Begriff des "Verwenders" von AGB bei Einführung der AGB der anderen Vertragspartei


BGH, Urteil vom 9. März 2006 - VII ZR 268/04


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Amtl. Leitsatz:

Schließt eine Vertragspartei in der Regel Verträge unter Einbeziehung von bestimmten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab, ist sie auch dann Verwenderin, wenn ihr Vertragspartner diese Vertragsbedingungen im Hinblick darauf bereits in sein Angebot aufgenommen und damit formal in den Vertragsabschluss eingeführt hat (Bestätigung von BGH, Urteil vom 4. März 1997 - X ZR 141/95, NJW 1997, 2043).


Zentrale Probleme:

Es handelt sich um einen Gewährleistungsfall im Werkvertragsrecht (Architektenvertrag), der noch nach altem Schuldrecht zu beurteilen war. Er ist aber in Bezug auf die AGB-Frage von Interesse (die hier auch noch nach dem früheren AGB-Gesetz zu beurteilen war, aber unter den §§ 305 ff BGB n.F. nicht anders zu beurteilen ist): Eine Inhaltskontrolle von AGB nach §§ 307 ff BGB findet nur zugunsten des "Vertragspartners des Verwenders" (s. § 307 I BGB) statt. Verwender ist grundsätzlich derjenige, der die AGB in die Vertragsverhandlungen einführt. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn derjenige, der die AGB vorvertraglich eingeführt hat, dies nur deshalb getan hat, weil er wußte, daß die andere Partei nur zu diesen Bedingungen abschließen will. Damit war hier die Klägerin "Verwender", eine AGB-Kontrolle zu ihren Gunsten fand nicht statt. S. dazu auch BGH v. 17.2.2010 - VIII ZR 67/09.

©sl 2006


Tatbestand:

Die Klägerin, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, verlangt von dem beklagten Architekten die Zahlung von Schadensersatz.

Die Klägerin beauftragte den Beklagten im April 1991 mit Planung und Bauleitung für Gebäude und Freianlagen eines Kindergartenneubaus. Vertragsbestandteil waren die Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Architekten-/ Ingenieurleistungen (AVB). Diese enthielten unter anderem folgende Klauseln:

"§ 9 Haftung und Verjährung
9.1 Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche des Auftraggebers richten sich nach den gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes vereinbart ist.
9.4 Die Ansprüche des Auftraggebers aus diesem Vertrag verjähren in fünf Jahren.
9.5 Die Verjährung beginnt mit der Erfüllung der letzten nach dem Vertrag zu erbringenden Leistung.
9.6 Ist dem Auftragnehmer die Objektüberwachung/Bauoberleitung (Leistungsphase 8) und/oder die örtliche Bauüberwachung (§ 57 HOAI) übertragen, beginnt die Verjährung entsprechend 9.5, spätestens jedoch mit dem Tag der Übergabe der Objekte an die nutzende Verwaltung. Beide Vertragsparteien können verlangen, dass die Übergabe nach gemeinsamer Verhandlung protokolliert wird. Für die nach der Übergabe noch zu erbringenden Restleistungen bei der Objektüberwachung, Bauoberleitung und/oder örtlichen Bauüberwachung (z.B. Prüfung von Nachzüglerrechnungen der bauausführenden Unternehmen, Kostenfeststellung) beginnt die Verjährung entsprechend 9.5.
9.7 Sind Leistungen der Leistungsphase 9 übertragen, beginnt die Verjährung für diese Leistungen entsprechend 9.5
9.9 Für Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung gelten die gesetzlichen Vorschriften über die Verjährung."

Das Bauvorhaben wurde 1993 fertig gestellt. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, die vereinbarten Kostenermittlungen nicht ordnungsgemäß vorgenommen zu haben. Sie hat den Beklagten zunächst auf Auskunftserteilung über die Kostenentwicklung sowie auf Rückzahlung des auf die Teilleistungen Kostenschätzung, Kostenberechnung und Kostenanschlag entfallenden Honorars in Höhe von 3.080,77 € in Anspruch genommen. Zuletzt hat sie neben dieser Rückzahlung Schadensersatz in Höhe von 108.191,53 € wegen nicht erlangter Förderungsmittel verlangt. Das Landgericht hat die auf diese Ansprüche gerichtete Klage durch Schlussurteil abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht bestimmt sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I. Das Berufungsgericht nimmt an, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin sei verjährt. Die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs bestimme sich nach § 638 BGB i.V.m. § 9 AVB. § 9.6 AVB sei nicht wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Die Klausel sei nicht unklar, so dass § 5 AGBG nicht anzuwenden sei. Auch § 9 AGBG stehe der Geltung der Klausel nicht entgegen. Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Bauwerksübergabe widerspreche nicht wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes. § 9 AVB sehe einen zulässig gestaffelten Verjährungsbeginn vor. Bei am Übergabetag (§ 9.6 AVB) bereits erbrachten Leistungen solle die Frist an diesem Tag anfangen, bei späteren nach der Erfüllung. Für die am Übergabetag noch nicht erfolgten Leistungen werde die Verjährung damit nicht verkürzt. Die Übergabe sei eine zulässige Teilabnahme der bereits fertig gestellten Leistungen. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf einen gegen ihn gerichteten Anspruch hinzuweisen. In dreißig Jahren verjährende Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie berufe sich nicht auf die Verletzung einer Nebenpflicht durch mangelnde begleitende Kostenkontrolle oder Unterlassung eines Hinweises, sondern vielmehr darauf, dass der Beklagte einer Hauptleistungspflicht nicht nachgekommen sei.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin ist verjährt.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der eingeklagte Anspruch nach §§ 635, 638 BGB [a.F.] einer Verjährungsfrist von fünf Jahren unterliegt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stützt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auf nicht ordnungsgemäße Kostenermittlungen durch den Beklagten. Es kann offen bleiben, inwieweit eine Beratung des Bauherrn über Kosten des Bauvorhabens zu den Nebenpflichten eines Architekten gehört, bei deren Verletzung Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - VII ZR 171/95, BauR 1997, 494, 496 = ZfBR 1997, 195). Da die Parteien eine Kostenermittlung als Eigenschaft des geschuldeten Werks vereinbart haben, richten sich Ansprüche wegen mangelhafter Leistung nach § 635 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2004 - VII ZR 128/03, BauR 2005, 400, 405 = ZfBR 2005, 178 = NZBau 2005, 158). Der geltend gemachte Schaden hängt unmittelbar mit einer fehlerhaften Kostenermittlung zusammen. Denn die Kostenermittlung sollte auch die Möglichkeit einer Finanzierung entsprechend der Disposition der Klägerin absichern. Ein Schaden, der daraus entsteht, dass eine mögliche höhere Förderung gescheitert ist, ist daher kein entfernter Mangelfolgeschaden, sondern wird von § 635 BGB erfasst. Die Anwendung einer längeren Verjährungsfrist ist auch nicht deshalb aus wertenden Gesichtspunkten geboten, weil eine späte Erkennbarkeit des Mangels zu besorgen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1976 - VII ZR 129/74, BGHZ 67, 1, 10, und Urteil vom 25. Juni 1991 - X ZR 4/90, BGHZ 115, 32, 36).

2. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beginn der Verjährung des Anspruchs der Klägerin bestimme sich nach §§ 9.5 und 9.6 AVB.

Ob §§ 9.5 und 9.6 AVB einer Überprüfung nach dem AGBG nicht standhalten, wie die Revision meint, kann dahinstehen. Eine Anwendung dieses Gesetzes auf die streitigen Klauseln kommt nicht in Betracht.

Schließt eine Vertragspartei in der Regel Verträge unter Einbeziehung von bestimmten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab, ist sie auch dann Verwenderin, wenn ihr Vertragspartner diese Vertragsbedingungen im Hinblick darauf bereits in sein Angebot aufgenommen und damit formal in den Vertragsabschluss eingeführt hat (BGH, Urteil vom 4. März 1997 - X ZR 141/95, NJW 1997, 2043).

Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, sind die AVB Klauseln, die speziell für Verträge mit kommunalen Auftraggebern entwickelt wurden und deren Interessen berücksichtigen (vgl. Bindhardt/Jagenburg, Die Haftung des Architekten, 8. Auflage, § 10 Rdn. 41) und die vom Beklagten in der berechtigten Erwartung verwendet wurden, die Klägerin werde die sonst bei privaten Auftraggebern üblichen Bestimmungen nicht akzeptieren. Diese von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen beruhen auf unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Beklagten, ihm sei bereits vor Vertragsschluss bekannt gewesen, dass auch die Klägerin einen gewissen Wert darauf legen würde, anlässlich des Abschlusses eines Architektenvertrages diejenigen Formulare zu verwenden, die üblicherweise für die Vergabe kommunaler Aufträge an Architekten und Planer verwendet werden.

Die Klägerin ist mithin Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Inhaltskontrolle der Klauseln zu ihren Gunsten kommt nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - VII ZR 354/85, BGHZ 99, 160, 161).

3. Danach sind etwaige Ansprüche der Klägerin wegen fehlender Kostenermittlungen verjährt. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Übergabe des Objekts an die nutzende Verwaltung i. S. von § 9.6 AVB spätestens am 13. Juli 1993 erfolgt und es bis zum Eintritt der Verjährung mit Ablauf des 13. Juli 1998 zu einer Verjährungsunterbrechung oder -hemmung nicht gekommen ist. Auf diese Feststellungen hat das Berufungsgericht Bezug genommen. Dies greift die Revision nicht an. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.