Gerichtsstand des
Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO bei FOB-Klausel; Vereinbarung über
den Erfüllungsort, anwendbares Recht
BGH, Urteil vom 22. April
2009 - VIII ZR 156/07
Fundstelle:
NJW 2009, 2606
S. auch EuGH Rs. C-87/10, NJW 2011, 3018 (Electrosteel).
Amtl. Leitsatz:
a) Wenn zwischen den Parteien eines
Kaufvertrages der Incoterm FOB vereinbart ist, ist der Verschiffungshafen
der Lieferort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO. Liegt dieser Ort
außerhalb des geographischen Geltungsbereichs der Verordnung, so findet
nicht Art. 5 Nr. 1 Buchst. b, sondern Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO
Anwendung.
b) Im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO können die Parteien den
Erfüllungsort vereinbaren, sofern dieser Ort einen Zusammenhang mit der
Vertragswirklichkeit aufweist.
Tatbestand:
1 Die Klägerin, ein deutsches Unternehmen mit Sitz in M. , macht gegen die
Beklagte, ein englisches Unternehmen mit Sitz in London, aus abgetretenem
Recht Kaufpreisforderungen der türkischen Unternehmen I. und G. (im
Folgenden: Verkäufer) geltend. Mit Schreiben jeweils vom 3. November 2003
teilten die Verkäufer der Beklagten mit, dass aufgrund eines mit der
Klägerin abgeschlossenen Factoring-Vertrages alle Forderungen aus der
Geschäftsverbindung an die Klägerin und die A. Bank Corporation plc
abgetreten seien und zukünftige Zahlungen auf das Konto der A. Bank
Corporation plc bei der N. -Bank AG Essen zu leisten seien. Die Beklagte
bestätigte dies unter dem 5. November 2003 – in deutscher Übersetzung – wie
folgt:
"Wir bestätigen den Erhalt und die Vereinbarung dieser Abtretungsanzeige.
Zukünftige Zahlungen werden ausschließlich an die vorstehende Bankverbindung
erfolgen."
2 Von März bis Juni 2004 lieferten die Verkäufer der Beklagten Textilien und
stellten ihr einen Gesamtbetrag von 452.719,70 GBP in Rechnung. Die Beklagte
zahlte durch Überweisung auf das bezeichnete Konto, nahm aber – neben
weiteren Kürzungen – jeweils einen Abzug von 25 % von jeder Rechnung vor.
3 Mit ihrer Klage macht die Klägerin die restliche Kaufpreisforderung
geltend. Sie ist der Ansicht, dass für die Klage deutsche Gerichte
international zuständig seien, und behauptet, dass die Verkäufer und die
Beklagte für die Lieferung jeweils den Incoterm FOB vereinbart hätten und
nach türkischem Recht Geldschulden am Sitz des Gläubigers zu erfüllen seien.
4 Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler
Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
7 Die deutschen Gerichte seien international nicht zuständig. Die Frage der
Zuständigkeit richte sich allein nach den Vorschriften der Verordnung (EG)
Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil-und Handelssachen (EuGVVO; im Folgenden auch: Verordnung). Nach Art.
2, 60 EuGVVO sei die Beklagte an ihrem allgemeinen Gerichtsstand in
Großbritannien zu verklagen. Eine Ausnahmevorschrift, die einen
Gerichtsstand am Sitz der Klägerin begründe, greife nicht ein.
8 Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO begründe keinen deutschen Gerichtsstand. Der
autonom zu bestimmende Erfüllungsort sei hier Großbritannien, da dies der
Ort sei, an dem die Waren tatsächlich geliefert worden seien. Die
Vereinbarung des Incoterms FOB ändere daran nichts. FOB stelle keine andere
Vereinbarung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO dar, sondern habe
primär Bedeutung für die Gefahrtragung, auch wenn sich dadurch
gegebenenfalls nach nationalem Recht der Erfüllungsort verändere. Sei der
Erfüllungsort einmal bestimmt, bleibe er für alle Ansprüche aus dem
Vertragsverhältnis maßgeblich. Deshalb sei auch die zum früheren
Rechtszustand ergangene Entscheidung des OLG Celle (IPRax 1999, 456) nicht
einschlägig, die die Möglichkeit einer Änderung des Erfüllungsortes nach
erfolgter Abtretung bejaht habe.
9 Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich auch nicht aus Art. 5
Nr. 1 Buchst. a, c EuGVVO. Nur wenn – wie hier wegen des Erfüllungsorts
Großbritannien nicht der Fall – der nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO
ermittelte Erfüllungsort außerhalb des geographischen Anwendungsbereichs der
Verordnung läge, könnte gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a, c EuGVVO das deutsche
Kollisionsrecht zur Bestimmung des Erfüllungsortes herangezogen werden.
Selbst dies unterstellt, läge der Erfüllungsort aber in der Türkei, nicht in
Deutschland. Wegen der Einheitlichkeit des Erfüllungsbegriffs bliebe es
dabei, so dass ein deutscher Gerichtsstand jedenfalls nicht gegeben sei.
II.
10 Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass gemäß Art. 2 Abs.
1 EuGVVO grundsätzlich jeder vor dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht
zu verklagen ist, soweit nicht eine der davon abweichenden Vorschriften der
Verordnung eingreift. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann
Letzteres aber auf der Grundlage des revisionsrechtlich zugrunde zu legenden
Vortrags der Klägerin nicht verneint werden.
11 Nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz
im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch in einem anderen
Mitgliedstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem
Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des
Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Für den Verkauf beweglicher Sachen wird diese Bestimmung in Art. 5 Nr. 1
Buchst. b EuGVVO dahin ergänzt, dass im Sinne dieser Vorschrift – und sofern
nichts anderes vereinbart worden ist – der Erfüllungsort der Verpflichtung
für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat ist, an
dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden
müssen. In Art. 5 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO ist geregelt, dass in Fällen, in
denen Buchstabe b nicht anwendbar ist, Buchstabe a gilt.
12 1. Voraussetzung für das Vorliegen eines Vertragsgerichtsstands ist
zunächst, dass ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand
des Verfahrens bilden.
13 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (im Folgenden: Gerichtshof) ist der Begriff "Vertrag oder
Ansprüche aus einem Vertrag" autonom auszulegen, um die einheitliche
Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten
(EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 – Rs. C-265/02, IPRax 2004, 334 – Frahuil
SA ./. Assitalia Spa, Rdnr. 22 m.w.N.). Vertragliche Ansprüche liegen
(jedenfalls) dann vor, wenn eine Partei gegenüber einer anderen freiwillig
eine Verpflichtung eingegangen ist (EuGH, Urteile vom 27. Oktober 1998 – Rs.
C-51/97, Slg. 1998, I S. 6511 – Réunion européenne SA u.a. ./. Spliethoff’s
Bevrachtingskan-toor BV u.a., Rdnr. 15, 17 m.w.N; vom 17. September 2002 –
Rs. C-334/00, Slg. 2002, I S. 7357 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi
SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Rdnr. 23; vgl. auch
Stadler in: Festschrift für Musielak, 2004, S. 569 ff.). Es reicht aus, wenn
der Kläger vertragliche Ansprüche schlüssig behauptet (EuGH, Urteil vom 4.
März 1982 – Rs. 38/81, Slg. 1982, S. 825 – Effer SpA ./. Kantner).
14 b) Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Zwar ist die Klägerin nicht
Partei der zwischen der Beklagten und den Verkäufern abgeschlossenen
Kaufverträge, so dass sich im vorliegenden Verfahren nicht die
Vertragsparteien selbst gegenüberstehen. Die Tatsache, dass die Klägerin
eine vertragliche Forderung aus abgetretenem Recht geltend macht, schließt
es jedoch ein, dass sie sich auf den zwischen den ursprünglichen
Vertragsparteien bestehenden Gerichtsstand berufen kann (OGH Österreich,
Beschluss vom 11. Mai 2005 – 9 Ob 104/04s, IPRax 2006, 489, 490; Martiny in:
Festschrift für Geimer, 2002, S. 641, 661; Mankowski, EWiR 2004, 379 f.;
Hau, IPRax 2006, 507 f.; Czernich/ Tiefenthaler, Kurzkommentar Europäisches
Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 18;
Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, 2007, Art. 5 Rdnr. 67; Schlosser,
JZ 2004, 408, 409).
15 Zwar kann ein Zessionar nicht im Klägergerichtsstand klagen, wenn die
Sonderzuständigkeit – wie etwa der Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten
oder des Verbrauchers – einem besonderen Schutz des ursprünglichen
Gläubigers dienen soll (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2004 – Rs. C-433/01, JZ
2004, 407 – Freistaat Bayern ./. Blijdenstein, Rdnr. 25 ff. m.w.N.). So
liegt es hier aber nicht. Der Grund für den besonderen Gerichtsstand für
vertragliche Streitigkeiten liegt in der besonders engen Verbindung zwischen
dem Vertrag und dem Gericht des Erfüllungsorts (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2007
– Rs. C-386/05, NJW 2007, 1799 – Color Drack GmbH ./. Lexx International
Vertriebs GmbH, Rdnr. 22 f.). Diese besondere Verbindung besteht unabhängig
davon, ob vertragliche Ansprüche auf Dritte übergegangen sind. Jedenfalls
der zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien bestehende Gerichtsstand
steht daher auch dem Zessionar offen (OGH, Beschluss vom 11. Mai 2005, aaO).
16 2. Der ursprüngliche Vertragsgerichtsstand liegt für die
Kaufpreiszahlungspflicht in Deutschland, wenn – wie die Klägerin behauptet –
zwischen den Kaufvertragsparteien die Erfüllung der streitgegenständlichen
Forderungen in Deutschland vereinbart worden ist. Nach dem
revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vortrag der Klägerin kann entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts ein Erfüllungsort in Deutschland und
mithin die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht
verneint werden (Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGV-VO). Denn entgegen der Ansicht
des Berufungsgerichts findet – den Vortrag der Klägerin, die Lieferung der
Kaufsache sei in der Türkei erfolgt, revisionsrechtlich unterstellt –
vorliegend nicht Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO, sondern Art. 5 Nr. 1 Buchst.
a EuGVVO Anwendung.
17 a) Zwar geht das Berufungsgericht zunächst zutreffend davon aus, dass
der Erfüllungsort nach dem vorrangig zu prüfenden Art. 5 Nr. 1 Buchst. b
EuGVVO autonom zu bestimmen ist. Im Rahmen der Verordnung wird der Lieferort
als autonomes Anknüpfungskriterium festgelegt, das auf sämtliche Klagen aus
ein- und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur
für diejenige aus der Lieferverpflichtung an sich anwendbar ist (EuGH,
Urteil vom 3. Mai 2007, aaO, Rdnr. 24 ff.; Senatsbeschluss vom 9. Juli 2008
– VIII ZR 184/07, ZGS 2008, 390, Tz. 18 m.w.N.). Bei bereits erfolgter
Lieferung kommt es auf den Ort an, an dem tatsächlich geliefert worden ist
(Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 5
EuGVVO Rdnr. 142 f.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl.,
Art. 5 Rdnr. 47; Ferrari, IPRax 2007, 61, 66 m.w.N.). Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts liegt der Lieferort im Sinne von Art. 5 Nr.
1 Buchst. b EuGV-VO aber nicht in Großbritannien, sondern in der Türkei und
damit außerhalb des geographischen Anwendungsbereichs der Verordnung, wenn
der – im Folgenden revisionsrechtlich zu unterstellende – Vortrag der
Klägerin zutrifft, dass die Lieferung gemäß einer zwischen den Parteien
vereinbarten FOB-Klausel in der Türkei erfolgte.
18 aa) Ist zwischen den Kaufvertragsparteien der Incoterm FOB vereinbart,
hat der Verkäufer die von ihm für den Export freizumachende Ware an Bord des
vom Käufer zu benennenden Schiffes (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1975
– VIII ZR 34/74, WM 1975, 917, unter II) zu liefern. Mit Überschreiten
der Schiffsreling gehen Gefahren und Kosten auf den Käufer über. Der
Käufer hat die Ware am Lieferort zu übernehmen und trägt die Verantwortung
für den Haupttransport, die Durchfuhr durch Drittstaaten und die Einfuhr in
das Bestimmungsland (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., Anhang (6)
Incoterms 4. FOB; Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, FOB Rdnr. 10 ff.; Lehr,
VersR 2000, 548, 555).
19 bb) Rechtsprechung und Literatur gehen davon aus, dass Lieferort im
Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO der Verschiffungshafen ist, wenn
aufgrund einer FOB-Vereinbarung geliefert wurde (House of Lords, Urteil
vom 20. Februar 2008 – [2008] UKHL 11 – Othon Ghalanos Limited v. Scottish &
New-castle International Limited, EuLF 2008, I S. 95, Tz. 48 ff., 55;
Czernich/ Tiefenthaler, aaO, Art. 5 Rdnr. 35; Magnus, IHR 2002, 45, 48;
Ferrari, aaO, 5. 66; Rauscher in: Festschrift für Heldrich, 2005, S. 933,
942; Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I-Regulation (EC) No 44/2001,
2008, D III Rdnr. 187; Piltz, IHR 2006, 53, 55; ders., NJW 2002, 789, 793,
Fn. 50).
20 cc) Dem schließt sich der Senat an. Anders als bei einem
Versendungskauf fallen bei der Lieferung auf der Grundlage einer FOB-Klausel
der Lieferort und der Ort, an dem der Käufer die Ware zu übernehmen hat,
nicht auseinander (vgl. Incoterms 2000, 4. FOB unter A. Nr. 4 und 5
sowie B. Nr. 4 und 5, abgedruckt bei Baumbach/Hopt, aaO). Es kommt
deshalb entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auf die streitige
Frage, welcher Ort der nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO maßgebliche
Lieferort ist, wenn es sich bei dem zu Grunde liegenden Kauf um einen
Versendungskauf handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juli 2008, aaO,
m.w.N., und Hau, IPRax 2009, 44 f. m.w.N.), nicht an.
21 Die Verordnung bezweckt, die Vorschriften über die internationale
Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften
zu vereinheitlichen, die in hohem Maße vorhersehbar sind. Sie soll den
Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen in der Weise
verbessern, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag,
welches Gericht er anrufen kann, und ein Beklagter entsprechend vorhersehen
kann, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (EuGH, Urteil vom 3. Mai
2007, aaO, Rdnr. 19 f.). Diesem Ziel entspricht es, bei einer vertraglich
vereinbarten FOB-Klausel den Verschiffungshafen als Lieferort im Sinne von
Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO anzusehen (House of Lords, aaO, Tz. 51
f.). Dieser ist ohne weiteres identifizierbar und von den Parteien ohne
Schwierigkeiten voraussehbar. Er weist ferner eine enge Verknüpfung mit dem
Vertrag auf, weil er dem Ort entspricht, an dem der Käufer die Ware
übernimmt und Gefahr und Kosten auf ihn übergehen. Dagegen ist der
Bestimmungsort der Ware dem Verkäufer unter Umständen nicht bekannt; er kann
zudem nach Übernahme der Ware während des Transports – beispielsweise
aufgrund eines Weiterverkaufs – Änderungen unterliegen.
22 dd) Das Berufungsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent,
bisher keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Lieferung tatsächlich
gemäß einer von den Kaufvertragsparteien vereinbarten FOB-Klausel erfolgt
ist. Revisionsrechtlich ist daher im Folgenden zugunsten der Klägerin zu
unterstellen, dass dies der Fall ist und damit der Erfüllungsort gemäß
Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO außerhalb des geographischen Geltungsbereichs
der Verordnung liegt, so dass nicht Art. 5 Nr. 1 Buchst. b, sondern Art. 5
Nr. 1 Buchst. a EuGVVO Anwendung findet (Art. 5 Nr. 1 Buchst. c EuGVVO).
23 b) Im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO können die Parteien –
wie bisher schon im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler EWGÜbereinkommens
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) –
den Erfüllungsort vereinbaren, sofern dieser Ort einen Zusammenhang mit der
Vertragswirklichkeit aufweist (zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ EuGH, Urteil vom
28. September 1999 – Rs. C-440/97, NJW 2000, 719 – GIE Groupe Concorde u.a.
./. Kapitän des Schiffes "Suhadiwarno Panjan" u.a., Rdnr. 28 m.w.N.;
Czernich/Tiefenthaler, aaO, Art. 5 Rdnr. 21; Geimer/Schütze, aaO, Art. 5
Rdnr. 124; Kropholler, aaO, Art. 5 Rdnr. 35; MünchKommZPO/ Gottwald, 3.
Aufl., Art. 5 EuGVO Rdnr. 38; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl.,
Art. 5 EuGVVO Rdnr. 11; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des
Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, 2008, S. 229 f.; Murmelter, Der
Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Europäischen Zivilprozessrecht, 2007,
S. 210; Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen im Europäischen
Zivilverfahrensrecht, 2005, S. 65 f.; Rauscher, Europäisches
Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 Brüssel I-VO Rdnr. 43; zweifelnd Thomas/Putzo/Hüßtege,
ZPO, 29. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 5). Insoweit rügt die Revision zu
Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin, zwischen den
Kaufvertragsparteien sei die Erfüllung der abgetretenen Forderungen in
Deutschland durch die von der Beklagten unterzeichneten Schreiben vom 3./5.
November 2003 vereinbart worden, übergangen hat.
24 Ob die von den Verkäufern und der Beklagten unterzeichneten und sodann an
die Klägerin übersandten Schreiben vom 3./5. November 2003 so auszulegen
sind, dass sie über die bloße Kenntnisnahme der Beklagten von der Abtretung
hinaus die Vereinbarung eines – deutschen – Erfüllungsorts für die
streitgegenständlichen Zahlungsansprüche enthalten, kann der Senat indes
mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht
abschließend beurteilen. Das Berufungsgericht geht unbeanstandet davon
aus, dass die Kaufverträge türkischem Recht unterliegen. Das gilt mithin
auch für das Zustandekommen und die Auslegung einer gegebenenfalls in den
Schreiben vom 3./5. November 2003 enthaltenen Vereinbarung der
Kaufvertragsparteien zum Erfüllungsort der Zahlungsverpflichtung (Art. 28
Abs. 1, 2, Art. 33 Abs. 2 EGBGB). Dazu wird das Berufungsgericht weitere
Feststellungen zu treffen haben.
III.
25 Nach dem Ausgeführten kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der
Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da noch weitere
Feststellungen zu treffen sind. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben,
und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Sollte der
Lieferort gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO nach den im weiteren Verfahren
zu treffenden Feststellungen tatsächlich in der Türkei liegen, das
Berufungsgericht aber entgegen der Behauptung der Klägerin einen
vereinbarten Erfüllungsort für die Kaufpreiszahlungspflicht nicht
feststellen können, wird das Berufungsgericht sich mit der Frage
auseinanderzusetzen haben, wie in diesem Fall nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a
EuGVVO der Erfüllungsort für die Kaufpreiszahlungsverpflichtung zu bestimmen
ist (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs
(Österreich), eingereicht am 29. November 2007, ABl. EG Nr. C 37 vom 9.
Februar 2008, S. 15, Rs. C-533/07). |