Keine Rechtsfähigkeit
der Erbengemeinschaft
BGH, Beschluss vom 17.
Oktober 2006 - VIII ZB 94/05
Fundstelle:
NJW 2006, 3715
Amtl. Leitsatz:
Die Erbengemeinschaft
ist weder rechtsfähig noch parteifähig. Die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGHZ 146, 341)
und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (BGHZ 163,
154) sind nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen.
Zentrale Probleme:
Der BGH bestätigt die bereits in
BGH NJW 2002, 3389 geäußerte Ansicht, daß die Erbengemeinschaft nicht
rechtsfähig, sondern bloße Gesamthandsgemeinschaft ist. Den entscheidenden
Unterscheid zur BGB-Gesellschaft und der Wohnungseigentümergemeinschaft,
deren Rechtsfähigkeit anerkennt ist (s.
BGHZ 146, 341 und
BGHZ 163, 154) sieht der Senat weiterhin darin, daß
die Erbengemeinschaft nicht auf Dauer angelegt, sondern auf
Auseinandersetzung gerichtet ist. Sie verfügt nicht über eigene Organe,
durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte.
©sl 2006
Gründe:
I.
1
Die Kläger verlangen von den Beklagten die Zustimmung zur Mieterhöhung für
eine Wohnung. Den Mietvertrag haben die Kläger, die Mitglieder einer
Erbengemeinschaft sind, auf den Namen "F. S. 's Erben" geschlossen. Im
Zeitpunkt der Klagezustellung hatte die Klägerin zu 5 ihren Wohnsitz in den
Vereinigten Staaten von Amerika. Das Amtsgericht hat die Beklagten
antragsgemäß verurteilt. Dagegen haben die Beklagten Berufung zum
Landgericht eingelegt. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss als
unzulässig verworfen. Hiergegen wenden die Beklagten sich mit der
Rechtsbeschwerde.
II.
2
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher
Bedeutung zulässig, weil sich die Frage stellt, ob die Erbengemeinschaft in
entsprechender Anwendung der Grundsätze zur Teilrechtsfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft (BGHZ 163, 154) als rechtsfähig und damit
parteifähig anzusehen ist. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 575 ZPO form-
und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das
Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO
als unzulässig verworfen, weil für die Entscheidung über das Rechtsmittel
nicht das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht zuständig ist. Die
Oberlandesgerichte sind nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG zuständig für
die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Berufung und der
Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte in Streitigkeiten über
Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren
allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster
Instanz außerhalb des Geltungsbereichs des Gerichtsverfassungsgesetzes
hatte. Diese Voraussetzungen für die Berufungszuständigkeit des
Oberlandesgerichts sind hier erfüllt.
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a) Die Klägerin zu 5 hatte im Zeitpunkt der Zustellung der vor dem
Amtsgericht erhobenen Klage ihren Wohnsitz und damit gemäß § 13 ZPO ihren
allgemeinen Gerichtsstand im Ausland. Die Klägerin zu 5 ist - wie das
Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch Partei.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich dies allerdings nicht
schon daraus, dass die Kläger zu 1 bis 8 in der Klageschrift als "Kläger"
bezeichnet sind. Denn es ist unklar, ob damit die Kläger zu 1 bis 8 als
Einzelpersonen oder als Gemeinschaft gemeint sind. Da die Kläger die
Zustimmung zur Mieterhöhung aufgrund eines Mietvertrages verlangen, den sie
als Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf den Namen "F. S. 's Erben"
geschlossen haben, kommen als Partei sowohl die einzelnen Erben als auch die
Erbengemeinschaft in Betracht. Ist eine Parteibezeichnung - wie hier -
mehrdeutig, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Partei mit der
Bezeichnung gemeint ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR
21/87, WM 1988, 635 = NJW 1988, 1585 unter II 3 a m.w.Nachw.). Dabei ist
maßgeblich auf die Sicht des Empfängers der prozessualen Erklärung
abzustellen. Ist nur eine der als Partei in Frage kommenden Personen oder
Personenmehrheiten parteifähig, ist die Parteibezeichnung im Zweifel dahin
auszulegen, dass damit die parteifähige Person oder Personenmehrheit gemeint
ist. Denn der Empfänger der prozessualen Erklärung kann bei der gebotenen
objektiven Betrachtungsweise nicht annehmen, dass eine nicht parteifähige
Partei am Prozess beteiligt sein soll.
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Im Streitfall kommt es demnach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
darauf an, ob die Erbengemeinschaft rechtsfähig ist. Nur wenn und soweit die
Erbengemeinschaft rechtsfähig und damit parteifähig ist, kann sie selbst am
Prozess als Kläger beteiligt sein; andernfalls sind die einzelnen Erben als
Kläger anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden (Urteil
vom 11. September 2002 - XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389 unter II 1;
Beschluss vom 16. März 2004 - VIII ZB 114/03, NJW-RR 2004, 1006 unter 3 a),
dass die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft sich nicht aus der
Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGHZ
146, 341) herleiten lässt. Entgegen der Ansicht
der Rechtsbeschwerde sind auch die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (BGHZ 163,154) nicht auf die
Erbengemeinschaft zu übertragen. Die Rechtsstellung der Erbengemeinschaft
ist nicht mit der Rechtsstellung der Wohnungseigentümergemeinschaft
vergleichbar. Insbesondere ist sie - anders als diese - nicht zur
dauerhaften Teilnahme am Rechtsverkehr bestimmt oder geeignet. Sie ist nicht
auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet. Sie verfügt
nicht über eigene Organe, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte. Die
Erbengemeinschaft ist daher kein eigenständiges, handlungsfähiges
Rechtssubjekt, sondern lediglich eine gesamthänderisch verbundene
Personenmehrheit, der mit dem Nachlass ein Sondervermögen zugeordnet ist
(vgl. BGH, Urteil vom 11.
September 2002 aaO m.w.Nachw. auch zur Gegenansicht).
Im Streitfall sind daher die einzelnen Erben, darunter die Klägerin zu 5,
als Kläger anzusehen.
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b) Das Oberlandesgericht ist auch dann nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG
einheitlich zuständig, wenn nur einer von mehreren Streitgenossen - wie hier
die Klägerin zu 5 - seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Das
gilt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - grundsätzlich unabhängig
davon, ob es sich um eine einfache oder um eine notwendige
Streitgenossenschaft handelt. Für diese Auslegung spricht, wie der Senat
bereits ausgeführt hat, sowohl die Vereinfachungstendenz des Gesetzes als
auch sein Zweck, in Fällen mit Auslandsberührung die Rechtssicherheit durch
eine obergerichtliche Rechtsprechung zu verstärken (Senat, Beschluss vom 15.
Juli 2003 - VIII ZB 30/03, NJW 2003, 3278 unter II 2 b; BGHZ 155, 46, 48 f.
m.w.Nachw.).<
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. |