Haftung von Eltern gegenüber dem Kind bei
Aufsichtspflichtverletzungen; § 1664 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage;
Haftung Dritter als Tierhalter (§ 833 S. 1 BGB); Gesamtschuldnerausgleich;
Innenverhältnis: Alleinige Verantwortlichkeit dessen, der aus Verschulden
haftet (§ 840 Abs. 3 BGB)
BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 210/18 - OLG
Karlsruhe
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsätze:
a) Bei einer Aufsichtspflichtverletzung der
Eltern kann sich ein Anspruch des Kindes gegen diese aus § 1664 Abs. 1 BGB
ergeben. Daneben kann eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB
auch durch Verletzung einer (familienrechtlich begründeten)
Obhutspflicht begangen werden. b) Der Umfang der gebotenen Aufsicht über
Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei
sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet,
was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten
Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern.
Zentrale Probleme:
Es geht um das Zusammentreffen der Haftung von Tierhalter
und Eltern gegenüber einem verletzten Kind. Bei einem offenen Reitturnier
schleicht sich ein dreijähriges Kind von den Eltern davon und begibt sich in
den Bereich der - abseits abgestellten - Pferdeanhänger und wird dabei vom
Pferd der Klägerin verletzt. Diese haftet fraglos nach § 833 S. 1 BGB ohne
Rücksicht auf Verschulden. Sie verlangt nun im Innenverhältnis die
Feststellung der Verpflichtung der Eltern zum Gesamtschuldnerausgleich. Die
Eltern haften gegenüber ihrem Kind wegen Verletzung ihrer Pflicht zur
Personensorge (§ 1626 Abs. 1 S. 2 BGB) direkt aus § 1664 Abs. 1 BGB. Diese
Vorschrift regelt nämlich nicht nur den Haftungsmaßstab, sondern ist auch
Anspruchsgrundlage. Daneben haften die Eltern dem Kind nach § 823 Abs. 1 BGB
(Körperverletzung) durch die Verletzung einer familienrechtlichen
Obhutspflicht. Bei beidem haften sie nur für die eigenübliche Sorgfalt, die
aber hier keine Haftungseinschränkung begründete, weil die Eltern sonst
immer sorgfältig auf das Kind aufgepasst haben (daher liegt auch keine
gestörte Gesamtschuld vor, s. dazu BGHZ 103, 338).
Damit bestand eine Gesamtschuld (§ 840 Abs. 1 BGB). Da aber die Klägerin nur
aus Gefährdung, die Eltern aber aus § 823 Abs. 1 BGB haften, sind gem. § 840
Abs. 3 BGB im Innenverhältnis die Eltern allein verantwortlich.
©sl 2021
Tatbestand:
1 Die Klägerinnen nehmen die Beklagten auf Feststellung der
Verpflichtung zum Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch.
2
Der Streithelfer der Klägerinnen veranstaltete auf seinem Vereinsgelände ein
Reitturnier, das ohne Zugangsbeschränkung und Eintrittsgeld von Zuschauern
besucht werden konnte. Für das Abstellen von Pferdetransportern stellte
er den Turnierteilnehmern verschiedene Wiesen zur Verfügung. Eine dieser
Wiesen grenzte an einen Weg, der während der Turnierveranstaltung befahren
und auch von Besuchern begangen wurde. Entlang des Wegs wurden auf der Wiese
unter anderem verschiedene Landmaschinen ausgestellt. Dahinter befanden sich
von Turnierteilnehmern abgestellte Pferdetransporter und -anhänger.
Dort parkte auch die Klägerin zu 1, die eine Turnierteilnehmerin begleitete,
auf dem ihr zugewiesenen Stellplatz ihr Fahrzeug mit einem Pferdeanhänger.
In diesem befand sich neben dem Pferd der Klägerin zu 1, für welches diese
eine Haftpflichtversicherung bei der Klägerin zu 2 unterhielt, ein weiteres
Pferd der von ihr begleiteten Turnierteilnehmerin. Die Klägerin zu
1 stellte ihr Fahrzeug weisungsgemäß mit der Front zu dem Weg ab, der an die
Wiese anschloss, sodass das Heck des Pferdeanhängers dem Wettkampfgelände
abgewandt war. Nachdem die Turnierteilnehmerin, die die Klägerin zu 1
begleitete, mit den Pferden verschiedene Wettkämpfe bestritten hatte, wurden
diese in den Pferdeanhänger verbracht, angebunden und von hinten mit einer
Haltestange gesichert. Die Rampe am Heck des Pferdeanhängers und Luken im
seitlichen Frontbereich waren wegen der hohen Lufttemperatur geöffnet.
Danach verließen die Klägerin zu 1 und die von ihr begleitete
Turnierteilnehmerin den Pferdeanhänger. Die Beklagten besuchten
mit ihrem knapp drei Jahre alten Kind und weiteren Verwandten das Turnier.
Dort hielten sie sich im Bereich zwischen dem Springplatz und der Reithalle
auf, wo sie verschiedene Verwandte und Bekannte trafen und sich an einen
Biertisch setzten. Das Kind der Beklagten begab sich mit einem anderen, etwa
vier Jahre alten Kind unbemerkt zu dem Pferdeanhänger der Klägerin zu 1.
Zunächst fütterte das Kind der Beklagten von außen eines der Pferde. Dann
stieg es in den Pferdeanhänger, wo es von einem Huf des Pferdes der Klägerin
zu 1 am Kopf getroffen wurde.
3 Das Landgericht hat
festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, der Klägerin zu 2 einen Anteil von 2/3 sämtlicher Zahlungen
zu erstatten, die diese aufgrund der Verletzungen des Kleinkindes geleistet
hat, und dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die
Klägerin zu 1 von allen Ansprüchen, mit denen diese aufgrund von
Verletzungen des Kleinkindes aus dem Unfall belastet wird, im Umfang von 2/3
freizustellen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat auf die Berufungen der Beklagten das Urteil des
Landgerichts abgeändert und festgestellt, dass diese als Gesamtschuldner der
Klägerin zu 2 einen Anteil von 1/3 sämtlicher Zahlungen erstatten und die
Klägerin zu 1 von allen Ansprüchen im Umfang von 1/3 freistellen müssen
(ausgenommen Zahlungen und Ansprüche, die darauf beruhen, dass ein
Sozialversicherungsträger Leistungen erbracht hat oder erbringen wird).
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Berufungen hat
das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit den vom erkennenden Senat
zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren
und die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
4 Das Berufungsgericht hat
ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit die Klägerin zu 2 die
Feststellung beantrage, dass die Beklagten zur Erstattung von Zahlungen
verpflichtet seien, die die Klägerin zu 2 zukünftig noch leisten werde. Der
Versicherer könne vor einer Leistung nur auf Feststellung der
Leistungspflicht des Schädigers gegenüber dem Versicherungsnehmer klagen.
Maßgeblich sei, dass ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem
Versicherer und dem Anspruchsgegner erst mit Leistungserbringung gemäß § 86
VVG (also Forderungsübergang) entstehe. Soweit die Feststellung begehrt
werde, dass die Beklagten zur Freistellung beider Klägerinnen verpflichtet
seien, sei der Antrag unzulässig, soweit er auch zugunsten der Klägerin zu 2
gestellt werde.
5 Im Übrigen sei die Klage teilweise begründet.
Die Klägerin zu 1, die Beklagten und der Streithelfer der
Klägerinnen hafteten dem verletzten Kind gegenüber gemäß § 823 Abs. 1, § 840
Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Die Beklagten seien unter
dem Gesichtspunkt der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 823 Abs. 1, § 1664
Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Bei der Bemessung der
von den Beklagten im Innenverhältnis zu tragenden Quote sei zu
berücksichtigen, dass auch der gesondert in Anspruch genommene Streithelfer
der Klägerinnen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die ihn treffende
Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz
verpflichtet sei. Die Klägerin zu 1 sei gleichfalls wegen einer
Verkehrssicherungspflichtverletzung zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Im
Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs bestehe jedoch kein Anspruch der
Klägerinnen auf Erstattung von Leistungen oder Freistellung, soweit dies
Leistungen von Sozialversicherungsträgern betreffe, die sich auf die dem
Kind entstandenen Schäden bezögen.
B.
6 I. Die
Revisionen der Beklagten sind nicht begründet, soweit sie sich gegen ihre
Haftung als Gesamtschuldner richten. Das Berufungsgericht
hat zutreffend angenommen, dass die Beklagten wegen Verstoßes gegen ihre
Aufsichtspflicht haften (1.) und als Gesamtschuldner in Anspruch genommen
werden können (2.).
7 1. Die Annahme des Berufungsgerichts,
dass die Beklagten gegen ihre Aufsichtspflicht verstießen und deshalb
gegenüber ihrem Kind haften, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
8 a) § 1664 Abs. 1 BGB enthält eine Anspruchsgrundlage für
Ersatzansprüche eines Kindes gegen seine Eltern für den Fall einer
Pflichtverletzung in Ausübung der elterlichen Sorge (vgl. BGH,
Beschluss vom 17. Juli 2019 - XII ZB 425/18, BGHZ 222, 376 Rn. 12; Urteile
vom 7. April 1993 - XII ZR 266/91, NJW 1993, 2305, juris Rn. 22; vom 10.
Februar 1988 - IVb ZR 111/86, juris Rn. 14; Götz, in: Palandt, BGB 80.
Aufl., § 1664 Rn. 1; a.A. Amend-Traut, in: BeckOGK BGB [1.10.2020], § 1626
BGB Rn. 167; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht 7. Aufl., § 58 Rn.
65). Nach dieser Vorschrift haben die Eltern bei der Ausübung der
elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die
sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Die Pflicht der Eltern,
für das minderjährige Kind zu sorgen (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB),
umfasst die Sorge für die Person des Kindes (§ 1626 Abs. 1
Satz 2 BGB) und insbesondere die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen
(§ 1631 Abs. 1 BGB). Daher kann sich bei einer
Aufsichtspflichtverletzung der Eltern ein Anspruch des Kindes gegen diese
aus § 1664 Abs. 1 BGB ergeben (vgl. Wagner, in: MüKo-BGB, 8.
Aufl., § 832 Rn. 10; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1631 Rn. 6; Kerscher,
in: BeckOGK BGB [1.9.2020], § 1631 Rn. 59).
9
Daneben kann eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB
auch durch Verletzung einer (familienrechtlich begründeten) Obhutspflicht
begangen werden (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1995 - VI ZR
358/94, NJW 1996, 53, juris Rn. 8, 12; vom 16. Januar 1979 - VI ZR 243/76,
BGHZ 73, 190, juris Rn. 12, 14).
10 b) Die Revision wendet sich ohne
Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die
Beklagten ihre Aufsichtspflicht verletzten.
11 aa)
Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach
deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der
erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige
Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun
müssen, um Schädigungen zu verhindern (vgl. Senat, Urteile vom 20.
März 2012 - VI ZR 3/11, NJW 2012, 2425 Rn. 16; vom
24. März 2009 - VI ZR 51/08, NJW 2009, 1952 Rn. 8; vom 19. Januar 1993 -
VI ZR 117/92, NJW 1993, 1003, juris Rn. 8; vom 29. Mai 1990 - VI ZR 205/89,
BGHZ 111,282, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12,
NJW 2013, 1441 Rn. 16; jeweils mwN). Das Maß der geschuldeten
Aufsicht erhöht sich mit der Gefahrträchtigkeit der konkreten Situation.
Spielen Kinder in der Nähe von Straßen oder in der Nähe gefährlicher
Gegenstände, ist mehr Aufsicht angebracht als innerhalb eines abgegrenzten,
risikoarmen Bereichs (vgl. Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1631 Rn. 8).
Kleinkinder bedürfen ständiger Aufsicht, damit sie sich nicht
Gefahren in ihrer Umgebung aussetzen, die sie aufgrund ihrer Unerfahrenheit
und Unbesonnenheit noch nicht erkennen und beherrschen können.
Diese Gefahren sind für sie allgegenwärtig; sie können schon aus
Gegebenheiten erwachsen, die für jeden anderen gänzlich ungefährlich sind
(vgl. Senat, Urteil vom 20. September 1994 - VI ZR 162/93, NJW 1994, 3348,
juris Rn. 15). Daher gesteht die Rechtsprechung Kindern erst ab
einem Alter von vier Jahren einen Freiraum zu, wobei allerdings eine
regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen für erforderlich gehalten wird
(vgl. Senat, Urteil vom 24. März 2009 - VI
ZR 51/08, NJW 2009, 1952 Rn. 14).
12 Das Berufungsgericht hat
aufgrund der örtlichen Verhältnisse den Schluss gezogen, dass einem
Aufsichtspflichtigen habe klar sein müssen, dass ein Kind, das sich einmal
der Aufsicht der Erwachsenen entzogen hätte, nur unter Mühe wieder zu finden
gewesen sei. Aufgrund der Möglichkeit, dass ein unbeaufsichtigtes Kind
unvermittelt in Kontakt mit Pferden habe kommen können, sei es vorauszusehen
gewesen, dass bei einem Entweichen von Kindern erhebliche Gefahren drohen
könnten. Daher seien die Beklagten verpflichtet gewesen, ihr
Kind unmittelbar bei sich zu behalten und auch ein Entfernen um wenige Meter
nicht zuzulassen. Das Landgericht, auf dessen Erwägungen das
Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat ausgeführt, dass dem die ausgeübte
Aufsicht nicht genügt habe, ohne dass entschieden werden brauche, welche der
von den Beklagten geschilderten Sachverhaltsversionen dem tatsächlichen
Geschehensablauf entspreche. Diese Bewertung ist zutreffend. Die in diesem
Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für
durchgreifend erachtet.
13 bb) Es kann im vorliegenden
Zusammenhang dahinstehen, ob sich die Schutzpflichten der Eltern gegenüber
dem Kind von ihren nach dem objektiven Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB zu
bemessenden Pflichten gegenüber dem Verkehr insbesondere im Kreis der
Verkehrssicherungspflichten, etwa der Aufsichtspflichten nach § 832 BGB,
immer sachgerecht trennen lassen und ob anderenfalls für den subjektiven
Sorgfaltsmaßstab des § 1664 Abs. 1, § 277 BGB noch Raum ist (für
eine entsprechende Einschränkung etwa U. Diederichsen, VersR
Jubiläumsausgabe 1983, 141, 143; w.N. bei Becker, in: BeckOGK
BGB [1.6.2020], § 1664 Rn. 36; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1664 Rn. 11;
offen gelassen von Senat, Urteile vom 1. März 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ 103,
338, juris Rn. 20; vom 16. Januar 1979 - VI ZR 243/76, BGHZ 73, 190, juris
Rn. 16; a.A. etwa Heilmann, in: Staudinger [2016], § 1664 BGB Rn. 33;
Gernhuber/Co-ester-Waltjen, 7. Aufl., § 58 Rn. 67; Becker, in: BeckOGK BGB
[1.6.2020], § 1664 Rn. 20.2; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1664 Rn. 1, 12
mwN; siehe weiter BVerfGE 127, 263, juris Rn. 66). Denn auch wenn
der subjektive Sorgfaltsmaßstab des § 1664 Abs. 1, § 277 BGB im vorliegenden
Fall anzuwenden wäre, würden die Beklagten nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen haften.
14 (1) Gemäß §
1664 Abs. 1 BGB haben Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind
gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen
Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Nach § 277 BGB sind sie von der Haftung
wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit. Wenn sich Eltern auf den
Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten berufen, trifft sie
die Darlegungsund Beweislast dafür, dass sie in eigenen Angelegenheiten eine
geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegen
(vgl. BGH, Urteile vom 24. September 2013 - II ZR 391/12, NJW 2013,
3572 Rn. 14; vom 26. Juni 1989 - II ZR 128/88, NJW 1990, 573, juris Rn. 28
[jew. zu § 708 BGB]; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1664 Rn. 21).
Abzustellen ist auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem
entsprechenden Pflichtenkreis (vgl. BGH, Urteile vom 24. September
2013 - II ZR 391/12, NJW 2013, 3572 Rn. 14; vom 26. Juni 1989 - II ZR
128/88, NJW 1990, 573, juris Rn. 28 [jew. zu § 708 BGB]; Schaub, in: BeckOGK
BGB [1.12.2020], § 277 Rn. 15). Da Eltern sich nicht selbst
beaufsichtigen, bestände die eigene Angelegenheit im Sinne des § 1664 Abs. 1
BGB in Fallgestaltungen wie der vorliegenden in der Ausübung der Aufsicht
über ihr Kind.
15 (2) Das Berufungsgericht hat insoweit -
auch unter Bezugnahme auf die Erwägungen des Landgerichts - ausgeführt, die
Beklagten hätten nicht den Beweis führen können, dass sie in diesen
Angelegenheiten im Allgemeinen, aber auch bezüglich solcher Gefahren, die
ihrem Kind in anderen Situationen drohten, sorgloser umgingen, als dies
objektiv geboten sei. Das Kernargument der Beklagten sei so zu verstehen,
dass ihr Kind nicht enger geführt werden sollte als nötig, um es ihm zu
ermöglichen, eigene, auch schmerzhafte Erfahrungen zu machen und daran zu
reifen und zu wachsen. Zeugen hätten bestätigt, dass die Beklagten auch in
der Zeit vor dem Unfall in dieser Weise mit ihrem Kind umgegangen seien. So
habe es etwa auch ohne unmittelbare Anwesenheit eines Erwachsenen ein
Klettergerüst mit Rutsche benutzen oder Steinchen in einen Teich werfen
dürfen. Allerdings hätten alle Zeugen bestätigt, dass dies nur unter
der stets befolgten Prämisse gegolten habe, dass ein Erwachsener ständig
Blickkontakt halte und nur so wenige Meter entfernt sei, dass er sofort
eingreifen könne. Mit diesem Verhalten sei der Maßstab der einfachen
Fahrlässigkeit umschrieben.
16 (3) Hiergegen ist
revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Zunächst haben die Tatgerichte
entgegen der Auffassung der Revision nicht zum Ausdruck gebracht, dass sich
die Beklagten in der Zeit vor dem Unfall bei der Ausübung der
Aufsicht (einfach) fahrlässig verhielten. Vielmehr sind die tatrichterlichen
Erwägungen so zu verstehen, dass das vormalige Verhalten der Beklagten nicht
gegen den Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit verstieß. Weiter rügt die
Revision ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht nicht auch erörtert und
berücksichtigt hat, wie die Beklagten während des gesamten Besuchs des
Reitturniers die Aufsicht über ihr Kind ausübten. Zwar kann im Rahmen der
Überzeugungsbildung zum üblichen Verhalten im entsprechenden Pflichtenkreis
grundsätzlich auch das Verhalten im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen
Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung zu berücksichtigen sein. Im
Verhältnis zu der von den Beklagten über einen langen Zeitraum ausgeübten
Aufsicht ist der kurze Besuch des Reitturniers jedoch ersichtlich von ganz
untergeordneter Bedeutung, für die Überzeugungsbildung ersichtlich nicht
relevant gewesen und hat daher keiner Erörterung bedurft. Mit dem allgemein
gehaltenen Vortrag der Beklagten, sie hätten auch sonst in Situationen wie
auf dem Reitturnier den gebotenen Sorgfaltsmaßstab nicht gepflegt, hat sich
das Berufungsgericht befasst. Schließlich hat das Berufungsgericht die an
das Haftungsprivileg zu stellenden Anforderungen nicht überspannt.
17
2. Die Beklagten haften gemäß § 1664 Abs. 2 BGB als Gesamtschuldner,
da sich ein Elternteil, wenn keine Absprachen getroffen sind, nicht ohne
weiteres darauf verlassen darf, dass der andere das Nötige tun wird
(vgl. Heilmann, in: Staudinger [2016], § 1664 BGB Rn. 22). Darüber
hinaus haften die Beklagten mit weiteren verantwortlichen Schädigern als
Gesamtschuldner (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1995 - VI ZR
358/94, NJW 1996, 53, juris Rn. 13; vom 1. März 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ
103, 338, juris Rn. 22; Heilmann, in: Staudinger [2016], § 1664 BGB Rn. 48,
48b; Becker, in: BeckOGK BGB [1.6.2020], § 1664 Rn. 24).
II.
18 Ebenfalls nicht begründet sind die Revisionen der Beklagten, soweit sie
sich gegen die Haftungsquote richten. Die Revisionen der Klägerinnen sind
hingegen begründet, soweit die Klage als unbegründet abgewiesen worden ist.
Im (Innen-) Verhältnis zur Klägerin zu 1 sind allein die Beklagten
verantwortlich (1.). Weder die Klägerin zu 1 und ihr
Streithelfer (2.) noch die von der Klägerin zu 1 begleitete
Turnierteilnehmerin (3.) haften wegen Verschuldens.
19 1. Auf Grundlage der nicht angegriffenen Feststellung, dass das Kind
der Beklagten durch das Pferd der Klägerin zu 1 verletzt wurde,
haftet diese gemäß § 833 Satz 1 BGB mit den Beklagten als Gesamtschuldnerin
(§ 840 Abs. 1 BGB). Gemäß § 840 Abs. 3 BGB sind im (Innen-) Verhältnis
zueinander allein die Beklagten verantwortlich. Diese bilden, da
sich ihr Verhalten in demselben Verursachungsbeitrag auswirkte, eine
Haftungseinheit (vgl. dazu Grüneberg, in: Palandt, BGB 80. Aufl., §
254 Rn. 70, § 426 Rn. 15 m.N.).
20 2. Darüber hinaus haften
die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
21 a) Das
Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass ein noch nicht drei Jahre
altes Kind beim Besuch eines Reitturniers wie dem vorliegenden
praktisch ständig an der Hand gehalten werden müsse. Auch bei größeren
Kindern sei eine Aufsicht erforderlich, aber - je nach Alter - in etwas
geringerem Umfang. Ein etwas älteres Kind könne sich durchaus einmal
kurzfristig von den Eltern entfernen. Gerade bei einem Kind in diesem Alter
könne es auch vorkommen, dass es sich plötzlich der Aufsicht völlig
entziehe. Aber auch bei noch älteren Kindern ab etwa neun Jahren seien
spontane Verhaltensweisen möglich, die das Kind in eine von ihm nicht
einzuschätzende Gefahr bringen könnten. Das Turnier sei von vielen Personen
mit Kindern unterschiedlichen Alters besucht worden. Aufgrund der hohen
Temperaturen seien alle Pferdeanhänger geöffnet gewesen, was bekannt und bei
der Planung aber nicht vorgesehen gewesen sei. Es sei anzunehmen, dass auch
nach Vorstellung des Streithelfers der Klägerinnen Besucher durchaus
wegen ausgestellter Maschinen auch diese Bereiche des Wegs oder der
angrenzenden Wiese betreten sollten. Deshalb habe damit gerechnet werden
müssen, dass Kinder, die die ausgestellten Fahrzeuge besichtigten, auch in
den angrenzenden Bereich kommen würden, in dem Pferde in Transportern oder
Anhängern untergebracht seien. Ein solches Verhalten der Kinder sei umso
wahrscheinlicher, sobald die Pferdeanhänger wegen der Temperaturen geöffnet
worden seien. Es sei vorhersehbar, dass Kinder durch offene Pferdeanhänger
angeregt werden könnten, die Tiere zu streicheln oder zu füttern, was
erhebliche Risiken begründe. Der Streithelfer der Klägerinnen hätte
sicherstellen müssen, dass jedenfalls Kinder sich den Pferden nicht
unbeaufsichtigt näherten. Es hätte genügt, wenn eine Aufsichtsperson im
Bereich der offenen Anhänger ihren Standort öfters gewechselt hätte, um zu
kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern eingreifen zu können. Der
durch diese Pflicht geschützte Personenkreis umfasse alle Kinder, bei denen
aufgrund ihres jungen Alters habe damit gerechnet werden müssen, dass sie
dazu neigen könnten, sich in die Nähe der Pferde zu begeben. Auf die Frage,
ob ein Erwachsener, der sich so verhalten hätte, sich auf die
Verkehrssicherungspflichtverletzung berufen könne, komme es nicht an. Das
verletzte Kind sei nicht aus diesem geschützten Personenkreis auszugrenzen.
Es entspreche nicht Sinn und Zweck der Verkehrssicherungspflichten, den
Schutzzweckzusammenhang eng zu fassen. Wenn eine Verkehrssicherungspflicht
unter dem Gesichtspunkt des unbesonnenen Verhaltens von Kindern, die sich
in Bereiche begeben könnten, wo ihnen Gefahren drohten, begründet sei, sei
es nicht gerechtfertigt, aus diesem Schutzbereich solche Kinder
auszugrenzen, die sich zwar ebenso unbesonnen verhalten und ähnlich schnell
bewegen könnten, aber eigentlich von den Eltern so intensiv beaufsichtigt
werden müssten, dass bereits diese Aufsichtspflicht die Gefahr vermeiden
sollte. Der Umstand, dass der Veranstalter grundsätzlich davon habe ausgehen
dürfen, dass kleine Kinder lückenlos beaufsichtigt würden, führe deshalb
auch nicht zu einer Neutralisation der Verkehrssicherungspflicht.
22
Auch für die Klägerin zu 1 sei vorhersehbar gewesen, dass sich
Kinder unbesonnen verhalten könnten und von dem Umstand, dass die Pferde in
geöffneten Anhängern gestanden hätten, angezogen werden könnten. Sobald
ein Pferdehalter den mit einem Pferd besetzten Anhänger nicht mehr
bestimmungsgemäß verschlossen halte, sondern öffne, ergäben sich daraus
besondere Pflichten. Die danach gebotenen Verhaltensweisen seien
denen des Streithelfers der Klägerinnen ähnlich. Die Klägerin zu 1 hätte
sich nur dann von ihrem geöffneten Anhänger entfernen dürfen, wenn sie sich
darauf hätte verlassen können, dass ihr Streithelfer durch eine Aufsicht
oder eine sichere Absperrung dafür gesorgt hätte, dass sich Unbefugte den
Hängern nicht näherten. Auch bezüglich der Sorgfaltspflichten der Klägerin
zu 1 sei das Kind der Beklagten nicht aus dem Schutzbereich ausgegrenzt.
Diese seien nicht unter dem Gesichtspunkt, dass besonders kleine Kinder der
lückenlosen Beaufsichtigung bedurft hätten, neutralisiert. Wie der
Streithelfer der Klägerinnen habe auch die Klägerin zu 1 die Möglichkeit
einkalkulieren müssen, dass sich Kinder der Aufsicht ihrer Eltern entzögen.
23 b) Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand.
24 aa) Derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich
welcher Art - schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und
zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu
verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen
Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen
vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor
Schäden zu bewahren. Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in
seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt
(vgl. Senat, Urteile vom 25. Februar 2014 - VI ZR 299/13, NJW 2014,
2104 Rn. 8; vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 6; jeweils
mwN).
25 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder
abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot,
andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede
Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.
Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein
sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter
anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten
eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die
Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst
abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im
Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem
entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.
Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen
Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger,
vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise
für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und
die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 25.
Februar 2014 - VI ZR 299/13, NJW 2014, 2104 Rn. 9; vom 2. Oktober 2012 - VI
ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 7; jeweils mwN). Kommt es in Fällen, in
denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine
Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur
unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu
befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der
Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst
tragen (vgl. Senat, Urteile vom 25. Februar 2014 - VI ZR 299/13,
NJW 2014, 2104 Rn. 9; vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 8
jeweils mwN).
26 bb) Danach mussten die Klägerin zu 1 (als
Halterin ihres Pferdes) und ihr Streithelfer (als Grundstückseigentümer)
keine Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass das Kind der Beklagten in
den Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 gelangt.
27 (1)
Zwar darf sich ein Grundstückseigentümer nicht darauf verlassen, dass sich
Kinder nicht unbefugt in einen Gefahrenbereich begeben, wenn dieser
besonderen Anreiz für den kindlichen Spieltrieb bietet und damit verbundene
Gefahren für ein Kind nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl.
Senat, Urteil vom 14. März 1995 - VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 9).
Vielmehr muss jeder Grundstückseigentümer wirksame Schutzmaßnahmen
ergreifen, um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit
zu schützen, wenn ihm bekannt ist oder sein muss, dass sie sein Grundstück
zum Spielen benutzen, und die Gefahr besteht, dass sie sich an den dort
befindlichen gefährlichen Gegenständen zu schaffen machen und dabei Schaden
erleiden können (vgl. Senat, Urteile vom
4. Mai 1999 - VI ZR 379/98, NJW 1999, 2364, juris Rn. 8; vom 23.
Mai 1995 - VI ZR 384/94, VersR 1995, 973, juris Rn. 13; vom 14. März 1995 -
VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 9; vom 20. September 1994 - VI ZR
162/93, NJW 1994, 3348, juris Rn. 11; vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91,
NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 11; vom 19. Februar 1991 - VI ZR 171/90, NJW
1991, 2340, juris Rn. 12; jeweils mwN). An die Pflicht zur
Gefahrenabwehr sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je größer der
Anreiz ist, den die vom Sicherungspflichtigen geschaffene oder unterhaltene
Gefahrenquelle auf Kinder ausübt, und je weniger diese selbst in der Lage
sind, die für sie bestehenden Gefahren zu erkennen (vgl. Senat,
Urteile vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95, NJW 1997, 582, juris Rn. 12;
vom 14. März 1995 - VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 9 mwN).
28
Der Tierhalter, der Pferde hält, ist für deren sichere Unterbringung
verantwortlich. Die sich hieraus ergebenden Pflichten bestehen in besonderem
Maße dann, wenn der Gefahrenbereich der Tiere für Kinder zugänglich ist
(vgl. Senat, Urteil vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981,
juris Rn. 10 f.).
29 Allerdings darf sich
der Verkehrssicherungspflichtige in gewissem Umfang darauf verlassen, dass
die für ein Kind Verantwortlichen ein Mindestmaß an sorgfältiger
Beaufsichtigung wahrnehmen. Das Vertrauen, das der
Verkehrssicherungspflichtige in die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch
die dafür Verantwortlichen setzen kann, wirkt zurück auf seine
Sicherungspflichten. Denn Art und Umfang der Verkehrssicherungspflichten
bestimmen sich nicht nur nach der Intensität der Gefahr, sondern auch nach
den Sicherungserwartungen des Verkehrs. Werden Gefahren für Kinder durch die
gebotene Beaufsichtigung von dritter Seite gewissermaßen neutralisiert, so
reduzieren sich entsprechend auch die Sicherungserwartungen an den
Verkehrssicherungspflichtigen, der auf eine solche Beaufsichtigung vertrauen
darf (vgl. Senat, Urteile vom 23. Mai 1995 - VI ZR 384/94, VersR
1995, 973, juris Rn. 19; vom 20. September 1994 - VI ZR 162/93, NJW 1994,
3348, juris Rn. 16; vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981,
juris Rn. 18; Wagner, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 823 Rn. 489, 492; Hager, in:
Staudinger [2009], § 823 BGB Rn. E 45).
30 (2) Die Klägerin zu 1 und
ihr Streithelfer durften sich unter den Umständen des vorliegenden Falles
darauf verlassen, dass Kleinkinder so beaufsichtigt werden, dass sie nicht
in den Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 gelangen können.
31(a) Ein
Kleinkind hätte unter Berücksichtigung der Art der besuchten Veranstaltung
und der örtlichen Gegebenheiten so beaufsichtigt werden müssen, dass es
jedenfalls nicht aus dem Blick gelassen wird und gegebenenfalls sofort an
die Hand genommen werden kann (siehe oben B.I.1.b.aa.).
32 (b)
Wird eine Beaufsichtigung von Kleinkindern nicht lückenlos
durchgeführt, dann handelt es sich grundsätzlich um ein Aufsichtsversagen
der Eltern oder anderer mit der Beaufsichtigung betrauter Personen. Die
bloße Möglichkeit eines solchen Versagens legt dem
verkehrssicherungspflichtigen Grundstückseigentümer nicht schon die Pflicht
auf, den Gefahren auch aus derartigen Aufsichtsversäumnissen zu begegnen.
Dazu besteht erst Anlass, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung
bestehen (vgl. Senat, Urteile vom 20. September 1994 - VI ZR
162/93, NJW 1994, 3348, juris Rn. 17; vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91,
NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 19).
33 Es sind keine Umstände und kein
Vortrag festgestellt, wonach der Klägerin zu 1 oder ihrem Streithelfer
bekannt gewesen wäre oder hätte bekannt sein müssen, dass (Klein-) Kinder
sich unbefugt und ohne gehörige Aufsicht in den Bereich der von
Turnierteilnehmern abgestellten Pferdetransporter sowie -anhänger begaben
und diese sogar betraten. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus
dem Vortrag der Beklagten, dass Kinder auf den neben dem Weg ausgestellten
Fahrzeugen gespielt hätten. Daraus könnte schon nicht tragfähig geschlossen
werden, dass sich Kinder unbefugt und ohne gehörige Aufsicht in den Bereich
der abgestellten Pferdetransporter sowie -anhänger begeben und diese sogar
betreten hätten (vgl. etwa Senat, Urteil vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91,
NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 25). Darüberhinausgehenden Instanzvortrag zeigen
die Beklagten nicht auf.
34 (3) Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts hätten die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer nicht durch
eine Aufsicht sicherstellen müssen, dass jedenfalls ältere Kinder sich dem
Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 nicht unbeaufsichtigt nähern.
35 (a)
Bei älteren Kindern ist nicht generell eine Aufsicht in geringerem Umfang
erforderlich. Denn der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige
bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die
Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was
verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten
Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern. Daher gesteht
die Rechtsprechung Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren einen
Freiraum zu, wobei allerdings eine regelmäßige Kontrolle in kurzen
Zeitabständen für erforderlich gehalten wird (siehe oben
B.I.1.b.aa.). Wie weit der Freiraum reicht, hängt von der konkreten
Situation ab. Deren Umstände hat das Berufungsgericht zwar festgestellt und
ausgeführt, es sei vorhersehbar gewesen, dass Kinder Kontakt zu den Pferden
aufnehmen könnten. Daraus hat das Berufungsgericht jedoch nur
Verhaltenspflichten der Klägerin zu 1 sowie ihres Streithelfers abgeleitet
und nicht berücksichtigt, welche Konsequenzen sich für die gebotene
Beaufsichtigung von Kindern ergeben, auf die die Klägerin zu 1 und ihr
Streithelfer vertrauen durften.
36 Außerdem hätte berücksichtigt
werden müssen, dass sich ältere Kinder einer erkennbaren Gefahr aus ihrem
natürlichen Angstgefühl nicht bewusst aussetzen (vgl. Senat, Urteile vom 4.
Mai 1999 - VI ZR 379/98, NJW 1999, 2364, juris Rn. 11; vom 14. März 1995 -
VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 13, mwN; Hager, in: Staudinger
[2009], § 823 BGB Rn. E 45).
37 (b) Die Klägerin zu 1 und ihr
Streithelfer durften davon ausgehen, dass auch ältere Kinder, die noch kein
ausreichendes Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein haben, sich nicht
unbefugt und ohne gehörige Aufsicht in den Bereich der abgestellten
Pferdetransporter sowie -anhänger begeben und diese sogar betreten. Denn die
damit verbundenen Gefahren waren nach den Feststellungen nicht nur für die
Klägerin zu 1 und ihren Streithelfer, sondern auch für die Besucher des
Reitturniers offensichtlich. Daher hätten Aufsichtspersonen Kindern ohne
ausreichendes Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein keinen Freiraum
gewähren dürfen, der es ihnen ermöglicht hätte, in einen Pferdetransporter
oder -anhänger von Turnierteilnehmern zu gelangen (vgl. etwa Senat, Urteil
vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 18: umzäunter
Pferdekral).
38 Abweichendes ergibt sich nicht aus der Rüge der
Revision der Beklagten, das Berufungsgericht habe nicht davon ausgehen
dürfen, dass alle Pferdeanhänger geöffnet gewesen seien, weil dies lediglich
bestrittener Vortrag der Klägerinnen gewesen sei. Diese Umstände dürften
bereits nicht entscheidungserheblich sein, da der Abstellbereich ungeachtet
geöffneter Türen von Pferdeanhängern offensichtlich gefährlich war. Darüber
hinaus ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Landgerichts die
Feststellung, dass die Klägerin zu 1 "sich (wie andere Tierhalter)
entschlossen hatte, die Klappen und Türen des Anhängers wegen der hohen
Temperaturen zu Belüftungszwecke geöffnet zu halten." Danach war jedenfalls
nicht nur der Anhänger der Klägerin zu 1 geöffnet. Schließlich hat das
Berufungsgericht zu Beginn des Absatzes, in dem ausgeführt wird, es stehe
fest, dass alle Anhänger, in denen sich Pferde befunden hätten, zum Schutz
der Pferde geöffnet gewesen seien, nicht nur auf den unstreitigen
Sachverhalt Bezug genommen, sondern auch auf die Beweisaufnahme.
39
Der Hinweis des Berufungsgerichts, gerade bei einem älteren Kind könne es
auch vorkommen, dass es sich plötzlich der Aufsicht entzieht, ist zwar
zutreffend. Allein daraus folgt jedoch noch nicht, dass ein
Verkehrssicherungspflichtiger kein Vertrauen in die gebotene Beaufsichtigung
haben darf. Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Hinweis des
Berufungsgerichts auf das Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 (VI ZR 159/73,
VersR 1975, 133). Denn nach den Feststellungen, die dieser Entscheidung
zugrunde liegen, konnte - für den Verkehrssicherungspflichtigen erkennbar -
in der konkreten Situation durch die Anwesenheit einer Aufsichtsperson nicht
gewährleistet werden, dass sich das Kind nicht plötzlich dessen Aufsicht
entzieht und in unmittelbarem örtlichen sowie zeitlichen Zusammenhang
verletzt wird. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall.
40 (c) Daher
kann offenbleiben, ob es eine geeignete Sicherungsmaßnahme gewesen wäre,
dass eine Aufsichtsperson im Bereich der offenen Anhänger ihren Standort
öfters gewechselt hätte, um zu kontrollieren und bei der Annäherung von
Kindern eingreifen zu können. Die Rechtsfrage, inwieweit das
verletzte (Klein-) Kind in den Schutzbereich einer
Verkehrssicherungspflicht, die sich aus dem Schutzbedürfnis älterer Kinder
ergibt, einbezogen wäre, stellt sich im vorliegenden Fall nicht
(vgl. dazu Hager, in: Staudinger [2009], § 823 BGB Rn. E 41).
41 3.
Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten musste auch die von der
Klägerin zu 1 begleitete Turnierteilnehmerin keine Vorkehrungen treffen, um
zu verhindern, dass sich Kinder in den Pferdeanhänger der Klägerin zu
1 begeben.
III.
42 1. Die Revision der Klägerin zu 2 ist
unbegründet, soweit das Oberlandesgericht deren Berufung zurückgewiesen und
die Klage für unzulässig erachtet hat. Das Berufungsgericht hat zutreffend
angenommen, dass die Klage unzulässig ist, soweit die Klägerin zu 2 die
Feststellung beantragt, dass die Beklagten verpflichtet sind, auch sie von
allen Ansprüchen freizustellen und ihr zukünftig noch zu leistende Zahlungen
zu erstatten. Insoweit behauptet die Klägerin zu 2 kein
gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (siehe
Senat, Urteil vom heutigen Tag - VI ZR 194/18, unter B.II.1.)
43 2.
Gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags (auch) der Klägerin zu 2,
dass die Beklagten verpflichtet sind, die Klägerin zu 1 freizustellen,
bestehen keine Bedenken (siehe Senat, Urteil vom heutigen Tag - VI ZR
194/18, unter B.II.2.).
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