Einstandspflicht
für Gattungsschulden nach § 279 BGB und Wegfall der Geschäftsgrundlage
bei Leistungserschwerungen ("wirtschaftliche Unmöglichkeit")
Amtl. Leitsatz: »Zu den Voraussetzungen einer - ausnahmsweisen
- Befreiung von der Einstandspflicht des Verkäufers für die Erfüllung
einer Gattungsschuld (Anschluß an das Senatsurteil vom 12. Juli 1972
- VIII ZR 200/71 = WM 1972, 1251 = NJW 1972, 1702).«
Wer die Leistung aus einer Gattung verspricht,
haftet nach § 279 BGB ohne Rücksicht auf Vertretenmüssen
für sein Unvermögen zur Leistung. Solange die Lieferung aus der
Gattung überhaupt möglich ist, hat er wegen seines Leistungsversprechens
für die Leistung zu garantieren. Kommt es nun zu nachträglichen
Leistungshindernissen, welche die Parteien nicht vorausgesehen haben, stellt
sich die Frage der Reichweite einer solchen Einstandspflicht bzw. des Einflusses
von § 242 BGB. Das Reichsgericht hat hier im "ostgalizischen Eierfall"
(RGZ 99, 1 ff) und - noch deutlicher - im "Baumwollsaatmehl-Fall"
(RGZ 57, 116 ff) auf § 242 BGB abgestellt.
Die Leistung aus der Gattung sei i.S.v. § 279 BGB nicht erst dann
dann unmöglich, wenn die ganze Gattung untergegangen sei, sondern
auch dann, wenn die Beschaffung von Gegenständen der fraglichen Gattung
so schwierig geworden isei, daß sie billigerweise niemandem zugemutet
werden könne (vgl. für eine ähnliche Problematik [Die Gattung
reicht nicht aus, um alle Gläubiger zu befriedigen] RGZ
84, 125). Allerdings dürfe die Beschaffung des Leistungsgegenstandes
infolge eines zufälligen Ereignisses nicht bloß etwa mehr Schwierigkeiten
bieten, sondern müsse mit so außergewöhnlichen Schwierigkeiten
verbunden sein, daß diese Schwierigkeiten nach der Auffassung des
Verkehrs der Unmöglichkeit gleichgeachtet werden. Man hat hierfür
in der Literatur auch den - gefährlichen - Terminus der sog. "wirtschaftlichen
Unmöglichkeit" (so RGZ 107, 156) benutzt (vgl. dazu etwa Medicus
SchuldR AT Rn. 370).
Fundstellen: NJW 1994, 515
Die Beklagte zu 2 ist persönlich haftende
Gesellschafterin der Beklagten zu 1 (im folgenden: Beklagte), einer Porsche
Direkthändlerin. Der Kläger unterhielt als Wiederverkäufer
von Kraftfahrzeugen zu ihr seit längerer Zeit Geschäftsbeziehungen.
Nachdem die Beklagte von der Porsche AG erfahren hatte, es sei beabsichtigt,
nach entsprechender Entwicklungsdauer ein mit einer Vielzahl technischer
Neuerungen ausgestattetes Porsche-Modell als Serienfahrzeug in begrenzter
Stückzahl auf den Markt zu bringen, unterrichtete sie - im Bestreben
Kaufinteresse festzustellen - u.a. den Kläger hiervon. Der Kläger
und H. G. (im folgenden: H.G.) bestellten am 12. Dezember 1983 jeweils
einen Porsche "Typ 911 Gruppe B Homologationsmodell" unter Einverständnis
mit den Porsche-Verkaufsbedingungen. In dem üblicherweise von der
Beklagten verwendeten Bestellformular ist u.a. handschriftlich eingetragen:
Mit gleichlautenden Schreiben vom 3. April 1984 wandte sich die Beklagte an den Kläger und an H.G.. Darin heißt es u.a.: "Sie haben sich für die Anschaffung eines
Automobils aus dem Hause Porsche entschieden. Wir danken Ihnen dafür,
daß Sie als Lieferant unser Haus ausgewählt haben. Wir werden
bemüht sein sowohl diese Abwicklung als auch alle später an uns
herangetragenen Wünsche zu Ihrer vollsten Zufriedenheit zu erledigen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hält die Kaufverträge für unwirksam und hat vorsorglich u.a. geltend gemacht, sie habe nicht zu vertreten, daß die Porsche AG - was unstreitig ist - sich 1985, also nach Abschluß der Kaufverträge mit dem Kläger und H.G., entschieden habe, den Verkauf des Homologationsmodells nicht über ihr Händlernetz, sondern unter eigener Auswahl der Interessenten direkt ab Werk durchzuführen, so wie es dann auch geschehen sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt er sein Klagebegehren weiter. Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger und dem Zedenten mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufverträge als wirksam angesehen und gemeint, grundsätzlich sei der Kläger wegen der endgültigen und beharrlichen Weigerung der Beklagten, den Lieferungsanspruch zu erfüllen, berechtigt gewesen, seine Rechte aus § 326 BGB auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Dem eigenen wie dem abgetretenen Anspruch stehe jedoch entgegen, daß der Beklagten nachträglich die Erfüllung ihrer Lieferverpflichtung unmöglich geworden sei, ohne daß sie dies zu vertreten habe. Bei der ausschließlichen Belieferung durch Porsche selbst habe sie keine fabrikneuen Fahrzeuge liefern können. Das Leistungshindernis sei spätestens am 17. April 1985 eingetreten, zu dem Zeitpunkt nämlich, an dem die Porsche AG bekannt gemacht habe, daß der Verkauf direkt ab Werk erfolge. Nach diesem Zeitpunkt habe Verzug der Beklagten nicht mehr eintreten können. Es bleibe daher bei der Rechtsfolge des § 323 BGB, wonach der Kläger seinen Anspruch auf die Gegenleistung verloren habe. Selbst wenn von einer Gattungsschuld ausgegangen werden müsse, so sei die Verantwortlichkeit der Beklagten aus § 279 BGB entfallen, da infolge nicht vorhersehbarer Umstände so erhebliche Leistungshindernisse entstanden seien, daß der Beklagten die Beschaffung nicht mehr zuzumuten gewesen sei. II. Die Entscheidung hält der rechtlichen
Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
2. Sind die Kaufverträge wirksam zustande gekommen, so schuldete die Beklagte deren Erfüllung; war sie dazu nicht in der Lage, weil die Porsche AG nach Abschluß dieser Verträge die Händlerorganisation ausschaltete, so hat sie Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten, und zwar nach Lage des vorliegenden Falles gemäß § 325 BGB. Bei der Verkäuferverpflichtung, die die Beklagte eingegangen ist, handelt es sich um eine Gattungsschuld. Unstreitig hat die Porsche AG 200 Fahrzeuge des fraglichen Typs - wenn auch mit abweichender Kennzeichnung - hergestellt. Im Zeitpunkt des Lieferungsverlangens der Käufer (Anwaltsschreiben vom 7. Juli, 17. August und 23. Oktober 1987) war die Leistung aus der Gattung möglich. Aus der Korrespondenz geht hervor, daß die Porsche AG damals die Fahrzeuge unter der Typenbezeichnung "Porsche 959" auslieferte. Bei Gattungsschulden hat der Verkäufer, solange die Leistung aus der Gattung möglich ist, gemäß § 279 BGB sein Unvermögen zur Leistung selbst dann zu vertreten, wenn ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt. Das hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt. a) Eine Haftung für nachträgliches -
d.h. nach Abschluß der Kaufverträge eingetretenes - Unvermögen
käme allerdings nicht in Betracht, wenn sie ausdrücklich oder
stillschweigend ausgeschlossen worden wäre. Einen ausdrücklichen
Haftungsausschluß im Sinne eines Vorbehalts eigener Belieferung behauptet
die Beklagte nicht. Die Klausel "nach Liefermöglichkeit der Porsche
AG" kann nicht als Selbstbelieferungsvorbehalt ausgelegt werden. Nach ihrem
Wortlaut und erkennbaren Sinn sollte damit das Herstellungsrisiko abgedeckt
werden. Dieses Risiko hat sich nicht verwirklicht. Ein Haftungsausschluß
läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß es in den Formularverträgen
unter "Bezeichnung" heißt, "Farbe, Ausstattung und Zubehör werden
nach Bekanntgabe des Lieferumfang + Preises durch die Porsche AG vom Kunden
festgelegt". Die Regelung geht davon aus, daß eine Belieferung der
Beklagten durch die Porsche AG jedenfalls erfolgt; der der Umfang der Belieferung
war offen. Im übrigen zeigen Formulierung und Inhalt der Bestätigungsschreiben,
daß die Beklagte ersichtlich nicht daran gedacht hat, sich im Sinne
eines
An jedes der genannten Erfordernisse für eine
Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht sind strenge Anforderungen
zu stellen. Das gilt auch dann, wenn der Verkäufer nicht Hersteller
der Ware ist. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 12. Juli 1972 ausgesprochen,
daß es dem Verkäufer grundsätzlich nicht zu einer Haftungsbefreiung
oder -beschränkung verhilft, daß der Kaufgegenstand erst beschafft
werden muß und der Käufer dies weiß. Etwas anderes kann
nur dann in Betracht kommen, wenn besondere Umstände hinzutreten.
Das kann dann der Fall sein, wenn das Beschaffungsrisiko vom Verkäufer
deshalb vernachlässigt werden durfte, weil er als Vertragshändler
in die Absatzorganisation des Herstellers eingebunden ist. So war es hier.
Auf die Anwendung der für den Wegfall der Geschäftsgrundlage
entwickelten Regelungen kann sich die Beklagte indessen nur dann mit Erfolg
berufen, wenn die Ausschaltung der Händlerorganisation für den
Verkauf des Porsche 959 unvorhersehbar war. Davon ist das Berufungsgericht
ausgegangen. Eine Revisionsrüge wird in diesem Zusammenhang nicht
erhoben. Dagegen beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe außer
acht gelassen, daß die Beklagte nicht dargetan habe, daß und
in welcher Weise sie sich um
Diese Rüge ist begründet. Anerkannt ist, daß selbst die Klausel "eigene Liefermöglichkeit vorbehalten" nicht von der Verpflichtung befreit, sich im Rahmen des Zumutbaren um anderweite Deckung zu bemühen (Palandt, BGB, 52. Aufl., § 279 Rdnr. 11 m.Nachw.). Dazu gehört jedenfalls die Einwirkungspflicht auf den Hersteller zumal dann, wenn der Händler, wie die Beklagte, Teil der Absatzorganisation ist, wobei hier hinzukommt, daß die Porsche AG die Beklagte aufgefordert hatte festzustellen, ob für das Modell Interessenten zu finden sein würden. Daß die Porsche AG mit dem Kläger und dem Zedenten unmittelbar keine Kaufverträge schließen wollte, entband die Beklagte von ihrer Verpflichtung nicht, geeignete Schritte zu unternehmen, um den Hersteller zu veranlassen, sie, die Beklagte, in die Lage zu versetzen, die eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Daß solche Schritte, z.B. die Androhung von Regreßansprüchen, von vornherein aussichtslos gewesen wären, kann nicht unterstellt werden. Da das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat, ohne den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen, konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem erkennenden Senat nach Lage des Falles verwehrt, § 565 Abs. 1 ZPO. Deshalb war sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In der anderweiten Verhandlung wird die Beklagte Gelegenheit haben, sich mit dem Vorwurf des Klägers auseinanderzusetzen, sie habe sich darauf beschränkt, ihn und den Zedenten darauf zu verweisen, die Porsche AG habe es abgelehnt, ihn und den Zedenten G. direkt zu beliefern. Der Beklagten wird nicht angelastet werden können, daß sie es unterlassen hat, von dritter Seite zwei Porsche 959 zu Liebhaberpreisen zu beschaffen. Vertragsinhalt war die Lieferung der Fahrzeuge vom Hersteller direkt.
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