»Erfordert § 279 BGB schlechthin
den Untergang der ganzen Gattung, oder reicht es nach Lage des Falles zu
dessen Anwendung zu, wenn die Beschaffung von Gegenständen der fraglichen
Gattung eine so schwierige geworden ist, daß sie billigerweise niemandem
zugemutet werden kann?«
Zentralproblem des Falles:
Siehe Anm. zu BGH NJW 1994,
515
Vgl. auch die Anm. zu RGZ
84, 125
Klägerin kaufte von der Beklagten am 6. Dezember
1901 6000 Zentner deutsches doppelgesiebtes entfasertes Baumwollensaatmehl,
Marke "Eichenlaub", Lieferung Dezember bis Mai monatlich ca. 1000 Zentner.
Sie mahnte am 31. Januar 1902 wegen der Januarlieferung und setzte Nachlieferungsfrist
bis zum 12. Februar. die Beklagte machte geltend, sie sei durch eine von
ihr nicht zu vertretende (kasuelle) nachfolgende Unmöglichkeit von
der Lieferung befreit; die Marke "Eichenlaub" sei eine besondere Markensorte,
die von der Firma B.&H. nach besonderem, ihr Geheimnis bildendem technischem
Verfahren mit eigens dazu konstruierten Maschinen in der Mühle von
R. zu Hamburg hergestellt und mit der ihr geschützten Marke "Eichenlaub"
bezeichnet werde; sie sei nur verpflichtet und berechtigt, diese Marke
zu liefern; dazu sei sie nicht imstande, weil die genannte Mühle am
30. Januar 1902 mit allen Vorräten an hergestellter Ware abgebrannt
sei. Sie habe unter den gleichen Lieferungsbedingungen von M., dieser von
B.& H. gekauft.
Klägerin bestritt die Unmöglichkeit
der Lieferung; vertragsgemäße Ware hätte auch in einer
anderen Mühle hergestellt werden und im offenen Markte bezogen werden
können. Die Marke "Eichenlaub" sei nur Herkunftsbezeichnung für
Ware der Firma H.& B., nicht aber Qualitätsbezeichnung für
Ware einer bestimmten Produktionsstätte. Sie verlangte mit der Klage
Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Januarquantums in Höhe
von 380 M.
Die Beklagte verlangte Abweisung der Klage und
erhob Widerklage mit dem Antrage, festzustellen, daß sie nicht verpflichtet
sei, wegen Nichtlieferung der von Februar bis Mai 1902 fällig gewesenen
Raten Schadensersatz zu leisten.
Der erste Richter wies die Klage ab und erkannte
nach dem Antrage der Widerklage. Das Berufungsgericht wies die Berufung
der Klägerin zurück. Ihre Revision wurde zurückgewiesen
aus folgenden
..."Der Lieferungsvertrag war ein Gattungskauf;
an und für sich ist daher von § 279 BGB der Ausgang zu nehmen,
wonach der Schuldner, solange die Leistung aus der Gattung möglich
ist, sein Unvermögen zur Leistung auch dann zu vertreten hat, wenn
ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt. Nach dem Vorbringen
der Beklagten und Widerklägerin war indessen die Warengattung des
Baumwollensaatmehls in dem Vertrage dahin beschränkt, daß nur
Baumwollensaatmehl, nach besonderem - Geheimnis der Firma B.&H. bildendem
- technischen Verfahren hergestellt und in dieser Herstellung mit der Marke
"Eichenlaub" bezeichnet, gehandelt war. Das haben die Instanzgerichte als
beweisen angenommen. Danach war die Beklagte nur berechtigt, aber auch
nur verpflichtet, die danach spezialisierte Sorte Baumwollensaatmehl zu
liefern. Sie war nicht verpflichtet, gleich gutes Baumwollensaatmehl anderer
Herstellungsart als "Ersatzware" zu leisten.
Die Firma B.&H. hatte die gehandelte - nur
von ihr hergestellte - Warensorte in der Mühle von R. zu Hamburg herstellen
lassen, die, wie im Laufe des Rechtstreits klargelegt wurde, ihr gehörte.
Diese Mühle brannte am 30. Januar 1902 ab. Der Berufungsrichter nahm
eine von der Beklagten und Widerklägerin nicht zu vertretende Unmöglichkeit
für das auf 31. Januar 1902 frühestens, am 30. Januar oder früher
noch nicht abgerufene Januaraquantum und für die späteren Monatslieferungen
bis einschließlich Mai 1902 und gelangte so zur Abweisung der Klage
und zur Zuerkennung der Widerklage. Er erwog: durch den Brand, der an sich
jedenfalls ein von der Beklagten nicht zu vertretendes kasuelles Ereignis
gewesen, sei die Produktion der gehandelten Ware in der Mühle von
R. bis über den Juli 1902 hinaus unmöglich geworden. B&H.
seien ferner während der hier in Betracht kommenden Vertragszeit nicht
in der Lage gewesen, auf einer anderen ihnen zugänglichen Mühle
die gleiche Qualität, das ist Ware der gehandelten Sorte, auf Grund
ihres Geheimverfahrens herstellen zu lassen.
Danach ist mit dem Berufungsrichter davon auszugehen,
daß nach dem Brande vom 30. Januar 1902 die gehandelte Ware in absehbarer
Weise nicht weiter hergestellt werden konnte. Dadurch allein ist indessen,
da es sich nicht um einen Vertrag zwischen dem Fabrikanten und dessen Abnehmer
handelt, noch nicht die Unmöglichkeit der Leistung der Gattungssache
begründet. Unstreitig waren in der Nacht vor dem Brande noch 2000
Zentner Baumwollensaatmehl der hier gehandelten Sorte elbaufwärts
verladen worden; diese waren nach dem Brande jedenfalls noch vorhanden.
Die Mühle von R. war ferner ein Unternehmen mit derart großer
Produktion, daß, wenn auch bei der Art der gehandelten Ware ein baldiger
Verbrauch in dritter Hand naheliegt, auch im übrigen ein Untergang
der ganzen Gattung für die Zeit nach dem Brande nicht angenommen werden
kann. Aber auch § 279 BGB darf nicht dahin ausgelegt werden, daß
nur der Untergang der ganzen Gattung den Schuldner befreie, im übrigen
aber dieser schlechthin und allein die Gefahr eines solchen zufälligen
Ereignisses zu vertreten habe. Vielmehr ist im Sinne des § 279
a.a.O. die Leistung aus der Gattung nicht bloß dann unmöglich,
wenn die ganze Gattung untergegangen, sondern auch dann, wenn die Beschaffung
von Gegenständen der fraglichen Gattung eine so schwierige geworden
ist, daß sie billigerweise niemandem zugemutet werden kann. Die letztbezeichnete
Einschränkung steht zwar nicht in § 279, ergibt sich aber wenigstens
für einen Gattungskauf der spezialisierten Art, wie er hier vorliegt,
aus § 242 BGB.
Allerdings darf dieser Einschränkung nicht
eine Anwendung oder vielleicht richtiger eine Ausdehnung gegeben werden,
die entgegen der Absicht des § 279 und dessen Wortlaute im Ergebnisse
darauf hinausläuft, daß der Gläubiger die Gefahr solcher
zufälligen Ereignisse auch beim Gattungskauf in der Regel zu tragen
hätte. Die Beschaffung des Leistungsgegenstandes darf infolge eines
zufälligen Ereignisses nicht bloß etwa mehr Schwierigkeiten
bieten, - diese mögen in der Notwendigkeit umfassenderer Nachfrage,
oder erheblich höherer Anschaffungskosten bestehen, - sondern muß
mit so außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden sein, daß
diese Schwierigkeiten nach der Auffassung des Verkehrs der Unmöglichkeit
gleichgeachtet werden. Danach wird sich in einem Falle, wie er hier
vorliegt, der Verkäufer nicht darauf beschränken dürfen,
auf seinem Markte nach der Ware zu fragen; er hat wohl umfassender Nachfragen
auch auf anderen Märkten anzustellen und sich auch zur Zahlung höherer
Preise bereit zu erklären, um die Ware etwa noch aus dritter Hand
zu erhalten. Das verkennt der Berufungsrichter indessen nicht. Unter Hinweis
auf die Aussagen der sachverständigen Zeugen G. und W., deren Erklärung
ganz allgemein dahin ging, daß "nach ihrem besten Wissen nach dem
Brande der R.'schen Mühle tatsächlich keine effektive Ware in
den erforderlichen Mengen zu haben gewesen", nimmt er als bewiesen an:
die Warensorte mit der Marke "Eichenlaub" war in der hier in Betracht kommenden
Zeit am Markte nicht zu haben. Das Vorbringen, daß in der Nacht vor
dem Brande noch 2000 Zentner nach Magdeburg verladen waren, beseitigt er
mit der Erwägung, es sei wahrscheinlich, daß die Ware dorthin
auf Bestellung geliefert sei und zwar zur Erfüllung bestehender Verpflichtungen
gedient habe. Daran knüpft er die Erörterung, schließlich
müsse die Verpflichtung der Beklagten, sich um Anschaffung der Ware
zu bemühen, eine Grenze haben; es könne nicht verlangt werden,
daß sie an allen deutschen und außerdeutschen Märkten
Nachfrage halte.
Diese Ausführungen mögen im Ausdrucke
zum Teil die erwünschte Bestimmtheit und Schärfe vermissen lassen:
in der Sache sagt damit der Berufungsrichter: auf dem Markte war die Ware
mit allen Anstrengungen und Opfern nicht mehr zu haben; die mehrfach erwähnten
2000 Zentner waren nach seiner Kenntnis des Handels mit dieser Ware gleichfalls
schon in festen Händen; weiterhin hätten die Bemühungen,
die der Schuldner für Beschaffung der Ware machen müsse, doch
auch ihre Grenze; eine Nachfrage auf allen Märkten des Inlandes und
Auslandes könne von ihm nicht verlangt werden. So aufgefaßt
sind sie bei einer derart spezialisierten Gattung wie hier, mit der oben
dargelegten rechtsgrundsätzlichen Auffassung von der Tragweite des
§ 279 BGB vereinbar"...