Rücktritt nach § 323 BGB
bei Verletzung einer Nebenleistungspflicht; Entbehrlichkeit einer
Fristsetzung nach § 323 II Nr. 3 BGB vertragsgefährdendem Verhalten;
Abgrenzung zum Rücktritt nach § 324 BGB
BGH, Urteil vom 10. März
2010 - VIII ZR 182/08
Fundstelle:
NJW 2010, 2503
Amtl. Leitsatz:
Täuscht bei einem Mietkauf der
vorleistungspflichtige Lieferant den Mietverkäufer über eine in Wirklichkeit
noch nicht erfolgte Lieferung des Mietkaufgegenstandes an den Mietkäufer und
veranlasst er dadurch den Mietverkäufer, an ihn den Kaufpreis in Umkehrung
der vertraglichen Leistungspflichten vorzuleisten, ist der Mietverkäufer
gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB zum sofortigen Rücktritt vom
Kaufvertrag berechtigt.
Zentrale Probleme:
Eine interessante Entscheidung zum Rücktrittsrecht: Der
Verkäufer täuscht den Käufer durch eine unrichtige Abnahmebescheinigung
darüber, bereits an den Leasingnehmer (dem der Käufer die Sache verleast
hatte) geliefert zu haben. der Käufer erklärt darauf, sich vom Vertrag lösen
zu wollen. Der Senat sieht hier einen Rücktritt nach § 323 BGB wegen
Verletzung einer Nebenleistungspflicht, stützt den Rücktritt also nicht auf
§ 324 BGB. Die dort relevanten Kriterien der Unzumutbarkeit tauchen dann
aber im Rahmen von § 323 II Nr. 3 BGB, d.h. bei der Entbehrlichkeit der
Fristsetzung wieder auf. Von Interesse für das Studium sind auch die
Ausführungen zur Rücktrittserklärung: Die erklärte Anfechtung beinhaltet
auch eine solche, zumindest aber läßt sie sich insoweit umdeuten (§ 140
BGB):
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Klägerin, die auf dem Gebiet des Finanzierungsleasings
tätig ist, schloss am 15. Oktober 2005 mit der r. E. & Co. GmbH (im
Folgenden: r. ) einen Mietkaufvertrag über die Ausstattung eines Callcenters
mit einem Nettoanschaffungswert von 108.420 €. Die Beschaffung sollte über
die Beklagte erfolgen, die auch den Abschluss des Mietkaufvertrages
vermittelt hatte. Unter dem 27. Oktober 2005 übersandte die Klägerin der
Beklagten einen Kaufauftrag über die Callcenterausstattung, in dem es unter
anderem heißt:
"... hiermit erteilen wir Ihnen den
Auftrag zur Lieferung des/der unten näher beschriebenen Objekte(s). Wir
beauftragen Sie, an den gemeinsamen Kunden termingemäß zu liefern.
Ferner bitten wir Sie, bei Auslieferung die ordnungsgemäße Übernahme der
Ware durch den gemeinsamen Kunden für uns auf dem beigefügten Formular
bestätigen zu lassen.
Solange uns die Übernahmebestätigung des Kunden nicht ohne Einschränkung
und rechtsverbindlich unterzeichnet vorgelegt wird, bleiben wir Ihnen
gegenüber von allen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen frei.
Die Übernahmebestätigung muss uns spätestens innerhalb einer Frist von
sechs Monaten, beginnend mit dem Datum dieses Schreibens, vorgelegt
werden. Danach gilt dieser Auftrag ohne weitere Erklärung als
einvernehmlich aufgehoben.
Wir zahlen sofort nach Eingang Ihrer auf unser Haus ausgestellten
Rechnung ... und der vom Kunden rechtsverbindlich unterzeichneten
Übernahmebestätigung..."
2 Die Beklagte legte daraufhin eine von
r. mit Datum vom 26. Oktober 2005 unterzeichnete Übernahmebestätigung vor,
in der diese bestätigte, dass sie am gleichen Tage die näher bezeichnete
Callcenteranlage von der Beklagten "fabrikneu, vollständig, ordnungsgemäß,
funktionsfähig und der Beschreibung im o.g. Vertrag gemäß, sowie allen durch
die Firma [= r. ] diesbezüglich mit dem Hersteller bzw. Lieferanten
getroffenen Vereinbarungen (z.B. güte-, technischer- und leistungsmäßiger
Art) entsprechend übernommen hat". In der beigefügten Rechnung der Beklagten
vom 27. Oktober 2005 über brutto 125.767 €, die die Klägerin daraufhin
zuzüglich einer Vermittlungsprovision von brutto 5.659,52 € an die Beklagte
bezahlte, war zugleich ausgeführt, dass die Lieferung am 26. Oktober 2005
erfolgt sei. Diese Angabe war genauso wie die Übernahmebestätigung
unzutreffend. Die Anlage befand sich zu diesem Zeitpunkt vielmehr noch bei
der Beklagten. Ob und in welchem Umfang die Beklagte in der Folgezeit die
von ihr zu erbringenden Lieferungen und Leistungen, zu denen neben einer
näher bezeichneter Hard- und Software auch 180 Stunden Installations- und
Konfigurationsarbeiten sowie eine Einweisung vor Ort gehören sollten,
gegenüber r. erbracht hat, ist streitig.
3 Nachdem r. die nach dem Mietkaufvertrag am 1. November 2005 fällige
Mietkaufrate von 1.819,28 € brutto zuzüglich der sofort fälligen
Gesamtmehrwertsteuer von 23.606,02 € ebenso wenig an die Klägerin bezahlt
hatte wie die Dezemberrate, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 15.
Dezember 2005 den Mietkaufvertrag. Gegenüber der Beklagten focht sie mit
Schreiben vom 16. Januar 2006 "sämtliche Erklärungen und Verträge im
Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietkaufvertrages" an und forderte von
ihr die Rückzahlung des Kaufpreises und der Provision. Auf ihre - unter
Berücksichtigung einer nachträglich von r. noch geleisteten Zahlung über
1.819,29 € - in Höhe von 129.607,24 € erhobene Zahlungsklage hat das
Landgericht die Beklagte zu einer Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von
123.947,27 € nebst Zinsen verurteilt, den auf Rückzahlung der Provision
gerichteten Anspruch dagegen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat
das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage
unter Einschluss eines erst im Berufungsrechtszug von der Klägerin
gestellten Antrags auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit
der Rücknahme der Vertragsgegenstände abgewiesen. Zugleich hat das
Oberlandesgericht die hinsichtlich der Provisionszahlung eingelegte
Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die
Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, mit der sie ihren
Zahlungs- und Feststellungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat zum ganz überwiegenden Teil Erfolg. Soweit das
Rechtsmittel der Klägerin den Klageantrag rechtfertigt, ist über die
Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die
Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der
Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 81).
I.
5 Das Berufungsgericht hat - soweit hier von Interesse - ausgeführt:
6 Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises könne entgegen der Auffassung
des Landgerichts nicht auf die Bestimmung des Kaufauftrages gestützt werden,
wonach der Auftrag ohne weitere Erklärung als einvernehmlich aufgehoben
gelte, wenn innerhalb einer Frist von sechs Monaten keine
Übernahmebestätigung vorgelegt werde. Dieser ausdrücklich geregelte Fall der
Aufhebung des Vertrages bei Nichterteilung der Übernahmebestätigung liege
hier nicht vor. Denn die Erteilung einer inhaltlich falschen
Übernahmebestätigung könne ihrer Nichterteilung nicht gleichgestellt werden.
Zweck dieser Vertragsbestimmung sei es gewesen, dass die Klägerin sich nicht
an einem Vertrag habe festhalten lassen wollen, der auf lange Sicht nicht
erfüllt werde. Dabei sei an den für alle Beteiligten sofort erkennbaren
Umstand angeknüpft worden, dass der Leasingnehmer sich nicht zu einer
Vertragserfüllung bekenne und dementsprechend auch nicht die
Übernahmebestätigung erteile. Einer inhaltlich unzutreffenden Bestätigung
komme diese Klarstellungsfunktion hingegen nicht zu, zumal die inhaltliche
Unrichtigkeit auch auf ganz anderen Ursachen wie etwa Mängeln in der
Funktionsfähigkeit oder der Ausstattung beruhen könne. Wollte man die
inhaltliche Unrichtigkeit deshalb einer Nichterteilung der Bestätigung
gleichsetzen, würde der Bestand des Vertrages wegen der Vielzahl der für
eine Unrichtigkeit in Betracht kommenden Konstellationen in einer Weise in
der Schwebe bleiben, die mit der von den Beteiligten durch die
Übernahmebestätigung erstrebten Klarstellungsfunktion nicht zu vereinbaren
wäre.
7 Ebenso wenig könne die Klägerin Ansprüche aus der Übernahmebestätigung
selbst und ihrer Vorlage herleiten. Die Bestätigung sei zwar inhaltlich
unzutreffend gewesen, weil die behauptete billigende Besichtigung der bei
der Beklagten befindlichen und zunächst weiterhin verbliebenen
Liefergegenstände durch r. etwas anderes sei als die bestätigte
ordnungsgemäße Übernahme der Gegenstände. Hierdurch habe die Beklagte auch
vertragliche Nebenpflichten verletzt und sich schadensersatzpflichtig
gemacht, soweit die Klägerin im Vertrauen auf die Richtigkeit der
Übernahmebestätigung den Kaufpreis entrichtet habe. Einem theoretisch
denkbaren Schadensersatzanspruch stehe aber der Gesichtspunkt des
rechtsmäßigen Alternativverhaltens entgegen, da alle zu liefernden
Komponenten der Anlage am 18. November 2005 an r. gelangt seien und damit
die Voraussetzungen für die Erteilung einer Übernahmebestätigung
nachträglich eingetreten seien. Hätte die Beklagte sich also korrekt
verhalten und erst an diesem Tage von r. eine entsprechende Bestätigung
eingeholt und an die Klägerin weitergeleitet, hätte die Klägerin gleichfalls
sofort gezahlt, ohne dass sich etwas daran ändern würde, dass die Klägerin
ihre Ansprüche gegen r. nicht durchsetzen könne. Der einzig mögliche Schaden
der Klägerin liege deshalb in einem Zinsnachteil infolge vorzeitiger
Kaufpreiszahlung; hierfür sei jedoch nichts vorgetragen.
8 Zu einer Rückzahlung der geleisteten Provision sei die Beklagte
gleichfalls nicht verpflichtet. Auch insoweit greife weder die erklärte
Anfechtung durch noch sei die Beklagte wegen eines entgegenstehenden
rechtmäßigen Alternativverhaltens zum Schadensersatz verpflichtet. Ebenso
wenig sei eine entsprechende Anwendung des § 87a Abs. 2 HGB angezeigt, da
die Klägerin bei ihrer Provisionszusage nicht zum Ausdruck gebracht habe,
dass sie ein Behaltendürfen der Provision von der Durchführung des Vertrages
habe abhängig machen wollen.
II.
9 Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10 Die erhobenen Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises für die
Callcenterausstattung und der neben dem Kaufpreis an die Beklagte gezahlten
Provision können nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung
verneint werden. Die Beklagte ist vielmehr gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr.
3, § 346 Abs. 1 BGB zur Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet, weil
sie die Klägerin durch Vorlage einer unzutreffenden Übernahmebestätigung der
r. über den Stand der Vertragsabwicklung und die davon abhängigen
Fälligkeitsvoraussetzungen für die Kaufpreiszahlung getäuscht hat, so dass
besondere Umstände gegeben sind, die unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen einen sofortigen Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag
rechtfertigen. Darüber hinaus ist die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB zur Rückerstattung der von der Klägerin erhaltenen Vermittlungsprovision
verpflichtet, weil die Klägerin ihr Provisionsversprechen, zu dem sie durch
diese Täuschung bestimmt worden ist, wirksam angefochten hat (§ 123 Abs. 1,
§ 141 Abs. 1 BGB) und es deshalb für die Provisionszahlung am Rechtsgrund
fehlt. Allerdings ist die Klägerin ihrerseits gemäß § 346 Abs. 1 BGB zur
Rückgabe der in ihren Besitz gelangten Ausstattungsgegenstände verpflichtet,
so dass ihr Zahlungsbegehren auf eine Verurteilung Zug um Zug einzuschränken
ist (§ 348, § 320 Abs. 1, § 322 Abs. 1 BGB).
11 1. Die Klägerin kann die Rückzahlung des von ihr in Höhe von 125.767 €
geleisteten Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) beanspruchen, weil sie wirksam
von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über die von ihr zu
beschaffende Ausstattung des Callcenters der r. zurückgetreten ist.
12 a) Allerdings ist der Kaufpreis nicht schon deshalb gemäß § 812 Abs. 1
BGB zurückzugewähren, weil die Klägerin ihr im Kaufauftrag vom 27. Oktober
2005 liegendes Angebot auch gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen Unrichtigkeit der
ihr von der Beklagten vorgelegten Übernahmebestätigung angefochten hat.
Denn die Übernahmebestätigung ist ihr, wie bereits das Landgericht
zutreffend ausgeführt hat, erst nach Abgabe ihres Angebots vorgelegt worden,
so dass sie schon nach dem zeitlichen Ablauf zur Abgabe dieser
Willenserklärung nicht durch die unrichtige Übernahmeerklärung bestimmt
worden ist.
13 b) Ebenso wenig steht die Unrichtigkeit der Übernahmebestätigung einem
wirksamen Zustandekommen des Kaufvertrags deshalb entgegen, weil die
Klägerin nach den von ihr gestellten Angebotsbedingungen gegenüber der
Beklagten von allen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen frei bleiben
wollte, solange ihr die Übernahmebestätigung der r. nicht ohne Einschränkung
und rechtsverbindlich unterzeichnet vorgelegt war. Denn hierin hat
ungeachtet der Frage, ob die inhaltlich unrichtige Bestätigung einer
ausgebliebenen Bestätigung gleichgestellt werden kann, nach der
Rechtsprechung des Senats keine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 158
Abs. 1 BGB gelegen. Die Klausel enthält vielmehr nur eine
Fälligkeitsbestimmung und die Festlegung einer Vorleistungspflicht, so dass
die Verpflichtung der Klägerin zur Kaufpreiszahlung von der vorherigen
Beibringung der Übernahmebestätigung abhängig war (Senatsurteil vom 17.
Februar 1993 - VIII ZR 37/92, WM 1993, 955, unter I 2). Dass die Beklagte
der Klägerin durch Vorlage der Übernahmebestätigung und ihre in der Rechnung
vom 27. Oktober 2005 abgegebene Erklärung, die Lieferung sei am 26. Oktober
2005 erfolgt, eine fälligkeitsbegründende Übernahme des Kaufgegenstandes der
Wahrheit zuwider vorgespiegelt hat, hat deshalb das Zustandekommen des
Kaufvertrages nicht verhindert. Auch der Umstand, dass die Klägerin die
Kaufpreisschuld täuschungsbedingt vorzeitig erfüllt hat, kann einen
Rückforderungsanspruch der Klägerin für sich allein nicht begründen (§ 813
Abs. 2 BGB).
14 c) Es kann dahin stehen, ob in der Angebotsklausel, wonach die
Übernahmebestätigung der Klägerin spätestens innerhalb einer Frist von sechs
Monaten vorgelegt werden und danach der Auftrag ohne weitere Erklärung als
einvernehmlich aufgehoben gelten sollte, eine auflösende Bedingung im Sinne
von § 158 Abs. 2 BGB liegt und ob - wie das Berufungsgericht angenommen hat
-ein Bedingungseintritt zu verneinen ist, weil die Vorlage der unrichtigen
Übernahmebestätigung einer ausgebliebenen Bestätigung nicht gleichgestellt
werden kann. Denn zum Zeitpunkt eines möglichen Bedingungseintritts war
die Klägerin bereits wirksam gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB vom
Kaufvertrag zurückgetreten mit der Wirkung, dass die Vertragsparteien
einander zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen verpflichtet waren (§ 346
Abs. 1 BGB).
15 aa) Das Schreiben der Klägerin vom 16. Januar 2006, in dem "sämtliche
Erklärungen und Verträge im Zusammenhang mit dem Abschluss des
Mietkaufvertrages" angefochten werden und darauf hingewiesen wird, dass die
Verträge rückabzuwickeln seien und die Beklagte den Kaufpreis und die
Provision zurückzuzahlen habe, enthält zugleich eine auf die
Unrichtigkeit der Übernahmebestätigung gestützte Rücktrittserklärung.
Das Berufungsgericht hat die Erklärung zwar nicht unter diesem Gesichtspunkt
gewürdigt. Der Senat kann die unterbliebene Würdigung auf Grund der seiner
Nachprüfung unterliegenden tatsächlichen Grundlagen (§ 559 ZPO) aber
nachholen, weil die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen
und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. Senatsurteil vom 13.
Februar 2008 - VIII ZR 105/07, NJW 2008, 1218, Tz. 18 m.w.N.).
16 Die im genannten Schreiben ausgesprochene Anfechtungserklärung lässt
bereits nach ihrem Wortlaut unmissverständlich erkennen, dass die Klägerin
ungeachtet des verwendeten Begriffs der Anfechtung den mit der Beklagten
geschlossenen Kaufvertrag auf jeden Fall und damit unter jedem in Betracht
kommenden rechtlichen Gesichtspunkt rückabgewickelt wissen wollte. Da zur
wirksamen Erklärung eines Rücktritts ein Gebrauch dieses Wortes nicht
erforderlich ist, kann dem Schreiben - zumindest im Wege der Umdeutung (§
140 BGB) - auch eine Rücktrittserklärung entnommen werden, die dem von der
Klägerin erstrebten Ziel, den Vertrag zu beenden und den erfolgten
Leistungsaustausch rückgängig zu machen, in gleicher Weise zum Erfolg
verhilft (Erman/Röthel, BGB, 12. Aufl., § 349 Rdnr. 2 m.w.N.; vgl.
ferner BGH, Urteil vom 24. November 2006 - LwZR 6/05, NJW 2007, 1269, Tz. 14
m.w.N.).
17 bb) Diese Rücktrittserklärung war wirksam. Die Beklagte hat die
Klägerin über die erfolgte Leistungserbringung gegenüber r. getäuscht und
sie auf diese Weise zur vorzeitigen Auszahlung des Kaufpreises bestimmt.
Dass die hierzu abgegebenen Erklärungen unzutreffend waren, hat das
Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung
festgestellt. Denn die von r. bestätigte Übernahme der
Ausstattungsgegenstände beschreibt eine Erlangung tatsächlicher
Herrschaftsgewalt, der die von der Beklagten behauptete billigende
Besichtigung der anschließend noch bei ihr verbliebenen Gegenstände durch r.
nicht untergeordnet werden kann. Das gilt genauso für die von der Beklagten
selbst in ihrer Rechnung abgegebene Bestätigung, dass die Lieferung am 26.
Oktober 2005 erfolgt sei. Durch Vorlage/Abgabe dieser unzutreffenden
Erklärungen hat die Beklagte die Klägerin pflichtwidrig veranlasst, den
Kaufpreis in Umkehrung des vertraglichen Leistungsprogramms vorzuleisten,
und dadurch die von ihr im Rahmen der Vertragsdurchführung geschuldeten
Dokumentations- und Mitteilungspflichten in einer Weise verletzt, dass die
Klägerin gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB zum sofortigen Rücktritt vom
Kaufvertrag berechtigt war.
18 (1) Die auf Grund des Kaufauftrags der Klägerin vom 27. Oktober 2005
vorleistungspflichtige Beklagte (dazu vorstehend unter II 1 b) war nach den
hierin getroffenen Abreden zugleich gehalten, die bestellte
Callcenterausstattung ohne Beteiligung der Klägerin unmittelbar an r.
auszuliefern und sich die damit einhergehende Übergabe der Gegenstände
bestätigen zu lassen, um die Voraussetzungen der Kaufpreisfälligkeit zu
dokumentieren. Die Vorlage der Bestätigung und die in diesem Zusammenhang
abgegebenen Erklärungen waren deshalb darauf gerichtet, leistungsbezogene
Nebenpflichten der Beklagten zur Abwicklung des zwischen den Parteien
bestehenden Kaufvertrages zu erfüllen. Eine Verletzung derartiger
Nebenpflichten beeinflusst regelmäßig die nach dem Vertrag vorgesehene
Bewirkung der Hauptleistung, hier den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung, und
stellt daher eine nicht vertragsgemäße Leistungserbringung im Sinne von §
323 Abs. 1 BGB dar. Dementsprechend beurteilen sich auch die
Verletzungsfolgen - anders als bei den nach § 324 BGB zu behandelnden
vertragsbegleitenden nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten - hinsichtlich
der Rücktrittsvoraussetzungen nach § 323 BGB (BT-Drs.
14/6040 S. 141, 187; 14/7052 S. 182, 186, 192;
ferner Zimmer, NJW 2002, 1, 6; MünchKommBGB/Kramer, BGB, 5. Aufl., § 241
Rdnr. 19; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da
besondere Umstände im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegen, welche
angesichts der beschriebenen Pflichtverletzung der Beklagten unter Abwägung
der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Rücktritt der Klägerin ohne
vorherige Fristsetzung rechtfertigen.
19 (2) Bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes
war in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich eine
Partei nicht am Vertrag festhalten zu lassen braucht, wenn der
Vertragspartner bei der Abwicklung des Vertrages durch schuldhaftes
Verhalten eine solche Unsicherheit in das Vertragsverhältnis hineinbringt,
dass dem vertragstreuen Teil die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr
zugemutet werden kann, namentlich wenn dieses Verhalten eine zur
Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führende geschäftliche
Unzuverlässigkeit des Vertragspartners erkennen lässt (Senatsurteile vom
19. Februar 1969 - VIII ZR 58/67, WM 1969, 499, unter III; vom 19. Oktober
1977 - VIII ZR 42/76, WM 1977, 1423, unter II 3 a; jeweils m.w.N.). Ein
derart vertragsgefährdendes Verhalten konnte sich etwa auch aus einer
Verletzung vertraglicher Nebenpflichten wie Auskunfts- und Anzeigepflichten
oder sonstigen Mitwirkungspflichten ergeben (Senatsurteil vom 19.
Oktober 1977, aaO). Hieran hat sich für die nach dem
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geltende Rechtslage nichts Entscheidendes
geändert (vgl.
BT-Drs. 14/6040, S. 183, 185).
Insbesondere in Fällen, in denen der Verkäufer den Käufer bei
Vertragsschluss über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes getäuscht hat,
nimmt der Bundesgerichtshof regelmäßig ein berechtigtes Interesse des
Käufers an, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu
nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen,
und versagt dem Verkäufer deshalb gemäß § 440, § 281 Abs. 2, § 323 Abs. 2
BGB eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen durch Nachbesserung zugunsten
eines sofortigen Schadensersatz- oder Rücktrittsrechts des Käufers
(Senatsurteile vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532, Tz. 17;
vom 9. Januar 2008 - VIII
ZR 210/06, BGH NJW 2008,
1371, Tz. 19 f.;
BGH, Urteil vom 8. Dezember
2006 - V ZR 249/05, WM 2007, 1076, Tz. 13, 15).
20 Nichts anderes gilt hier. Die Beklagte hat die Klägerin bereits bei
Beginn des Vertragsvollzuges über die von ihr zu bewirkende (Vor-)Leistung
getäuscht und die Klägerin zu einer nicht geschuldeten Vorleistung
veranlasst. Der dadurch bewirkte Vertrauensverlust in die künftige
Leistungstreue der Beklagten wiegt umso schwerer, als auch die Mietkäuferin
durch Abgabe einer unzutreffenden Übernahmebestätigung an der
Täuschungshandlung mitgewirkt hat, so dass zumindest der Eindruck eines
kollusiven Zusammenwirkens beider zum Nachteil der Klägerin auf der Hand
liegt. Es kommt hinzu, dass nach der leasing- und mietkauftypischen
Vertragskonstruktion, wie sie auch hier gemäß Ziffer 1 und 11 der zwischen
den Parteien des Mietkaufvertrages vereinbarten Vertragsbedingungen
anzutreffen ist, die r. treuhänderisch mit einer Reihe von
Abwicklungsfunktionen von der Klägerin betraut worden ist. Insbesondere ist
sie berechtigt worden, für die am Liefervorgang vertragstypisch nicht
beteiligte Klägerin die Abnahme der zu liefernden Gegenstände von der
Beklagten vorzunehmen und für die Klägerin zu bestätigen (vgl. dazu
Senatsurteil vom 20. Oktober 2004 - VIII ZR 36/03, WM 2005, 756, unter II 2
a) sowie im weiteren Verlauf der Vertragsabwicklung für die Klägerin etwaige
Gewährleistungsrechte auszuüben und geltend zu machen. Wenn die Mietkäuferin
und die Lieferantin deshalb - wie hier - bereits bei Übergabe des
Leasinggegenstandes durch Abgabe einer falschen
Übernahmebestätigung/Liefererklärung allem Anschein nach kollusiv zum
Nachteil der Klägerin zusammengewirkt haben, musste diese greifbar
befürchten, dass es auch im Zuge der weiteren Vertragsabwicklung zu
gleichartigen Verhaltensweisen kommen würde und ihr Interesse an einer
redlichen Vertragsdurchführung nachhaltig gefährdet war. Ein ins Gewicht
fallendes gegenläufiges Interesse der Beklagten, trotz ihrer schwer
wiegenden Verfehlung am Vertrag festhalten zu können, ist nicht zu erkennen.
Die Klägerin war deshalb berechtigt, sich durch sofortigen Rücktritt von dem
mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über die zu liefernde
Callcenterausstattung zu lösen und die Rückgewähr der von ihr bereits
erbrachten Leistungen zu beanspruchen.
21 2. Die Beklagte ist weiterhin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur
Rückerstattung der von der Klägerin erhaltenen Vermittlungsprovision
verpflichtet. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt
es am Rechtsgrund für die geleistete Provision, weil die Klägerin zu ihrem
Provisionsversprechen durch eine arglistige Täuschung der Klägerin
veranlasst worden ist und deshalb ihr von der Beklagten gemäß § 151 BGB
durch Entgegennahme des Provisionsschecks angenommenes Angebot auf Leistung
der Provisionszahlung wirksam angefochten hat (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1
BGB). Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt zwar auch unter diesem
Gesichtspunkt nicht näher gewürdigt. Der Senat kann dies auf Grund der
seiner Nachprüfung unterliegenden tatsächlichen Grundlagen (§ 559 ZPO) aber
ebenfalls nachholen, weil die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen
getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl.
Senatsurteil vom 13. Februar 2008, aaO).
22 Dass die Klägerin der Beklagten - über eine allgemeine Bereitschaft zur
Provisionszahlung hinaus - die geleistete Provision bereits vor Einreichung
der Übernahmebestätigung vorab versprochen hat, hat das Berufungsgericht
nicht festgestellt. Dafür besteht auch sonst kein Anhalt. Die Provision ist
der Beklagten vielmehr erst nach Vorlage der von ihr erteilten Rechnung vom
27. Oktober 2005 und der Übernahmebestätigung der r. in der Weise
versprochen worden, dass die Klägerin zeitgleich mit der Anweisung des
Kaufpreises der Beklagten durch Schreiben vom 31. Oktober 2005 einen über
den Provisionsbetrag ausgestellten Scheck "als sichtbares Zeichen unserer
Anerkennung" übersandt hat. Bestimmend für dieses Provisionsversprechen war
mithin neben der unrichtigen Übernahmebestätigung der r. die
wahrheitswidrige Erklärung der Beklagten, dass die Lieferung der näher
bezeichneten Callcenterausstattung am 26. Oktober 2005 erfolgt sei.
Dementsprechend hat die auch auf die gezahlte Provision gerichtete
Anfechtungserklärung der Klägerin vom 16. Januar 2006 das zugrunde liegende
Provisionsversprechen gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet, so dass
der rechtsgrundlos geleistete Provisionsbetrag zurückzugewähren ist.
23 3. Die Klägerin ist jedoch ihrerseits gemäß § 348, § 320 Abs. 1, § 322
Abs. 1 BGB zur Rückgabe der in ihren Besitz gelangten
Ausstattungsgegenstände verpflichtet. Auf die dahin gehend von der Beklagten
im Berufungsrechtszug vorsorglich erhobene Einrede ist der Zahlungsausspruch
deshalb unter Zurückweisung der weitergehenden Revision auf eine
Verurteilung zur Leistung Zug um Zug einzuschränken (vgl. BGH, Urteil vom
12. März 2008 - XII ZR 147/05, WM 2008, 1758, Tz. 13).
24 4. Da die Beklagte den Bestand des mit der Klägerin geschlossenen
Kaufvertrages verteidigt und deshalb eine Verpflichtung zur Entgegennahme
der ihr von der Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2006 angebotenen
Gegenstände in Abrede nimmt, ist auf Antrag der Klägerin festzustellen, dass
die Beklagte sich mit der Rücknahme im Annahmeverzug befindet, damit die
Klägerin gemäß § 322 Abs. 3, § 274 Abs. 2 BGB ihren Anspruch ohne Bewirkung
der ihr obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen kann
(vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 1987 - VIII ZR 206/86, WM 1987, 1496,
unter III).
III.
25 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist
deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst
entscheiden, da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die
Sache zu Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Revision der
Klägerin ist danach der Klage mit Ausnahme der durch den Zug um
Zug-Vorbehalt bedingten Einschränkung insgesamt stattzugeben.
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