Mietrecht:
Unverjährbarkeit des Anspruchs auf Mängelbeseitigung (§ 535 I S. 2 BGB:
Erhaltungspflicht des Vermieters) während des laufenden Mietverhältnisses;
Voraussetzungen der Verwirkung
BGH, Urteil vom 17. Februar
2010 - VIII ZR 104/09
Fundstelle:
NJW 2010, 1292
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Der Anspruch des Mieters auf
Mangelbeseitigung ist während der Mietzeit unverjährbar.
Zentrale Probleme:
Der BGH entscheidet ein in der Lit. str. Frage zur
Verjährung: Bei einem Mietmangel hat der Mieter einen Abhilfeanspruch nach §
535 I S. 2 BGB (s. dazu auch
BGH v. 18.4.2007 - XII ZR 139/05). Es
handelt sich um einen Daueranspruch, der während der Mietzeit nicht
verjähren kann. So kam hier nur eine Verwirkung in Betracht, die zu Recht
verneint wurde.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist seit 1959 Mieterin einer Wohnung in einem
Mehrfamilienhaus, das die Beklagten im Jahr 1997 erworben haben. Das über
der Wohnung der Klägerin liegende Dachgeschoss wurde im Jahr 1990 zu
Wohnzwecken ausgebaut.
2 Mit Schreiben vom 13. August 2002 verlangte die Klägerin von den Beklagten
die Herstellung einer ausreichenden Schallschutzisolierung der
Dachgeschosswohnung, verfolgte ihr Begehren aber nach einem Mieterwechsel in
dieser Wohnung zunächst nicht weiter. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 kam
die Klägerin auf ihr Begehren zurück und ließ im Jahr 2007 ein selbständiges
Beweisverfahren durchführen.
3 Die Klägerin hat die Beklagten auf Verbesserung des Trittschallschutzes in
der Dachgeschosswohnung und Minderung der WC-Geräusche (Wasserspülung und
Toilettendeckel) in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Landgericht hat das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und
der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6 Die Beklagten seien zur Vornahme der von der Klägerin verlangten
Arbeiten zur Verbesserung des Schallschutzes aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB
verpflichtet. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichte den Vermieter, die
Mietsache während der gesamten Mietzeit in gebrauchsfähigem Zustand zu
erhalten. Diese Unterhaltungspflicht betreffe insbesondere die
Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache sowie die Pflicht zur
Unterlassung und Abwehr von Störungen des Mietgebrauchs. Der
Mietgebrauch der Klägerin werde durch die unzureichende Lärm- und
Schalldämmung in der darüber liegenden Wohnung beeinträchtigt. Der im
Beweissicherungsverfahren beauftragte Sachverständige habe bestätigt, dass
die Trittschalldämmung unzureichend sei und auch die Geräusche, die von der
WC-Spülung in der Dachgeschosswohnung ausgingen, die zulässigen Grenzwerte
überstiegen.
7 Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Die dreijährige
regelmäßige Verjährung sei nicht abgelaufen, weil es sich bei dem Anspruch
auf Herstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands der
Mietsache um einen echten, auf dauernde Leistung gerichteten
Erfüllungsanspruch handele. Mit dem Begriff "gewähren" in § 535 Abs. 1 Satz
1 BGB werde verdeutlicht, dass die Pflicht des Vermieters nicht nur in der
einmaligen Handlung des Überlassens bestehe, sondern der Vermieter während
der gesamten Mietzeit dem Mieter den vertraglichen Gebrauch ermöglichen
müsse und deshalb auch zu einem positiven Tun, nämlich der Erhaltung der
Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand
verpflichtet sei. Dieser Anspruch sei kein vom Erfüllungsanspruch
losgelöster Anspruch, sondern vielmehr eine präzisierte Ausprägung
desselben.
8 Die Gegenansicht, die den Anspruch des Mieters auf Gebrauchserhaltung als
"Stammrecht" ansehe, das sich zu einzelnen jeweils gesondert verjährenden
Ansprüchen konkretisiere, sobald sich ein Mangel zeige, sei abzulehnen. Auch
der Zweck der Verjährungsvorschriften, den Schuldner vor einer
Inanspruchnahme aus unerwarteten Forderungen zu schützen, gegen die er sich
wegen Zeitablaufs nicht adäquat verteidigen könne, sei hier nicht betroffen,
weil sich der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands auf
einen aktuellen Zustand beziehe und deshalb die Gefahr einer Beweisnot durch
Zeitablauf für den Vermieter nicht bestehe. Es sei auch wenig konsequent,
dem Mieter mit der Minderung ein Gewährleistungsrecht wegen der
Mangelhaftigkeit der Sache zu gewähren, wenn er eine mangelfreie Sache
überhaupt nicht mehr fordern könne.
9 Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verwirkt. Dass die Klägerin über
mehrere Jahre die Verbesserung des Schallschutzes nicht mehr begehrt habe,
genüge nicht, zumal für die Beklagten erkennbar gewesen sei, dass die
Situation durch den Mieterwechsel im Dachgeschoss nicht gleich geblieben
sei.
II.
10 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die
Revision zurückzuweisen ist.
11 1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Revision nicht
angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Schallschutz der
über der Wohnung der Klägerin liegenden Dachgeschosswohnung unzureichend und
wird der Mietgebrauch der Klägerin dadurch beeinträchtigt. Die Klägerin kann
deshalb aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich Herstellung des
erforderlichen Schallschutzes verlangen.
12 2. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Anspruch nicht
verjährt.
13 Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erfüllungsanspruch des
Mieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, soweit es um die Beseitigung eines
konkreten während der Mietzeit auftretenden Mangels geht, verjährt, ist
höchstrichterlich noch nicht entschieden und wird in der Literatur und der
Rechtsprechung der Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt.
14 a) Der Bundesgerichtshof hat bislang lediglich für den Fall eines
(unbefristeten) Pachtvertrages entschieden, dass die Verjährung des
Erfüllungsanspruchs des Pächters auf dauernde Gewährung des Gebrauchs und
des Fruchtgenusses jedenfalls nicht schon mit der erstmaligen Entstehung
beginnt (Urteil vom 26. April 1995 - XII ZR 105/93, NJW 1995, 2548, unter 2
c). Die dort erörterte weitere Frage, ob die Verjährung in solchen Fällen in
analoger Anwendung des § 198 Satz 2 BGB aF (jetzt § 199 Abs. 5 BGB) mit der
Zuwiderhandlung beginnt, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung, da
auch in diesem Fall keine Verjährung eingetreten war.
15 b) Nach einer verbreiteten Auffassung beginnt die Verjährung des
Anspruchs des Mieters auf Beseitigung eines während der Mietzeit
aufgetretenen Mangels gemäß §§ 195, 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in
dem der Mangel entstanden ist und der Mieter davon Kenntnis erlangt hat
(LG Berlin, GE 2008, 1196, 1197; Feuerlein, WuM 2008, 385, 386; Beuermann,
GE 2008, 236; Schmid, ZMR 2009, 585, 586; Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196,
1197 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., XIII Rdnr. 221). Teilweise
wird in der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters (§ 535 BGB) ein
(unverjährbares) "Stammrecht" gesehen, das sich zu einzelnen Ansprüchen
konkretisiere, sobald sich ein bestimmter Mangel zeige. Der Anspruch des
Mieters auf Beseitigung des konkreten Mangels unterliege dann der
regelmäßigen Verjährung (Lehmann-Richter, aaO, S. 1198). Andere
Autoren stellen auf eine analoge Anwendung des § 199 Abs. 5 BGB (§ 198 BGB
aF) ab; bei der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters handele es sich um
eine "positive Dauerverpflichtung", bei der es ebenso wie bei einer
Unterlassungsverpflichtung nach § 199 Abs. 5 BGB geboten sei, für den Beginn
der Verjährung auf die Zuwiderhandlung abzustellen (Feuerlein, aaO, S.
386; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15.
Aufl., § 232 Fn. 5).
16 c) Nach der auch vom Berufungsgericht vertretenen Gegenauffassung ist
der Anspruch des Mieters auf Beseitigung eines Mangels als Teil des
Gebrauchserhaltungsanspruchs hingegen während der Mietzeit unverjährbar
(Streyl, WuM 2009, 630 f.; Both, GE 2009, 238, 239; Schmidt-Futterer/Eisenschmid,
Mietrecht, 9. Aufl., § 535 BGB Rdnr. 217; Palandt/Weidenkaff, BGB, 69.
Aufl., § 535 Rdnr. 31; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 535 Rdnr. 107;
Kandelhard in: Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 3. Aufl., § 548 Rdnr. 64; AG
Tiergarten, WuM 2009, 453). Zur Begründung wird vor allem angeführt, dass
der Anspruch des Mieters auf Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs während
der Dauer des Mietverhältnisses ständig neu entstehe.
17 d) Der letztgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. Wie das
Berufungsgericht richtig gesehen hat, handelt es sich bei der
Hauptleistungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine in
die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung (Senatsurteil vom 19. Juni
2006 - VIII ZR 284/05, NZM 2006, 696, Tz. 11). Zu Recht hat das
Berufungsgericht darauf abgestellt, dass sich diese Pflicht des Vermieters
nicht in einer einmaligen Handlung des Überlassens erschöpft, sondern dahin
geht, die Mietsache während der gesamten Mietzeit in einem
gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten. Eine solche vertragliche
Dauerverpflichtung kann während des Bestehens des Vertragsverhältnisses
schon begrifflich nicht verjähren, denn sie entsteht während dieses
Zeitraums gleichsam ständig neu, auch soweit sie darauf gerichtet ist,
bereits aufgetretene Mängel zu beseitigen. Ohne Erfolg beruft sich
die Revision deshalb auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die zur
Verjährung von Ansprüchen aus § 1004 BGB wegen einer in der Vergangenheit
liegenden (einmaligen) Verletzungshandlung ergangen sind (vgl. BGH,
Urteil vom 28. September 1973 - I ZR 136/71, NJW 1973, 2285 zum
wettbewerbsrechtlichen Widerrufsanspruch, sowie BGHZ 60, 235, zum Anspruch
auf Beseitigung einer nahe der Grundstücksgrenze gepflanzten Birke).
Danach steht zwar bei abgeschlossenen Verletzungshandlungen der Umstand,
dass der Eingriff noch fortwirkt, dem Beginn der Verjährung nicht entgegen.
Bei Dauerhandlungen kann die Verjährung jedoch ebenfalls nicht beginnen,
solange der Eingriff noch andauert (BGH, Urteil vom 23. September 1973,
aaO, unter I).
18 Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizupflichten, dass auch Sinn
und Zweck der Verjährungsvorschriften nicht für eine Verjährung des
Mangelbeseitigungsanspruchs im laufenden Mietverhältnis sprechen. Die
Verjährung soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender
Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann,
weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhanden gekommen
oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind (BGHZ 122, 241, 244). Diese
Erwägungen treffen auf den Anspruch des Mieters auf Beseitigung von Mängeln
der Mietsache nicht zu. Eine Beweisnot des Vermieters im Hinblick auf den
Zeitablauf seit dem erstmaligen Auftreten des Mangels ist auszuschließen, da
das Begehren des Mieters lediglich dahin geht, die Mietsache aktuell in
einen gebrauchstauglichen Zustand zu versetzen und es mithin nicht auf einen
in der Vergangenheit liegenden Zustand ankommt. Deshalb greift der von der
Revision angeführte Gesichtspunkt des Rechtsfriedens ebenfalls nicht ein,
zumal der Mieter - auch nach der Auffassung, die von einer Verjährung der
Mängelbeseitigungsansprüche des Mieters ausgeht (Lehmann-Richter, aaO;
Feuerlein, aaO, Schmid, aaO), die Miete mindern kann, soweit Mängel
fortbestehen. Die fortbestehende Mietminderung im Hinblick auf Mängel, deren
Behebung der Vermieter durch Erhebung der Verjährungseinrede soll verweigern
können, führt im Übrigen zu einem Wertungswiderspruch, der ebenfalls gegen
die Auffassung von der Verjährbarkeit des Mangelbeseitigungsanspruchs im
laufenden Mietverhältnis spricht.
19 3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch der Klägerin
auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass zu dem Zeitablauf
besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten,
die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde
seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr., z.B. BGHZ 105,
290, 298). Derartige Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten
rechtfertigen, die Klägerin werde eine Verbesserung des Schallschutzes auch
in Zukunft nicht mehr verlangen, hat das Berufungsgericht nicht
festgestellt; übergangenen Sachvortrag hierzu in den Tatsacheninstanzen
zeigt die Revision nicht auf.
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