»In welchem Umfang ist der Bewirtschafter
eines Gutes, der sich verpflichtet hat, täglich eine gewisse Milchmenge
daraus zu liefern, an diese Verpflichtung gebunden?
BGB, §§ 157, 242, 275«
Die Frage der Abgrenzung von Gattungsschuld zu
eine beschränkten Gattungsschuld (z.B. Vorratsschuld) ist häufig
eine Frage der Auslegung. Entscheidend ist, was die jeweils geschuldete
Gattung ist: Eine bestimmte Ware schlechthin oder nur ein bestimmte Teilmenge
dieser Ware (etwa die vom Schuldner hergestellte bzw. herzustellende oder
die dort vorrätige). Im Wege der Vertragsauslegung ergibt sich i.d.R.
eine Vorratsschuld, wenn ein Produzent Ware verkauft, die er selbst herstellt:
Er braucht nur aus seiner eigenen Produktion/Ernte zu leisten (für
den Sonderfall einer auch hier möglichen Stückschuld vgl. RGZ
92, 369 ff).
Der Beklagte, der das Gut Br. bewirtschaftete, verpflichtete sich durch Kaufvertrag vom 29. April 1914, dem Kläger bis zum 30. September 1915 täglich mindestens 800 bis höchstens 1000 Liter Milch zu liefern. Mit der Behauptung, die Verpflichtung sei nach Kriegsausbruch nicht mehr genügend erfüllt worden, nahm ihn der Kläger für die Zeit vom 31. März bis zum 30.. September 1915 auf Schadensersatz in Anspruch. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab; die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
..."Der Beklagte hat eingewendet, daß er
wegen unverschuldeter Unmöglichkeit der Erfüllung von der Leistungspflicht,
soweit er ihr nicht genügt habe, frei gewesen sei (§275 BGB).
Beide Vorderrichter haben auf Grund der Beweisaufnahme, insbesondere des
erhobenen Gutachtens, den Einwand als gerechtfertigt anerkannt. Sie führen
aus, der Milchertrag des Gutes Br. habe sich um die fragliche Zeit infolge
von Erkrankungen des Viehbestandes (Maul- und Klauenseuche, Scheidenkatarrh)
erheblich vermindert; der Rückgang habe sich noch gesteigert, als
im Frühjahr 1915 die Futtermittel zu Ende gegangen seien. Dazu sei
dann noch als widriger Umstand die Dürre gekommen, die im Juni 1915
eingesetzt habe. Das habe zur Folge gehabt, daß der Beklagte nach
Abzug des für die eigene Wirtschaft Nötigen, insbesondere auch
für die durchaus erforderliche Aufzucht von Kälbern und Ferkeln
Gebrauchten, dem Kläger nicht mehr habe liefern können, als er
tatsächlich geliefert habe.
Die hiergegen erhobenen Ansprüche sind nicht
begründet. ...
Die Revision wendet sich mit Unrecht gegen die
Annahme des Berufungsgerichts, daß der Beklagte die zur Befriedigung
des eigenen Bedarfs notwendige Milch habe zurückbehalten dürfen.
Der Vertrag der Parteien enthält allerdings keine dahin gehende ausdrückliche
Bestimmung. Bei einem Vertragsverhältnisse der vorliegenden Art war
dies aber auch nicht erforderlich. Der Beklagte hat nicht überhaupt
gewisse Milchmengen verkauft, sondern seine Verpflichtung war beschränkt
auf den Ertrag seines Gutes und damit nach der Verkehrssitte auf denjenigen
Teil des Erzeugnisses, der bei Einhaltung der Regeln einer ordnungsgemäßen
Wirtschaft Gegenstand der Veräußerung ist. Dazu gehört
aber bei einem landwirtschaftlichen Betriebe regelmäßig nicht
das zur geordneten Fortführung des Betriebes Erforderliche. Die Auffassung
des Berufungsgerichts steht deshalb im Einklange mit den Vorschriften sowohl
des § 157 als auch des § 242 und verstößt darum auch
nicht gegen § 275 BGB. Entgegen der Meinung der Revision ist es auch
nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht annimmt, dem Beklagten
sei nicht zuzumuten gewesen, in unwirtschaftlicher Weise enorme Preise
für Kraftfuttermittel zu zahlen, um die Milchgewinnung zu steigern.
Der Beklagte hatte nicht Milch schlechthin, sondern Milch aus dem Ertrage
seines Gutes zu liefern. Als Ertrag konnte aber nach der maßgebenden
Anschauung des Verkehrs nur gelten, was bei verständiger Führung
der Wirtschaft zu erzielen war. Eine Anwendung der Grundsätze, die
im kaufmännischen Verkehr für die Verteuerung der zu liefernden
Ware gelten, hat hier außer Betracht zu bleiben."...