4a zu § 937 BGB; Biermann Bem. 2 das.; RGR Komm. Bem. 6c zu § 812 S. 503; vergl. auch Planck Bem. 3 zu § 937 BGB). Der Ersitzende soll also dem bisherigen Eigentümer als solchem nicht aus Bereicherung haften; entbehrt aber der Erwerb des Eigenbesitzes, auf dem die Ersitzung beruht, ohne den den sofortigen Eigentumserwerb hindernden Mangel (z.B., wenn eine gestohlene Sache an einen Gutgläubigen veräußert und von ihm ersessen wird, ohne den Mangel des § 935 BGB) des rechtlichen Grundes, so soll der Bereicherungsanspruch gegeben sein. Demgegenüber halten andere, so Gierke Deutsches Privatrecht Bd. 3 S. 999 Anm. 19 und Hahmann in Therings Jahrb. Bd. 77 S. 268 flg., den Bereicherungsanspruch grundsätzlich für ausgeschlossen, weil nach Sinn und Zweck des Gesetzes der Eigentumserwerb durch Ersitzung ein endgültiger sei und die Rechtsordnung durch Ablauf der Ersitzungszeit im Interesse der Rechtssicherheit eine Beruhigung aller Verhältnisse schaffen wolle. die erste Meinung verdient den Vorzug. Das Gesetz selbst schweigt. Aus § 951 BGB läßt sich kein Umkehrschluß ziehen. Entscheidend ist, daß die Gegenansicht zu unannehmbaren Ergebnissen führen würde, wie der in Oertmanns Kommentar a.a.O. angeführte Fall beweist, wonach, wenn ein Geschäftsfähiger einem anderen eine fremde Sache schenkt, der Erwerber zwar sofort Eigentum erlangt, aber nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB nach 30 Jahre lang auf Herausgabe haftet, während er im sonst gleichen Falle bei Beschenkung durch einen Geisteskranken nach 10 Jahren haftfrei wäre. Derartiges kann das Gesetz nicht wollen. Es liegt kein ausreichender Anhalt dafür vor, daß der Gesetzgeber den Ersitzungserwerb in der angegebenen Weise vor dem Traditionserwerb bevorzugen sollte. Im Streitfall kann also die Klägerin, wenn sie als Geschäftsunfähige auf Grund nichtiger Schenkung den Besitz übertragen hat, die Herausgabe der Bilder (nicht nur Wertersatz) verlangen.
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