Unter welchen Vorausssetzungen
ergreift die Nichtigkeit eines zwischen Eheleuten vor der Scheidung geschlossenenen
sittenwidrigen Unterhaltsabfindungs- und Auseinandersetzungsvertrages auch
die zur Erfüllung des Vertrags vorgenommene Ausflassung eines Grundstücks?
Fundstelle:
RGZ 145, 152
Es geht um die Frage, inwieweit
die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB auch auf andere als Bereicherungsansprüche,
insbesondere den Anspruch aus § 985 BGB (Vindikation) ausgedehnt werden
kann. Die h.M. bejaht dies, um Wertungswidersprüche zu vermeiden,
während die Rechtsprechung ausgehend von vorliegender Entscheidung
des RG die Ausdehnung von § 817 S. 2 BGB verneint. Dabei wird das
Ergebnis in Kauf genommen, daß eine Vindikation stattfinden kann,
wenn der Sittenverstoß ausnahmsweise so gravierend ist, daß
auch das dingliche Rechtsgeschäft nach §138 nichtig ist, während
eine Kondiktion ausgeschlossen ist, wenn lediglich das schuldrechtliche
Verpflichtungsgeschäft sittenwidrig und damit nichtig ist (BGHZ 63,
365 [zum Nutzungsersatz nach §§ 987, 990 beim "Bordellpachtvertrag"];
BGH NJW 1992, 310 [zu § 826]).
Zur Vertiefung: | Larenz/Canaris Schuldrecht II/2 § 68 III 3 e |
Zum Überblick: | Lorenz/Riehm, Jus-Lern CD ZivilR I Rn. 412 |
Zur Übung: | Köhler, PdW Schuldrecht II Fall 144 |
Die Ehe der Parteien ist
auf Klage der Klägerin durch Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M.
vom 13. Juni 1929 rechtskräftig geschieden worden. Vor Erhebung der
Scheidungsklage hatten die Parteien am 29. März 1929 für den
Fall der Ehescheidung einen notariell beurkundeten Unterhalts- und Auseinandersetzungsvertrag
geschlossen. In diesem Vertrag übertrug der beklagte der Klägerin
zur Abfindung ihrer Unterhaltsansprüche das ihm gehörende Bäckereianwesen
in Bad H. zu Eigentum. Da das Anwesen einen höheren Wert hatte, als
der Klägerin nach dem Willen der Parteien zufließen sollte,
bestellte die Klägerin für den Beklagten an dem Grundstück
eine Hypothek, die jetzt noch 6250 RM beträgt.
Die Klägerin macht
geltend, daß der Auseinandersetzungsvertrag nichtig sei, weil er
zur Ermöglichung der Ehescheidung geschlossen worden sei und daher
gegen die guten Sitten verstoße. Von der nichtigkeit seien aber nach
bekannten Rechtsgrundsätzen die dinglichen Erfüllungsgeschäfte,
die Eigentumsübertragung und die Hypothekbestellung nicht berührt
worden. Jedoch sei die Hypothek Eigentümergrundschuld der Klägerin
geworden, da die zu sichernde Forderung infolge der Nichtigkeit des Grundgeschäfts
nicht entstanden sei. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung,
daß die für den Beklagten eingetragene Hypothek von 6250 RM
als Eigentümergrundschuld ihr - der Klägerin - zustehe, sowie
die Beurteilung des Beklagten dazu, seine Einwilligung in die Umschreibung
der Hypothek auf die Klägerin zu erteilen.
Das Landgericht hat die
Klage abgewiesen. Die von der Klägerin mit Einwilligung des Beklagten
unmittelbar eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden
Gründen:
Das Landgericht stellt fest,
daß der Vertrag vom 29. März 1929 nichtig sei, weil er geschlossen
worden sei, um die Klägerin durch eine besonders günstige Regelung
des Unterhalts zur Einreichung der Scheidungsklage zu bewegen, also eine
Ehescheidung überhaupt zu ermöglichen. Es entspricht der Rechtsprechung
des Reichsgerichts, daß derartige Verträge gegen die guten Sitten
verstoßen und daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind (vgl.
u.a. WarnRspr 1931 Nr. 99). Die Nichtigkeit erstreckt sich aber nach Ansicht
des Landgerichts nur auf das Grundgeschäft, nicht auf die dinglichen
Erfüllungsgeschäfte. Die Übereignung des Grundstücks
an die Klägerin sei also, so führt das Landgericht weiter aus,
rechtswirksam erfolgt und auch die Hypothek sei als dingliche Belastung
wirksam geworden, jedoch gemäß den §§ 1163, 1177 BGB
nicht als Hypothek, sondern als Eigentümergrundschuld, weil die zugrundeliegende
Forderung nicht entstanden sei. Das Klagebegehren sieht das Landgericht
hiernach an sich als begründet an. Trotzdem gelangt es zur Abweisung
der Klage, weil dem Begehren der Klägerin die vom Beklagten erhobene
Einrede der allgemeinen Arglist entgegenstehe. Die Klägerin begehe
einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn sie sich durch
die erstrebte Beseitigung der Hypothek einen größeren Vermögenswert
verschaffen wolle, als sie nach den Abmachungen mit dem Beklagten habe
bekommen sollen. Sie könne auch nicht in ihrem Vorbringen gehört
werden, daß sie bereit sei, das Grundstück Zug um Zug gegen
Rückzahlung der dem Beklagten gegebenen Barbeträge und Ersatz
der Aufwendungen für das Haus zurückzugeben. Denn sie wisse genau,
daß der Beklagte gegenwärtig und in absehbarer Zeit nicht in
der Lage sei, die genannten Beträge aufzubringen. Das Ergebnis, das
die Klägerin erstrebe, spreche jeder Gerechtigkeit Hohn.
Diese Ausführungen
des Landgerichts unterliegen Bedenken (vgl. RGRKomm. z. BGB 8.Aufl. Anm.
1 Abs. 3 zu § 817 Satz 1 sowie WarnRspr. 1931 Nr. 119), denen jedoch
nicht weiter nachgegangen zu werden braucht, da die Klagabweisung aus einem
anderen Grunde gerechtfertigt ist. Der Ausgangspunkt des Landgerichts,
daß von der Nichtigkeit die dinglichen Erfüllungsgeschäfte
im vorliegenenden Falle nicht betroffen würden, kann nicht als zutreffend
angesehen werden. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts
der Grundsatz aufgestellt worden, daß im allgemeinen die Unsittlichkeit
des Veräußerungsgeschäfts die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts
wegen dessen abstrakter Natur nicht zur Folge habe. Von diesem Grundsatz
sind aber Ausnahmen anerkannt worden, und zwar u.a. für den Fall,
daß gerade mit dem dinglichen Rechtsvorgang unsittliche Zwecke verfolgt
werden oder daß in ihm die Unsittlichkeit begründet liegt (RG
Urteile vom 8. Januar 1930 I 178/29 in SeuffUrch. Bd. 84 S. 97 mit weiteren
Nachweisen, vom 13. April 1931 VIII 582/30 bei WarnRspr. 1931 Nr. 100 und
vom 6. Juli 1932 V 168/32 HRR 1933 Nr. 469). Ein solcher Ausnahmefall ist
hier gegeben. Der festgestellte Sachverhalt ergibt einwandfrei, daß
die Klägerin nicht durch die bloße schuldrechtliche Verplichtung
des Beklagten zur Übereignung des Grundstücks, deren Erfüllung
er nach erfolgter Scheidung unter Hinweis auf § 138 Abs. 1 BGB hätte
verweigern können, sondern nur dadurch zur Erhebung der Scheidungsklage
bestimmt werden sollte und bestimmt worden ist, daß der Beklagte
gleichzeitig die Übereignung selbst vornahm. Diese schon ohne weiteres
nach der Sachlage gebotene Auffassung wird auch durch den vom Beklagten
überreichten Briefwechsel bestätigt. Insbesondere ergibt sich
aus dem Brief des Anwalts des Beklagten Dr. J. an den Anwalt der Klägerin
Dr. W. vom 24. Januar 1929 sowie aus dem Brief des Rechtsanwalts Dr. J.
an den Beklagten vom 31. Mai 1929, daß die Klägerin als “Gegenleistung”
für die Erhebung der Scheidungsklage die sofortige Vornahme der Übereignung
des Grundstücks gefordert hat. Es liegt mithin so, daß gerade
mit dem dinglichen Rechtsvorgang der unsittliche Zweck verfolgt wurde,
die Klägerin zur Erhebung der Scheidungsklage zu bestimmen. Sie hat
sich durch die Übereignung des Grundstücks ihren Entschluß,
die Scheidungsklage zu erheben, abkaufen lassen. Die im Vertrag vom 29.
März 1929 vorgenommene Auflassung des Grundstücks an die Klägerin
ist daher nichtig. Ist hiernach die Klägerin nicht Eigentümerin
des Grundstücks geworden, so konnte sie schon aus diesem Grunde die
für den Beklagten eingetragene Hypothek von jetzt noch 6250 RM nicht
als Eigentümergrundschuld erwerben, und es braucht nicht weiter erörtert
zu werden, ob mit Rücksicht auf die Richtigkeit der Auflassung eine
dingliche Belastung des Grundstücks überhaupt wirksam entstanden
ist.