IPR: Aufrechnungsstatut (Art. 17 Rom I-VO);
Lücken im CISC (Art. 7 CISG); materiellrechtliche Qualifikation
prozessrechtlicher Rechtsinstitute der lex causae
BGH, Urteil vom 14. Mai 2014 - VIII
ZR 266/13 - OLG Karlsruhe in Freiburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Bei Sachverhalten mit einer Verbindung zum
Recht eines ausländischen Staates unterliegt die Aufrechnung gemäß Art. 17
Abs. 1 Rom I-VO der für die Hauptforderung berufenen Rechtsordnung mit der
Folge, dass das Vertragsstatut der Hauptforderung auch über die
Voraussetzungen, das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung
entscheidet. Das ist bei einer Aufrechnung gegen eine Forderung aus einem
Kaufvertrag, der dem einheitlichen UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG)
unterfällt, das unvereinheitlichte Recht des Staates, nach dessen Recht der
Kaufvertrag ohne Eingreifen des Übereinkommens zu beurteilen wäre
(Bestätigung des Senatsurteils vom 23. Juni 2010
- VIII ZR 135/08, WM 2010, 1712 Rn. 24, insoweit in BGHZ 186, 81 nicht
abgedruckt).
b) Über eine nach dem anwendbaren ausländischen Recht als prozessrechtlich
zu qualifizierende Aufrechnungsvoraussetzung ist ungeachtet der Frage, ob
das deutsche Prozessrecht zu deren Feststellung eine damit übereinstimmende
prozessuale Norm bereithält, in einem vor deutschen Gerichten geführten
Prozess nach deutschem Recht unter Anwendung des nach den Regeln des
Internationalen Privatrechts für das streitige Rechtsverhältnis maßgeblichen
ausländischen Rechts zu entscheiden. Danach kann eine prozessuale
Aufrechnungsvoraussetzung des ausländischen Rechts wie eine
materiellrechtliche Vorschrift angewendet werden, wenn sie in ihrem
sachlich-rechtlichen Gehalt den in §§ 387 ff. BGB als Teil des materiellen
Rechts geregelten deutschen Aufrechnungsvoraussetzungen gleichkommt
(Fortführung des Senatsurteils vom 9. Juni 1960 - VIII ZR 109/59, NJW 1960,
1720 unter II 1).
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu BGH
vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die in Italien ansässige Klägerin und die in Deutschland ansässige
Beklagte gehören einer auf unterschiedliche Staaten verteilten Gruppe von
sechs Unternehmen an, die unter dem gemeinsamen Firmenkern und der Marke "M.
" weltweit Kaffeeprodukte vertreiben und auf Gesellschafter- wie auf
Geschäftsführerebene miteinander verbunden sind. Eines dieser Unternehmen
ist die in Dubai ansässige M. General Trading LLC (im Folgenden: M. LLC), zu
deren Gesellschaftern und Geschäftsführern unter anderem der Geschäftsführer
der Klägerin und der in Dubai ansässige Geschäftsführer der Beklagten Ma. B.
gehören; die Rolle der M. LLC bei der Abwicklung der Geschäftsbeziehungen
der Unternehmensgruppe ist streitig.
2 Aus den in diesem Rahmen zwischen den Parteien bestehenden
Lieferbeziehungen macht die Klägerin für im Jahre 2011 erfolgte Lieferungen
von Kaffeeprodukten mit ihrer Klage einen unstreitigen Kaufpreisanspruch von
19.005,60 € nebst Zinsen gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte rechnet
hiergegen in nachstehender Reihenfolge unter anderem mit folgenden von ihr
behaupteten Gegenansprüchen auf:
3 a) Aus abgetretenem Recht eines von ihrem Geschäftsführer seinerzeit in
der Schweiz betriebenen Einzelunternehmens Ma. B. Consulting beansprucht die
Beklagte die Zahlung rückständiger Zinsen für den Zeitraum vom 30. September
2009 bis 20. Januar 2011 in Höhe von 2.750,14 € aus einem der Klägerin
gewährten und im Übrigen bereits zurückgezahlten Darlehen über 70.000 €. Die
Klägerin bestreitet die Darlehensgewährung und macht geltend, dass es sich -
wie auch in dem darüber aufgesetzten "Shareholder Loan Contract" zum
Ausdruck komme - in Wirklichkeit um eine auf Gesellschafterebene der M. LLC
beschlossene Liquiditätshilfe gegenüber den Gesellschaftern der Klägerin
gehandelt habe, die vereinbarungsgemäß über die M. LLC abgewickelt und von
dieser auch zurückgeführt worden sei. Im Zusammenhang mit dieser Rückführung
sei zudem vereinbart worden, dass keine weiteren Ansprüche aus dem Darlehen
mehr bestünden.
4 b) Aus abgetretenem Recht der in der Schweiz ansässigen Ma. B. Consulting
AG, die im Frühjahr 2011 Verbindlichkeiten der Klägerin aus Warenlieferungen
gegenüber einer in Italien ansässigen C. S.r.l. in Höhe von 28.809,20 €
getilgt haben will, beansprucht die Beklagte von der Klägerin den Ersatz
dieser Aufwendungen, die sie mit einem erstrangigen Teilbetrag in Höhe der
Klageforderung zur Aufrechnung stellt. Die Klägerin macht demgegenüber
geltend, dass die Ma. B. Consulting AG in diesem Zusammenhang nicht nur ihre
Verbindlichkeiten, sondern auch Verbindlichkeiten der M. LLC getilgt und
dabei mit der M. LLC überein gekommen sei, dass Ansprüche auf Ersatz dieser
Aufwendungen von Letzterer insgesamt getragen werden sollten; dieser
Aufwendungsersatzanspruch sei jedoch nicht sofort fällig gestellt, sondern
entsprechend einem Gesellschafterbeschluss in ein der M. LLC gewährtes
Darlehen umgewandelt worden. Die Klägerin ihrerseits habe die getätigten
Aufwendungen gegenüber der M. LLC begleichen sollen, was Ende 2011 im Rahmen
einer Abtretung von Forderungen der Klägerin aus Lieferungen gegen Dritte an
die M. LLC geschehen sei.
5 c) Aus abgetretenem Recht ihres Geschäftsführers Ma. B. beansprucht die
Beklagte die Rückzahlung eines der Klägerin von diesem Ende 2010 gewährten
Darlehens über 30.000 €; insoweit rechnet sie in Höhe eines der
Klageforderung entsprechenden erstrangigen Teilbetrages auf. Die Klägerin
bestreitet eine Darlehensgewährung an sie und behauptet, es habe sich dabei
um ein der M. LLC gegebenes Darlehen gehandelt, von dem ein Teilbetrag in
Höhe von 30.000 € in Absprache mit der M. LLC direkt an die Klägerin
überwiesen worden sei, um darüber Kaufpreisforderungen der Klägerin
gegenüber der M. LLC aus der Lieferung von Kaffeeprodukten zu begleichen.
6 Die Klage hat in den Vorinstanzen, die sich auf Rüge der Klägerin mit den
vorbezeichneten Gegenforderungen wegen insoweit fehlender internationaler
Zuständigkeit deutscher Gerichte sachlich nicht befasst haben, Erfolg
gehabt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht
auf die Nichtbefassung mit den genannten Gegenforderungen beschränkt
zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
8 Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von
Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
9 Die unstreitige Klageforderung sei durch die erklärte Aufrechnung mit den
geltend gemachten Gegenforderungen nicht erloschen. Über die Aufrechnung mit
den vorbezeichneten drei Gegenforderungen sei schon deshalb nicht zu
entscheiden gewesen, weil es dafür an der mit Blick auf die
Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO erforderlichen internationalen
Zuständigkeit deutscher Gerichte gefehlt habe. Fehle es an dieser
Zuständigkeit, stehe einer Aufrechnung nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Urteil vom 12. Mai 1993 - VIII ZR 110/92; offen gelassen
im Urteil vom 7. November 2001 - VIII ZR 263/00) ein zwingendes prozessuales
Hindernis jedenfalls dann entgegen, wenn es - wie hier - um bestrittene und
inkonnexe Gegenforderungen gehe, für deren selbstständige Geltendmachung die
Gerichte im Heimatstaat der Klägerin international zuständig seien und auf
deren Berücksichtigung die Klägerin sich nicht rügelos eingelassen habe. Das
Erfordernis der internationalen Zuständigkeit hinsichtlich dieser zur
Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sei auch nicht durch das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom 13. Juli 1995 (C-341/93) überholt, da sich
hiernach die Voraussetzungen, unter denen eine Prozessaufrechnung zuzulassen
sei, nach nationalem Recht - vorliegend dem deutschen Prozessrecht -
richteten.
10 Die danach erforderliche internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
für eine Entscheidung über die Gegenforderungen sei hier bis auf eine
Ausnahme nicht gegeben. Für den Anspruch auf Zahlung der Darlehenszinsen
bestehe gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs.1 EuGVVO lediglich eine aus dem
Sitz der Klägerin abgeleitete Entscheidungszuständigkeit italienischer
Gerichte beziehungsweise bei Anknüpfung an den Erfüllungsort gemäß Art. 5
Nr. 1 EuGVVO allenfalls noch eine Zuständigkeit schweizerischer Gerichte.
Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte dagegen lasse sich noch nicht einmal
aus einer analogen Anwendung des § 33 ZPO herleiten, da es zwischen den mit
der Klage geltend gemachten Kaufpreisansprüchen und dem aus abgetretenem
Recht zur Aufrechnung gestellten Darlehensanspruch an dem erforderlichen
Zusammenhang zwischen den einander gegenüberstehenden Ansprüchen fehle. Das
gelte genauso für die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche auf
Aufwendungsersatz und auf Rückzahlung des angeblichen Darlehens über 30.000
€. Allein der Umstand, dass bei Letzterem die Überweisung des Betrages über
ein deutsches Konto des Geschäftsführers der Beklagten ausgeführt worden
sei, sei nicht geeignet, eine Zuständigkeit deutscher Gerichte unter dem
Gesichtspunkt des Erfüllungsortes gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO zu begründen,
zumal auch zu den näheren Umständen der Darlehensgewährung und den dazu
getroffenen Vereinbarungen nichts Näheres vorgetragen sei.
11 Lediglich für eine weiter zur Aufrechnung gestellte
Schadensersatzforderung der Beklagten aus den Lieferbeziehungen der Parteien
sei eine Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben. Diese Forderung sei aber
in der Sache nicht begründet.
II.
12 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand; die
Revision ist daher zurückzuweisen.
13 Der nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den
internationalen Warenkauf (CISG) zu beurteilende Kaufpreisanspruch der
Klägerin (Art. 3 Nr. 2 EGBGB, Art. 1 Abs. 1 Buchst. a, Art. 53 CISG) steht
zwischen den Parteien außer Streit. Mit ihrem hiergegen auf die drei
vorgenannten Gegenforderungen gestützten Aufrechnungseinwand dringt die
Beklagte nicht durch. Denn ungeachtet der Frage, ob es zur Beachtlichkeit
dieses Einwandes der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte zur
Entscheidung über die Gegenforderungen bedarf, scheitert die Aufrechnung
schon daran, dass dafür die nach dem unvereinheitlichten italienischen Recht
zu beurteilenden Aufrechnungsvoraussetzungen nicht gegeben sind.
14 1. Das Berufungsgericht geht in Übereinstimmung mit dem
Senatsurteil vom 12. Mai 1993 (VIII ZR 110/92, WM 1993, 1755 unter B III 2)
davon aus, dass die Entscheidung über im Wege der Prozessaufrechnung geltend
gemachte Gegenforderungen voraussetze, dass das Prozessgericht auch insoweit
international zuständig sei, dass es angesichts der von der Klägerin
erhobenen Zuständigkeitsrüge daran aber bei den hier streitigen und
inkonnexen Gegenforderungen fehle und dass es die Aufrechnung deshalb in
diesem Verfahren nicht zu beachten brauche.
15 a) Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass die zur Aufrechnung
gestellten Gegenforderungen streitig und inkonnex sind, also mit der
Klageforderung nicht in einer erforderlichen rechtlichen Verbindung stehen,
und dass für diese Gegenforderungen, würden sie im Wege der (Wider-)Klage
geltend gemacht, ein Gerichtsstand in Deutschland nicht gegeben wäre. Sie
meint aber, dass es hierauf vor dem Hintergrund des zum sachlich unverändert
gebliebenen Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ ergangenen Urteils des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juli 1995 (C-341/93, WM 1995, 2161 Tz.
13 - Danvaern v. Otterbeck) nicht ankommen könne. Denn diese Entscheidung
sei mit einer im Schrifttum verbreitet vertretenen Auffassung so zu
verstehen, dass in Fällen, in denen der Rechtsstreit - wie hier - dem
Anwendungsbereich der EuGVVO unterfalle, die Frage der internationalen
Entscheidungszuständigkeit abschließend in der Verordnung geregelt sei und
dass es deshalb für die Entscheidung über eine im Prozess zur Aufrechnung
gestellte Gegenforderung allein auf die Voraussetzungen des dafür berufenen
nationalen materiellen Rechts ankomme (zum Meinungsstand Senatsurteil vom 7.
November 2001 - VIII ZR 263/00, BGHZ 149, 120, 126 f.; ferner etwa Geimer,
Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 868a ff.;
Staudinger/Hausmann, BGB, Neubearb. 2011, IntVertrVerfR Rn. 213 ff.;
Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 6 Brüssel
I-VO Rn. 30 ff.; jeweils mwN).
16 b) Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. November 2001 (VIII ZR 263/00,
aaO) offen gelassen, ob angesichts der genannten Entscheidung des
Gerichtshofs an der bisherigen Senatsrechtsprechung festgehalten werden
kann, wonach im Geltungsbereich der EuGVÜ zu einer Entscheidung über die
Aufrechnung mit bestrittenen, inkonnexen Gegenforderungen auch hinsichtlich
der Gegenforderungen eine aus dem deutschen internationalen Prozessrecht
abgeleitete internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben sein
muss. Einer Entscheidung zu dieser Frage bedarf es auch vorliegend nicht.
Denn ungeachtet einer etwaigen Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte
über den Forderungsbestand lässt bereits das als Aufrechnungsstatut berufene
materielle italienische Recht eine Aufrechnung mit den von der Beklagten
angesetzten Gegenforderungen nicht zu.
17 2. Art. 17 Abs. 1 Rom I-VO regelt, dass in Fällen, in denen - wie
hier -das Recht zur Aufrechnung nicht vertraglich vereinbart ist, für die
Aufrechnung das Recht gilt, dem die Forderung unterliegt, gegen die
aufgerechnet wird. Die Aufrechnung unterliegt danach also der für
die Hauptforderung maßgeblichen Rechtsordnung mit der Folge, dass das
Vertragsstatut der Hauptforderung auch über die Voraussetzungen, das
Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung entscheidet (Senatsurteil
vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08, WM 2010, 1712 Rn. 24 mwN, insoweit
in BGHZ 186, 81 nicht abgedruckt).
18 a) Auf die mit der Klage als Kaufpreisanspruch geltend gemachte
Hauptforderung findet das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge
über den internationalen Warenkauf Anwendung. Da dieses aber jedenfalls
nicht die Aufrechenbarkeit solcher Ansprüche regelt, die sich - wie hier -
nicht lediglich aus einem dem Übereinkommen unterliegenden
Vertragsverhältnis ergeben (vgl. Art. 4 CISG), bestimmt sich das zur
Beurteilung der Aufrechnung einschließlich seiner Voraussetzungen berufene
Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Rom I-VO nach dem Recht des Staates, in
dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hier also nach dem
gemäß Art. 19 Abs. 1 Rom IVO für den Sitz der Hauptverwaltung der Klägerin
maßgeblichen unvereinheitlichten italienischen Recht (vgl.
Senatsurteil vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08, aaO; Staudinger/Magnus,
aaO, Art. 17 Rom I-VO Rn. 19; jeweils mwN).
19 b) Anders als das unvereinheitlichte deutsche Recht, das in §§ 387, 390
BGB als Aufrechnungsvoraussetzungen lediglich die Gegenseitigkeit,
Gleichartigkeit, Fälligkeit und Einredefreiheit der einander
gegenüberstehenden Forderungen verlangt, stellt das unvereinheitlichte
italienische Recht in rechtlich beachtlicher Weise weitere Anforderungen an
die Liquidität der Gegenforderung (vgl. Staudinger/Magnus, aaO Rn. 32 mwN),
die vorliegend nicht gegeben sind.
20 aa) Der italienische Codice civile (Cc) sieht abgesehen von der hier
nicht einschlägigen einverständlichen Aufrechnung (Compensazione volontaria)
gemäß Art. 1252 Cc eine gesetzliche und eine gerichtliche Aufrechnung vor,
deren Voraussetzungen in Art. 1243 Cc geregelt sind. Die gesetzliche
Aufrechnung (Compensazione legale) findet gemäß Art. 1243 Abs. 1 Cc nur
zwischen Schulden statt, die einen Geldbetrag oder eine Menge vertretbarer
Sachen der gleichen Gattung zum Gegenstand haben und die gleichermaßen
feststehen (che sono ugualmente liquidi) und fällig sind. Zur gerichtlichen
Aufrechnung (Compensazione giudiziale) bestimmt Art. 1243 Abs. 2 Cc, dass in
Fällen, in denen die zur Aufrechnung eingewendete Schuld zwar nicht
feststeht (non e liquido), sie aber leicht und schnell festzustellen ist (ma
e di facile e pronta liquidazione), das Gericht die Aufrechnung hinsichtlich
des von ihm als bestehend anerkannten Teils der Schuld erklären und auch die
Verurteilung hinsichtlich der feststehenden Forderung bis zur Feststellung
der zur Aufrechnung eingewendeten Forderung aussetzen kann. Weder die
Voraussetzungen der gesetzlichen noch der gerichtlichen Aufrechnung sind
vorliegend jedoch gegeben.
21 (1) Eine gemäß Art. 1242 Abs. 1 Cc ex tunc wirkende gesetzliche
Aufrechnung scheitert bereits daran, dass die von der Beklagten zur
Aufrechnung gestellten Gegenforderungen mangels der dazu erforderlichen
Liquidität nicht feststehen. Denn hierzu darf nach der insoweit maßgeblichen
und durch die Rechtsprechung der Corte di Cassazione geprägten italienischen
Rechtspraxis (vgl. dazu BGH, Urteile vom 23. April 2002 - XI ZR 136/01, WM
2002, 1186 unter II 2 b; vom 24. März 1987 - VI ZR 112/86, NJW 1988, 648
unter II 3 a) die Gegenforderung nicht bestritten sein, es sei denn, ein
Bestreiten ist offensichtlich unbegründet (prima facie pretestuosa ed
infondata) und damit rechtsmissbräuchlich (Kannengießer, Die Aufrechnung im
internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1998, S. 15; Kindler, IPRax
1996, 16, 20; Gebauer, Jahrbuch für Italienisches Recht 12 [1999], 31, 41;
Stürner, RIW 2006, 338, 343; jeweils mwN). Die Gegenforderungen sind aber
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestritten. Dafür, dass dieses
Bestreiten offensichtlich unbegründet wäre, besteht ebenfalls kein Anhalt.
22 (2) Auch eine gerichtliche Aufrechnung nach Art. 1243 Abs. 2 Cc, durch
die bei fehlender Liquidität der Gegenforderung mit Wirkung ex nunc über
Bestand und Höhe der Gegenforderung sowie die damit einhergehende Aufhebung
der sich einander gegenüberstehenden Forderungen (vgl. Art. 1241 Cc)
rechtsgestaltend entschieden werden kann (vgl. Kannengießer, aaO S. 43 f.;
Gebauer, aaO; Kindler, aaO S. 21; Stürner, aaO), kommt nicht in Betracht,
weil es dazu an der erforderlichen leichten und schnellen Feststellbarkeit
der von der Beklagten erhobenen Gegenforderungen fehlt.
23 (a) Allerdings steht einer Anwendung des Art. 1243 Abs. 2 Cc
durch deutsche Gerichte und damit einer Berücksichtigung dieser im Vergleich
zur gesetzlichen Aufrechnung gelockerten Aufrechnungsvoraussetzungen nicht
bereits entgegen, dass sie in eine prozessuale Norm des italienischen Rechts
zur Regelung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine
rechtsgestaltende Ersetzung des an sich bestehenden
Liquiditätserfordernisses eingebettet sind, die sich in dieser Form in der
in Deutschland nach der lex fori-Regel maßgeblichen deutschen
Zivilprozessordnung nicht findet (so aber etwa OLG Stuttgart, RIW
1995, 943, 944; ähnlich Busse, MDR 2001, 729, 734). Selbst wenn die
in dieser Bestimmung genannten Aufrechnungsvoraussetzungen nach
italienischem Recht dem Verfahrensrecht und nicht dem materiellen Recht
zuzurechnen sein sollten, hindert das den deutschen Richter nicht, sie auf
ihren materiellen Gehalt zu befragen und wie materiell-rechtliche
Vorschriften anzuwenden. Denn ob die italienischen
Aufrechnungsvoraussetzungen als materiellrechtlich oder prozessrechtlich zu
qualifizieren sind, muss ungeachtet der Frage, ob das deutsche Prozessrecht
zu deren Feststellung eine damit übereinstimmende prozessuale Norm
bereithält, in einem vor deutschen Gerichten geführten Prozess nach
deutschem Recht unter Anwendung des nach den Regeln des internationalen
Privatrechts für das streitige Rechtsverhältnis maßgeblichen ausländischen
Rechts entschieden werden. Dies richtet sich danach, ob die dort bestimmten
Voraussetzungen für die Aufrechnung in ihrem sachlichrechtlichen Gehalt den
in §§ 387 ff. BGB als Teil des materiellen Rechts geregelten deutschen
Aufrechnungsvoraussetzungen gleichkommen (vgl. Senatsurteil vom 9.
Juni 1960 - VIII ZR 109/59, NJW 1960, 1720 unter II 1 mwN; LG München I, RIW
1996, 688, 689; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl.,
§ 6 Rn. 23; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, 3. Aufl., Art. 17 Rom I-VO Rn.
7). Das ist für das nach italienischem Recht bestehende
Liquiditätserfordernis und seine prozessuale Ersatzform der leichten und
schnellen Feststellbarkeit von Bestand und Höhe der zur Aufrechnung
gestellten Gegenforderung zu bejahen (so etwa auch OLG Düsseldorf,
IHR 2004, 203, 208; LG München I, aaO; Stürner, aaO; jeweils mwN;
Kannengießer, aaO S. 13 f., 79 f.).
24 Danach ist auch Art. 1243 Abs. 2 Cc in dem Umfang anzuwenden, wie
er eine Verrechnungswirkung zulässt (LG München I, aaO;
Nagel/Gottwald, aaO; Kindler, aaO; Kronke, IPRax 1996, 139, 140; Stürner,
aaO). Dass das deutsche Prozessrecht ein nach dieser Bestimmung zu
erlassendes Gestaltungsurteil nicht kennt, ist unschädlich, weil - wie § 322
Abs. 2 ZPO zeigt - über den Bestand einer zur Aufrechnung gestellten
Gegenforderung auch im deutschen Recht mit einer vergleichbaren
Gestaltungswirkung erkannt werden kann (vgl. Gebauer, aaO S. 56;
Kindler, aaO; Busse, aaO). Allerdings kommt - anders als die Revision meint
- der Erlass eines Vorbehaltsurteils gemäß § 302 ZPO nicht in Betracht, wenn
es - wie nachstehend unter II 2 b (2) (b) ausgeführt - von vornherein an der
von Art. 1243 Abs. 2 Cc geforderten Liquidität der Gegenforderungen und
damit an einer als materiell-rechtlich zu qualifizierenden
Aufrechnungsvoraussetzung fehlt (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 1957 -
VIII ZR 67/56, BGHZ 25, 360, 365 f.).
25 (b) Die gemäß Art. 1243 Abs. 2 Cc bestehenden Aufrechnungsvoraussetzungen
sind vorliegend nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat dies zwar - von
seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft. Es bedarf dazu
jedoch keiner weiteren tatrichterlichen Feststellungen, weil der Senat diese
anhand des unstreitigen Inhalts der Akten selbst treffen kann (vgl. BGH,
Urteile vom 19. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, WM 2000, 959 unter I 3; vom
18. Mai 2006 - I ZB 57/05, GRUR 2006, 702 Rn. 21; vom 26. Juni 2008 - IX ZR
47/05, WM 2008, 1442 Rn. 19).
26 Für die Frage, ob die Gegenforderung leicht und schnell festzustellen
ist, kommt es nach der durch die Rechtsprechung der Corte di Cassazione
geprägten italienischen Rechtspraxis darauf an, ob diese Feststellung rasch
und ohne besondere Schwierigkeiten getroffen werden kann. Die dazu
erforderlichen Ermittlungen in Bezug auf die Gegenforderung dürfen deshalb
nicht aufwändig sein, und die Entscheidung über die Hauptforderung darf
nicht erheblich verzögert werden (Kannengießer, aaO S. 42; Gebauer, aaO S.
43; Kindler, aaO; jeweils mwN). Das ist hier angesichts einer sowohl in
rechtlicher wie auch tatsächlicher Hinsicht zu erwartenden Komplexität und
Dauer der zur Feststellung der Gegenforderungen anzustellenden Ermittlungen
zu verneinen.
27 (aa) Einer nach diesen Maßstäben leichten und schnellen Feststellung der
Gegenforderungen steht bereits entgegen, dass, wie die Beklagte selbst
erkannt hat, zu dieser Beurteilung zunächst einmal weitere rechtliche
Ermittlungen anzustellen wären. Insoweit wäre selbständig an das für die
Gegenforderungen nach dem internationalen Privatrecht jeweils maßgebliche
eigene Statut anzuknüpfen (MünchKommBGB/Spellenberg, 5. Aufl., Art. 17 VO
(EG) 593/2008 Rn. 20; Soergel/von Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 32 Rn. 51;
jeweils mwN; Palandt/Thorn, BGB, 73. Aufl., Art. 17 Rom I-VO Rn. 2). Das
wäre - worauf schon das Landgericht hingewiesen hat - in keinem der Fälle
das deutsche Recht, sondern ein erst noch zu ermittelndes ausländisches
Recht.
28 Hinsichtlich der geltend gemachten Darlehenszinsen bestimmt sich das
Vertragsstatut am Maßstab des hierauf noch anwendbaren Art. 28 Abs. 1, 2, 5
EGBGB in der bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (vgl. Art. 1 Nr. 4
des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts
an die Verordnung [EG] Nr. 593/2008 vom 25. Juni 2009 [BGBl. I S. 1574])
entweder nach schweizerischem Recht oder - was angesichts der Fixierung des
Darlehens in dem darüber in Dubai aufgesetzten "Shareholder Loan Contract"
und seinem unübersehbaren Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen
Beziehungen zur dort ansässigen M. LLC noch näher liegen könnte -nach dem
Recht von Dubai. Der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch bestimmt
sich nach Maßgabe von Art. 10 Abs. 2 bis 4, Art. 11 Abs. 2 bis 4 Rom II-VO
in gleicher Weise entweder nach schweizerischem oder nach italienischem
Recht oder - was im Zusammenhang mit den die Aktivitäten der Parteien
verknüpfenden gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zur M. LLC ebenfalls am
nächsten liegt - nach dem Recht von Dubai. Letztgenanntes Recht ist - nicht
zuletzt angesichts des unstreitigen Wohnsitzes von Ma. B. in Dubai - auch
hinsichtlich der behaupteten Gewährung eines Darlehens über 30.000 € nach
Art. 4 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO als das für den Darlehensanspruch
nächstliegende Recht in Betracht zu ziehen.
29 Weder zu den Tatsachen, die eine solche Anknüpfung ermöglichen, noch zum
Inhalt des danach anzuwendenden Rechts ist jedoch von der Beklagten
vorgetragen worden. Ungeachtet dessen würde aber auch nach Klärung der
Anknüpfungstatsachen eine dann gemäß § 293 ZPO aller Voraussicht nach
unerlässliche inhaltliche Ermittlung des anzuwendenden ausländischen Rechts,
das jedenfalls hinsichtlich des Rechts von Dubai nicht ohne Weiteres
erschlossen werden kann, in allen Fällen die Einholung eines umfänglichen
und zeitraubenden Rechtsgutachtens erfordern. Schon aus diesem Grunde ist
deshalb auszuschließen, dass eine Feststellung der zur Aufrechnung
gestellten Gegenforderungen rasch und ohne besondere Schwierigkeiten möglich
ist.
30 (bb) Vor allem aber müsste nach inhaltlicher Klärung des anzuwendenden
ausländischen Rechts und einer erst danach zu beurteilenden Erheblichkeit
des Vorbringens der Beklagten noch eine durch umfängliche und zeitraubende
Beweiserhebungen geprägte Klärung der tatsächlichen Grundlagen der erhobenen
Gegenforderungen durchgeführt werden, die deren leichter und schneller
Feststellbarkeit zusätzlich entgegenstünde. Hinsichtlich des dem
Zinsanspruch zugrunde liegenden Darlehens ist bereits der darüber
aufgesetzte "Shareholder Loan Contract" nicht derart eindeutig, dass sich
der im Einzelnen näher ausgeführte Einwand der Klägerin, es habe sich nicht
um ein ihr gewährtes Darlehen, sondern um eine auf Gesellschafterebene der
M. LLC beschlossene Liquiditätshilfe gegenüber den Gesellschaftern der
Klägerin gehandelt, ohne Weiteres entkräften ließe. Zur Klärung dieser Frage
müsste - soweit angetreten -deshalb im Wege ausländischer Rechtshilfe
gegebenenfalls ebenso Beweis erhoben werden wie zu dem von der Klägerin
unter Zeugenbeweis gestellten Verzicht der Beklagten auf weitere Zahlungen
nach Rückführung des Darlehenskapitals. Entsprechendes würde für die näheren
Umstände des von der Beklagten beanspruchten Aufwendungsersatzes sowie für
die Abrede über die Gewährung des behaupteten Darlehens über 30.000 €
gelten, sofern die Beklagte dafür am Maßstab des zu ermittelnden
ausländischen Rechts überhaupt tauglichen Sachvortrag gehalten hätte und
einen dann gegebenenfalls noch erforderlichen tauglichen Beweis antreten
würde.
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