Keine nachvertragliche
Pflicht zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bei Wegfall des
Kündigungsgrundes (Eigenbedarf) nach Wirksamwerden der Kündigung
BGH, Urteil vom 9. November
2005 - VIII ZR 339/04
Fundstelle:
NJW 2006, 220
BGHZ 165, 75
Amtl. Leitsatz:
Hat der Vermieter ein
Mietverhältnis über Wohnraum wegen Eigenbedarfs wirksam gekündigt und fällt
der geltend gemachte Grund nachträglich weg, so ist dies nur dann zu
berücksichtigen, wenn der Grund vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen
ist; in diesem Fall ist der Vermieter zu einer entsprechenden Mitteilung an
den Mieter verpflichtet.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen
ein Vermieter, der ein Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs (§ 573
Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt hat, verpflichtet ist, einen nachträglichen
Wegfall des Eigenbedarfsgrundes zu berücksichtigen und den Mieter hierüber
zu unterrichten. Diese Frage war bisher in Rechtsprechung und Schrifttum
umstritten. In Anknüpfung an BGH NJW 2003, 2604 vertritt der Senat die
Ansicht, daß eine zunächst wegen Eigenbedarfs wirksam erklärte Kündigung des
Vermieters infolge Rechtsmissbrauchs unwirksam wird, wenn der Eigenbedarf
des Vermieters vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt. Dabei hat der Senat
darauf abgestellt, dass eine wirksame Kündigung das Mietverhältnis zu diesem
Zeitpunkt beendet. Von da an erlangt die Verfügungsbefugnis des Vermieters,
in aller Regel des Eigentümers der Wohnung, wieder ihren vollen, von der
Verfassung in Art. 14 GG garantierten Umfang; der Mieter kann sich nach der
Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr auf den eigentumsgleichen Rang
seines auf dem Mietvertrag beruhenden Rechtes zum Besitz der Wohnung (vgl.
BVerfGE 89, 1) berufen. Eine nachvertragliche Treuepflicht als Grundlage für
eine Verpflichtung des Vermieters, den Mieter von dem Wegfall des
Eigenbedarfs zu unterrichten, um ihm einen Verbleib in der Wohnung zu
ermöglichen, besteht daher nicht. Dies ist auch von Verfassungs wegen nicht
geboten (vgl. BVerfG, NJW-RR 2003, 1164). Andernfalls würde auch der
vertragsuntreue Mieter gegenüber dem vertragstreuen Mieter bevorzugt: Der
Mieter, der trotz wirksamer Kündigung die Wohnung pflichtwidrig nicht zum
Ablauf der Kündigungsfrist an den Vermieter zurückgibt, würde nämlich aus
einem Wegfall des Eigenbedarfs nach Beendigung des Mietverhältnisses ein
Recht zur Fortsetzung des Mietverhältnisses herleiten können, was dem
vertragstreuen Mieter, der die Wohnung rechtzeitig geräumt hat, nicht
möglich wäre.
Zum vorgetäuschten Eigenbedarf s.
BGH NJW 2009, 2059.
©sl 2005
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einer Eigenbedarfskündigung des
Beklagten.
Die Klägerin hatte vom Beklagten eine Wohnung in dem Anwesen O. Straße in H.
gemietet. Mit Schreiben vom 23. November 1999 kündigte der Beklagte wegen
Eigenbedarfs. Zur Begründung gab er an, er benötige die Wohnung für seine
Schwiegermutter. Die Klägerin widersprach der Kündigung. In dem
anschließenden Räumungsprozess wurde sie durch Urteil des Amtsgerichts
Hamburg vom 3. November 2000 zur Herausgabe der Wohnung verurteilt. Das
Landgericht Hamburg wies mit Urteil vom 5. April 2001 die Berufung der
Klägerin zurück, gewährte der Klägerin jedoch eine Räumungsfrist bis zum 31.
Juli 2001.
Am 25. Juni 2001 verstarb die Schwiegermutter des Beklagten. Ende September
2001 räumte die Klägerin die Wohnung und zog in die H. um. Erst danach
erfuhr sie von dem Tod der Schwiegermutter des Beklagten und dem dadurch
bedingten Wegfall des Eigenbedarfs des Beklagten.
Die Klägerin meint, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihr den Wegfall
des Eigenbedarfs mitzuteilen. Da er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen
sei, sei er ihr zum Ersatz des durch die Räumung der Wohnung entstandenen
Schadens verpflichtet. Dieser bestehe in den Aufwendungen für den Umzug und
für die Anmietung von Lagerflächen sowie für die höhere Miete für die neue
Wohnung. Insgesamt belaufe sich ihr Schaden auf 13.407,75 €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat
das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Klageanspruch
dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag
weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil
in ZMR 2005, 127 (= WuM 2005, 134) veröffentlicht ist, ist der Auffassung,
der Beklagte sei der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz
verpflichtet, weil er durch das Unterlassen einer Mitteilung über den
Wegfall des Eigenbedarfs nach dem Tod seiner Schwiegermutter eine
nachvertragliche Treuepflicht gegenüber der Klägerin schuldhaft verletzt
habe. Es hat ausgeführt, die Verpflichtung des Vermieters, den Mieter auf
den Wegfall des Eigenbedarfs hinzuweisen, ende bei Gewährung einer
gerichtlichen Räumungsfrist erst mit dem Auszug des Mieters aus der Wohnung.
Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9. Juli 2003 (VIII ZR
311/02, NJW 2003, 2604 = WuM 2003, 463) über die Pflicht des Vermieters, bei
einer Kündigung wegen Eigenbedarfs dem Mieter bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist eine verfügbare Alternativwohnung anzubieten, sei die
vorliegende Fallkonstellation nicht zu vergleichen. Während dort nur der
Vermieter durch Art. 14 GG geschützte Grundrechte geltend machen könne,
erfordere hier die verfassungsrechtliche Situation eine Abwägung zwischen
dem Bestandsinteresse des Mieters, dessen Besitzrecht an der Wohnung
ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sei, und dem Eigentumsinteresse
des Vermieters. Bei Beachtung des beiderseitigen Eigentumsschutzes sei für
die Mitteilungspflicht an den Zeitpunkt der Räumung durch den Mieter
anzuknüpfen. Im Unterschied zu anderen Kündigungsgründen, die sich
regelmäßig aus einem in der Vergangenheit liegenden Verhalten oder Ereignis
ergäben, setze die Kündigung wegen Eigenbedarfs eine längere Fortdauer
voraus, nämlich das Bestehen des Eigenbedarfs noch nach Beendigung des
Mietverhältnisses und die tatsächliche Inanspruchnahme der Wohnung durch den
Vermieter. Durch den Eigentumsschutz und die Härtefallregelung des § 574 BGB
solle der vertragstreue Mieter umfassend vor einem objektiv nicht
gerechtfertigten Verlust der Wohnung geschützt werden. Entfalle der
vorübergehend vorhanden gewesene Eigenbedarf noch vor der
kündigungsbedingten Räumung, dann fehle es auch an einem Grund, dem Mieter
den Wohnungswechsel zuzumuten.
Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsverfolgung des
wegen Eigenbedarfs gekündigten Mieters regelmäßig zum Zwecke der Verzögerung
und in der Hoffnung erfolge, im Laufe des Verfahrens könne der Eigenbedarf
entfallen oder im selben Haus eine andere Wohnung frei werden. Der Kammer
seien aus langjähriger Erfahrung zahlreiche Fälle vorgetäuschten
Eigenbedarfs bekannt; eine vom Mieter eingeleitete gerichtliche Überprüfung
der Eigenbedarfskündigung könne daher nicht als "Verzögerungstaktik"
angesehen werden. Im Hinblick auf den häufig vorgetäuschten Eigenbedarf
würde eine Begrenzung der Mitteilungspflichten auf die Zeit bis zum Ablauf
der ordentlichen Kündigungsfrist die Möglichkeit eines verfassungsrechtlich
gebotenen effektiven Rechtsschutzes für den Mieter über die Maßen
erschweren. Einziges objektives Beweisanzeichen für den behaupteten
Eigenbedarf sei der Umstand, ob die Bedarfsperson tatsächlich die Wohnung
beziehe oder nicht. Bei einer Begrenzung der Mitteilungspflicht auf die Zeit
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entfiele dieser Kontrollmechanismus. Der
Beklagte hätte - notfalls durch Einholung von Rechtsrat - auch erkennen
können, dass er die Klägerin über den Wegfall des Eigenbedarfsgrundes hätte
unterrichten müssen.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts war der Beklagte nicht
verpflichtet, die Klägerin über den Tod der Schwiegermutter und den dadurch
bedingten Wegfall des Eigenbedarfs nach Ablauf der Kündigungsfrist zu
unterrichten. Damit fehlt es an einer Grundlage für einen
Schadensersatzanspruch der Klägerin.
1. Die Frage, ob und in welchen zeitlichen Grenzen der Wegfall des
ursprünglich gegebenen Kündigungsgrundes des Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr.
2 BGB) sich auf den Räumungsanspruch des Vermieters auswirkt, ist in
Rechtsprechung und Schrifttum umstritten und höchstrichterlich bislang nicht
geklärt.
Der Wegfall des zunächst vorhandenen Eigenbedarfs soll nach einer Ansicht
nur dann berücksichtigt werden, wenn er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
eingetreten ist (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 1489; OLG Karlsruhe, NJW 1982,
54; LG Berlin, Grundeigentum 2004, 1527; Bamberger/Roth/Reick, BGB, § 573
Rdnr. 57, 58; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 573 Rdnr. 29;
MünchKommBGB/Häublein, 4. Aufl., § 573 Rdnr. 74; von Stebut, NJW 1985, 289,
295). Eine andere Auffassung stellt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft eines
Räumungsurteils oder den Ablauf einer rechtskräftig ausgesprochenen
Räumungsfrist ab (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1994, 80 = ZMR 1993, 335; LG Köln,
WuM 1994, 212; Lammel, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 573 Rdnrn. 98, 99;
unklar, aber ebenso wohl Staudinger/Rolfs, BGB (2003), § 573 Rdnrn. 87, 88
und Emmerich/Sonnenschein/Haug, Miete, 8. Aufl., § 573 Rdnr. 55). Eine
dritte Meinung bejaht schließlich die Berücksichtigung des Wegfalls des
Eigenbedarfs sowie eine entsprechende Mitteilungspflicht des Vermieters bis
zum Auszug des Mieters aus der Wohnung, wobei teilweise auf die Möglichkeit
der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) verwiesen wird (so BayObLGSt 1987,
8 = NJW 1987, 626; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1994, 80 = WuM 1993, 405; LG
Heidelberg, WuM 1992, 30; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 573 Rdnrn.
61, 62; Müller/Walther/Krenek, Miet- und Pachtrecht, Teil C (BGB) § 573 Rdnr.
33; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 573 71 - 74; unklar
Er-man/P. Jendrek, BGB, 11. Aufl., § 573 Rdnr. 16).
2. Der Senat teilt die erstgenannte Auffassung. Sie bringt die berechtigten
Interessen von Mieter und Vermieter zu einem angemessenen Ausgleich und
sorgt für Rechtsklarheit.
a) Auszugehen ist zunächst von dem Grundsatz, dass der Vermieter
verpflichtet ist, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für
den Mieter so gering wie möglich zu halten. Diese gesteigerte Pflicht zur
Rücksichtnahme beruht auf der besonderen Bedeutung, die der Wohnung als
Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen zukommt und dem
Besitzrecht des Mieters einen eigentumsgleichen Rang im Sinne des Art. 14
Abs. 1 GG verleiht (st. Rspr. seit BVerfGE 89, 1). Aus dem Gebot der
Rücksichtnahme hat der Senat den weiteren Grundsatz abgeleitet, dass der
Vermieter, der ein Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigt, dem Mieter bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in
derselben Wohnanlage befindliche und verfügbare Wohnung zur Anmietung
anzubieten hat. Kommt der Vermieter dieser Anbietpflicht nicht nach, so ist
die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (Urteil vom 9. Juli 2003
aaO).
b) Dieser Grundgedanke ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch
für die vorliegende Fallgestaltung heranzuziehen, in der es nicht um das
Anbieten einer Alternativwohnung bei fortbestehendem Eigenbedarf des
Vermieters, sondern um die Frage geht, welche rechtlichen Folgen sich daraus
ergeben, dass der ursprünglich vorhandene Eigenbedarf des Vermieters an der
vermieteten Wohnung nach der Erklärung der Kündigung entfallen ist. Die
tatsächlichen und rechtlichen Unterschiede der beiden Sachverhalte
rechtfertigen es nicht, den Schutz des Mieters in zeitlicher Hinsicht über
die Grenze der Kündigungsfrist hinaus auszudehnen. Insbesondere lässt sich
eine solche Ausweitung des Mieterschutzes nicht mit verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten begründen.
aa) In dem Beschluss vom 26. Mai 1993 (BVerfGE 89, 1) hat das
Bundesverfassungsgericht eingehende Richtlinien für den Schutz der
Grundrechtspositionen des Wohnungsmieters aufgestellt. Es hat zunächst
darauf hingewiesen, dass es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers ist,
die schutzwürdigen Interessen beider Seiten - des Mieters und des Vermieters
- zu berücksichtigen und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Dabei
hat er dem eigentumsgleichen Bestandsinteresse des Mieters Rechnung zu
tragen; das bedeutet aber nicht, dass im Konflikt der beiderseitigen, durch
die Verfassung geschützten Eigentumspositionen das Bestandsinteresse des
Mieters in jedem Fall vorgeht. Für die Regelfälle ordentlicher Kündigungen
hat der Gesetzgeber, wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
klargestellt hat (aaO S. 9), mit § 564 b BGB (a.F., jetzt insbesondere § 573
Abs. 1 und 2 BGB) und § 556 a BGB (a.F., jetzt: §§ 574 - 574 b BGB) die
notwendige Interessenabwägung in angemessener Weise vorgenommen. Den
Fachgerichten kommt die Aufgabe zu, bei der Auslegung und Anwendung der
Bestimmung über die Kündigung wegen Eigenbedarfs (§ 564 b Abs. 1, Abs. 2 Nr.
2 BGB a.F., jetzt: § 573 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB) ebenfalls die durch
die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und die im Gesetz zum
Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachzuvollziehen, die
den beiderseitigen Eigentumsschutz beachtet und unverhältnismäßige
Eigentumsbeschränkungen vermeidet (BVerfG aaO S. 9).
bb) In der vom Bundesverfassungsgericht in den Mittelpunkt seiner
verfassungsrechtlichen Erwägungen gestellten gesetzlichen Regelung der
Kündigung wegen Eigenbedarfs und der Sozialklausel erschöpft sich der Schutz
des Mieters jedoch nicht. Vergleichbare Schutzgedanken liegen ebenso den
Bestimmungen über die Kündigungsfristen (§ 573 c Abs. 1 BGB) sowie über die
Gewährung einer Räumungsfrist (§ 721 ZPO) zugrunde. Darüber hinaus ist die
Durchsetzbarkeit der materiellrechtlichen Mieterschutzvorschriften in der
Rechtswirklichkeit durch das Verbot einer zum Nachteil des Mieters
abweichenden Vereinbarung (§§ 573 Abs. 4, 573 c Abs. 4, 574 Abs. 4, 574 a
Abs. 3 BGB) zusätzlich abgesichert.
cc) Ist durch dieses System von Bestimmungen des materiellen und des
Prozessrechts aber bereits ein umfassender, den verfassungsrechtlichen
Garantien des Art. 14 GG und des effektiven Rechtsschutzes (Art. 2, 19 Abs.
4 GG) entsprechender Schutz des Mieters gewährleistet, so ist bei der
Ausdehnung dieses Schutzes über den normierten Bereich hinaus Zurückhaltung
geboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass jede Ausweitung des
Mieterschutzes zwangsläufig eine Einschränkung der gleichwertigen
Rechtspositionen des Vermieters zur Folge hat.
c) Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob die materiellen
Voraussetzungen des Eigenbedarfs, der herrschenden Ansicht folgend, nur bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist vorliegen müssen oder ob der Wegfall des
Eigenbedarfs noch zu berücksichtigen ist, wenn er bis zum Schluss der
letzten mündlichen Verhandlung eingetreten ist, in seinem Beschluss vom 3.
Februar 2003 (1 BvR 619/02, NJW-RR 2003, 1164 = NZM 2003, 692) erörtert, die
Auseinandersetzung hiermit aber dem mit der Verfassungsbeschwerde
angegriffenen Urteil des Landgerichts und damit den Fachgerichten
überlassen. Bei dieser Entscheidung dürfen schon aus Gründen der
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die allgemeinen Prinzipien des
Privatrechts nicht außer Betracht bleiben. Hierzu zählt im vorliegenden
Zusammenhang vornehmlich die Rechtswirkung einseitiger
Gestaltungserklärungen.
aa) Einseitige Gestaltungserklärungen, wie insbesondere die Kündigung
eines Dauerschuldverhältnisses, führen - sofern ihre tatbestandlichen
Voraussetzungen erfüllt sind - die gewollten Rechtswirkungen zu dem
gesetzlich vorgesehenen oder individuell bestimmten Zeitpunkt herbei. Eine
wirksame Kündigung beendet das Mietverhältnis mit dem Ablauf der
Kündigungsfrist; deshalb ist der Mieter zur Rückgabe der Mietsache an den
Vermieter zu diesem Zeitpunkt verpflichtet (§ 546 BGB). Kommt er dieser
Verpflichtung nicht nach, so schuldet er dem Vermieter die vereinbarte Miete
nicht mehr als die ihm obliegende vertragliche Leistung, sondern kraft
Gesetzes als Entschädigung für die Dauer der Vorenthaltung (§ 546 a Abs. 1
BGB).
bb) Solange die Rechtswirkungen der Kündigung noch nicht eingetreten
sind, sprechen keine zwingenden Gründe dagegen, vielmehr erfordert es der
Schutz des Mieters, einer zunächst wirksamen Kündigung nachträglich ihre
Wirksamkeit abzusprechen, wenn dies aus überwiegenden Gesichtspunkten, etwa
dem Verbot des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB), geboten
erscheint. Ein derartiger Rechtsmissbrauch läge insbesondere dann vor, wenn
der geltend gemachte Eigenbedarf des Vermieters vor dem Ablauf der
Kündigungsfrist und der erst hierdurch bewirkten rechtlichen Beendigung des
Mietverhältnisses entfallen ist und der Vermieter dennoch aus formalen
Gründen an der im Zeitpunkt der Erklärung berechtigten Kündigung festhalten
würde.
cc) Mit dem (rechtlichen) Ende des Mietverhältnisses erlischt - was das
Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt - das Besitzrecht des Mieters,
der keine originäre, sondern nur eine abgeleitete Beziehung zu der von einem
anderen geschaffenen Wohnung hat (BVerfGE 89, 1, 7 f.); die
Verfügungsbefugnis des Vermieters, in aller Regel des Eigentümers der
betreffenden Wohnung, erlangt wieder ihren vollen, von der Verfassung in
Art. 14 GG anerkannten und garantierten Umfang. Verweigert der Mieter die
Herausgabe der Wohnung, obwohl die Kündigung wirksam ist und ein
gesetzlicher Grund für die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der
Sozialklausel der §§ 574 ff. BGB nicht vorliegt, so verletzt er seine
Pflicht zur Rückgabe der Mietsache (§ 546 Abs. 1 BGB) und verhält sich damit
rechtswidrig; auf den eigentumsgleichen Rang seines auf dem Mietvertrag
beruhenden Rechts zum Besitz der Wohnung (BVerfGE 89, 1, 6 ff) kann er sich
nach der Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr berufen. Aus diesen
Gründen versagt hier auch das Gebot der Schonung des vertragstreuen Mieters.
Ein Mieter, der die gemietete Sache nach der durch die wirksame Kündigung
herbeigeführten Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter nicht
zurückgibt, verhält sich von da an nicht mehr vertragstreu; auf ein
Verschulden kommt es insoweit nicht an.
dd) Nachvertragliche Treuepflichten, die einen Vorrang des
Bestandsinteresses des Mieters gegenüber dem Rückgabeanspruch des Vermieters
gebieten würden, sind nicht anzuerkennen. Dies hat der Senat in seinem
Urteil vom 9. Juli 2003 (aaO unter II 2) in ähnlicher Weise für den Fall
einer freiwerdenden Wohnung des Vermieters bei fortbestehendem Eigenbedarf
an der gekündigten Wohnung ausgesprochen; für die vorliegende Fallgestaltung
kann nichts anderes gelten. Die Annahme einer nachvertraglichen Pflicht des
Vermieters, den Mieter über den nach Beendigung des Mietverhältnisses
eingetretenen Wegfall des Kündigungsgrundes zu unterrichten, würde zu einer
systemwidrigen Durchbrechung der Grundsätze über die rechtsgestaltende
Wirkung von Kündigungserklärungen führen. Anhaltspunkte dafür, dass der
Gesetzgeber den Mieter auf materiell-rechtlicher Ebene vor einem derartigen
nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs hat schützen wollen, bestehen nicht.
Dass der Gesetzgeber das Problem des nachträglichen Eintritts neuer Umstände
gesehen hat, ergibt sich aus der Regelung über das Unwirksamwerden einer auf
Zahlungsverzug gestützten außerordentlichen Kündigung des Vermieters bei
nachträglicher Tilgung des Mietrückstandes (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Dem
Interesse des Mieters am Erhalt der Wohnung könnte daher nur durch eine
nachvertragliche Pflicht des Vermieters, dem Mieter den Neuabschluss eines
Mietvertrages über dieselbe Wohnung anzubieten, Rechnung getragen werden.
Dass der Gesetzgeber einen solchen Kontrahierungszwang des Vermieters
gewollt hat, ist nicht ersichtlich und lässt sich insbesondere auch nicht
den Materialien des Mietrechtsreformgesetzes entnehmen.
ee) Soweit die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter auch bei
Abwägung mit den berechtigten Interessen des Vermieters eine unzumutbare
Härte darstellen würde, kann er trotz Vorliegens eines Kündigungsgrundes die
Fortsetzung des Mietverhältnisses nach den §§ 574 ff. BGB verlangen. Dabei
hat er die Härtegründe grundsätzlich spätestens zwei Monate vor der
Beendigung des Mietverhältnisses gegenüber dem Vermieter geltend zu machen
(§ 574 b Abs. 2 Satz 1 BGB); andernfalls endet das Mietverhältnis mit dem
Ablauf der Kündigungsfrist. Ein schutzwürdiges Interesse an der Fortsetzung
des Mietverhältnisses ist von da an nicht mehr anzuerkennen (ebenso
Münch-KommBGB/Häublein aaO Rdnr. 74)
d) Die Berücksichtigung eines nach dem Wirksamwerden der Kündigung
eingetretenen Wegfalls des Eigenbedarfs des Vermieters hätte schließlich
eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechte des Vermieters und
eine ungerechtfertigte Besserstellung des vertragsuntreuen gegenüber dem
vertragstreuen Mieter zur Folge.
Dürfte der Mieter damit rechnen, dass derartige nachträgliche Ereignisse
zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären, so könnte er dazu verleitet
werden, die Räumung der Wohnung mit allen Mitteln zu verzögern. Der
Vermieter wäre für einen unbestimmten Zeitraum an der Wahrnehmung seiner
Rechte gehindert; er müsste einen möglicherweise langwierigen
Räumungsprozess auch in den Fällen führen, in denen die Rechtsverteidigung
des Mieters keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Dadurch würde sich in
ungerechtfertigter Weise die Chance des Mieters erhöhen, infolge einer
anderweitigen, gerade durch die Verzögerung verursachten Disposition des
Vermieters oder durch sonstige Ereignisse einen Wegfall des Eigenbedarfs zu
erreichen (vgl. dazu von Stebut, NJW 1985, 289, 292). Zugleich würde das
berechtigte Interesse des Vermieters, auf die Rechtsfolgen einer wirksamen
Kündigung vertrauen und seine Planungen danach ausrichten zu können,
erheblich eingeschränkt; bei langwierigen Räumungsstreitigkeiten bliebe es
oft dem Zufall überlassen, ob der Vermieter seine Wohnung zurückerhält oder
ob nicht vorhersehbare nachträgliche Umstände sogar nach Jahren noch der
Kündigung ihre rechtliche Grundlage entziehen könnten. Das ist mit den
Grundsätzen der Rechtssicherheit und eines effektiven Rechtsschutzes, den
auch der Vermieter für sich in Anspruch nehmen kann, nicht zu vereinbaren.
Eben dies wäre aber die Folge, wenn nachträglich eingetretene Umstände noch
bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Räumungsverfahrens, bis zum Ablauf
einer nach § 721 ZPO bewilligten Räumungsfrist oder sogar bis zu einem noch
späteren Auszug des Mieters berücksichtigt werden müssten. Erst recht gilt
dies für Zulassung eines derartigen Einwandes in der Zwangsvollstreckung (§
767 ZPO).
e) Die Ansicht des Berufungsgerichts, angesichts der Häufigkeit der Fälle
vorgetäuschten Eigenbedarfs könne nicht davon ausgegangen werden, die
Rechtsverfolgung seitens des gekündigten Mieters erfolge regelmäßig zum
Zwecke der Verzögerung und in der Hoffnung, im Laufe des Verfahrens könnte
der Eigenbedarf entfallen oder im selben Haus eine andere Wohnung frei
werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Den Bedenken, die das
Landgericht auf die seiner Meinung nach häufige Vortäuschung von Eigenbedarf
gestützt hat, kann durch eine besonders sorgfältige Prüfung der
Ernsthaftigkeit des ursprünglich geltend gemachten Nutzungswunsches in
Fällen der vorliegenden Art begegnet werden (vgl. Senatsurteil vom 18. Mai
2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 = BGHReport 2005, 1161 unter II 3 b cc
für einen Fall des nicht verwirklichten Eigenbedarfs).
3. Nach alledem endete die Pflicht des Beklagten zur Mitteilung eines
etwaigen Wegfalls des Eigenbedarfsgrundes an die Klägerin mit dem Ablauf der
Kündigungsfrist. Zu diesem Zeitpunkt bestand der mit der Kündigung geltend
gemachte Wohnbedarf jedoch noch. Dass der Bedarf mit dem Tod der
Schwiegermutter des Beklagten nach dem rechtskräftigen Abschluss des
Räumungsprozesses, der in zwei Instanzen die Berechtigung der
Eigenbedarfskündigung erwiesen hatte, und kurz vor Ablauf der gerichtlich
bewilligten Räumungsfrist entfallen war, brauchte der Beklagte der Klägerin
nicht mehr mitzuteilen. Mangels einer entsprechenden Informationspflicht
scheiden auch eine Pflichtverletzung und ein hierauf gestützter
Schadensersatzanspruch der Klägerin schon dem Grunde nach aus.
III. Auf die Revision des Beklagten ist daher das Berufungsurteil
aufzuheben; da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache
zur Endentscheidung reif ist, ist die Klage abzuweisen (§§ 562, 563 Abs. 3
ZPO). |