Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung (§§
280 I, II, 286 BGB): Abstrakter Nutzungsausfall im Fall des Verzugs mit der
Errichtung eines Hauses
BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - VII ZR
199/13 - OLG Stuttgart
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
1. Steht dem Besteller während des Verzugs des
Unternehmers mit der Fertigstellung eines Hauses kein dem herzustellenden
Wohnraum in etwa gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung, kann ihm eine
Nutzungsausfallentschädigung zustehen (Bestätigung von
BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 172/13,
zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
2. Ein unzulässiges Teilurteil muss nicht aufgehoben werden, wenn sich die
prozessuale Situation so entwickelt hat, dass es nicht mehr zu
widersprüchlichen Entscheidungen kommen kann.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu BGH
v. 20.2.2014 - VII ZR 172/13 (NJW 2014, 1374).
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Kläger machen in der Revision
noch Ansprüche wegen Nutzungsausfalls aus einem Vertrag über die Lieferung
und Montage eines Blockhauses geltend.
2 Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks in S. 1996 brannte ihr dort
errichtetes und von ihnen bewohntes Holzhaus ab. Die Kläger mieteten und
bezogen daraufhin eine nahegelegene 3-Zimmer-Wohnung. Am 20. April 1999
schlossen sie mit der Beklagten einen Bauleistungsvertrag über die
Errichtung eines Holzblockhauses auf ihrem Grundstück zu einem Festpreis von
395.000 DM. Unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen ist von
diesem Betrag noch die Summe von 18.462,80 € offen.
3 Die Kläger verweigerten im Anschluss an eine gemeinsame Besichtigung am
16. Februar 2000 die Abnahme und rügten verschiedene Mängel. Die Beklagte
wies dies zurück und forderte zur Abnahme und Zahlung der Restforderung auf.
Mit gesondertem Vertrag vom 21. Februar 2000 verpflichtete sich die Beklagte
zum Einbau von Türen und Fenstern für die in Steinbauweise errichtete untere
Einliegerwohnung des Gebäudes. Die Kläger forderten die Beklagte zu diesem
Einbau unter Fristsetzung bis zum 10. Mai 2000 auf. Die Beklagte teilte mit,
sie werde erst liefern, wenn die offenstehenden Zahlungen für das Haus
geleistet worden seien. Im September 2000 lieferte daraufhin ein anderes
Unternehmen die Fenster. Die Kläger ließen die Wände der Einliegerwohnung
neu verputzen, streichen und einen neuen Estrich einbringen und bezogen am
1. Januar 2001 die Einliegerwohnung selbst.
4 Die Kläger haben erstinstanzlich - neben in der Revision nicht mehr
interessierenden Baustatikerkosten - Ersatz der von ihnen gezahlten Miete
für die Zeit vom 10. Mai 2000 bis zum 31. August 2000, Ersatz eines
Mietausfallschadens für die Einliegerwohnung für die Zeit vom 10. Mai 2000
bis zum 31. Dezember 2000 sowie eine Nutzungsausfallentschädigung für die
Hauptwohnung des Hauses für die Zeit von Mai 2000 bis Juni 2003 (38 Monate)
und später für die Jahre 2007 bis 2010 (48 Monate), hilfsweise Ersatz für
Mietausfall der Einliegerwohnung in diesen Zeiten, verlangt.
5 Die Beklagte hat widerklagend ihre offene Restforderung geltend gemacht.
6 Das Landgericht hat durch Teilurteil den Klägern den Ersatz der Kosten,
die ihnen im Zeitraum vom 11. Mai 2000 bis zum 31. August 2000 für die
ersatzweise Anmietung der Wohnung entstanden sind, zugesprochen. Dagegen hat
es die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung für die Hauptwohnung im
Zeitraum von Mai 2000 bis einschließlich Juni 2003 und in den Jahren 2007
bis 2010 abgewiesen. Den Schadensersatzanspruch wegen Mietausfalls für den
Zeitraum bis Dezember 2000 und für die Jahre 2007 bis 2010 hat es ebenfalls
abgewiesen. Die Entscheidung über den weiter (hilfsweise) geltend gemachten
Mietausfallschaden (Januar 2001 bis Juni 2003) hat es, da noch nicht
entscheidungsreif, dem Schlussurteil vorbehalten. Die Widerklage hat es
ebenfalls abgewiesen. Mit der Berufung haben die Kläger ihren Anspruch auf
Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die Hauptwohnung für die Zeit
von Mai 2000 bis Juni 2003 (38 Monate) in Höhe von 37.192,50 € nebst Zinsen
weiterverfolgt. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger diesen Anspruch
weiter.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8 Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung
anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt
(Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
9 Das Berufungsgericht hat den Erlass eines Teilurteils durch das
Landgericht als zulässig angesehen. Dieses habe auch zu Recht einen Anspruch
der Kläger auf Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit von Mai 2000 bis
Juni 2003 wegen der nach dem Vortrag der Kläger gegebenen Nichtbewohnbarkeit
der Hauptwohnung in dem von der Beklagten errichteten Gebäude versagt. Ein
solcher Anspruch bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Der Ersatz für den
Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache müsse grundsätzlich den
Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich
typischerweise als solche auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung
signifikant auswirke. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des
§ 253 BGB die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen. Den
Klägern habe in der Zeit zwischen Mai 2000 und Juni 2003 jeweils eine
angemessene Ersatzwohnung mit 73 m2 bzw. 75 m2 Wohnfläche zur Verfügung
gestanden. Der Verlust von gehobenem Wohnkomfort, wie er den Klägern durch
die Nichtbeziehbarkeit der Hauptwohnung mit 136 m2 Wohnfläche entstanden
sei, sei kein ersatzfähiger Vermögensschaden.
II.
10 Das hält der rechtlichen Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
11 1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, dass das
Berufungsurteil bereits deshalb aufzuheben sei, weil der Erlass eines
Teilurteils durch das Landgericht unzulässig gewesen sei.
12 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es grundsätzlich
zulässig, einen Hauptantrag durch Teilurteil abzuweisen und die Entscheidung
über den Hilfsantrag zurückzustellen, weil ein dem Hilfsantrag stattgebendes
Urteil in seiner Wirksamkeit davon abhängt, dass der Hauptantrag
rechtskräftig abgewiesen wird (BGH, Urteile vom 12. Mai 1995 - V ZR 34/94,
NJW 1995, 2361; vom 13. Februar 1992 - III ZR 28/90, NJW 1992, 2080, 2081;
vom 1. April 1971 - VII ZR 297/69, BGHZ 56, 79, 80 f.; vgl. zu möglichen
Grenzen der Zulässigkeit allerdings auch BGH, Beschluss vom 20. März 2014 -
X ZB 18/13, juris Rn. 14). Das stellt die Revision auch nicht in Abrede.
13 b) Zu Unrecht meint sie jedoch, hier liege der Fall anders, weil das
Landgericht nicht lediglich den Hauptantrag der Kläger auf eine
Nutzungsausfallentschädigung durch Teilurteil abgewiesen und die
Entscheidung über einen Teil des Hilfsantrags dem Schlussurteil vorbehalten
habe. Vielmehr habe es in seinem Teilurteil den Klägern auch Ersatz für die
Kosten zur Anmietung der Ersatzwohnung für den Zeitraum vom 11. Mai 2000 bis
zum 31. August 2000 mit der Begründung zuerkannt, dass die Beklagte das
vertraglich geschuldete Bauwerk nicht mangelfrei und abnahmefähig
hergestellt habe, wodurch ein Wohngebrauch ausgeschlossen oder unzumutbar
gewesen sei, und sie mit der Mängelbeseitigung seit dem 11. Mai 2000 in
Verzug gewesen sei. Es bestehe daher die Gefahr, dass ein
Rechtsmittelgericht im Verfahren über den Hauptantrag auf
Nutzungsausfallentschädigung einen Anspruch der Kläger mit der abweichenden
Begründung verneine, dass bereits kein Mangel an den Bauleistungen der
Beklagten vorliege.
14 Das trifft nicht zu. Eine solche mögliche Entwicklung beruht nicht
darauf, dass das Landgericht durch Teilurteil entschieden hat, sondern
darauf, dass es einen Teil der Klage abgewiesen und einen Teil zugesprochen
hat und nur die Kläger den abgewiesenen Teil mit einem Rechtsmittel
angegriffen haben. In derartigen Fällen einer teilweisen Anfechtung eines
Urteils ergibt sich regelmäßig die Möglichkeit, dass es später zu
abweichenden Begründungen hinsichtlich der hierdurch aufgespaltenen Teile
des Rechtsstreits kommt, ohne dass dies etwas mit der Entscheidung durch
Teilurteil zu tun hat.
15 c) Soweit die Revision außerdem auf die Gefahr verweist, dass auch das
Landgericht im Schlussurteil über den Hilfsantrag einen Anspruch der Kläger
mit der abweichenden Begründung verneinen könne, dass bereits kein Mangel an
den Bauleistungen der Beklagten vorliege, führt dies im vorliegenden Fall
ebenfalls nicht dazu, dass das Berufungsurteil bereits aus diesem Grunde
aufzuheben wäre. Jedenfalls jetzt besteht eine solche Gefahr nicht mehr. Ob
das Teilurteil des Landgerichts zum Zeitpunkt seines Erlasses unzulässig
war, kann dahinstehen.
16 Ein unzulässiges Teilurteil muss nicht aufgehoben werden, wenn sich die
prozessuale Situation so entwickelt hat, dass es nicht mehr zu
widersprüchlichen Entscheidungen kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli
1991 - XII ZR 109/90, NJW 1991, 3036).
17 So liegt der Fall hier. Da ein Anspruch der Kläger auf Zahlung einer
Nutzungsausfallentschädigung dem Grunde nach bestehen kann (dazu sogleich
unter 2.), kann es nicht mehr zu einer Entscheidung des Landgerichts über
den Hilfsantrag der Kläger kommen, weil die Bedingung, unter die dieser
Antrag gestellt ist, nicht eintritt. Sollte über den Hilfsantrag
zwischenzeitlich bereits entschieden sein, entfällt die Wirksamkeit eines
solchen Urteils mit rechtskräftiger Entscheidung über den Hauptantrag.
18 Dies gilt nicht nur, wenn der Hauptantrag Erfolg hat. Selbst wenn er noch
daran scheitern sollte, dass die Verzugsvoraussetzungen nicht vorliegen,
ändert sich hieran nichts. Denn die Auslegung des Hilfsantrags ergibt, dass
dieser nur für den Fall gestellt ist, dass der Hauptantrag daran scheitert,
dass für den Nutzungsausfall keine Entschädigung geschuldet ist, weil die
Kläger die Einliegerwohnung selbst bewohnten. Liegen dagegen bereits die
übrigen Voraussetzungen zum Grund des Anspruchs nicht vor, macht der zur
Schadenshöhe anderweitig begründete Hilfsantrag keinen Sinn, so dass nichts
dafür spricht, dass die Kläger ihn auch für diesen Fall gestellt haben.
19 2. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Anspruch der
Kläger auf Nutzungsausfallentschädigung gemäß § 286 Abs. 1 BGB mit der
Begründung, ihnen hätte in dem in Rede stehenden Zeitraum eine angemessene
Ersatzwohnung zur Verfügung gestanden.
20 a) Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der
Anspruch nicht schon deshalb ausscheidet, weil die Kläger noch nicht im
Besitz eines bewohnbaren Hauses waren, dieser ihnen also nicht entzogen,
sondern nur vorenthalten worden ist. Von der Rechtsordnung wird im
Rahmen des Schadensersatzes nicht nur das Interesse am Bestand gestützt,
sondern auch das Interesse, eine geschuldete Sache zum vertraglich
vereinbarten Zeitpunkt zu erhalten und sie ab diesem Zeitpunkt auch nutzen
zu können. Das hat der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils
entschieden (Urteil vom 20.
Februar 2014 - VII ZR 172/13 Rn. 14 f., zur
Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
21 Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das
Berufungsgericht von einem Willen der Kläger zur Nutzung des Holzhauses
ausgegangen ist. Die von der Beklagten in der Revision dagegen vorgebrachten
Argumente vermögen jedenfalls für den hier relevanten Zeitraum den
Nutzungswillen nicht in Frage zu stellen.
22 b) Ein Vermögensschaden ist dann anzunehmen, wenn sich der
Umstand, dass die Nutzung eines herzustellenden Hauses vorenthalten wird,
signifikant auf die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung des Bestellers
auswirkt, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 172/13
Rn. 17).
23 Hiernach kann eine Nutzungsausfallentschädigung nicht versagt
werden, wenn dem Besteller während des Verzugs lediglich Wohnraum zur
Verfügung stand, der mit dem herzustellenden Wohnraum nicht vergleichbar
ist, sondern eine deutlich geringere Qualität besitzt (BGH,
Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 172/13 Rn. 18). Der
Geschädigte ist in seiner zentralen Lebensführung fühlbar beeinträchtigt,
wenn er nur deutlich minderwertigeren Wohnraum zur Verfügung hat, z.B. eine
deutlich kleinere Wohnung (BGH, Urteil
vom 20. Februar 2014 - VII ZR 172/13 Rn. 18).
24 c) Es kommt deshalb entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht darauf an, ob dem Besteller ein noch angemessener Wohnraum zur
Verfügung stand. Maßgeblich ist allein, ob dieser Wohnraum dem
vorenthaltenen Wohnraum in etwa gleichwertig ist. Allenfalls dann, wenn dem
Besteller eine besonders luxuriöse Wohnung vorenthalten wird, die nach der
Verkehrsauffassung nicht mehr allein dazu dient, die jeweiligen,
individuellen Wohnbedürfnisse zu befriedigen, sondern Ausdruck einer
Liebhaberei oder eines besonderen Luxus ist, kann eine andere
Betrachtungsweise gerechtfertigt sein (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 172/13
Rn. 19).
25 d) Bei der Beurteilung, ob eine vorhandene Wohnung in etwa gleichwertig
ist, ist eine objektivierte, typisierende Betrachtungsweise geboten (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 172/13 Rn. 20; Urteil vom 24.
Januar 2013 - III ZR 98/12, BGHZ 196, 101 Rn. 15). Den Klägern stand weder
mit ihrer bisherigen und zunächst weiter genutzten Wohnung noch mit der von
ihnen sodann bezogenen Einliegerwohnung auf ihrem Hausgrundstück ein in etwa
gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung. Dieser betrug 75 m2 bzw. 73 m2,
während die Hauptwohnung 136 m2 aufweist und daher fast doppelt so groß ist.
III.
26 Zu den weiteren Anspruchsvoraussetzungen und zur Höhe hat das
Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine
Feststellungen getroffen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO) und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
27 Der Senat weist darauf hin, dass der Anspruch auf
Nutzungsausfallentschädigung nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil
den Klägern für den Zeitraum vom 11. Mai bis 31. August 2000 rechtskräftig
ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Miete für die in diesem Zeitraum
bewohnte Wohnung zuerkannt worden ist. Dieser Betrag muss jedoch auf
die Nutzungsausfallentschädigung angerechnet werden (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - VII ZR 172/13
Rn. 21).
28 Der Senat weist außerdem darauf hin, dass die zu weitgehende
Haftungsbeschränkung in § 13 des Bauleistungsvertrages unwirksam ist.
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