Kein vertraglicher
Ausschluß der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB)
BGH, Urteil vom 17. Januar
2007 - VIII ZR 37/06
Fundstelle:
NJW 2007, 1058
Amtl. Leitsatz:
Ein im Voraus
vertraglich vereinbarter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung ist mit dem von § 123 BGB bezweckten Schutz der freien
Selbstbestimmung unvereinbar und deshalb unwirksam, wenn die Täuschung von
dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt wird, die nicht
Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist.
Zentrale Probleme:
Es geht um den Kauf von GmbH-Anteilen und die Anfechtung
eines solchen Vertrages nach § 123 BGB. Der Senat stellt klar, daß ein
vertraglicher Ausschluß des Anfechtungsrechts auch individualvertraglich
unwirksam ist. Auch aus den Einschränkungen der Anfechtung beim fehlerhaften
Gesellschaftsbeitritt (s. dazu etwa
BGH
NJW 2000, 3558 sowie
BGH NJW 1992, 1501) ergibt sich hier nichts
anderes, weil es ja nicht um den dinglichen Vertrag, dh den Anteilserwerb
als solchen, sondern um das schuldrechtliche Grundgeschäft geht. Soweit es
um die arglistige Täuschung über einen Sachmangel geht, ergibt sich die
Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses aus § 444 BGB.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Der Kläger war geschäftsführender Alleingesellschafter der DER R. GmbH (im
folgenden "R. ") und der D. GmbH (im folgenden "R. S."; zusammen "die
Gesellschaften").
2 Anfang des Jahres 2002 verhandelten der Kläger und die Ph. und M. GmbH (im
folgenden "Ph. ") über den Erwerb von Geschäftsanteilen an diesen
Gesellschaften durch eine noch zu gründende Holding Gesellschaft, die
spätere Beklagte. Ph. beauftragte die Streithelferin zu 2) mit der
Durchführung einer sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der
Gesellschaften sowie auf steuerliche Risiken beziehenden Sorgfaltsprüfung.
Diese erbat daraufhin vom Kläger und dem Steuerberater der Gesellschaften,
dem Zeugen S. , neben anderen Informationen mehrfach Auskunft über die
Ursache eines auffälligen Umsatzrückgangs bei der R. im Jahre 2001. Mit
Datum vom 28. Juni 2002 erstellte sie einen Prüfungsbericht und erarbeitete
für die Gesellschaften einen Bewertungsvorschlag, der unter 2.1 und 5.2 zu
der R. folgende Aussagen enthält:
"2.1 (…) Der zwischenzeitlich
gestiegene Materialeinsatz wird durch einen Vertrag mit der
Bundesknappschaft erklärt, der unterproportionale Roherträge generierte
und daher in 2001 gekündigt wurde.
Durch die Kündigung dieses Vertrages nahmen auch die Umsatzerlöse 2001
ab und werden auch in 2002 weiter rückläufig sein. Der Materialeinsatz
wird gleichzeitig wieder auf rund 44 % zurückgehen, so dass sich ein
Rohgewinn I von rund 56 % errechnen müsste.
(…)
Nach der Kündigung des Vertrages mit der Bundesknappschaft wurde einigen
Mitarbeitern gekündigt, (…)
5.2 Bei der Bewertung der R. GmbH kommt der Zukunftsplanung wesentliches
Gewicht zu, da die bisherigen Strukturen nach der Kündigung des Vertrags
mit der Bundesknappschaft nicht mehr aufrecht erhalten werden (…).
Insoweit wird der Bewertungsvorschlag vorrangig aus einer Planung auf
Basis eines Umsatzes von TDM 1.350, Personalkosten von TDM 421 (…) sowie
sonstiger Betriebskosten von TDM 190 abgeleitet. (…). Bei einem
Alternativzins von 12% errechnet sich ein Wert für das Gesamtunternehmen
von TDM 395, der unter dem Wert der Vergangenheitsanalyse liegt (…).
Besondere Synergien aus Sicht des Käufers ergeben sich aus der
Adresskartei der Gesellschaft, die für den Vertrieb anderer Produkte der
Ph. /Pha. -Gruppe interessant ist, so dass aus Erwerbersicht auch ein
höherer Kaufpreis vertretbar ist."
3 Die in dem Prüfbericht der
Streithelferin zu 2) enthaltenen Angaben zur Beendigung des Vertrages mit
der Bundesknappschaft waren unzutreffend, weil eine (fristlose) Kündigung
des Vertrages erst von Seiten der Bundesknappschaft mit Schreiben vom 23.
April 2002 wegen Lieferschwierigkeiten der R. ausgesprochen worden war.
4 Mit notariellem Kaufvertrag vom 27. September 2002 erwarb die Beklagte vom
Kläger je einen 75% Geschäftsanteil an der R. und an der R. S. Der Kaufpreis
belief sich auf 385.000,00 € und war in drei Teilbeträgen an den aus der
Geschäftsführung ausscheidenden Kläger zu zahlen. Der Kaufvertrag enthält
unter VI. folgende Regelung:
"In Bezug auf die übertragenen
Geschäftsanteile und die Gesellschaften gewährleistet der Verkäufer im
Rahmen eines selbständigen Garantieversprechens gegenüber P. [= Bekl.]
folgendes: (…)
15. Stellt sich heraus, dass eine der in den vorstehenden Bestimmungen
übernommenen Garantien unzutreffend ist, wird der Verkäufer die Käuferin
(….) so stellen, wie sie stünde, wenn die betreffende Gewährleistung
zutreffend wäre. Sollte die Herstellung des von dem Verkäufer
garantierten Zustandes nicht möglich sein oder nicht innerhalb
angemessener Frist, spätestens jedoch innerhalb eines Monats ab Zugang
eines Verlangens von P. , erfolgt sein, so kann P. statt dessen
Schadensersatz verlangen. Ausgeschlossen ist das Recht von P. ,
Rückgängigmachung des Kaufvertrags zu verlangen.
16. Alle Ansprüche von P. (…) nach Maßgabe dieser Ziffer VI. verjähren
am 31. März 2005, soweit der Verkäufer nicht vorsätzlich oder arglistig
gehandelt hat."
5 Am 22. Mai 2003 wurde das
Insolvenzverfahren über das Vermögen beider Gesellschaften eröffnet. Mit
Anwaltsschreiben vom 21. Juli 2003 erklärte die Beklagte die Anfechtung des
Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.
6 Mit seiner Klage verlangt der Kläger - soweit im Revisionsverfahren noch
von Bedeutung - Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 92.500 €.
Widerklagend begehrt die Beklagte Rückzahlung des von ihr für die
Gesellschaften entrichteten Kaufpreisteils von 292.500 € sowie
Schadensersatz in Höhe von 143.495,35 € für von ihr nach Erwerb der
Geschäftsanteile an die Gesellschaften gewährte Darlehen und Zuschüsse. Sie
behauptet, der Kläger habe sie über den wahren Grund der Beendigung des
Vertrages mit der Bundesknappschaft und über die Finanz- und Ertragslage der
Gesellschaften getäuscht.
7 Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung des restlichen Kaufpreises
stattgegeben und die Klage im Übrigen (bezüglich eines nicht in die
Revisionsinstanz gelangten Anspruchs) sowie die Widerklage abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers und die - als "Berufung der
Streithelferin zu 2) sowie Anschlussberufung der Beklagten" bezeichnete -
Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungs- und
Widerklagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I.
9 Das Berufungsgericht hat - soweit für
das Revisionsverfahren noch erheblich - ausgeführt:
10 Der notarielle Kaufvertrag vom 27. September 2002 über die
Geschäftsanteile der beiden Gesellschaften sei wirksam. Mögliche
Ersatzansprüche der Beklagten auf der Grundlage von Ziffer VI.15 des
Kaufvertrages ständen der Verpflichtung der Beklagten zur vollständigen
Entrichtung des Kaufpreises nicht entgegen, denn dabei handele es sich nicht
um unselbständige Verrechnungsposten, sondern um selbständige
Gegenansprüche, die die Beklagte schlüssig vortragen und zur Aufrechnung
hätte stellen müssen.
11 Die von der Beklagten erklärte Anfechtung führe nicht zur Unwirksamkeit
des Kaufvertrages. Die Parteien hätten in Ziffer VI. eine Rückabwicklung des
Kaufvertrages ausgeschlossen und damit auch die Möglichkeit der Anfechtung
abbedungen. Dass sich diese Regelung auch auf arglistiges Handeln beziehe,
ergebe sich aus der Verjährungsregelung in VI.16 des Vertrages. Der
vertragliche Ausschluss des Anfechtungsrechts sei auch nicht deshalb
unwirksam, weil der Kläger die behauptete Täuschung selbst verursacht habe.
Zwar sei die Anfechtung wegen einer durch den Geschäftspartner selbst
verübten Täuschung grundsätzlich unabdingbar, weil der Täuschende
anderenfalls einen Vorteil erlange, der dem gesetzlichen Leitbild der
vollständigen Rückabwicklung arglistig erlangter Rechtspositionen
widerspreche. Für den hier vorliegenden Sonderfall des Kaufs von
Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werde dieser
Grundsatz aber durch das Anmeldeprinzip des § 16 GmbHG und die
Rechtsgrundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft überlagert. Die sich daraus
ohnehin ergebende Beschränkung werde von der unter VI.15 des Vertrages
getroffenen Regelung angemessen aufgegriffen, indem sie den kompliziert
abzuwickelnden Rückgewähranspruch in einen Erfüllungsanspruch auf das
positive Interesse umwandle und so einen im wohlverstandenen Interesse
beider Parteien liegenden Ausgleich bestimme.
12 Die Widerklage sei deshalb auch insoweit unbegründet, als sie sich auf
Ersatz der für die Gesellschaften getätigten Aufwendungen richte. Insoweit
verlange die Beklagte einen ihr nicht zustehenden Ersatz des negativen
Interesses; eine im Einklang mit der Garantieregelung in Ziffer VI.15
stehende Schadensberechnung und Widerklagebegründung liege nicht vor.
II.
13 Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision
im entscheidenden Punkt nicht stand.
14 Nach dem revisionsrechtlich zu Grunde zu legenden Sachverhalt ist die
Beklagte durch eine arglistige Täuschung des Klägers zum Abschluss des
Kaufvertrages veranlasst worden. Die hierauf gestützte Anfechtung der
Beklagten mit Schreiben vom 21. Juli 2003 führt zum Wegfall des
Kaufvertrages (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB). Entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichtes steht die in Ziffer VI.15 des Kaufvertrages getroffene
Regelung der Anfechtung nicht entgegen.
15 1. a) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Anfechtung
wegen arglistiger Täuschung sei von der Regelung unter VI.15 des
Kaufvertrages nicht umfasst. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist als
tatrichterliche Würdigung in der Revisionsinstanz nur beschränkt
überprüfbar. Sie kann nur insoweit nachgeprüft werden, als gesetzliche oder
allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, allgemeine
Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGH,
Urteil vom 13. Dezember 1990 - IX ZR 33/90, WM 1991, 495 unter I 3 a; BGH,
Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3 a).
Derartige Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das vom Tatrichter gefundene
Ergebnis ist möglich und daher für die Revisionsinstanz bindend (vgl. BGH,
Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3 c).
16 b) Die Beklagte kann sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht
darauf berufen, dass Zweifel bei der Auslegung der vertraglichen Regelung zu
Lasten des Klägers gehen, § 305 c Abs. 2 BGB. Abgesehen davon, dass solche
Zweifel nach dem oben Ausgeführten bereits nicht aufgezeigt sind, hat das
Berufungsgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass es sich bei
den im Kaufvertrag vom 27. September 2002 enthaltenen Vereinbarungen um
Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die Darlegungs- und Beweislast
für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen trägt derjenige, der
sich - wie hier die Beklagte - auf die Schutzvorschriften der §§ 305 ff BGB
beruft (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, NJW 1992, 2160
unter III 2 a; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Juni 2002 - XI ZR 239/01,
NJW-RR 2002, 1344, unter III 2). Übergangenen Vortrag der Beklagten dazu
zeigt die Revision nicht auf.
17 2. Die vom Berufungsgericht demnach rechtsfehlerfrei als vertraglicher
Ausschluss des Anfechtungsrechts ausgelegte Regelung in Ziffer VI.15 des
Anteilskaufvertrages ist jedoch entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts unwirksam.
18 a) Ein vertraglicher Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung ist nach allgemeiner Auffassung unwirksam, wenn die Täuschung -
wie es nach der revisionsrechtlich zu unterstellenden Darstellung der
Beklagten hier der Fall ist - von dem Geschäftspartner selbst oder von einer
Person verübt worden ist, die nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB
ist (Staudinger/Singer/v. Finckenstein, BGB (2004), § 123 Rdnr. 87;
Münch-KommBGB/Kramer, 5. Aufl., § 123 Rdnr. 28; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl.,
§ 123 Rdnr. 44; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, 3.
Aufl., § 19; vgl. auch Lips/Stratz/Rudo in Beck’sches Mandatshandbuch
Unternehmenskauf, 2004, § 4 Rdnr. 154). Wird die Anfechtung für den Fall
der arglistigen Täuschung im Voraus ausgeschlossen, liefert sich der
Erklärende der Willkür des Vertragspartners aus und gibt seine - durch § 123
BGB geschützte (vgl. Mot. I, § 103) - freie Selbstbestimmung vollständig
auf. Dem Täuschenden wird ermöglicht, Vorteile aus seiner Täuschung zu
ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrages befürchten zu müssen. Dafür
verdient der arglistig Täuschende nicht den Schutz der Rechtsordnung. Es ist
ferner unerheblich, ob der Täuschende - wie hier - im Vertrag Garantien für
verschiedene Umstände, die für die rechtlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse des Kaufgegenstandes von Bedeutung sein können, übernimmt und
auf Herstellung des garantierten Zustandes haftet. Denn der getäuschte
Käufer wird jedenfalls auf das Erfüllungsinteresse verwiesen. Er müsste
darlegen, inwiefern sich seine wirtschaftliche Situation günstiger
dargestellt hätte, wenn die Umstände, über die er arglistig getäuscht worden
ist, tatsächlich vorgelegen hätten. Dies würde ihn vor kaum zu überwindende
Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten stellen, wie auch die hier behauptete
Täuschung über die Ursachen eines Umsatzrückgangs und den Grund der
Beendigung des Vertrags mit der Bundesknappschaft zeigt. Der Getäuschte
müsste ferner das Risiko der zufälligen Verschlechterung des
Kaufgegenstandes tragen. Die weitaus einfachere Möglichkeit der
Rückgängigmachung des Kaufvertrages bliebe ihm versperrt.
19 b) Für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen gilt entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts nichts anderes. Weder das Anmeldeprinzip des § 16
GmbHG noch die Rechtsgrundsätze der fehlerhaften Gesellschaft stehen der
Anfechtung und Rückabwicklung eines fehlerhaften Anteilserwerbs entgegen
(BGH, Urteil vom 22. Januar 1990 - II ZR 25/89, WM 1990, 505 unter 7 zur
einer durch Täuschung veranlassten Anteilsübertragung unter Aufgabe seiner
früheren Rspr.; Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 409/02, WM 2005, 282
unter II 2). Die Fehlerhaftigkeit des Anteilserwerbs und eine daran
anknüpfende Rückwirkungsfolge der Anfechtung ist zwar gemäß § 16 GmbHG auf
den Bestand der Gesellschaft und auf die Rechtsbeziehungen zwischen
Gesellschaft und Gesellschafter ohne Einfluss (BGH, Urteil vom 22. Januar
1990, aaO). Davon zu unterscheiden sind die Rechtsbeziehungen zwischen
dem Veräußerer und dem Erwerber des Gesellschaftsanteils; in diesem
Verhältnis greift die Rückwirkung der Anfechtung mit der Folge, dass die
Anteilsübertragung, jedenfalls aber das der Anteilsabtretung zugrunde
liegende Verpflichtungsgeschäft im Falle einer berechtigten Anfechtung von
Anfang an unwirksam ist (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004, aaO).
20 Es ist zwar richtig, dass im Verhältnis zur Gesellschaft eine
vollständige Rückabwicklung nicht möglich ist. Insoweit bestimmt § 16 Abs. 1
GmbHG, dass die Gesellschaft im eigenen Interesse, aber auch zum Schutz von
Veräußerer und Erwerber berechtigt und verpflichtet ist, unabhängig von der
wahren Rechtslage jeden, der sich einmal ihr gegenüber als Erwerber
ausgewiesen hat, so lange als solchen zu behandeln, bis eine Rechtsänderung
bei ihr angemeldet und nachgewiesen ist. Wer einen Geschäftsanteil
anfechtbar erworben hat, kann sich der Haftung für die zum Zeitpunkt der
Anmeldung rückständigen Leistungen auf den Geschäftsanteil nicht durch
nachträgliche Anfechtung entziehen. Er haftet ferner für die bis zum
Widerruf der Anmeldung bzw. zur Anmeldung des wirklichen Gesellschafters
fällig gewordenen Leistungen auf den Geschäftsanteil (BGHZ 84, 47, 49 f.;
BGH, Urteil vom 22. Januar 1990, aaO; Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 16
Rdnr. 22; Rowedder/Pentz, GmbHG, 4. Aufl., § 16 Rdnr. 41; a.A. für zum
Zeitpunkt des Widerrufs rückständige Leistungen Baumbach/Hueck/Fastrich,
GmbHG, 18. Aufl., § 16 Rdnr. 4, 12; Lut-ter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG 16.
Aufl., § 16 Rdnr. 19; Michalski/Ebbing, GmbHG, 2002, § 16 Rdnr. 61). Es
ist ferner richtig, dass die Rückabwicklung eines Anteilskaufs erhebliche
Probleme bereiten kann (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2006 - VIII ZR
172/05, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, WM 2006, 1829 unter II 2 a;
Ballerstedt in Festschrift für Schilling, 1973, S. 289 ff.; Günther in
Münchener Vertragshandbuch, Band 2 Wirtschaftsrecht I, 5. Aufl. 2004, III
Anm. Nr. 106; Lips/Stratz/Rudo, aaO, § 4 Rdnr. 174, 175); vergleichbare
Schwierigkeiten treten aber auch außerhalb des Gesellschaftsrechts auf, etwa
bei der Rückabwicklung einer Unternehmensveräußerung oder des Verkaufs einer
freiberuflichen Praxis. Diese Umstände rechtfertigen entgegen der Ansicht
des Berufungsgerichts keine Abweichung von den oben zum Ausschluss der
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung dargestellten Grundsätzen (BGH,
Urteil vom 22. Januar 1990, aaO; Günther, aaO, III 1, 2 Anm. Nr. 98 unter
(3)). Bei einer negativen Unternehmensentwicklung dürfte das Risiko der
inzwischen eingetretenen nachteiligen Veränderungen im Übrigen in erster
Linie den Verkäufer treffen (Günther, aaO, III, 1, 2 Anm. Nr. 106 am Ende;
vgl. auch Jedlitschka, Die Rückabwicklung der unwirksamen Übernahme einer
GmbH-Anteilsmehrheit, 2004, B II). Es muss daher der Entscheidung des
Getäuschten überlassen bleiben, ob er auch angesichts der tatsächlichen
Schwierigkeiten der Rückabwicklung und trotz der Rechtsfolgen des § 16 Abs.
1 GmbHG den Anteilserwerb anfechten oder auf die vertragliche Regelung, die
für ihn im Einzelfall ebenfalls mit erheblichen Darlegungs- und
Beweisproblemen verbunden sein kann, zurückgreifen möchte; für eine
Privilegierung des arglistig täuschenden Verkäufers besteht kein Anlass.
21 3. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ferner, dass der Beklagten
auch der mit der Widerklage verfolgte Schadensersatzanspruch wegen der für
die Gesellschaft getätigten Aufwendungen nicht mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung versagt werden kann.
III.
22 Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der
Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht
keine Feststellungen zum Vorliegen einer arglistigen Täuschung getroffen
hat. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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