Nachträgliche
Tilgungsbestimmung analog § 366 I BGB bei nachträglich offengelegter Teil-Vorausabtretung
(verlängerter Eigentumsvorbehalt); analoge Anwendung von § 121 I BGB
BGH, Urteil vom 24. Januar
2008 - VII ZR 17/07
Fundstelle:
NJW 2008, 985
Amtl. Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen
der nachträglichen Tilgungsbestimmung bei mehreren Gläubigern (im Anschluss
an BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - VII ZR 261/04,
BGHZ 167, 337).
Zentrale Probleme:
Es geht um die Fortsetzung des Falles, der auch
BGHZ
167, 337 zugrundelag, s. daher die dortige Anmerkung. Der
Senat beschäftigt sich hier mit der Frage der Unverzüglichkeit der
Tilgungsbestimmung sowie mit der Frage, ob zum Zeitpunkt der Zahlung der
Beklagten bereits ein Abtretung vorlag. War dies nicht der Fall, bestand
z.Zt. der Zahlung eine einheitliche Forderung, so daß eine nachträgliche
Tilgungsbestimmung gar nicht in Betracht kommt. Die Forderung wäre dann
gegen den Zedenten teilweise erloschen und die Klägerin hätte die
fortbestehende Restforderung im Wege der Abtretung erworben.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht im Revisionsverfahren aus abgetretenem Recht
Restwerklohnansprüche der A. GmbH gegen die Beklagte bis zum Betrag von noch
184.000 € geltend.
2 Die Klägerin lieferte der inzwischen insolvent gewordenen A. GmbH aufgrund
eines im Jahr 1993 geschlossenen Warenkreditvertrags unter
Eigentumsvorbehalt Material für Heizungs- und Sanitäranlagen. Die von der A.
GmbH akzeptierten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin
(künftig: AVL) enthalten unter "VII. Eigentumsvorbehalt" u.a. eine Regelung
über einen verlängerten Eigentumsvorbehalt mit einer Vorausabtretung der
Werklohnforderung, sofern der Käufer das von der Verkäuferin gelieferte
Material aufgrund eines Werkvertrages mit einem Dritten verwendet.
3 Die Beklagte beauftragte die A. GmbH zwischen Februar 1994 und März 1996
mit der Ausführung der Gewerke Sanitär und Heizung für die Bauvorhaben K.
und K.-N. in P. Die Klägerin zeigte der Beklagten die Abtretung mit
Schreiben vom 23. August 1996 an. Die Beklagte bestimmte am 27. Mai 2002
nachträglich, dass ihre an die A. GmbH geleisteten Abschlagszahlungen
vorrangig auf die an die Klägerin abgetretenen Teile der Werklohnforderungen
der A. GmbH aus den näher bezeichneten Bauverträgen anzurechnen seien.
4 Die Klägerin hat zunächst behauptet, sie habe gegen die A. GmbH noch
Forderungen aus Lieferungen für die Bauvorhaben K.-N. in Höhe von 565.161,12
DM und K. in Höhe von 962.330,29 DM. Sie ist der Ansicht gewesen, dass ihr
unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen aus den Bauaufträgen
für die Blöcke 10/11, 13/15, 33 und 35/52 (Bauvorhaben K.) sowie für die
Blöcke 8 und 14 (Bauvorhaben K.-N.) Werklohnansprüche gegen die Beklagte
wirksam abgetreten worden seien, die die Höhe ihrer gegen die A. GmbH
gerichteten Forderungen überstiegen.
5 Das Landgericht hat angenommen, dass der Klägerin Werklohnforderungen der
A. GmbH für das Bauvorhaben K.-N. in Höhe von 367.771,35 DM und für das
Bauvorhaben K. in Höhe von 613.755,29 DM wirksam abgetreten worden seien. Es
hat die Klage jedoch im Hinblick auf die nachträgliche Tilgungsbestimmung
der Beklagten und deren Abschlagszahlungen an die A. GmbH in den Jahren 1994
bis 1996 abgewiesen.
6 Die Berufung der Klägerin, mit der diese bis zur Höhe eines Betrages von
184.000 € jeweils einen erststelligen Teilbetrag der an sie abgetretenen
Werklohnforderungen aus den Bauaufträgen entsprechend der erstinstanzlich
bestimmten Reihenfolge geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben.
7 Mit Urteil vom 11. Mai 2006 (VII ZR 261/04, BGHZ
167, 337) hat der Senat auf die Revision der Klägerin das
Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat die
Berechtigung des Schuldners anerkannt, nach Offenlegung einer aufgrund eines
verlängerten Eigentumsvorbehalts erfolgten Teilabtretung der gegen ihn
gerichteten Forderung an den Vorbehaltslieferanten in entsprechender
Anwendung des § 366 Abs. 1 BGB nachträglich zu bestimmen, dass seine an den
bisherigen Gläubiger erbrachten Abschlagszahlungen vorrangig auf die dem
Vorbehaltslieferanten zustehende Teilforderung anzurechnen seien. Allerdings
müsse der Schuldner entsprechend dem § 121 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden
Rechtsgedanken die Leistungsbestimmung unverzüglich vornehmen, nachdem er
von der Teilabtretung Kenntnis erhalten habe. Hierzu hatte das
Berufungsgericht keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen.
8 Das Berufungsgericht hat nunmehr die Berufung der Klägerin erneut
zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin ihr Klagebegehren im gleichen Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
9 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
10 Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Artikel 229 § 5 Satz 1
EGBGB).
I.
11 Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die im Schriftsatz vom 27. Mai
2002 erklärte nachträgliche Tilgungsbestimmung der Beklagten sei
unverzüglich vorgenommen worden, nachdem sie von der Teilabtretung Kenntnis
erlangt habe. Es stellt dabei nicht auf den Zugang der Abtretungsanzeige vom
23. August 1996 oder der Klagebegründung vom 28. Dezember 2001 nebst Anlagen
ab, sondern auf die erstinstanzliche mündliche Verhandlung vor dem
Landgericht am 21. März 2002 und billigt der Beklagten eine Überlegungszeit
zur Prüfung der an diesem Tag übergebenen umfangreichen Unterlagen in sieben
Aktenordnern von zwei Monaten zu.
12 Durch die wirksam ausgeübte nachträgliche Tilgungsbestimmung sei die an
die Klägerin abgetretene Werklohnforderung in voller Höhe durch die sie
übersteigenden Abschlagszahlungen der Beklagten an die A. GmbH erloschen.
II.
13 Dies hält der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand.
14 1. Nach § 366 Abs. 1 BGB wird, wenn der Schuldner dem Gläubiger aus
mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist
und das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht,
diejenige Schuld getilgt, die der Schuldner bei der Leistung bestimmt.
Dem Schuldner steht ein Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 366 Abs. 1 BGB
darüber hinaus für den Fall zu, dass eine einheitliche Forderung zwischen
mehreren Gläubigern aufgeteilt ist (BGH, Urteile vom 7. Mai 1991 - XII
ZR 44/90, NJW 1991, 2629, 2630 und vom 27. Februar 1967 - VII ZR 221/64,
BGHZ 47, 168, 171 m.w.N.). Wenn der Schuldner bei der Leistung infolge
einer ihm nicht offengelegten Teilabtretung von dem Bestehen eines
Tilgungsbestimmungsrechts nach § 366 Abs. 1 BGB keine Kenntnis hat und es
folglich auch nicht ausüben kann, ist es ihm gestattet, dieses Recht zur
Tilgungsbestimmung unverzüglich nachträglich wahrzunehmen (BGH,
Urteil vom 11. Mai 2006 - VII ZR 261/04, BGHZ 167, 337, 342).
15 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die tatrichterliche
Würdigung, die nachträgliche Tilgungsbestimmung durch die Beklagte am 27.
Mai 2002 sei unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB erfolgt.
16 a) Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Kenntniserlangung von der
Aufspaltung der Werklohnforderung auf mehrere Teilgläubiger sind aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auf die Offenlegung der Abtretung im
Schreiben der Klägerin vom 23. August 1996 kann nicht abgestellt werden,
weil sich aus dessen Wortlaut eine Teilabtretung bis zur Höhe der
Werklieferungen nicht ergab, sondern die Klägerin vielmehr die gesamte
Werklohnforderung der A. GmbH für sich reklamierte. Aus revisionsrechtlicher
Sicht nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts,
dass sich aus der Zustellung der Klageschrift mit den maßgeblichen
Vertragsbedingungen als Anlage diese Kenntnis ebenfalls noch nicht mit
hinreichender Sicherheit ergab. Einerseits hatte die Klägerin auch in der
Klageschrift noch sämtliche Werklohnforderungen der A. GmbH gegen die
Beklagte für sich beansprucht. Andererseits war den mit der Klageschrift
übergebenen Unterlagen weder zu entnehmen, inwieweit tatsächlich von der
Klägerin gelieferte Waren bei der Ausführung der Bauleistungen durch die A.
GmbH in den einzelnen Bauvorhaben der Beklagten Verwendung gefunden hatten,
noch welche Forderungsteile der A. GmbH gegen die Beklagte aus welchen
Bauvorhaben in welcher Höhe wegen des verlängerten Eigentumsvorbehalts
teilweise an die Klägerin abgetreten waren. Die zu dieser Beurteilung
notwendigen Unterlagen hat die Klägerin erst im Termin vom 21. März 2002
übergeben. Das Berufungsgericht war durch das Senatsurteil vom 11. Mai 2006
nicht gehindert, auf diesen Termin als Zeitpunkt der Kenntniserlangung
abzustellen. Insoweit konnte das Senatsurteil keine bindende Wirkung
entfalten.
17 b) Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, die nachträgliche
Tilgungsbestimmung im Schriftsatz vom 27. Mai 2002 sei unverzüglich erfolgt,
begegnet keinen durchgreifenden revisionsrechtlichen Bedenken.
18 aa) Unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB, also ohne schuldhaftes
Zögern, erfolgt eine Rechtshandlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den
Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Prüfungs- und Überlegenszeit
vorgenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2003 - X ZR 209/00,
BGHReport 2003, 908; Urteil vom 23. Juni 1994 - VII ZR 163/93, BauR 1994,
625 = ZfBR 1994, 222). Der Schuldner muss sich daher so bald, wie es ihm
nach den Umständen möglich und zumutbar ist, erklären. Soweit erforderlich,
darf er zuvor den Rat eines Rechtskundigen einholen oder anderweitige
Erkundigungen vornehmen.
19 bb) Ob die Erklärung unverzüglich erfolgt ist, unterliegt im
Revisionsverfahren nur eingeschränkter Nachprüfung. Das Revisionsgericht
kann die Entscheidung des Berufungsgerichts regelmäßig nur darauf
überprüfen, ob das Gericht den Rechtsbegriff verkannt hat, ob ihm von der
Revision gerügte Verfahrensfehler unterlaufen sind und ob es etwa
wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder
Erfahrungssätze verletzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - VIII ZR
244/02, NJW 2003, 1246; Urteil vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 129/92, NJW
1994, 443). Derartige Rechtsfehler lässt das Berufungsurteil nicht erkennen.
Das Berufungsgericht hat den Begriff der Unverzüglichkeit rechtsfehlerfrei
ausgelegt. Es hat eine eingehende Würdigung aller Umstände des Falles
vorgenommen und dabei die beiderseitigen Interessen der Parteien angemessen
berücksichtigt.
20 3. Das Berufungsurteil kann gleichwohl nicht aufrechterhalten bleiben.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts belegen nicht, dass die
nachträgliche Tilgungsbestimmung zum Erlöschen der Forderung geführt hat.
21 Das Recht einer (nachträglichen) Tilgungsbestimmung kann dem Schuldner
nur dann zustehen, wenn in dem Zeitpunkt, in dem er seine Leistung erbringt,
die Voraussetzungen des § 366 Abs. 1 BGB vorliegen. Er muss dem Gläubiger
demnach im Zeitpunkt der Leistung aus mehreren Schuldverhältnissen zu
gleichartigen Leistungen verpflichtet sein oder eine einheitliche Forderung
muss zwischen mehreren Gläubigern aufgeteilt sein und das von ihm Geleistete
darf nicht zur Tilgung sämtlicher Forderungen ausreichen.
22 Die Werklohnforderung der A. GmbH gegen die Beklagte war im Wege der
Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes teilweise in Höhe des
Rechnungsbetrages der gelieferten Waren als künftige Forderung im Voraus an
die Klägerin abgetreten. Diese Vorausabtretung erlangte erst mit Einbau der
Materialien durch die A. GmbH in den Bauvorhaben der Beklagten Wirksamkeit,
wenn die Klägerin durch die Verbindung ihr vorbehaltenes Eigentum nach § 946
BGB verliert. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte sich die Werklohnforderung,
die bislang nur der A. GmbH (auch in Form von Abschlagsforderungen) zustand,
auf mehrere Gläubiger aufspalten. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte ein
Tilgungsbestimmungsrecht nach § 366 Abs. 1 BGB bestehen, wenn die Zahlungen
nicht zur Tilgung sämtlicher Forderungen ausreichten.
23 Zu Recht macht die Revision geltend, dass sich aus den von der Klägerin
übergebenen Lieferscheinen und Rechnungen Bedenken gegen die Annahme
ergeben, dass sämtliche Zahlungen der Beklagten an die A. GmbH erst nach dem
Einbau der jeweils gelieferten Waren erfolgt sind. Hierzu haben die
Tatsacheninstanzen bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen,
obwohl es sich um Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes der
Tilgungsbestimmung und damit der Erfüllung handelt. Für das
Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass die Beklagte im Zeitpunkt der
Zahlungen nicht aus zwei Teilforderungen zwei Gläubigern gegenüber
verpflichtet war, ihr kein nachträgliches Tilgungsbestimmungsrecht zustand
und daher keine vollständige Erfüllungswirkung eingetreten ist.
III.
24 Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Für die neue
Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
25 Das Berufungsgericht wird, nachdem es den Parteien Gelegenheit zu
ergänzender Stellungnahme gegeben hat, die erforderlichen Feststellungen
nachzuholen haben, ob die Beklagte im Zeitpunkt ihrer vom Landgericht
festgestellten Zahlungen ein Tilgungsbestimmungsrecht hatte, weil der Einbau
der von der Klägerin gelieferten Materialien jeweils vor dem Zahlungstermin
stattgefunden hatte. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen
der Tilgungsbestimmung und damit der Erfüllung trifft grundsätzlich die
Beklagte, die Klägerin allenfalls eine sekundäre Behauptungslast.
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