Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung bei
berechtigter Verweigerung der Nacherfüllung nach § 635 III BGB
(Werkvertrag); Haftungsausfüllung: analoge Anwendung von § 251 II S. 1 BGB
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 -
VII ZR 179/11 - OLG Oldenburg
Fundstelle:
NJW 2013, 370
Amtl. Leitsatz:
a) Der Besteller kann unter den Voraussetzungen
von § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB ohne vorherige Fristsetzung
Schadensersatz statt der Leistung für Mängel der Werkleistung beanspruchen,
wenn der Unternehmer die Nacherfüllung hinsichtlich dieser Mängel gemäß §
635 Abs. 3 BGB zu Recht als unverhältnismäßig verweigert hat.
b) Macht der Besteller werkvertraglichen Schadensersatz in Höhe der
Mängelbeseitigungskosten geltend, entsprechen die für die Beurteilung der
Unverhältnismäßigkeit dieses Aufwands nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB
maßgeblichen Kriterien denen, die bei der gemäß § 635 Abs. 3 BGB gebotenen
Prüfung des unverhältnismäßigen Nacherfüllungsaufwands heranzuziehen sind.
Zentrale Probleme:
Eine interessante Entscheidung zum Werkvertragsrecht,
die angesichts der identischen Strukturen auch auf das Kaufrecht übertragen
werden könnte (was jetzt auch in BGH v. 4.4.2014
- V ZR 275/11 Rn. 33 ff geschehen ist). Es geht um die Frage des Schadensersatzes statt der Leistung,
wenn der Unternehmer die Nacherfüllung nach § 635 III BGB (im Kaufrecht wäre
es § 439 III BGB) wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern kann (s. dazu auch
BGH v. 10.11.2005 - VII ZR 64/04).
Im konkreten Fall Bestand der Mangel in der mangelhaften Isolierung von im
Boden verlegten Wasserrohren. Einem Nacherfüllungsaufwand von über 40 000.-
€ stand ein vergleichsweise minimer Vorteil für den Besteller
(Energieersparnis von 50 €/Jahr) gegenüber. Nicht ganz eindeutig ist der
Senat in der Begründung des Schadensersatzanspruchs, da er zwischen §§ 634
Nr. 4 280 I, III, 281 BGB und §§ 634 Nr. 4 280 I, III, 283 BGB schwankt (s.
bei Tz. 8). Man kann diesen Schadensersatzanspruch auf §§
634 Nr. 4, 280 I, III, 283 BGB stützen, wenn man das Verweigerungsrecht des
§ 635 III BGB als einen Sonderfall von § 275 II BGB versteht (s. § 275 IV
BGB). Da aber § 636 BGB (im Kaufrecht § 440 BGB) in den Fällen einer
berechtigten Verweigerung der Nacherfüllung die Fristsetzung entbehrlich
machen, spricht systematisch viel dafür, den Anspruch auf Schadensersatz
statt der Leistung unter Wegfall des Fristsetzungserfordernisses auf § 634
Nr. 4, 280 I, III, 283 BGB zu stützen. Im Ergebnis macht das keinen
Unterschied. Wichtig ist die Entscheidung für die Höhe des Schadensersatzes:
Würde man dem Besteller hier im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung
Geldersatz in Höhe des Reparaturaufwands zusprechen (was sonst möglich ist,
s. BGH,
Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03), verlöre das
Verweigerungsrecht des § 635 III BGB jeglichen Sinn, weil der Unternehmer
dann doch wieder mit diesen unverhältnismäßigen Kosten (in der Form einer
Zahlungsverpflichtung) belastet würde. Daher wendet der Senat § 251 II 1 BGB
analog an: Zu ersetzen ist der Minderwert, den das Gebäude jetzt durch die
mangelhafte Werkleistung hat (s. dazu schon
BGHZ 154, 301).
Die gesamte Problematik lässt sich 1:1 auf das Kaufrecht übertragen (so
jetzt in BGH v. 4.4.2014
- V ZR 275/11 Rn. 33 ff).
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt von dem
Beklagten Restwerklohn für Heizungs- und Sanitärinstallationsarbeiten. Mit
der Widerklage beansprucht der Beklagte mangelbedingten Schadensersatz.
2 Die Klägerin schloss mit dem Beklagten und seiner Mutter im Jahr 2006
einen Vertrag über die Erbringung von Heizungs- und Installationsarbeiten in
einem Doppelhaus in I. Der Beklagte ist Eigentümer der Doppelhaushälfte 6a;
die Doppelhaushälfte 6 steht im Eigentum der Mutter des Beklagten. Mit der
Klage beansprucht die Klägerin Restwerklohn in Höhe von 6.248,43 € für die
in der Doppelhaushälfte des Beklagten ausgeführten Werkleistungen. Den
Restwerklohn für Arbeiten in der Doppelhaushälfte 6 macht sie im
Parallelverfahren VII ZR 180/11 geltend.
3 Der Beklagte hat Mängel der seine Doppelhaushälfte betreffenden
Werkleistungen behauptet, die mit einem die Klageforderung übersteigenden
Kostenaufwand beseitigt werden müssten und gemeint, die Bezahlung der
Restwerklohnforderung, die mangels Abnahme der Werkleistungen ohnehin noch
nicht fällig sei, jedenfalls bis zur Beseitigung der Mängel verweigern zu
dürfen. Das Landgericht hat den Beklagten nach Beweisaufnahme zur
Zahlung von 3.928,43 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen
Rechtsverfolgungskosten sowie zur Zahlung von weiteren 2.500 € Zug um Zug
gegen Beseitigung näher bezeichneter Mängel verurteilt und die Klage im
Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht
die erstinstanzliche Entscheidung unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels dahin abgeändert, dass der Beklagte 1.078,43 € nebst Zinsen
sowie weitere 4.350 € Zug um Zug gegen Beseitigung von Mängeln zahlen muss.
Darüber hinaus hat es vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zugesprochen.
Im Berufungsverfahren hat der Beklagte Widerklage erhoben, mit der er die
zuvor zur Begründung seines mangelbedingten Leistungsverweigerungsrechts
geltend gemachten Kosten für die Beseitigung von Mängeln an der Dämmung bzw.
der Befestigung der auf der Bodenplatte verlegten Warm- und
Kaltwasserleitungen in Höhe von 43.923,73 € nunmehr im Wege des
Schadensersatzes verlangt. Das Berufungsgericht hat die
Schadensersatzforderung für nicht gerechtfertigt gehalten, weil die Klägerin
die Mängelbeseitigung wegen des unverhältnismäßig hohen
Nachbesserungsaufwandes zu Recht verweigert habe und der Beklagte sich
deshalb insoweit auf eine Minderung des Werklohns verweisen lassen müsse.
Hierfür hat es den nach den Feststellungen des gerichtlichen
Sachverständigen wegen der unzureichenden Isolierung der Warmwasserrohre
verbleibenden technischen Minderwert von 1.000 € von der Klageforderung
abgezogen; die Widerklage hat es abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen
Revision wendet sich der Beklagte nur gegen die Aberkennung seiner einen
Betrag von 1.000 € übersteigenden Widerklageforderung.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision führt im geltend gemachten Umfang zur Aufhebung des
Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I.
5 Das Berufungsgericht führt aus, die Werkleistungen der Klägerin seien
mangelhaft, weil sie die Warmwasserleitungen in der Bodenplatte nur mit
einer 13 mm starken Dämmung versehen habe, obwohl nach den maßgeblichen
Bestimmungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) die Dämmung eine
Mindeststärke von 20 mm aufweisen müsse. Dass dies dem Beklagten schon vor
Beginn der Dämmarbeiten bewusst gewesen sei und er die von der Klägerin
vorgesehene Ausführung dennoch zugelassen habe, könne insbesondere mit
Rücksicht auf deren Erklärung, stets eine derartige Dämmung zu verwenden,
zwar nicht als Verzicht auf eine vertragsgerechte Erstellung des Werkes
angesehen werden. Gleichwohl stehe dem Beklagten der mit der Widerklage
geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil die Klägerin gemäß §
635 Abs. 3, § 275 Abs. 2 BGB berechtigt gewesen sei, die Nacherfüllung wegen
Unverhältnismäßigkeit zu verweigern. Der Aufwand für die Beseitigung
der in Rede stehenden Mängel stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem
Vorteil, den der Beklagte durch die Nachbesserung erlangen könne. Dessen
Interesse an einer Beseitigung der Mängel sei gering, weil nach den
Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen H. die konkrete Nutzung
des Gebäudes durch die nicht fachgerechte Dämmung der Warmwasserleitungen
nicht beeinträchtigt sei und der mangelbedingt höhere Energieverbrauch
lediglich zu Mehrkosten von ca. 50 € pro Jahr führe. Dem
stünden erhebliche, unangemessen hohe Nachbesserungskosten von ca. 44.000 €
gegenüber. Berücksichtige man vor diesem Hintergrund, dass die
Klägerin den Mangel weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht habe
und das Ausmaß des ihr anzulastenden Verschuldens eher gering sei, der
Beklagte seinerseits aus Zeitgründen sehenden Auges eine mangelhafte Dämmung
der Warmwasserrohre hingenommen habe, so führe die Gesamtabwägung der
maßgeblichen Umstände dazu, dass die Klägerin berechtigt sei, die
Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit zu verweigern. Der Beklagte könne
lediglich Minderung in Form eines angemessenen Ausgleichs für den
Wertverlust des Werkes verlangen. Maßgeblich sei der verbliebene technische
Minderwert, der auf der Grundlage der hierzu vom Sachverständigen H.
getroffenen Feststellungen mit 1.000 € zu veranschlagen sei. Ein Ausgleich
für merkantilen Minderwert komme nicht in Betracht, weil die Nutzbarkeit des
Gebäudes nicht eingeschränkt und der mangelbedingt höhere Energieverbrauch
unwesentlich sei.
II.
6 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7 1. Der Entscheidung des Berufungsgerichts liegt die Erwägung
zugrunde, dass der Besteller keinen Schadensersatz statt der Leistung gemäß
§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB wegen festgestellter Mängel der
Werkleistungen beanspruchen kann, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung
hinsichtlich dieser Mängel gemäß § 635 Abs. 3 BGB zu Recht verweigert hat.
Stattdessen will es ihn auf eine Minderung des Werklohns in Höhe eines
angemessenen Ausgleichsbetrages für den Wertverlust des Werkes verweisen.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
8 a) Der Anspruch des Bestellers auf Schadensersatz für schuldhaft
verursachte Werkmängel entfällt nicht schon dadurch, dass der Unternehmer zu
Recht gemäß § 635 Abs. 3 BGB einwendet, diese Mängel nicht beseitigen zu
müssen. Er darf gemäß § 635 Abs. 3 BGB die Nacherfüllung verweigern, wenn
sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Darüber hinaus darf er
die Leistung in den Fällen der "faktischen oder praktischen Unmöglichkeit"
gemäß § 275 Abs. 2 und 3 BGB verweigern. Für diese Fälle ergibt sich
unmittelbar aus § 275 Abs. 4, § 283 BGB, dass der Besteller unter den
Voraussetzungen des § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der
Leistung für Mängel der Werkleistung ohne vorherige Fristsetzung
beanspruchen kann. Eine entsprechende Regelung für den Fall der
Leistungsverweigerung gemäß § 635 Abs. 3 BGB fehlt zwar. Es besteht
jedoch kein Zweifel, dass der Gesetzgeber auch für diesen Fall einen
Schadensersatzanspruch statt der Leistung unter den Voraussetzungen von §
280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB eröffnen wollte. Das ergibt sich ohne weiteres
aus § 636 BGB, wonach es zur Entstehung des Schadensersatzanspruchs
grundsätzlich einer Fristsetzung nicht bedarf, wenn der Unternehmer die
Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigert (vgl. auch
BT-Drucks. 14/6040, S. 234 und 265).
9 b) In welcher Höhe der Unternehmer Schadensersatz zu leisten hat
und wie die Entschädigung zu berechnen ist, ergibt sich aus den Vorschriften
zum allgemeinen Schadensrecht in §§ 249 ff. BGB. Allerdings kommt ein
Anspruch auf Naturalrestitution regelmäßig nicht in Betracht, weil dadurch
die Erfüllung der vertraglichen Leistung herbeigeführt würde, die der
Besteller gemäß § 281 Abs. 4 BGB gerade nicht mehr verlangen kann.
Stattdessen ist er in Geld zu entschädigen (BGH, Urteil vom
6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99,
81).
10 Die Entschädigung kann der Besteller nach der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich wahlweise nach der
Differenz zwischen dem Verkehrswert des Werkes mit und ohne Mangel ermitteln
oder in Höhe der Aufwendungen geltend machen, die zur vertragsgemäßen
Herstellung des Werkes erforderlich sind (BGH,
Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014 = NZBau 2005,
390 = ZfBR 2005, 461; Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90, BauR 1991,
744 = ZfBR 1991, 265; Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59,
365, 366).
11 c) Die dem Besteller nach dieser Rechtsprechung eröffnete
Möglichkeit, seinen Schadensersatzanspruch anhand der
Mängelbeseitigungskosten zu berechnen, gilt nicht uneingeschränkt. Der Senat
hat bereits entschieden, dass dieser Schadensberechnung in entsprechender
Anwendung des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB der Einwand entgegengehalten werden
kann, die Aufwendungen zur Mängelbeseitigung seien unverhältnismäßig
(BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365,
366; Urteil vom 27. März 2003 - VII ZR 443/01,
BGHZ 154, 301, 305; Urteil vom 10. März 2005 -
VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014 = NZBau 2005, 390 = ZfBR 2005, 461;
Urteil vom 29. Juni 2006 - VII ZR 86/05, BauR 2006, 1736, 1738 = NZBau 2006,
642 = ZfBR 2006, 668). Unverhältnismäßig in diesem Sinne sind die
Aufwendungen für die Beseitigung des Werkmangels, wenn der in Richtung auf
die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung
aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe
des dafür gemachten Geldaufwandes steht und es dem Unternehmer nicht
zugemutet werden kann, die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise gemachten
Aufwendungen tragen zu müssen. In einem solchen Fall würde es Treu und
Glauben widersprechen, wenn der Besteller diese Aufwendungen dem Unternehmer
anlasten könnte (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71,
aaO; Urteil vom 27. März 2003 - VII ZR 443/01, aaO;
Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03, aaO;
Urteil vom 29. Juni 2006 - VII ZR 86/05, aaO).
12 Der Bundesgerichtshof hat bisher nicht entschieden, ob die nach
obigen Grundsätzen für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit im Sinne
des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB maßgeblichen Kriterien denen entsprechen, die
bei der nach § 635 Abs. 3 BGB gebotenen Prüfung des unverhältnismäßigen
Nacherfüllungsaufwands heranzuziehen sind. Das ist zu bejahen, wenn, wie
hier, werkvertraglicher Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten
beansprucht wird. Durch die Zubilligung dieses Schadensersatzanspruches soll
der Besteller einen Ausgleich für die Nachteile erhalten, die ihm durch die
mangelhafte Ausführung der Werkleistung entstanden sind. Sein Anspruch auf
monetären Ausgleich für Mangelschäden beruht auf seinem berechtigten
Interesse an der Verwirklichung des vom Unternehmer geschuldeten
Werkerfolgs. Er soll hinsichtlich der Beseitigung dieser Mängel im Ergebnis
nicht besser stehen als er bei tauglicher Nacherfüllung durch den
Unternehmer stünde. Dann aber besteht kein vernünftiger Grund, dem
Unternehmer, der die Beseitigung von Mängeln wegen eines damit verbundenen
unverhältnismäßigen Aufwands gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigern darf,
gleichwohl im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der
Mängelbeseitigungskosten abzuverlangen. Aus dem Umstand, dass der
Besteller Schadensersatz nur für solche Mängel beanspruchen kann, die der
Unternehmer zu vertreten hat, folgt nichts anderes. Es entspricht ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei der Beurteilung der
Unverhältnismäßigkeit nach § 635 Abs. 3 BGB das Verschulden des Unternehmers
zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - VII ZR 235/93, BauR 1995, 540 = ZfBR 1995, 197; vgl. auch
Urteil vom 27. März 2003 - VII ZR
443/01, BGHZ 154, 301; Urteil vom 10. November 2005 - VII ZR 64/04, BauR
2006, 377 = NZBau 2006, 110 = ZfBR 2006, 154). Liegt Verschulden vor, fällt
es ebenso wie bei § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB ins Gewicht, ohne dass sich
hieraus die Notwendigkeit ergeben könnte, die Unverhältnismäßigkeit des
Mängelbeseitigungsaufwands im Rahmen des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB anderen
Kriterien zu unterwerfen, als sie für § 635 Abs. 3 BGB gelten. Daraus folgt
im Ergebnis, dass der Besteller mangelbedingten Schadensersatz stets nur in
Höhe der Verkehrswertminderung beanspruchen kann, wenn der Unternehmer die
Nacherfüllung zu Recht gemäß § 635 Abs. 3 BGB als unverhältnismäßig
verweigert hat.
13 2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis nur Bestand haben, wenn der dem Beklagten
zustehende Schadensersatzanspruch den Betrag nicht übersteigt, den ihm das
Berufungsgericht bereits im Wege der Minderung mit 1.000 € für den
technischen Minderwert des Werks zugebilligt hat. Das ist denkbar, weil
Schadensersatz statt der Leistung nach § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs.
1 BGB auf einen Ausgleich für den technischen Minderwert der mangelhaften
Werkleistung beschränkt sein kann, wenn eine zusätzliche Wertminderung nicht
in Betracht kommt. Der Beklagte hat im Verfahren der Vorinstanzen zwar keine
Minderung geltend gemacht. Er nimmt die Entscheidung des Berufungsgerichts
in diesem Punkt jedoch hin und beansprucht mit der Revision nur noch den
1.000 € übersteigenden Teil seiner Schadensersatzforderung. Damit trägt der
Beklagte dem bei der Schadensbemessung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt
Rechnung, die an die Klägerin zu zahlende Vergütung in Höhe des
rechtskräftig zuerkannten Minderungsbetrages erspart und hierdurch einen
Vorteil erlangt zu haben, den er sich nach allgemeinen schadensrechtlichen
Grundsätzen auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muss.
14 Eine dahingehende Entscheidung kann der Senat nicht treffen. Die
Feststellungen des Berufungsgerichts bieten keine ausreichende Grundlage für
die Annahme, dass der dem Beklagten zu ersetzende Schaden auf einen mit
1.000 € zu veranschlagenden technischen Minderwert beschränkt ist.
15 Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 251
Abs. 2 Satz 1 BGB erfüllt sind. Seine zu § 635 Abs. 3 BGB getroffenen
Feststellungen, die insoweit herangezogen werden könnten, sind unzureichend,
weil sie den hierfür maßgeblichen Sachvortrag der Parteien nicht
ausschöpfen.
16 a) Allerdings wirft die Revision dem Berufungsgericht zu Unrecht vor, es
habe bei der nach § 635 Abs. 3 BGB vorzunehmenden Abwägung der Regelung des
§ 12 Abs. 5 EnEV keine hinreichende Beachtung geschenkt, die eine von der
Klägerin nicht eingehaltene Mindestdämmung der Warmwasserleitungen
vorschreibe. Das Berufungsgericht hat diesen Gesichtspunkt berücksichtigt,
indem es zutreffend von einem fahrlässigen Verstoß gegen die Vorschriften
der EnEV ausgeht. Der weitergehende Einwand der Revision, hier wiege das
Ergebnis der nicht vertragsgerechten Ausführung der Werkleistung besonders
schwer, weil die Klägerin gegen gesetzliche Bestimmungen
verstoßen habe, greift ebenfalls nicht. Er allein führt jedenfalls nicht
dazu, dass die Klägerin sich nicht auf die Unverhältnismäßigkeit der
Mängelbeseitigungskosten berufen kann. Der Beklagte übersieht, dass gerade
die Nichteinhaltung der Vorgaben in § 12 Abs. 5 EnEV den Mangelvorwurf
begründet. Für die nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB vorzunehmende
Unverhältnismäßigkeitsprüfung kommt diesem Umstand keine andere Bedeutung
zu, als sie einem schuldhaften Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik
oder vertragliche Beschaffenheitsvereinbarungen zuteil wird. Im Übrigen ist
der Beklagte nicht der Gefahr ausgesetzt, durch die Entgegennahme der
mangelhaften Werkleistungen selbst in einer Weise gegen gesetzliche
Bestimmungen verstoßen zu haben, die von entscheidender Bedeutung für die
Abwägung nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB sein könnte. Maßgebend ist die
Energieeinsparverordnung in der Fassung vom 8. Dezember 2004 (BGBl. I, S.
3144, 3146). Danach war der Beklagte zwar verpflichtet, für eine den
Vorgaben des § 12 Abs. 5 EnEV entsprechende Dämmung der Warmwasserleitungen
zu sorgen. Er muss allerdings nicht befürchten, wegen der Nichteinhaltung
dieser Vorgaben mit Ordnungsmitteln belegt zu werden, welche der
Verordnungsgeber erst durch § 27 der Energieeinsparverordnung in der Fassung
vom 1. Oktober 2007 (BGBl. I, S. 1519) eingeführt hat.
17 b) Unbegründet ist auch der Einwand der Revision, das Berufungsgericht
habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin den hohen
Mängelbeseitigungsaufwand schuldhaft dadurch herbeigeführt habe, dass sie
auf die entsprechende Rüge des Beklagten nicht auf die gesetzlich
vorgesehene Dämmung hingewiesen habe. Diesen Sachverhalt hat das
Berufungsgericht vertretbar gewürdigt und zutreffend darauf hingewiesen,
dass der Beklagte trotz der ihm durch einen Bausachverständigen vor Beginn
der Estrich- und
Verlegearbeiten vermittelten Kenntnis von der nicht ordnungsgemäßen Dämmung
auf Durchführung der von der Klägerin vorgesehenen Arbeiten bestanden und
dadurch selbst dazu beigetragen habe, dass die hohen Kosten entstanden
seien.
18 c) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit den Standpunkt eingenommen, dass nur die Dämmung der
Warmwasserleitungen nachgebessert werden müsse; die Kaltwasserleitungen
seien nicht betroffen, weil insoweit keine Mindestanforderungen an die
Dämmung bestünden. Damit hat es Tatsachenvortrag des Beklagten übergangen,
den es bei der Abwägung hätte berücksichtigen müssen. Der Beklagte hat
vorgetragen, dass die Kaltwasserleitungen mangelhaft seien, weil sie
ungedämmt unmittelbar neben den warmgebenden Rohrleitungen lägen, zudem über
keine vollständige Schwitzwasserisolierung verfügten und deshalb die Gefahr
einer Salmonellenbildung bestehe. Darüber hinaus seien die Rohrleitungen nur
unzureichend mit einem Textilgurt und einem Bolzenschussgerät auf der
Sohlplatte befestigt worden (S. 2 des Schriftsatzes vom 9. Februar 2010; S.
4/5 des Schriftsatzes vom 30. Januar 2008; siehe auch S. 3 des Schriftsatzes
vom 25. März 2008). Der Beklagte hat seine Schadensersatzforderung auch -
zumindest teilweise - mit diesen Mängeln begründet (S. 2 des Schriftsatzes
vom 19. November 2009). Das Berufungsgericht hätte aufklären müssen,
inwieweit Streit über das Vorhandensein der Mängel besteht und hierzu
gegebenenfalls Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
erheben müssen. Die Aufklärung der vom Beklagten behaupteten Tatsachen ist
für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit von Bedeutung, weil das
Interesse des Beklagten an der Mängelbeseitigung durch das Hinzutreten
weiterer Mängel mehr Gewicht erlangt. Darüber hinaus wird das
Berufungsgericht zu klären haben, ob durch
die unzureichende Dämmung der Kaltwasserleitungen die Gefahr einer
Salmonellenbildung besteht. Sollte die dahin gehende Behauptung des
Beklagten zutreffen, wäre es ihm kaum zuzumuten, dieses Risiko tragen zu
müssen.
19 3. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Prüfung der Unverhältnismäßigkeit gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB unter Berücksichtigung der obigen
Ausführungen und der darüber hinaus vom Beklagten mit der Revision
vorgebrachten Einwendungen zu dem Ergebnis kommen, dass der Beklagte
Schadensersatz nur in Höhe einer mangelbedingten Verkehrswertminderung
beanspruchen kann, wird es im Hinblick auf eventuelle weitere Mängel und
deren Folgen für die zweckentsprechende Verwendung der Werkleistungen neu
darüber befinden müssen, ob der vom Sachverständigen H. geschätzte
technische Minderwert einen angemessenen Ausgleich darstellt. Gleiches gilt
für seine Entscheidung, dass dem Beklagten kein merkantiler Minderwert zu
ersetzen sei. Mit Recht beanstandet die Revision in diesem Punkt, dass das
Berufungsgericht seine Annahme, der Verkehrswert des Gebäudes sei nicht tangiert, mit dem schlichten Hinweis auf einen nur geringfügig höheren
Energieverbrauch und keine darüber hinausgehenden Nutzungsnachteile nicht
hinreichend begründet hat.
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