IZPR: Internationale Zuständigkeit nach Art. 5
Nr. 3 EuGVO für Klagen aus Produkthaftung; Herstellungsort als Ort des
schädigenden Ereignisses
EuGH v.
16.1.2014 – C-45/13 (Andreas
Kainz/Pantherwerke AG)
Fundstelle:
NJW 2014, 1166
Tenor:
Art. 5 Nr. 3 der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001
des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass die Haftung eines Herstellers
für ein fehlerhaftes Produkt geltend gemacht wird, der Ort des den Schaden
verursachenden Ereignisses der Ort ist, an dem das betreffende Produkt
hergestellt wurde.
Zentrale Probleme:
Es geht um die internationale Zust ändigkeit
für Klagen aus Produkthaftung: Der Kläger hatte in Österreich, wo er auch
seinen gew. Aufenthalt hatte, ein Fahrrad aus der Produktion einer eines in
Deutschland ansässigen Herstellers erworben. Daraufhin hatte er – wiederum
in Deutschland – einen Unfall mit dem Fahrrad, bei dem er verletzt wurde.
Unfallursache war der Bruch der Gabel des Fahrrads, die der Kläger auf einen
Produktionsfehler des Herstellers zurückführt. Er klagt vor österreichischen
Gerichten, der österreichische OGH hat die Frage der internationalen
Zuständigkeit dem EuGH vorgelegt. Dieser entscheidet, dass die deliktische
Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO, die auf den Ort des schädigenden
Ereignisses abstellt, in Fällen der Produkthaftung damit auf den Ort der
Herstellung verweist.
©sl 2014
Urteil:
1 Das
Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
2 Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Kainz, wohnhaft in
Salzburg (Österreich), und der Pantherwerke AG, die ihren Sitz in
Deutschland hat, wegen einer auf die Produkthaftung gestützten
Schadensersatzklage, die Herr Kainz im Anschluss an einen Unfall erhoben
hat, den er in Deutschland mit einem von der Pantherwerke AG in diesem
Mitgliedstaat hergestellten, jedoch bei einem Einzelhändler in Österreich
erworbenen Fahrrad erlitten hatte.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 44/2001
3 In den Erwägungsgründen 2, 11, 12 und 15 der Verordnung
Nr. 44/2001 heißt es:
„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen
Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von
Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts.
Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften
über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu
vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und
unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den
durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.
...
(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar
sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und
diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau
festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der
Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium
gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung
selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu
stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch
alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen
Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer
geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
...
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen
Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei
Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. …“
4 Die Art. 2 bis 31 dieser Verordnung, die zu Kapitel II gehören,
enthalten Zuständigkeitsvorschriften.
5 Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) dieses Kapitels enthält
einen Art. 2 Abs. 1 mit folgendem Wortlaut:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren
Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf
ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu
verklagen.“
6 Der ebenfalls zu diesem Abschnitt gehörende Art. 3 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:
„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben,
können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den
Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“
7 Art. 5 Nr. 3 dieser Verordnung gehört zu Kapitel II Abschnitt 2
(„Besondere Zuständigkeiten“). Er sieht vor:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat,
kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
...
3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer
unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer
solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem … Gericht des
Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten
droht“.
Verordnung
(EG) Nr. 864/2007
8 Der siebte Erwägungsgrund der
Verordnung
(EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli
2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
(„Rom II“) (ABl. L 199, S. 40) lautet:
„Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung
sollten mit der Verordnung [Nr. 44/2001] und den Instrumenten, die das auf
vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zum Gegenstand haben, in
Einklang stehen.“
9 Art. 5 („Produkthaftung“) dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 2 ist auf ein außervertragliches
Schuldverhältnis im Falle eines Schadens durch ein Produkt folgendes Recht
anzuwenden:
a) das Recht des Staates, in dem die geschädigte Person beim Eintritt
des Schadens ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern das Produkt in
diesem Staat in Verkehr gebracht wurde, oder anderenfalls
b) das Recht des Staates, in dem das Produkt erworben wurde, falls das
Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde, oder anderenfalls
c) das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist, falls das
Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde.
Jedoch ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Person, deren
Haftung geltend gemacht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn sie
das Inverkehrbringen des Produkts oder eines gleichartigen Produkts in dem
Staat, dessen Recht nach den Buchstaben a, b oder c anzuwenden ist,
vernünftigerweise nicht voraussehen konnte.
(2) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte
Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in
Absatz 1 bezeichneten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen
Staates anzuwenden. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen
Staat könnte sich insbesondere aus einem bereits bestehenden
Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das
mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.“
Richtlinie 85/374/EWG
10 Art. 11 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur
Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210, S. 29) in der durch die
Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai
1999 (ABl. L 141, S. 20) geänderten Fassung sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften vor, dass die dem
Geschädigten aus dieser Richtlinie erwachsenden Ansprüche nach Ablauf einer
Frist von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt erlöschen, zu dem der Hersteller das
Produkt, welches den Schaden verursacht hat, in den Verkehr gebracht hat, es
sei denn, der Geschädigte hat in der Zwischenzeit ein gerichtliches
Verfahren gegen den Hersteller eingeleitet.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
11 Die Pantherwerke AG ist ein Unternehmen mit Sitz in
Deutschland, das Fahrräder produziert und vertreibt. Herr Kainz, der in
Salzburg wohnt, erwarb am 3. November 2007 von der Funbike GmbH, einer
Gesellschaft mit Sitz in Österreich, ein von der Pantherwerke AG
hergestelltes Fahrrad. Am 3. Juli 2009 kam Herr Kainz bei einer Fahrt mit
diesem Fahrrad in Deutschland zu Sturz, wobei er verletzt wurde.
12 Vor dem Landesgericht Salzburg begehrte Herr Kainz, gestützt auf den
Titel der Produkthaftung, von der Pantherwerke AG die Zahlung von 21 200
Euro zuzüglich Zinsen und Nebenkosten sowie die Feststellung der Haftung
dieser Gesellschaft für künftige Schäden aus dem Unfall. Sein Sturz mit dem
Fahrrad sei darauf zurückzuführen, dass sich die Gabelenden von der Radgabel
gelöst hätten. Die Pantherwerke AG hafte als Herstellerin des Produkts für
diesen Produktionsmangel.
13 Zur Zuständigkeit beruft sich Herr Kainz auf Art. 5 Nr. 3
der Verordnung Nr. 44/2001. Der Ort des den Schaden verursachenden
Ereignisses liege in Österreich, weil das Fahrrad dort in dem Sinne in
Verkehr gebracht worden sei, dass es dort dem Endnutzer in Form eines
kommerziellen Vertriebs zur Verfügung gestellt worden sei.
14 Die Pantherwerke AG bestreitet die internationale Zuständigkeit der
österreichischen Gerichte. Der Ort des den Schaden verursachenden
Ereignisses befinde sich in Deutschland. Zum einen habe der
Herstellungsvorgang in Deutschland stattgefunden, zum anderen sei mit der
Versendung des Produkts vom Sitz dieser Gesellschaft das Produkt in
Deutschland in Verkehr gebracht worden.
15 Die mit der von Herrn Kainz erhobenen Klage befassten
Tatsachengerichte verneinten sowohl in erster Instanz als auch im
Rekursverfahren ihre internationale Zuständigkeit.
16 Das mit einem Revisionsrekurs befasste vorlegende Gericht hält es
für erforderlich, den Begriff des Ortes des ursächlichen Geschehens bei der
Produkthaftung zu klären.
17 Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das
Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist die Formulierung „Ort, an dem das schädigende Ereignis
eingetreten ist oder einzutreten droht“, in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr.
44/2001 bei der Produkthaftung dahin auszulegen,
a) dass der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses
(„Handlungsort“) der Ort des Herstellersitzes ist;
b) dass der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses
(„Handlungsort“) der Ort des Inverkehrbringens des Produkts ist;
c) dass der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses
(„Handlungsort“) der Ort des Erwerbs des Produkts durch den Benutzer ist?
2. Wenn Frage 1 b) bejaht wird:
a) Ist das Produkt in Verkehr gebracht, wenn es den vom Hersteller
eingerichteten Prozess der Herstellung verlassen hat und in einen Prozess
der Vermarktung eingetreten ist, in dem es in ge- oder verbrauchsfertigem
Zustand öffentlich angeboten wird?
b) Ist das Produkt in Verkehr gebracht, wenn es strukturiert an
Endverbraucher vertrieben wird?
Zu den Vorlagefragen
18 Mit seinen Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das
vorlegende Gericht wissen, wie Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001
auszulegen ist, um den Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses zu
ermitteln, wenn die Haftung eines Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt
geltend gemacht wird.
19 Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf
hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 nach ständiger
Rechtsprechung autonom und unter Bezugnahme auf die Systematik und die
Zielsetzungen dieser Verordnung auszulegen sind (vgl. u. a. Urteile
vom 16. Juli 2009, Zuid-Chemie, C‑189/08, Slg. 2009, I‑6917, Rn. 17, und vom
3. Oktober 2013, Pinckney, C‑170/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung
veröffentlicht, Rn. 23).
20 Ferner ergibt sich zwar aus dem siebten Erwägungsgrund der
Verordnung Nr. 864/2007, dass der Unionsgesetzgeber die Verordnung Nr.
44/2001 auf der einen und den materiellen Anwendungsbereich und die
Bestimmungen der Verordnung Nr. 864/2007 auf der anderen Seite miteinander
in Einklang bringen wollte, daraus folgt jedoch nicht, dass die
Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 mithin im Licht der Bestimmungen der
Verordnung Nr. 864/2007 auszulegen wären. Die angestrebte Kohärenz kann
keinesfalls zu einer Auslegung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001
führen, die ihrer Systematik und ihren Zielsetzungen fremd ist.
21 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der gemeinsamen
Zuständigkeitsordnung in den Bestimmungen des Kapitels II der Verordnung Nr.
44/2001 die in Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung aufgestellte allgemeine Regel
zugrunde liegt, dass Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den
Gerichten dieses Staates zu verklagen sind. Nur als Ausnahme von der
allgemeinen Regel der Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzstaats des
Beklagten sehen die Bestimmungen des Kapitels II Abschnitt 2 der Verordnung
Nr. 44/2001 eine Reihe besonderer Zuständigkeitsregeln vor, zu denen Art. 5
Nr. 3 dieser Verordnung gehört (Urteil vom 18. Juli 2013, ÖFAB,
C‑147/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 30 und
die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Diese besonderen Zuständigkeitsregeln sind eng auszulegen
und erlauben keine Auslegung, die über die in dieser Verordnung
ausdrücklich geregelten Fälle hinausgeht (Urteil ÖFAB, Rn. 31 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
23 Jedoch ist nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn der Ort,
an dem das für die Auslösung einer Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter
Handlung oder wegen einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung
gleichgestellt ist, in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht
auch der Ort ist, an dem aus diesem Ereignis ein Schaden entstanden ist, der
Ausdruck „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, in Art. 5
Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 so zu verstehen, dass er sowohl den Ort, an
dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des diesem Schaden
zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens meint, so dass der Beklagte nach
Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden
kann (vgl. u. a. Urteile Zuid-Chemie, Rn. 23, und Pinckney, Rn.
26).
24 Da die Ermittlung eines dieser Anknüpfungspunkte es erlauben muss,
die Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, das objektiv am besten
beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten
vorliegen, kann nur das Gericht rechtswirksam angerufen werden, in dessen
Bezirk der relevante Anknüpfungspunkt liegt (vgl. Urteil Pinckney, Rn. 28
und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Im Rahmen des Rechtsstreits, der im Ausgangsverfahren bei dem
vorlegenden Gericht anhängig ist, steht fest, dass dieses Gericht
ausschließlich die Frage nach der Ermittlung des Ortes des ursächlichen
Geschehens aufwirft.
26 Hierzu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass dieser
Ort im Fall der Produkthaftung der Ort ist, an dem sich das Ereignis
verwirklicht hat, das zu dem Schaden an dem Produkt selbst geführt hat
(vgl. in diesem Sinne Urteil Zuid-Chemie, Rn. 27).
Grundsätzlich tritt dieser Umstand an dem Ort ein, an dem das betreffende
Produkt hergestellt wurde.
27 Da die räumliche Nähe zu dem Ort, an dem sich das Ereignis
verwirklicht hat, das zu dem Schaden an dem Produkt selbst geführt hat,
insbesondere aufgrund der Möglichkeit, dort die Beweise zum Nachweis der in
Rede stehenden Fehlerhaftigkeit zu erheben, eine sachgerechte Gestaltung des
Prozesses und mithin eine geordnete Rechtspflege erleichtert, steht die
Zuweisung der Zuständigkeit an das Gericht, in dessen Bezirk dieser Ort
liegt, im Einklang mit dem Sinn und Zweck der in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung
Nr. 44/2001 vorgesehenen besonderen Zuständigkeit, dass nämlich zwischen der
Streitigkeit und dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis
eingetreten ist, eine besonders enge Verknüpfung besteht (vgl. in
diesem Sinne Urteile Zuid-Chemie, Rn. 24, und Pinckney, Rn. 27).
28 Eine Zuweisung der Zuständigkeit an das Gericht des Ortes,
an dem das in Rede stehende Produkt hergestellt wurde, entspricht darüber
hinaus dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften,
da sowohl der beklagte Hersteller als auch der klagende Geschädigte
vernünftigerweise vorhersehen können, dass dieses Gericht am besten in der
Lage sein wird, über einen Rechtsstreit zu entscheiden, der u. a. die
Feststellung einer Fehlerhaftigkeit dieses Produkts umfasst.
29 Daher ist festzustellen, dass in dem Fall, dass die Haftung
eines Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt geltend gemacht wird, der Ort
des ursächlichen Geschehens der Ort ist, an dem das betreffende Produkt
hergestellt wurde.
30 Das von Herrn Kainz vorgebrachte Argument schließlich, dass bei der
Auslegung der besonderen Zuständigkeit für Fälle, in denen eine unerlaubte
Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt
ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens
bilden, neben dem Interesse einer geordneten Rechtspflege auch dem Interesse
der geschädigten Person Rechnung zu tragen sei, indem ihr die Klageerhebung
vor einem Gericht des Mitgliedstaats ermöglicht werde, in dem sie wohne,
kann nicht durchgreifen.
31 Nicht nur, dass der Gerichtshof bereits festgestellt hat,
dass mit Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 gerade nicht bezweckt wird,
der schwächeren Partei einen verstärkten Schutz zu gewährleisten
(vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2012,
Folien Fischer und Fofitec, C‑133/11, noch nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht, Rn. 46), überdies würde die von Herrn Kainz
vertretene Auslegung, wonach der Ort des ursächlichen Geschehens der Ort
sein soll, an dem das betreffende Produkt an den Endverbraucher oder den
Weiterverkäufer übergeben wurde, auch nicht sicherstellen, dass dieser
Verbraucher in jedem Fall die Gerichte seines Wohnsitzes anrufen könnte, da
dieser Ort anderswo und selbst in einem anderen Land liegen kann.
32 Auf jeden Fall entspricht die etwaige Unmöglichkeit, in Anwendung
der objektiven Kriterien für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung
Nr. 44/2001 die Zuständigkeit eines Gerichts des Mitgliedstaats zu
begründen, in dem der Kläger wohnt, der oben in Rn. 21 des vorliegenden
Urteils angeführten allgemeinen Regel der Zuständigkeit der Gerichte am
Wohnsitz des Beklagten.
33 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass
Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass in dem
Fall, dass die Haftung eines Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt
geltend gemacht wird, der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses der
Ort ist, an dem das betreffende Produkt hergestellt wurde.
Kosten
34 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein
Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit;
die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer
Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht
erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin
auszulegen, dass in dem Fall, dass die Haftung eines Herstellers für ein
fehlerhaftes Produkt geltend gemacht wird, der Ort des den Schaden
verursachenden Ereignisses der Ort ist, an dem das betreffende Produkt
hergestellt wurde.
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