Gründe:
Die Frage ist bejaht worden.
... "Die Beklagte hat von der Klägerin 150
Stück Kawamatta-Seide ... gekauft. Es wurden ihr von der Klägerin
zunächst 150 Stück Sendai-Seide übersandt. Als sie diese
Lieferung mit Schreiben vom 29. April und 1. Mai 1911 zurückwies,
hat die Klägerin mittels Schreibens vom 2. Mai anstelle der geschickten
Sendai-Seide Kawamatta-Seide angeboten und bereits am 3. Mai auch tatsächlich
übersandt. Die Beklagte hat aber die Annahme auch dieser Sendung abgelehnt.
Sie behauptet, Sendai-Seide sei weniger wert als Kawamatta-Seide und eine
andere Qualität als diese; sie will nicht verpflichtet sein, nach
Zurückweisung der ihr übersandten, von ihr nicht bestellten Sendai-Seide
die dann erst angebotene Kawamatta-Seide anzunehmen. Sie macht auch geltend,
daß sie an der Ersatzlieferung kein Interesse mehr gehabt habe. Dem
gegenüber vertritt die Klägerin den Standpunkt, daß Sendai-
und Kawamatta-Seide, die unstreitig aus verschiedenen Provinzen Japans
stammen, Waren anderer Art seien. Auch behauptet sie, daß Sendai-Seide
besser als Kawamatta-Seide sei sowie daß die Beklagte, die die Sendai-Seide
bereits am 19. April erhalten, die Rüge gegen diese Ware erst am 29.
April, also verspätet erhoben habe.
Beide Vorderrichter haben angenommen, Sendai-Seide
sei eine andere Gattung von Seide als Kawamatta, also eine andere Ware;
die Waren unterschieden sich nicht nur nach dem Herkunftsorte, sondern
seien innerlich anders geartet, indem die Kawamatta-Seide durch die Färbung
viel dichter werde als Sendai-Seide. Bei dem Kaufe von japanischer Rohseide
könne wohl Kawamatta- oder Sendai-Seide geliefert werden, bei dem
Kauf von Kawamatta- aber nicht Sendai-Seide; im Verhältnis zu Kawamatta-Seide
sei Sendai-Seide etwas anderes. Bei der Übersendung der Sendai-Seide
durch die Klägerin habe es sich also nicht um einen Gewährsmangel
der gelieferten Ware gehandelt. Auf den nach § 378 HGB zu beurteilenden
Streit der Parteien fänden nicht die Vorschriften über Gewährleistung
wegen Mängel der Sache (§§ 459 flg. BGB) Anwendung, vielmehr
habe Klägerin überhaupt noch nicht geliefert, so daß die
allgemeinen Vorschriften, insbesondere diejenigen über den Erfüllungsverzug
Platz zu greifen hätten. Danach aber habe die Beklagte die nachträglich
angebotene Kawamatta-Ware nur zurückweisen dürfen, wenn die Voraussetzungen
des § 326 BGB gegeben wären. Das sei hier nicht der Fall; eine
Fristsetzung habe nicht stattgehabt und dafür, daß die Beklagte
infolge des Verzugs der Klägerin an der Lieferung kein Interesse gehabt
habe, sei nichts erbracht. Die von der Beklagten behauptete ungünstige
Gestaltung der Preislage oder der Geschäftsaussichten reichten dazu
nicht aus. Die Beklagte habe sich bei der Zurückweisung der Ersatzlieferung
in Annahmeverzug (§ 295 BGB) befunden und müsse den Kaufpreis
bezahlen.
Die Annahme des Vorderrichters, daß Sendai-Seide eine andere Gattung von Seide sei als Kawamatta, wird von der Beklagten mit der Revision nicht bemängelt; ein Rechtsirrtum ist in ihr auch nicht ersichtlich. Der Folgerung aber, die die Vorderrichter daraus gezogen haben, daß eine andere Ware (ein aliud) geliefert sei, ist nicht beizutreten.
§ 378 HGB bestimmt, daß die Vorschriften
des § 377 HGB, der die Anzeige wegen Mängel einer gelieferten
Ware regelt, auch dann Anwendung zu finden haben, wenn eine andere als
die bedungene Ware (oder eine andere als die bedungene Menge von Waren)
geliefert ist, sofern die gelieferte Ware nicht offensichtlich von der
Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung
des Käufers als ausgeschlossen erachten mußte. Um diesen Ausnahmefall
von der Regel des § 378, der gegeben erscheint, wenn die gelieferte
Sache mit der bestellten gar nichts gemein hat und für den Zweck
des Käufers ohne Bedeutung ist (Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs
S. 226), handelt es sich nach den in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen
nicht. Von ihm abgesehen ist in der Literatur (vgl. Düringer-Hachenburg,
Bd. 3, 2. Aufl. 1913, S. 318 Anm. 6 und Staub-Könige, Bd 2, 9. Aufl.
1913; S. 955 Anm. 10 zu § 378) sowie in der Rechtsprechung der Gerichte
(vgl. Rechtspr. der OLG. Bd. 8 S. 70 und Bd. 10 S. 342) Streit darüber
entstanden, ob § 378 lediglich die in § 377 wegen Mängel
der Sachen geregelte Rügepflicht auf Fälle der Lieferung einer
anderen Ware (oder anderen Warenmenge) als der bedungenen ausdehnt, irgend
etwas Weiteres aber aus ihm nicht zu entnehmen ist, oder ob der Paragraph
mehr zum Ausdruck bringt und auf Grund des § 378 in den von ihm vorgesehenen
Fällen auch zugleich die Anwendung der Gewährleistungsvorschriften
geboten ist. Der Wortlaut des Gesetzes freilich scheint für das erstere
zu sprechen. Es ist richtig, was Düringer-Hachenburg hervorheben,
daß § 378 wörtlich nur den § 377 für anwendbar
erklärt und § 377 wiederum nur die Folgen der Unterlassung der
Mängelrüge bestimmt. Aber der Sinn und der Zweck des Gesetzes
gehen weiter.
In zahlreichen Fällen des Handelsverkehrs
ist die Entscheidung der Frage, ob es sich um die Lieferung einer mangelhaften
oder um die Lieferung einer anderen als der bedungenen Ware handelte, eine
durchaus schwierige. Eine feste Grenze ist zwischen beiden oft nicht zu
ziehen; es erscheint häufig willkürlich, das eine oder das andere
anzunehmen. Dabei hat die Unterscheidung der beiden Fälle keine innere
Berechtigung; sie stehen sich innerlich gleich. Auch die Lieferung einer
fehlerhaften Ware ist bei Zurückweisung der Ware durch den Käufer
vollständige Nichterfüllung des Vertrags (vgl. RG in Jur. Wochenschr.
1905 S. 17 Nr. 10; RGZ Bd. 52 S. 355, Bd. 53 S. 92). Die Vertragsverletzung
des Verkäufers ist also keine wesentlich verschiedene, ob er nun dem
Käufer vertragswidrig eine fehlerhafte oder eine solche Ware liefert,
die zwar las eine andere Gattung als die bedungene anzusprechen ist, aber
doch von der Bestellung nur so abweicht, daß die Genehmigung der
Ware seitens des Käufers nicht ausgeschlossen erscheint. Gerade aus
den vorstehend bezeichneten Gründen ist die Bestimmung des §
378 in dem neuen Handelsgesetzbuche gegeben worden; es war der ausgesprochene
Zweck des Gesetzes, dem unbefriedigenden Ergebnis abzuhelfen, das sich
bei der Anwendung des alten Handelsgesetzbuchs aus dem Fehlen einer dem
§ 378 entsprechenden Vorschrift ergeben hatte (vgl. die Denkschrift
a.a.O.). Wollte man nun annehmen, daß jetzt zwar die Pflicht zur
Rüge gegeben sei, gleichgültig, ob eine mangelhafte oder eine
andere Ware geliefert ist, daß aber, wenn Rüge ordnungsmäßig
erhoben wurde, im Falle der Lieferung einer mangelhaften Ware die Vorschriften
über Gewährsmängel, insbesondere auch § 480 BGB, im
Falle der Lieferung einer anderen Ware die Verzugsvorschriften, insbesondere
§ 326 BGB, zur Anwendung zu bringen seien, so würde bei erhobener
Rüge sofort wieder zu unterscheiden sein, ob es sich um das eine oder
um das andere handelte; es würde also die Streitfrage, die der Gesetzgeber
im Interesse des Verkehrs und entsprechend dessen Erfordernissen beseitigen
wollte, nicht beseitigt und die innerlich begründete Gleichstellung
der beiden sachlich gleichliegenden Fälle nicht erreicht sein.
Mißt der Senat danach dem § 378 HGB die oben bezeichnete weitere Bedeutung bei, so war das Berufungsurteil, soweit es den Streit der Parteien über die Kawamatta-Seide betrifft, aufzuheben und die Sache in diesem Umfange zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen, ohne daß es noch einer Erörterung darüber bedarf, ob der Berufungsrichter nicht in der Tat, wie die Revision meint, von seinem Standpunkt aus, daß § 326 BGB anwendbar sei, rechtsirrtümlich und mit unzureichender Begründung die Voraussetzungen dieser Vorschrift verneint hat." ...