Vertragliche
Haftungsbegrenzung mit Schutzwirkung für Dritte; Eigenhaftung des
Erfüllungsgehilfen: mehrere Schädiger als Haftungseinheiten,
Haftungsfreistellung bei Haftungseinheiten
BGH, Urteil vom 17.
Dezember 2009 - VII ZR 172/08
Fundstelle:
NJW 2010, 1592
Amtl. Leitsatz:
Der vom Auftraggeber mit dem von ihm
beauftragten Tiefbauunternehmer vereinbarte Haftungsausschluss für
Beschädigungen von Fremdleitungen kann sich auf den mit der Einweisung des
Tiefbauunternehmers beauftragten Bauleiter erstrecken.
Zentrale Probleme:
Es geht um die (Auslegungs)Frage, ob ein vertraglich
vereinbarter Haftungsausschluß auch zugunsten eines Erfüllungsgehilfen im
Rahmen von dessen Eigenhaftung wirkt. S. dazu insbesondere den berühmten
"Wachmann-Fall"
BGH
JZ 1962, 570.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt vom Beklagten aus nach § 67 VVG a.F.
übergegangenem Recht Gesamtschuldnerausgleich für eine
Schadensersatzzahlung, die sie als Versicherer der K. GmbH (im Folgenden:
Versicherungsnehmerin) an die M. AG geleistet hat.
2 Die mit der Verlegung zweier Trassen für Lichtwellenleiter im Osthafen von
F. beauftragte D. GmbH hatte dem Beklagten die Bauleitung für die Verlegung
eines Leerrohres im sogenannten Spülrohrverfahren übertragen. Im März 2000
erteilte sie der Versicherungsnehmerin den Auftrag zur Durchführung der
Horizontalspülbohrung. Nach dem Angebot der Versicherungsnehmerin vom 29.
März 2000 sollten vorhandene Fremdanlagen wie Gas-, Strom- und
Fernmeldeeinrichtungen bauseits freigelegt und der Versicherungsnehmerin
angezeigt werden; für etwaige Schäden an Fremdanlagen sollte die D. GmbH
haften. In der schriftlichen Auftragserteilung der D. GmbH vom 29. März 2000
heißt es dagegen:
"... auf der Grundlage Ihres
Angebotes vom 29. März 2000 beauftragen wir Sie mit den im Angebot
beschriebenen und vor Ort von Ihrem Herrn K. und unserem Herrn St.
besprochenen Arbeiten.
Abweichend vom Angebotstext gilt folgendes:
• ...
• Vorhandene Fremdanlagen werden nicht bauseits freigelegt. Es werden
die Bestandspläne der anderen Versorgungsträger übergeben und vor Ort
erfolgt eine Einweisung durch die Bauleitung.
• Der Auftraggeber haftet nicht für die Beschädigung von Fremdleitungen.
...
Bitte wenden Sie sich bei Rückfragen zum Auftrag und zur Durchführung an
das Planungsbüro St., Herrn St..."
3 Bei den von der Versicherungsnehmerin
durchgeführten Tiefbauarbeiten wurde eine aktive Gasleitung der M. AG
beschädigt. Anschließend kam es zu einer Verpuffung, bei der Sachschaden und
nach dem Vortrag der Klägerin auch Personenschaden entstand.
4 Die M. AG nahm die D. GmbH, die Versicherungsnehmerin und den Beklagten
als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch. Die D. GmbH und die
Versicherungsnehmerin wurden vom Landgericht rechtskräftig als
Gesamtschuldner zur Zahlung von 75.043,63 € nebst Zinsen verurteilt; ihre
zunächst eingelegte Berufung nahmen sie zurück. Die Klägerin zahlte den
Verurteilungsbetrag an die M. AG. Daraufhin nahm diese die Klage gegen den
Beklagten zurück. Dessen Verfahren war noch in erster Instanz beim
Landgericht anhängig; die Versicherungsnehmerin hatte ihm vor
Berufungsrücknahme den Streit verkündet.
5 Die Klägerin nahm im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs zunächst die D.
GmbH in Anspruch. Ihre Klage wurde unter Hinweis auf die zwischen der D.
GmbH und der Versicherungsnehmerin vereinbarte Haftungsfreizeichnung
rechtskräftig abgewiesen.
6 Die Klägerin hat einen Betrag von 86.370,90 € nebst Zinsen eingeklagt und
die Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht des Beklagten begehrt. Das
Landgericht hat ihr ein Drittel, nämlich 28.790,30 €, nebst Zinsen
zugesprochen und die weitere Ersatzpflicht auf ein Drittel beschränkt. Auf
die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin, die eine hälftige Haftungsverteilung hat
erreichen wollen, hat es zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, die ihre
zweitinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision ist nicht begründet.
I.
8 Das Berufungsgericht führt aus, unabhängig von einer etwaigen Haftung des
Beklagten gegenüber der M. AG im Außenverhältnis hafte im Innenverhältnis
zwischen ihm und der Versicherungsnehmerin allein diese für den Schaden. Der
zugunsten der D. GmbH vereinbarte Haftungsausschluss entfalte auch Wirkung
zugunsten des Beklagten, der als Erfüllungsgehilfe für die D. GmbH gegenüber
der Versicherungsnehmerin tätig geworden sei. In dem Verfahren der Klägerin
gegen die D. GmbH sei rechtskräftig festgestellt worden, dass diese seitens
der Versicherungsnehmerin wirksam von der Haftung für Schäden an den
Versorgungsleitungen freigestellt worden sei. Der Beklagte habe die
vertraglichen Verpflichtungen der D. GmbH gegenüber der
Versicherungsnehmerin übernommen, die in der schriftlichen Auftragserteilung
vom 29. März 2000 festgeschrieben worden seien. Zwar sei eine Erstreckung
der vertraglichen Haftungsmilderung von der Rechtsprechung bisher nur für
den Arbeitnehmer, unter Umständen auch für den wirtschaftlich abhängigen
Subunternehmer angenommen worden. Eine solche Konstellation sei hier nicht
gegeben. Es erscheine aber verfehlt, eine Erstreckung der
Haftungsfreizeichnung allein auf diesen engen Anwendungsbereich zu
beschränken. Vielmehr sei es angemessen, eine Haftungsfreizeichnung
jedenfalls dann dem Erfüllungsgehilfen zugute kommen zu lassen, wenn der
Vertragszweck oder die Interessenlage der Beteiligten dies als naheliegend
erscheinen ließen. Das gelte beispielsweise in den Fällen, in denen der
Erfüllungsgehilfe eine besondere Nähe zum Vertrag des Dritten mit dem
Auftraggeber aufweise und seine Einschaltung in die Vertragsabwicklung
typisch und für den Vertragspartner auch erkennbar sei. Diese
Voraussetzungen lägen hier vor. Die Einschaltung des Beklagten als
Erfüllungsgehilfe sei ausdrücklich vertraglich festgelegt worden. Sein
besonderes Näheverhältnis zu der D. GmbH und zu dem gesamten Vertragsinhalt
habe auch in der Formulierung des Vertragstextes seinen Niederschlag
gefunden. Eine besondere wirtschaftliche Abhängigkeit sei nicht zwingend
erforderlich. Entscheidend sei, dass die Versicherungsnehmerin selbst
vereinbart habe, dass sich die D. GmbH zur Erfüllung ihrer Aufgaben eines
Erfüllungsgehilfen bediene und für etwaige Schäden in diesem übertragenen
Aufgabenbereich eine Haftungsfreistellung erfolge. Aus Sicht der
Versicherungsnehmerin könne es keinen Unterschied machen, ob ein
Arbeitnehmer oder ein beauftragter Subunternehmer mit der Ausführung der
Arbeiten betraut sei. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass die
Versicherungsnehmerin die Haftungsfreizeichnung allein und ausschließlich
auf die D. GmbH bezogen hätte und von einer fortwährenden Haftung des
Beklagten ausgegangen sei. Die Klägerin habe vielmehr selbst vorgetragen,
dass sie die D. GmbH und den Beklagten als "Haftungseinheit" ansehe. Es sei
dann nur konsequent, diese Bewertung auch mit Blick auf den vertraglich
vereinbarten Haftungsausschluss zu übernehmen. Der Berufung des Beklagten
auf die Haftungsfreizeichnung stehe auch nicht der Grundsatz von Treu und
Glauben entgegen. Insbesondere habe der Beklagte mit den von ihm entfalteten
Tätigkeiten nicht den Bereich der vertraglich übernommenen Aufgaben
überschritten. Eine "Einweisung vor Ort" beschränke sich nicht zwingend auf
die Erteilung bloßer mündlicher Informationen, sondern umfasse auch die von
dem Beklagten ausgeübten Tätigkeiten wie Streckenbegehung und Kennzeichnung
bestimmter Stellen vor Ort. Die Tätigkeit des Beklagten habe auch kein
schützenswertes Vertrauen der Versicherungsnehmerin entstehen lassen, denn
diese sei als Fachunternehmen selbst für die Erkundung der
Versorgungsleitungen verantwortlich gewesen.
II.
9 Das hält den Angriffen der Revision stand.
10 1. Im Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass der M. AG gemäß §§
823, 847 a.F. BGB ein Schadensersatzanspruch zustand, der gegen die
Versicherungsnehmerin, die D. GmbH und den Beklagten als Gesamtschuldner
gerichtet war. Da die Klägerin für die Versicherungsnehmerin den Schaden
ersetzt hat, kann sie grundsätzlich gemäß § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 67 VVG
a.F. von dem Beklagten Gesamtschuldnerausgleich verlangen. Entsprechendes
gilt für den Feststellungsantrag.
11 2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dieser Ausgleichsanspruch
entfalle wegen einer zwischen der Versicherungsnehmerin und der D. GmbH
vereinbarten Haftungsfreizeichnung, die auch zugunsten des Beklagten wirke,
ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
12 a) Dass eine Haftungsfreizeichnung zwischen der Versicherungsnehmerin und
der D. GmbH vereinbart wurde, hat das Berufungsgericht für das
Revisionsgericht bindend festgestellt. Zwar ist sein Hinweis darauf, dass
dies im Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der D. GmbH rechtskräftig
festgestellt worden sei, zumindest missverständlich. Die Revision weist
zutreffend darauf hin, dass die Rechtskraft jenes Urteils keine
Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren entfaltet. Das
Berufungsgericht stellt jedoch im Tatbestand seines Urteils als unstreitig
fest, dass die D. GmbH der Versicherungsnehmerin den Auftrag zwar auf der
Grundlage des Angebots der Versicherungsnehmerin, aber mit dem Inhalt des
Auftragsschreibens der D. GmbH vom 29. März 2000 erteilt hat. Diese
Feststellung ist für den Senat bindend, § 559 Abs. 2 ZPO.
13 Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass mit diesem Vertragsinhalt die
D. GmbH im Innenverhältnis zu der Versicherungsnehmerin von ihrer Haftung
freigestellt ist.
14 b) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht diese Vereinbarung
dahingehend ausgelegt, dass die Haftungsfreizeichnung auch zugunsten des
Beklagten als Erfüllungsgehilfen der D. GmbH wirkt.
15 aa) Das Berufungsgericht orientiert sich im Ausgangspunkt an den
Auslegungsgrundsätzen, die die Rechtsprechung für die Erstreckung einer
vertraglichen Haftungsbeschränkung auf Spediteure, Frachtführer und
Arbeitnehmer des von der Haftungsbeschränkung begünstigten Auftragnehmers
entwickelt hat. Eine derartige Erstreckung der Haftungsbeschränkung setzt
voraus, dass der Dritte eine besondere Nähe zum Vertrag aufweist und dass es
Vertragszweck und Interessenlage gerechtfertigt erscheinen lassen, die
Haftungsbeschränkung auch ihm zugute kommen zu lassen. Die Einschaltung des
Dritten in die Vertragsabwicklung muss typisch und für den Vertragspartner
erkennbar sein (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1995 - I ZR 123/93, BGHZ
130, 223, 228 m.w.N.).
16 Es erscheint nicht fernliegend, diese Grundsätze auch für die
Auslegung von Verträgen heranzuziehen, in denen die Haftungsbeschränkung
nicht die Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers, sondern solche Dritte
begünstigen kann, die der Auftraggeber zur Erfüllung von Obliegenheiten oder
Verpflichtungen heranzieht, die er dem Auftragnehmer gegenüber übernommen
hat. Denn auch in diesem Fall wird der Dritte im Pflichtenkreis des von der
Freizeichnung Begünstigten tätig. Nur deshalb ist es zu der
Pflichtverletzung gekommen, die ihm vorgeworfen wird. Es erscheint
jedenfalls unter den genannten Voraussetzungen nicht ausgeschlossen, einen
solchen Dritten ebenso beschränkt haften zu lassen wie den Vertragsschuldner
selbst (vgl. Staudinger/Jagmann [2009], § 328 Rdn. 117). Hat dieser
im Innenverhältnis eine Haftung ausgeschlossen, so ist die Folge einer
solchen Erstreckung der Haftungsbeschränkung, dass auch der Dritte dem
anderen Vertragspartner nicht im Innenverhältnis haftet. Dass damit der
Innenausgleich unter Nachunternehmern ausgeschlossen werden kann, die ein
Hauptunternehmer einsetzt, ist die Folge der Haftungsbeschränkung und nicht,
wie die Revision meint, ein Grund, diese nicht annehmen zu können. Die
Interessen des Vertragspartners werden durch eine derartige Erstreckung der
Haftungsbeschränkung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Wäre der Begünstigte
selbst im übernommenen Pflichtenkreis tätig geworden und hätte er keinen
Erfüllungsgehilfen eingeschaltet, würde die Haftungsbeschränkung ohne
weiteres zu seinen Gunsten eingreifen. Der Vertragspartner könnte also
keinen Innenausgleich verlangen. Ihm die Möglichkeit des Innenausgleichs
über den Erfüllungsgehilfen zu eröffnen, erscheint bei Abwägung der
jeweiligen Interessen nicht gerechtfertigt.
17 bb) Der Senat muss diese Frage nicht abschließend klären. Denn die von
dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen bereits nach
allgemeinen Auslegungsgrundsätzen eine Auslegung des Vertrages dahingehend,
dass sich die Haftungsfreizeichnung auf den Beklagten erstreckt. Diese
Beurteilung kann der Senat selbst vornehmen, weil weitere Feststellungen
insoweit nicht zu erwarten sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1975 -
VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, 112). Auszugehen ist von dem Wortlaut der
schriftlichen Auftragserteilung vom 29. März 2000 und dem dieser zu
entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen (vgl. BGH, Urteil vom 10.
Dezember 1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 16). Darüber hinaus sind die
Umstände zu berücksichtigen, die der Versicherungsnehmerin als
Erklärungsempfängerin bei Vertragsschluss bekannt oder erkennbar waren
(vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05, MDR 2007, 135).
18 (1) Durch die vertragliche Abrede wurde der Versicherungsnehmerin das
Risiko der Beschädigung einer Fremdleitung in vollem Umfang zugewiesen. Sie
sollte im Schadensfall allein und umfassend haften. Die D. GmbH dagegen
sollte insoweit von jeder Haftung freigestellt sein. Der Beklagte wurde für
die D. GmbH in diesem Aufgabenbereich tätig. Seine Einschaltung in die
Vertragspflichten der D. GmbH war für die Versicherungsnehmerin nicht nur
erkennbar, sie war vielmehr ausdrücklich vereinbart worden. Aus Sicht der
Versicherungsnehmerin machte es keinen Unterschied, ob für die D. GmbH ein
Arbeiter oder Angestellter oder der Beklagte als beauftragter
Nachunternehmer tätig war. Er war Teil der Auftraggeberseite, die das Risiko
der Beschädigung einer Fremdleitung nicht tragen sollte. Daraus folgt, dass
der Beklagte von der Haftungsfreizeichnung erfasst werden sollte. Dem steht
entgegen der Ansicht der Revision nicht entgegen, dass in dem Vertragstext
nur von dem "Auftraggeber" und nicht auch vom Beklagten die Rede ist.
Entscheidend ist die Verlagerung des Schadensrisikos von der
Auftraggeberseite, zu der nach dem Vertrag auch der Beklagte gehörte, auf
die Versicherungsnehmerin. Die Revision zeigt nicht auf, dass die
Versicherungsnehmerin die Haftungsfreizeichnung allein und ausschließlich
auf die D. GmbH bezogen hat und von einer fortwährenden Haftung des
Beklagten ausgegangen ist.
19 (2) Diese Risikoverteilung entspricht dem Grundsatz der
interessengerechten Auslegung. Tiefbauunternehmern obliegt eine besondere
Sorgfaltspflicht. Die Versicherungsnehmerin war als Fachunternehmen
grundsätzlich selbst für die Erkundung der Versorgungsleitungen
verantwortlich.
20 Tiefbauunternehmer haben bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen mit dem
Vorhandensein unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu rechnen,
äußerste Vorsicht walten zu lassen und müssen sich der unverhältnismäßig
großen Gefahren bewusst sein, die durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-,
Wasser- oder Telefonleitungen hervorgerufen werden können (BGH, Urteil vom
20. April 1971 - VI ZR 232/69, MDR 1971, 740). Leben und Gesundheit von
Menschen sind bei unsachgemäßer Ausführung derartiger Arbeiten gefährdet,
insbesondere bei Berührung eines Starkstromkabels oder durch die Folgen
ausströmenden Gases. Deshalb sind an die im Bereich von Versorgungsleitungen
tätigen Tiefbauunternehmer hohe Anforderungen an die Erkundigungs- und
Sicherungspflichten bezüglich der verlegten Versorgungsleitungen zu stellen;
der Tiefbauunternehmer muss sich im Rahmen der allgemeinen technischen
Erfahrung die Kenntnisse verschaffen, welche die sichere Bewältigung der
auszuführenden Arbeiten voraussetzt (BGH, Urteil vom 20. April 1971 - VI ZR
232/69, aaO). Der Tiefbauunternehmer ist insbesondere verpflichtet, sich den
erforderlichen Grad von Gewissheit über den Verlauf der Gasleitungen, wie
auch sonstiger Versorgungsleitungen zu verschaffen und zwar dort, wo die
entsprechenden zuverlässigen Unterlagen vorhanden sind (BGH, Urteil vom 20.
April 1971 - VI ZR 232/69, aaO).
21 Diese Sorgfaltspflichten der Versicherungsnehmerin sind nicht dadurch
entfallen, dass der Beklagte tätig wurde, denn sie durfte sich gerade nicht
ohne weiteres auf dessen Angaben verlassen. Die Versicherungsnehmerin hatte
sich vielmehr selbst davon zu überzeugen, dass sich der Beklagte jedenfalls
von Lage und Verlauf der Versorgungsleitungen an Hand zuverlässiger
Unterlagen unter besonderer Berücksichtigung des verwendeten Verfahrens
Kenntnis verschafft hatte (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1982 - VI ZR
129/81, ZfBR 1983, 124). Schließlich diente die zwischen der D. GmbH und der
Versicherungsnehmerin vereinbarte Haftungsfreistellung gerade dazu, eine
mögliche Haftung der D. GmbH bei der Beschädigung von Fremdleitungen,
verursacht durch Fehler bei der Planübergabe und/oder Einweisung, im
Innenverhältnis auszuschließen.
22 (3) Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass unter dem
Gesichtspunkt einer zwischen der D. GmbH und dem Beklagten bestehenden
Haftungseinheit die Haftungsfreizeichnung Wirkung zugunsten des Beklagten
entfaltet.
23 Mehrere Gesamtschuldner können aus rechtlichen Gründen eine
Haftungseinheit in dem Sinn bilden, dass auf sie nur eine gemeinsame Quote
entfällt, sie also für den Gesamtschuldnerausgleich so behandelt werden, als
wären sie eine Person (Palandt/Grüneberg, 68. Aufl., § 426 Rdn. 15).
Eine Haftungseinheit wird angenommen, wenn eine isolierte Betrachtung der
Beiträge von Schädigern nicht angemessen erscheint, was regelmäßig dann der
Fall ist, wenn sich einzelne Verursachungsbeiträge zwangsläufig gemeinsam
auswirken. Nach herrschender Meinung ist eine Gruppenbildung, also die
einheitliche Betrachtung der parallel wirkenden Verursachungsbeiträge,
geboten, um sachlich nicht gerechtfertigte Verschiebungen der Haftungsquote
zu vermeiden (MünchKommBGB/Bydlinski, 5. Aufl., § 426 Rdn. 32). Ein
Hauptfall der Haftungseinheit aus rechtlichem Grund ist die Situation des
Schuldners und seines Erfüllungsgehilfen (vgl. BGH, Urteil vom 24. April
1952 - III ZR 78/51 und III ZR 79/51, BGHZ 6, 3, 27; Urteil vom 7. Juli 1970
- VI ZR 223/68, DB 1970, 1682,1683).
24 Diese zunächst auf das Außenverhältnis zwischen mehreren Schädigern und
dem Geschädigten gerichtete Betrachtung entfaltet auch Wirkung für das
Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern. So wirken sich Umstände, die
bei dem die Haftungseinheit prägenden Mitglied bestehen, auch für oder gegen
die anderen Mitglieder der Haftungseinheit aus. Demgemäß wirkt sich die
Haftungsfreistellung eines Mitgliedes der Haftungseinheit zugunsten der
anderen Mitglieder aus (Soergel/Wolf, 12. Aufl., § 426 Rdn. 32;
Staudinger/Noack [2005], § 426 Rdn. 91).
25 Die Klägerin hat selbst im Rahmen der Klagebegründung vorgetragen, dass
zwischen dem Beklagten und der D. GmbH eine "Haftungseinheit" bestehe und
der Beklagte und die D. GmbH für den internen Ausgleich so zu behandeln
seien, als wären sie eine Person. Treten aber die D. GmbH und der Beklagte
der Versicherungsnehmerin gegenüber als Haftungseinheit auf, nimmt der
Beklagte an der bezogen auf die D. GmbH zu bildenden Haftungsquote teil. Ist
deren Haftung ausgeschlossen, so ist konsequenterweise auch die Haftung des
Beklagten insoweit ausgeschlossen.
26 (4) Die Revision meint, nach dem Urteil des Senats vom 9. März 1972 (VII
ZR 178/70, BGHZ 58, 216, 219) sei die Erstreckung eines Haftungsausschlusses
auf Dritte grundsätzlich nicht anzunehmen. Sie verkennt, dass dieses Urteil
einen sogenannten gestörten Gesamtschuldnerausgleich zum Gegenstand hatte.
Der Gläubiger (Bauherr) hatte mit dem einen, ihm zum Schadensersatz
verpflichteten Gesamtschuldner (Bauunternehmer) eine Haftungsbeschränkung
vereinbart. Es war die Frage zu klären, inwieweit dies den
Ausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen anderen Gesamtschuldners
(Architekt) beeinflusst. Hier dagegen ist der Haftungsausschluss nicht
zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner, sondern zwischen zwei
Gesamtschuldnern vereinbart worden. Die Grundsätze des Urteils, das im
Übrigen die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses durchaus für möglich
hält, sind daher hier nicht heranzuziehen.
27 cc) Die Revision ist der Auffassung, die Freizeichnung erfasse bei der
gebotenen engen Auslegung nur diejenigen Arbeiten, für die der Beklagte nach
dem Inhalt des Vertrages eingeschaltet gewesen sei. Er habe nach dem Vortrag
der Klägerin diesen Bereich verlassen, denn danach habe er Zielgruben
ausheben und das vermeintlich aktive Gasrohr freilegen lassen. Das
übersteige bei weitem die vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Tätigkeiten
wie Streckenbegehung und Kennzeichnung bestimmter Stellen vor Ort, die das
Berufungsgericht noch zu der vertraglich geschuldeten "Einweisung vor Ort"
zähle.
28 Auch damit dringt die Revision nicht durch. Es ist nicht ersichtlich,
dass durch die Freilegung des vermeintlich aktiven Gasrohres die Gefahr der
Beschädigung des tatsächlich aktiven Rohres erhöht worden wäre.
Entsprechenden Vortrag der Klägerin zeigt die Revision nicht auf. Nach den
vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des
Landgerichts kam es zu dem Unfall, weil der Beklagte ein altes stillgelegtes
Gasrohr - das nach dem Vortrag der Klägerin freigelegte - mit dem aktiven
Gasrohr verwechselte und letzteres daher übersah. Ob er die Lage des alten
Rohres durch Ausheben von Zielgruben und Freilegen oder durch Markieren auf
der Straße bestimmte, spielt für die Beschädigung des aktiven, von ihm
übersehenen Rohres keine Rolle. Schadensursächlich war die Verwechslung,
nicht die Freilegung.
III.
29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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