Unbehebbarer Mangel im Werkvertrag; Ausschluss
des Nacherfüllungsanspruchs nach § 275 I BGB; Gleichstellung zeitweiliger
Unmöglichkeit mit endgültiger Unmöglichkeit; Haftung nach § 311a II BGB;
Reichweite der Haftung aus § 311a II BGB (Erstreckung auf Folgeschäden);
Verhältnis zur Haftung aus § 280 I BGB
BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - VII ZR
203/11 - OLG Düsseldorf
Fundstelle:
NJW 2014, 3365
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Ist die vereinbarte Funktionalität einer
Glasfassade (hier: uneingeschränkte Bruchsicherheit) technisch nicht zu
verwirklichen, steht dem Auftraggeber als Mängelrecht ausschließlich ein
Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB zu.
Zentrale Probleme:
Eine Entscheidung zum werkvertragsrechtlichen Gew ährleistungsrecht,
die wichtige Bezüge zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht enthält. Der
Werkunternehmer hatte sich zu einer Leistung verpflichtet, die technisch
offenbar nicht möglich war. Damit entfällt nach § 275 Abs. 1 BGB der
Nacherfüllungsanspruch aus § 635 BGB, und damit auch das Recht zur
Selbstvornahme aus § 637 BGB. Damit kommt nur eine Schadensersatzhaftung des
Werkunternehmers nach § 634 Nr. 4 i.V.m. § 311a Abs. 2 BGB in Betracht.
Diese Haftung ergreift auch Folgeschäden, so dass ein Rückgriff auf § 280
Abs. 1 BGB insofern nicht notwendig ist. Ob ein solcher Rückgriff auch dann
ausgeschlossen ist, wenn es am Vertretenmüssen nach § 311a Abs. 2 S. 2 BGB
fehlt, lässt sich der Entscheidung aber nicht entnehmen. Es sind nämlich,
insbesondere auch im Kaufrecht, Fälle denkbar, in welchen der Käufer die
Mangelhaftigkeit seiner Leistung kennt oder kennen muss, nicht aber die
Unmöglichkeit der Behebung des Mangels. Dann ist zwar eine Haftung aus §
311a Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil sich das Vertretenmüssen hier (auch)
auf die Unmöglichkeit beziehen muss, nicht aber eine solche für Schäden, die
sich allein aus der Verletzung der Pflicht zur mangelfreien Leistung ergeben
haben. Hier kann und muss auf § 280 I BGB zurückgegriffen werden.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht gegen die
Beklagte wegen einer vorgeblich mangelhaft erstellten Glasfassade
Mängelrechte geltend.
2 Die Klägerin beauftragte die Beklagte durch Generalunternehmervertrag (GU)
vom 7. April 2005, einen gebrauchs- und schlüsselfertigen Bürohauskomplex
mit Kraftfahrzeugstellplätzen und Außenanlagen zu errichten. Die Fassade
war im Bereich von Stahlbetonstützen, Stahlbetonbrüstungen und der
Stahlbetonaufkantung im Dachbereich mit emaillierten, thermisch
vorgespannten Glasscheiben zu verkleiden (über 3000 Scheiben auf 5.352 qm).
In der Leistungsbeschreibung heißt es dazu unter Ziffer 2.3.1:
"Durch den AN ist nachzuweisen, dass die zur Verwendung kommenden
vorgespannten Glasscheiben keine zerstörenden Einschlüsse (z.B.
Nickelsulfid) haben. Alle ESG-Scheiben sind einem fremdüberwachten
Heißlagerungstest (Heat-Soak-Test) als ESG-H gemäß Bauregelliste zu
unterziehen. Die Durchführung des Heat-Soak-Tests ist über eine
Werksbescheinigung zu bestätigen. Die Ofenprotokolle müssen für jede
einzelne Scheibe nachvollziehbar sein."
3 Zusätzlich vereinbarten Klägerin und Beklagte unter § 1.8.7 des GU:
"Der Auftragnehmer garantiert die Verwendung ausschließlich fabrikneuer,
mängelfreier und einwandfreier Baustoffe und Materialien in der vereinbarten
Qualität, auch soweit ihm diese vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt
werden, da er zu deren Überprüfung vor Verarbeitung verpflichtet ist."
4 Die Streithelferin zu 3 der Beklagten plante die Glasfassade. Das Glas für
die Fassade lieferte die Streithelferin zu 4 der Beklagten. Die
Streithelferin zu 1 der Beklagten erstellte die Glasfassade.
5 Die Klägerin nahm das Bürogebäude am 28. September 2006 ab.
6 Am 26. Februar 2007, 18. Mai 2007, 29. Mai 2007, 6. Juli 2008, 31. August
2008 und 10. Juni 2009 gingen Scheiben an verschiedenen Stellen der
Fassadenverkleidung zu Bruch, wobei Bruchstücke herabfielen.
7 Vor diesem Hintergrund hält die Klägerin die Glasfassade insgesamt für
mangelhaft und hält den Austausch sämtlicher Glasscheiben für erforderlich,
um den Mangel zu beseitigen. Sie verlangt die Zahlung eines
Mangelbeseitigungskostenvorschusses von 240.000 €, die Feststellung, dass
die Beklagte verpflichtet ist, über 240.000 € hinausgehende Kosten zu
tragen, und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die
Kosten zur Beseitigung von Schäden zu ersetzen, die infolge des Mangels
"erhöhte Bruchanfälligkeit der Glasfassadenscheiben" und der notwendigen
Mangelbeseitigung auftreten.
8 Das sachverständig beratene Berufungsgericht hat diesen Anträgen
stattgegeben. Dagegen wendet sich die Streithelferin zu 1 der Beklagten mit
der vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
9 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil der
Beklagten entschieden worden ist.
I.
10 Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe gegen die Beklagte
einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die voraussichtlich
erforderlichen Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 240.000 €, weil die
Verglasung der Fassade wegen der gehäuft auftretenden Glasbrüche insgesamt
mangelhaft sei. Aufgrund der Untersuchung des Sachverständigen S. sei
erwiesen, dass bis zur letzten mündlichen Verhandlung mindestens sechs
Scheiben der Glasfassade infolge von Nickelsulfid-Einschlüssen geborsten
seien. Nickelsulfid-Einschlüsse seien technisch unvermeidbar und führten
insbesondere bei thermischer Einwirkung zu Spontanbrüchen. Durch den von den
Parteien vereinbarten Heat-Soak-Test könne diese Gefahr nicht
ausgeschlossen, sondern nur verringert werden, weil bei dem Test die
Scheiben mit Nickelsulfid-Einschlüssen in der Regel zu Bruch gingen. Derart
getestetes Glas (ESG-H) weise deswegen ein deutlich geringeres
Spontanbruchrisiko auf. Entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen
S. sei davon auszugehen, dass nach durchgeführtem Heat-Soak-Test lediglich
ein Nickelsulfid-Einschluss bei 20.000 qm Scheibenfläche mit einer Dicke von
8 mm auftrete. Bei der im Streitfall verglasten Fläche von 5.352 qm dürften
deswegen rechnerisch nur 0,27 Brüche auftreten. Aufgrund des Umstandes, dass
bereits bis zur letzten mündlichen Verhandlung sechs Scheiben aufgrund eines
Nickelsulfid-Einschlusses gebrochen seien und bei zwei weiteren Scheiben
eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, ein Nickelsulfid-Einschluss sei
die Bruchursache gewesen, habe sich an der Glasfassade ein erheblich höheres
Bruchrisiko verwirklicht, als das, welches bei ESG-H-Scheiben zu erwarten
gewesen wäre. Eine derartig erhebliche Überschreitung der statistischen
Bruchhäufigkeit der Scheiben einer Fassade führe bei der gebotenen
ganzheitlichen Betrachtung zu der Annahme der Mangelhaftigkeit der gesamten
Fassade, weil diese ihre Funktion nicht mehr erfüllen könne. Dieser
Feststellung stehe nicht entgegen, dass nicht feststehe und auch nicht ohne
Zerstörung der Fassade festgestellt werden könne, ob noch weitere Scheiben
brechen werden. Zwar nehme die Bruchwahrscheinlichkeit ab, je länger die
Scheiben Temperaturschwankungen ausgesetzt seien. Möglicherweise könnten
deshalb mittlerweile alle Scheiben mit Nickelsulfid-Einschluss gebrochen
sein. Hierüber ließen sich allerdings nach den Ausführungen des
Sachverständigen S. keine verlässlichen Angaben treffen. Da sich aber
bereits ein erheblich höheres Bruchrisiko verwirklicht habe, könne von einer
funktionsfähigen Fassade nicht gesprochen werden, was es rechtfertige, eine
mit einem solchen Risiko belastete Fassade insgesamt als mangelhaft
einzustufen. Vor diesem Hintergrund könne dahingestellt bleiben, ob der Heat-Soak-Test
ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Des Weiteren könne dahinstehen, ob
der Klägerin das generelle Restbruchrisiko von ESG-H-Scheiben bekannt
gewesen sei. Denn hier seien Scheiben eingesetzt worden, die ein wesentlich
höheres Bruchrisiko in sich trügen.
11 Die Beklagte sei daher verpflichtet, die gesamte Glasfassade
auszutauschen. Dies führe zur Begründetheit des Vorschussanspruches und der
beantragten Feststellung, dass die Beklagte zusätzliche Kosten der
Mängelbeseitigung zu tragen hat.
12 Darüber hinaus sei auch der Feststellungsantrag begründet, wonach die
Beklagte der Klägerin die Kosten zur Beseitigung von Schäden zu ersetzen
habe, die infolge des Mangels "erhöhte Bruchanfälligkeit der
Glasfassadenscheiben" entstehen. Für solche Mangelfolgeschäden hafte die
Beklagte verschuldensunabhängig nach Ziffer 1.8.7 des GU.
II.
13 Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar hat das
Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Mangelhaftigkeit der Fassade
angenommen. Eine Beseitigung des Mangels ist aber unmöglich, so dass die
Klägerin die von ihr geltend gemachten Rechtsfolgen nicht beanspruchen kann.
14 1. a) Nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Werk mangelhaft, wenn es die
vereinbarte Beschaffenheit nicht hat. Welche Beschaffenheit des Werkes die
Parteien vereinbart haben, ist durch Auslegung des Werkvertrages zu
ermitteln. Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 633 Abs. 2 Satz 1
BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der
Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Dieser
bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten
Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk
nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Dies gilt unabhängig davon, ob
die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die
anerkannten Regeln der Technik eingehalten worden sind.
Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich
vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und dieser Erfolg mit
der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart oder den
anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer
die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH,
Urteil vom 8. November 2007 - VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110
Rn. 15).
15 b) Soweit das Berufungsgericht als Mangel der Glasfassade ein statistisch
deutlich erhöhtes Bruchrisiko der verwendeten ESG-H-Scheiben annimmt, teilt
der Senat diese Auffassung nicht. Die Parteien haben nicht
vereinbart, dass die Leistung schon dann mangelhaft ist, wenn mehr Scheiben
zerbrechen als der statistischen Wahrscheinlichkeit entspricht. Das kann
auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Parteien die Durchführung
eines Heat-Soak-Tests vereinbart haben. Dieser senkt zwar das Bruchrisiko,
ändert aber nichts daran, dass sich dieses an einem Gebäude mehr und an
einem Gebäude weniger verwirklichen kann. Die bloße Bruchwahrscheinlichkeit
sagt deshalb nichts darüber aus, welche Vertragspartei das Risiko zu tragen
hat, wenn die Anzahl der tatsächlich zerbrochenen Glasscheiben oberhalb
eines statistischen Mittelmaßes liegt.
16 c) Es kommt vielmehr darauf an, welche Funktion des in Auftrag gegebenen
Werkes die Parteien nach dem Vertrag vereinbart oder vorausgesetzt haben.
Das ist durch Auslegung nach den allgemein anerkannten Auslegungsregeln zu
ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen,
insbesondere der zum Ausdruck gekommene Wille des Bestellers, für welchen
Zweck er das Bauwerk nutzen will und welchen Anforderungen es nach diesem
Zweck genügen muss. Diese Auslegung des Generalunternehmervertrages kann der
Senat selbst vornehmen, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.
Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass die Vertragsparteien die
Verwendung von Glasscheiben vereinbarten, bei denen kein Risiko eines
Glasbruches aufgrund von Nickelsulfid-Einschlüssen besteht.
17 aa) Die Parteien haben zur Beschaffenheit der Glasscheiben in der
Leistungsbeschreibung unter Ziffer 2.3.1 Satz 1 vereinbart, dass die zur
Verwendung kommenden vorgespannten Glasscheiben keine zerstörenden
Einschlüsse (z.B. Nickelsulfid) haben dürfen. Darin kommt der für die
Beklagte erkennbare Wille der Klägerin zum Ausdruck, die erheblichen
Gefahren für Leib und Leben von Passanten, die durch berstende und
herabfallende Glasscheiben entstehen können, vollständig auszuschließen.
18 bb) Anderes folgt nicht aus Ziffer 2.3.1 Satz 2 der
Leistungsbeschreibung, wonach alle ESG-Scheiben einem fremd überwachten
Heißlagerungstest (Heat-Soak-Test) zu unterziehen sind. Zwar kann der Heat-Soak-Test
nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die
Freiheit der Glasscheiben von Nickelsulfid-Einschlüssen nicht garantieren.
Das bedeutet aber nicht, dass damit auch die klar zum Ausdruck gebrachte
Funktionstauglichkeit des Bauwerks anders vorausgesetzt oder vereinbart
werden sollte. Vielmehr verbleibt die nahe liegende Möglichkeit, dass die
Klägerin eine Ausführung wählte, die nicht in der Lage war, die von ihr
erkennbar gewünschte Funktion zu erreichen.
19 Birgt die ausgeschriebene Variante ein Risiko, das der Besteller
erkennbar nicht übernehmen will, muss der Unternehmer, wenn er dieses Risiko
auch nicht tragen will, diesen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
darauf hinweisen und mit ihm vertraglich einen Ausschluss des Risikos
vereinbaren (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206,
213; Urteil vom 11. November 1999 - VII ZR 403/98, BauR 2000, 411, 413 =
NZBau 2000, 74). Das hat der Senat gerade in den Fällen entschieden, in
denen es darum ging, ob die vereinbarte Ausführung in der Lage ist, die nach
dem Vertrag vorausgesetzte Funktion zu erfüllen (BGH, Urteil vom 16. Juli
1998 - VII ZR 350/96, BGHZ 139, 244, 247; Urteil vom 4. Juni 2009 - VII ZR
54/07, BGHZ 181, 225, 230). Ist durch die beschriebene Ausführung
die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion erkennbar gefährdet oder nicht
erreichbar, kann der Unternehmer den Besteller nicht im Ungewissen lassen
und für den Fall der Risikoverwirklichung die Auffassung vertreten, die Wahl
einer bestimmten Ausführungsweise führe dazu, dass die vereinbarte
Funktionstauglichkeit eine andere sei als der Besteller sich vorgestellt
habe.
20 cc) Auf dieser Grundlage kommt es nicht darauf an, ob der Heat-Soak-Test
ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Zudem ist es für die Feststellung eines
Mangels unerheblich, ob in Fachkreisen, und damit den von der Klägerin
hinzugezogenen fachkundigen Mitarbeitern oder externen Beratern, das
Restrisiko, das trotz eines ordnungsgemäßen Heat-Soak-Tests besteht, bekannt
war.
21 d) Ausgehend von der vereinbarten Funktionalität der Fassade,
eine Gefährdung durch Nickelsulfid-Einschlüsse vollständig auszuschließen,
ist die von der Beklagten erstellte Fassade mangelhaft, da jede der über
3.000 montierten Glasscheiben das Risiko birgt, aufgrund eines
Nickelsulfid-Einschlusses zu bersten. Zwar ist es möglich, dass
keine der noch nicht ausgetauschten Scheiben über einen
Nickelsulfid-Einschluss verfügt. Das könnte aber nach den nicht
angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nur durch Zerstörung der
Glasscheiben festgestellt werden. Es verbleibt deshalb eine Unsicherheit
hinsichtlich der Bruchfestigkeit der Fassade, die nach der vereinbarten
Funktionalität in den Risikobereich der Beklagten fällt. Der Klägerin kann
zudem nicht zugemutet werden abzuwarten, ob noch weitere Scheiben zu Bruch
gehen, da ein erhebliches Risiko für Leib und Leben der Passanten besteht,
für welches sie verantwortlich ist.
22 2. Aufgrund des festgestellten Mangels stehen der Klägerin die
geltend gemachten Mängelrechte aber nicht zu, da die Beseitigung des Mangels
unmöglich ist.
23 a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts kann der vollständige Ausschluss von
Nickelsulfid-Einschlüssen technisch nicht gewährleistet werden. Die
vereinbarte Funktionalität ist deshalb nicht erreichbar. Daher liegt ein
Fall der dauerhaften objektiven Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 2.
Fall BGB vor. Für diese Beurteilung ist grundsätzlich der Zeitpunkt
des Eintritts des Hindernisses maßgeblich (BGH, Urteil vom 11. März 1982 -
VII ZR 357/80, BGHZ 83, 197, 200). Der Umstand, dass eine
Bruchwahrscheinlichkeit entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen
nach Ablauf von zehn Jahren praktisch ausgeschlossen ist, steht deshalb der
Annahme einer dauerhaften Unmöglichkeit nicht entgegen. Ein
zeitweiliges Erfüllungshindernis ist einem dauernden gleichzustellen, wenn
die Erreichung des Vertragszwecks durch die vorübergehende Unmöglichkeit in
Frage gestellt wird und deshalb dem Vertragspartner nach dem Grundsatz von
Treu und Glauben unter billiger Abwägung der Belange beider Vertragsteile
die Einhaltung des Vertrages nicht zugemutet werden kann (BGH,
Urteil vom 11. März 1982 - VII ZR 357/80, aaO). Diese Voraussetzungen liegen
vor. Da es der Klägerin darauf ankam, Bruchgefahren durch Einschlüsse in den
Glasscheiben auszuschließen, um keine Gefahrenquelle für die das Gebäude
nutzenden Menschen und Fußgänger zu schaffen, ist es ihr unzumutbar, zehn
Jahre zu warten, bis ein solcher Zustand eintritt. Berechtigte Belange der
Beklagten, die diesem Abwägungsergebnis entgegenstehen könnten, sind nicht
ersichtlich.
24 b) Die Folge der Unmöglichkeit ist das Entfallen des
Erfüllungsanspruches und damit ebenso des Nacherfüllungsanspruches
(§ 634 Nr. 1, § 635 Abs. 1 BGB) und des Selbstvornahmerechts
einschließlich des Vorschussanspruches gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB
(vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2000 - VII ZR 242/99, BauR 2001, 425, 426
= NZBau 2001, 97). Die Klägerin kann daher keinen Austausch der
Glasscheiben gegen andere verlangen, die auch bei ordnungsgemäß
durchgeführtem Heat-Soak-Test einer Bruchgefahr unterlägen und deshalb der
vereinbarten Funktionalität nicht genügten. Eine andere Art der Erfüllung
bzw. Nacherfüllung, die den Interessen der Parteien gerecht wird, kommt auf
Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
25 3. Der Klägerin steht aber ein Schadensersatzanspruch unter den
Voraussetzungen von § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB zu. Da das
Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen zu einem Schaden im Sinne
von § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB nicht getroffen hat, ist das
Berufungsurteil insgesamt, also auch hinsichtlich des Feststellungsantrags
bezüglich der Mangelfolgeschäden, aufzuheben, soweit zum Nachteil der
Beklagten entschieden worden ist, und die Sache ist insoweit an das
Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
26 a) Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, zu den Voraussetzungen des §
311a Abs. 2 BGB vorzutragen. Dabei ist zu beachten:
27 aa) Die in § 311a Abs. 2 BGB geregelte Schadensersatzpflicht
umfasst auch die Erstattung von Folgeschäden (Staudinger/Löwisch/Feldmann,
BGB, Neubearbeitung 2013, § 311a Rn. 40; MünchKommBGB/Ernst, BGB, 6. Aufl.,
§ 311a Rn. 65; Erman/Kindl, BGB, 13. Aufl., § 311a Rn. 8; Ball, ZGS 2002,
49, 51 f.; a.A. Jauernig/Stadler, BGB, 15. Aufl., § 311a Rn. 13; Dötsch, ZGS
2002, 160, 161 f.; Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 70).
Nach dem mit der Konzeption des § 311a Abs. 2 BGB
einhergehenden Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks.
14/6040 S. 166, linke Spalte) tritt § 311a Abs. 2
BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage an die Stelle von § 280 BGB, so
dass es für Folgeschäden eines Rückgriffs auf diese Norm nicht bedarf.
28 bb) Damit gilt für alle Schadenspositionen einheitlich der
Verschuldensmaßstab des § 311a Abs. 2 Satz 2 BGB. Eine Haftung der Beklagten
ist deshalb nur ausgeschlossen, wenn sie das verbleibende Risiko von
Nickelsulfid-Einschlüssen nicht kannte und diese Unkenntnis nicht zu
vertreten hat. Sollte es vor diesem Hintergrund noch auf die Frage
ankommen, ob die Beklagte verschuldensunabhängig haftet, gibt die weitere
Verhandlung und Entscheidung dem Berufungsgericht Gelegenheit, erneut
darüber zu befinden, ob aus § 1.8.7 GU eine verschuldensunabhängige Haftung
der Beklagten für die vereinbarte Qualität der Glasfassade abgeleitet werden
kann. Dabei wird es im Rahmen der Auslegung stärker als bisher den Umstand
zu berücksichtigen haben, dass die Voraussetzungen des Schadensersatzes
wegen Mängeln in § 13.7 GU geregelt sind und ein Verschulden der Beklagten
voraussetzen. Eine Ausnahme unter Bezugnahme auf § 1.8.7 GU enthält § 13 GU
nicht. Es liegt deshalb fern, § 13.7 GU in einem zentralen Bereich, der
Haftung für Mängel der verwendeten Baustoffe und Materialien, nicht
anzuwenden. Ein solcher Zusammenhang wäre zudem für die Beklagte, der das
Vertragswerk der Klägerin vorgegeben wurde, kaum erkennbar gewesen.
29 b) Auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten, den Beratern der
Klägerin sei bekannt gewesen, dass auch bei einem ordnungsgemäß
durchgeführten Heat-Soak-Test ein Restrisiko verbleibe, wird das
Berufungsgericht zu erwägen haben, ob der Klägerin ein Mitverschulden (§ 254
BGB) zuzurechnen ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 165, linke Spalte;
Staudinger/Löwisch/Feldmann, aaO, § 311a Rn. 55; MünchKommBGB/Ernst, aaO, §
311a Rn. 68; Erman/ Kindl, BGB, aaO, § 311a Rn. 10).
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