Zentralproblem des Falles:
Siehe Anm. zu BGH NJW 1994, 515
Sachverhalt:
Mitte Oktober 1914 haben die Parteien in Berlin vereinbart, daß der Beklagte dem Kläger in der Zeit vom 4. Bis 12. November 1914 115 Kisten Kalkeier franko Berlin für 5,20 M per Schock liefern sollte. Die Lieferung ist nicht erfolgt. Kläger beansprucht Schadensersatz. Beklagter beruft sich darauf, daß ihm die Lieferung nicht möglich gewesen sei. Als er am 4. November 1914 von Berlin abgereist und am 5. November in seiner Heimat Bochnia in Galizien eingetroffen sei, sei wegen drohenden Einfalls der Russen der Zivilfrachtverkehr schon gänzlich eingestellt gewesen. Am 8. November habe er mit seiner Familie nach Krakau flüchten müssen.
In der Berufungsinstanz ist der Anspruch des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden. Der Revision des Beklagten ist stattgegeben worden.
Entscheidungsgründe:
... "Der Beklagte hatte sich darauf berufen, daß es, als er am 5. November in seine Heimat zurückgekehrt sei, bereits seit dem 1. November wegen der Kriegsunruhen unmöglich gewesen sei, von dort aus Eier nach Berlin zum Versand zu bringen, daß er wegen des drohenden Einmarsches der Russen am 8. November sich genötigt gesehen habe, mit seiner Familie und der notdürftigsten Habe auf einem Bauernwagen nach Krakau zu flüchten. Auf letzteres ist der Vorderrichter gar nicht eingegangen. Er unterstellt, daß die Lieferung von Eiern aus dem engeren Bezirke der Heimat des Beklagten tatsächlich nicht möglich gewesen sei, weist aber die Verteidigung des Beklagten zurück, indem er annimmt, daß Gegenstand des Kaufes nicht Eier der bezeichneten Herkunft, sondern schlechthin galizische Eier gewesen seien. Im Anschluß hieran führt er aus, solche Eier seien Großhandelsware; da die Russen nur einen Teil Galiziens besetzt hätten, der westliche Teil mit Krakau freigeblieben sei, so sei nach Lage der Umstände zu jener Zeit, insbesondere der damaligen Lebensmittelvorräte, ohne weiteres klar, daß der Beklagte in dem unbesetzten Teile Galiziens das erforderliche Quantum Eier für den Kläger hätte beschaffen und ihm auch zusenden können, der Beklagte hätte seinen Aufenthalt in Krakau dazu benutzen müssen, hier die ihm in Bochnia vielleicht entgangenen Eier für den Kläger zu beschaffen; dazu wäre er verpflichtet gewesen; nichts ergebe daher, daß ihm infolge seiner Flucht eine geschäftliche Tätigkeit unmöglich gewesen wäre.
Das erscheint verfehlt. Wenn § 279 BGB bestimmt,
daß bei Gattungsschulden der Schuldner solange die Leistung aus der
Gattung möglich ist, sein Unvermögen zur Leistung auch dann zu
vertreten habe, wenn ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt, so
schließt er die Berücksichtigung des unvorhergesehenen Eintritts
höherer Gewalt aber ähnlicher Umstände nicht aus, welche
nach dem Grundsatze des § 242 BGB das Verlangen der Leistung als unbillig
und ungerechtfertigt erscheinen lassen. Dies kann insbesondere bei dem
Gattungsverkäufer dann zutreffen, wenn er bei normalem Verlaufe durchaus
erfüllungsbereit und erfüllungsfähig gewesen wäre und
nur durch einen unerwarteten Zufall an der beabsichtigten Erfüllung
persönlich gehindert wird.
Angesichts der Umstände, unter welchen der
Beklagte nach Krakau gekommen war und dort lebte, drängt sich nichts
so sehr auf, wie die Zweifel, ob es ihm damals möglich gewesen ist,
seine geschäftliche Tätigkeit fortzusetzen, ja überhaupt
eine geschäftliche Tätigkeit aufzunehmen, geschweige denn, sich
die Erfüllung seiner laufenden Verbindlichkeiten - gleichviel ob Gattungsschulden
oder nicht - angelegen sein zu lassen. Dem näher nachzugehen, wäre
Sache des Instanzrichters gewesen."