Inhalt des
Schadensersatzanspruches statt der Leistung bei mangelhafter Werkleistung:
Mängelbeseitigungskosten oder Minderung des Verkehrswerts?
BGH, Urteil
vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03
Fundstelle:
NJW-RR 2005, 1039
Leitsatz:
Der Anspruch nach § 635 BGB a.F. ist auf
den zur Mangelbeseitigung notwendigen Betrag gerichtet. Der Besteller kann
auch dann nicht auf den Ersatz der objektiven Minderung des Verkehrswerts
des Werks verwiesen werden, wenn diese erheblich geringer ist als die Kosten
der Mangelbeseitigung.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Haftungsausfüllung beim
Schadensersatzanspruch des Bestellers bei einer mangelhaften Werkleistung.
Das Urteil ist noch unter dem bisherigen Schuldrecht ergangen. Hinsichtlich
der Anspruchsbegründung wäre seit dem 1.1.2002 nicht mehr ein Anspruch auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 635 BGB a.F.), sondern ein Anspruch
auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 BGB
gegeben. Das Minderungsrecht ergäbe sich nach neuem Recht aus §§ 634 Nr. 3,
638 I, 323 BGB. Hinsichtlich der hier erörterten Fragen der
Haftungsausfüllung hat sich aber keine Änderung ergeben, so daß das Urteil
auch unter neuem Schuldrecht von Interesse ist. Daß sich ein
Nachbesserungsanspruch auch auf vollständige Neuerbringung der Werkleistung
richten kann, ergibt sich nach neuem Recht unmittelbar aus dem Gesetz (s. §
635 I BGB n.F.). Im Falle der Unverhältnismäßigkeit der
Mängelbeseitigungskosten kommt dann aber ein Verweigerungsrecht aus § 635
III BGB n.F. in Betracht. Bestünde ein solches, kann auch Schadensersatz nur
in Höhe der Wertminderung verlangt werden. Was der BGH hier unter
entsprechender Anwendung von § 251 II BGB erörtert, ist nach neuem Recht
also bei § 635 III BGB n.F. zu erörtern (s. dazu jetzt
BGH v. 11.10.2012 -
VII ZR 179/11).
©sl 2005
Tatbestand:
Die Klägerin
fordert vom Beklagten Minderung und Schadensersatz.
Sie erwarb 1994 vom Beklagten eine fast fertiggestellte Doppelhaushälfte als
Wohnungseigentum; zu ihren Gunsten ist im Grundbuch eine
Auflassungsvormerkung eingetragen. Ausweislich des notariellen Vertrages
hatte sie auf den Erwerbspreis von 210.000 DM bereits 30.000 DM gezahlt;
ferner durfte sie 25.000 DM wegen bei Beurkundung vorhandener und vom
Beklagten zu beseitigender Mängel zurückbehalten. Den restlichen
Erwerbspreis in Höhe von 155.000 DM zahlte sie vereinbarungsgemäß auf ein
Treuhandkonto des beurkundenden Notars. Die zweite Doppelhaushälfte bezog
der Beklagte, der das gesamte Bauwerk überwiegend in Eigenleistung
errichtete.
Nach ihrem Einzug teilte die Klägerin dem Beklagten ab 1994 in mehr als 50
Schreiben fortlaufend Mängel mit. Wie inzwischen unstreitig ist, liegen
Mängel vor, die zu einer Minderung von 31.250 DM und zu einem
Mangelbeseitigungsaufwand von 153.391,06 DM führen. Die Klägerin hat den
Erwerbspreis gemindert und im übrigen die Aufrechnung erklärt.
Sie hat vom Beklagten u.a. begehrt, den Notar anzuweisen, die auf das
Treuhandkonto gezahlten 155.000 DM an sie auszuzahlen. Das Landgericht hat
der Klage insoweit stattgegeben. Das Berufungsgericht hat aufgrund einer
anderen Berechnung der Minderung und des Schadensersatzanspruches lediglich
einen auszuzahlenden Betrag in Höhe von 40.029 € (= 78.289,92 DM) zuerkannt
und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision
erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen
Schlußurteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Die Klägerin beansprucht zu Recht die Auszahlung
ihres auf das Treuhandkonto des beurkundenden Notars gezahlten Teils des
Erwerbspreises in Höhe von 155.000 DM und Zinsen.
Das für das Schuldverhältnis maßgebende Recht richtet sich nach den bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I. Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stünden wegen Mängeln der
Wohnung dem Grunde nach sowohl Ansprüche auf Minderung nach § 634 Abs. 1 BGB
als auch auf Schadensersatz gemäß § 635 BGB zu. Die Klägerin könne jedoch
nicht die Kosten, die zur Mängelbeseitigung erforderlich seien, in voller
Höhe ersetzt verlangen. Vielmehr ergebe sich die Höhe der Minderung und des
Schadensersatzes aus der Differenz zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert
des Objekts einerseits und seinem hypothetischen Wert in mangelfreiem
Zustand andererseits. Es komme allein auf den wirtschaftlichen Nachteil der
Klägerin an, der in der tatsächlichen Wertdifferenz zwischen mangelhaftem
und mangelfreiem Zustand liege, nicht aber auf die Kosten, mit denen das
Objekt in einen mangelfreien Zustand versetzt werden könnte. Andernfalls
stünde der Klägerin ein höherer Betrag zu als sie ihn tatsächlich geleistet
habe.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Klägerin wegen
festgestellter Mängel an ihrer Wohnung Gewährleistungsansprüche nach den §§
634, 635 BGB mit der Folge zustehen, daß sie für einen Teil der Mängel
Minderung und für einen anderen Teil der Mängel Schadensersatz verlangen
kann. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird vom Revisionsbeklagten
hingenommen. Desgleichen trifft die Ausführung des Berufungsgerichts zu, die
Klägerin könne vom Beklagten verlangen, den amtierenden Notar anzuweisen, an
sie den ihr zustehenden Betrag aus dem Treuhandkonto zu zahlen.
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne als Ausgleich
für alle Mängel allein die Differenz zwischen dem Verkehrswert des Objektes
in mangelfreiem und in mangelbehaftetem Zustand fordern, trifft nicht zu.
a) Der Besteller kann, sofern er für bestimmte Mängel keine Minderung
fordert, im Rahmen des kleinen Schadensersatzanspruchs nach § 635 BGB
entweder den mangelbedingten Minderwert des Werkes oder den Betrag geltend
machen, der für die Beseitigung des Mangels erforderlich ist (st. Rspr.;
BGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90, BauR 1991, 744 = ZfBR 1991,
265 und vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 366). Der
Anspruch nach § 635 BGB ist auf Geld gerichtet, und zwar auf den zur
Mangelbeseitigung notwendigen Betrag (BGH, Urteil vom 6. November 1986 -
VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 84). Er soll die Nachteile des Bestellers
ausgleichen, die ihm durch die mangelhafte Werkleistung entstanden sind. Er
tritt an die Stelle des auf mangelfreie Herstellung gerichteten
Erfüllungsanspruchs. Wie jener zielt er auf die Herbeiführung des vom
Unternehmer geschuldeten werkvertraglichen Erfolgs (vgl. BGH, Urteil vom
25. Februar 1999 - VII ZR 208/97, BGHZ 141, 63, 66 f.). Dieser Zweck würde
unterlaufen, wenn der Unternehmer als Ausgleich für das mangelhafte Werk nur
Ersatz der objektiven Minderung des Verkehrswerts schuldete, sofern diese
geringer ist als die Kosten für die Mangelbeseitigung.
Danach wird die wirtschaftliche Betrachtung des Berufungsgerichts der
Rechtsnatur des Schadensersatzanspruches aus § 635 BGB nicht gerecht.
Seine Auffassung würde zudem der Rechtsprechung zuwiderlaufen, nach der ein
Nachbesserungsanspruch auch nach Abnahme des Werkes auf Neuherstellung
gerichtet sein kann, wenn nur auf diese Weise die Mängel nachhaltig zu
beseitigen sind (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1985 - VII ZR 303/84, BGHZ
96, 111, 117 f.). Der Senat hat in diesem Zusammenhang betont, daß es keine
Rolle spielt, welche Kosten die Neuherstellung als Mangelbeseitigung
verursache; selbst die Nachbesserung nur einzelner Teile könne sehr
aufwendig sein und die hierfür notwendigen Kosten den geschuldeten Werklohn
bei weitem übersteigen. Gleiches gilt für den Schadensersatzanspruch aus §
635 BGB, mit dem der Besteller in die Lage versetzt werden soll, den Zustand
herzustellen, den der Unternehmer durch seine Leistung hätte herbeiführen
sollen.
b) Allerdings besteht die Möglichkeit des Bestellers, seinen
Schadensersatzanspruch anhand der Mängelbeseitigungskosten zu berechnen,
nicht uneingeschränkt. So kann der Unternehmer in entsprechender
Anwendung des § 251 Abs. 2 BGB die Erfüllung eines nach den
Mangelbeseitigungskosten berechneten Schadensersatzanspruches verweigern,
wenn es für ihn unzumutbar wäre, die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise
geforderten Aufwendungen tragen zu müssen. Im Grundsatz und in der Regel
muß es jedoch bei den Folgen aus § 635 BGB verbleiben, so daß der Besteller
im Wege des Schadensersatzes die Aufwendungen fordern kann, die erforderlich
sind, um das geschuldete Werk in einen mangelfreien Zustand zu versetzen
(BGH, Urteil vom 27. März 2003 - VII ZR 443/01, BGHZ 154, 301, 305 und
Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 367 f.).
Das Berufungsgericht trifft von seinem Standpunkt aus folgerichtig hierzu
keine gesonderten Feststellungen. Nach seinen im übrigen getroffenen
Feststellungen kann sich der Beklagte jedoch nicht auf § 251 Abs. 2 BGB
berufen. Die von ihm zu zahlenden Mängelbeseitigungskosten sind in Bezug auf
den mit der Beseitigung der Mängel zu erzielenden Erfolg nicht
unverhältnismäßig. Das Berufungsgericht stellt dazu fest, daß das Bauwerk
geradezu elementar geschädigt ist. Zudem lassen die zahlreichen Mängel die
Annahme eines gravierenden Verschuldens des Beklagten zu. Der Beklagte hat
sich ferner beharrlich geweigert, die Mängel zu beseitigen.
c) Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der Klägerin seien
nach § 254 BGB beschränkt, da es wirtschaftlich unvernünftig wäre, ein
elementar geschädigtes Bauwerk mit einem Aufwand herzustellen, der dem
Neuwert gleichkomme, überzeugt nicht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift
liegen nicht vor. Die Klägerin ist nicht wegen ihrer
Schadensminderungspflicht gehalten, sich mit den Mängeln des Bauwerks
abzufinden.
III. Danach kann das Urteil im angefochtenen Umfang nicht bestehen bleiben.
Es ist insoweit aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten
sind, ist die Sache endentscheidungsreif, § 563 Abs. 3 ZPO. Daher ist die
Berufung des Beklagten gegen das Schlußurteil des Landgerichts mit der
Klarstellung zurückzuweisen, daß der Miteigentumsanteil der Klägerin
492,06/1000 beträgt.
IV. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelzüge beruht auf §§ 91,
97 ZPO.
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