Begriff des Herstellers
i.S.v. § 4 ProdHaftG: "Quasi-Herstellereigenschaft" i.S.v. § 4 I S. 2
ProdHaftG; Beweislast für die Herstellereigenschaft; Lieferantenhaftung nach
§ 4 III ProdHaftG
BGH, Urteil vom 21. Juni
2005 - VI ZR 238/03
Fundstelle:
NZV 2005, 521
Zum Herstellerbegriff s. auch
BGH v. 25.2.2014 - VI
ZR 144/13.
Amtl. Leitsatz:
a) Das Einverständnis
des Quasi-Herstellers zur Anbringung eines auf ihn als Hersteller weisenden
Namens oder Zeichens auf dem Produkt kann auch nachträglich zum Ausdruck
gebracht werden. Das Einverständnis muß das konkrete, schadensrelevante
Produkt mit umfassen.
b) Dem Geschädigten obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die
Voraussetzungen, die die Eigenschaft als Hersteller oder Quasi-Hersteller
eines Produktes begründen.
c) Eine die Lieferantenhaftung gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG ausschließende
Feststellbarkeit des Herstellers ist erst dann gegeben, wenn das Produkt
insoweit einen eindeutigen Hinweis enthält.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Krankenkasse aus übergegangenem Recht gemäß § 116
SGB X von der Beklagten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der
Produkthaftung für einen Grillanzünder.
Die Beklagte vertreibt seit ihrer Gründung im Jahre 1993 flüssige
Grillanzünder mit dem Flaschenaufdruck: "W. Grillanzünder"; unter "Vertrieb"
war die Firma der Beklagten nebst Adresse in D. angegeben. Der
Geschäftsführer der Beklagten führte vor dieser Zeit die H.P. W.
Verwaltungsgesellschaft mbH und Co. KG Vertriebsgesellschaft (nachfolgend:
W. GmbH & Co. KG). Dieses Unternehmen stellte bis zu seiner Auflösung im
Jahre 1993 Grillanzünder ebenfalls mit der Bezeichnung "W. Grillanzünder"
her und druckte auf die Grillanzünderflaschen seine Firma mit einer Adresse
in R. auf. Die Streithelferin bzw. ihre Rechtsvorgängerin bezog
Grillanzünder mit der Aufschrift "W. Grillanzünder" bereits von der W. GmbH
& Co. KG.
Im Sommer 1996 kaufte der Kunde M. bei der Rechtsvorgängerin der
Streithelferin Grillanzünder mit der Aufschrift "W. Grillanzünder", welche
die Aufschrift "Auch zum Nachsprühen geeignet und ungefährlich" aufwiesen.
Am 12. Juli 1997 verwendete der Geschädigte F. diesen Grillanzünder zum
Anzünden eines Holzkohlegrills. Dabei explodierte die Flasche in seiner
Hand. F. zog sich Verbrennungen 2. und 3. Grades über weite Teile seines
Körpers zu.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe den verwendeten Grillanzünder
hergestellt und an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin veräußert. Der
Geschädigte F. sei bei ihr pflichtversichert gewesen. Für dessen durch das
Unfallereignis erlittene Verletzungen seien ihr Aufwendungen in Höhe von
155.439,69 DM entstanden. Die Beklagte hat behauptet, die ursprünglich in
den Grillanzünderflaschen enthaltene Flüssigkeit (Paraffin) habe bei einem
Nachsprühen aus einem Meter Entfernung nicht explodieren können. Diese
Flüssigkeit müsse nachträglich durch Spiritus ersetzt worden sein.
Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage den Ersatz der ihr
entstandenen Aufwendungen geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die um die Feststellungsklage hinsichtlich aller zukünftigen Aufwendungen
ergänzte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre (erweiterte) Klage
weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht ist der
Auffassung, die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach den §§
1, 3 und 4 ProdHaftG seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe nicht
nachzuweisen vermocht, daß das schadensverursachende Produkt der Beklagten
als Hersteller, Quasi-Hersteller oder als Lieferant zuzurechnen sei.
Hinsichtlich der Herstellereigenschaft gemäß §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1
Satz 1 ProdHaftG sei der maßgebliche Zeitpunkt für die Feststellbarkeit des
Herstellers derjenige, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden
sei. Denn nach dem Sinn und Zweck des Produkthaftungsgesetzes solle der
Verbraucher vor dem Inverkehrbringen anonymer Waren geschützt werden. Die
Klägerin habe jedoch nicht dargetan, daß die Beklagte im Zeitpunkt des
Inverkehrbringens Herstellerin gewesen sei. Allein der Umstand, daß die
Streithelferin der Klägerin vorgerichtlich die Auskunft gegeben habe, die
Beklagte sei die Herstellerin, mache diese nicht zu einer solchen.
Die Beklagte hafte nicht als Lieferantin gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG, denn
diese Haftung setze voraus, daß der Hersteller des Produktes im Zeitpunkt
des Inverkehrbringens nicht feststellbar gewesen sei bzw. gewesen wäre. Da
auf den Scherben der explodierten Flasche unstreitig nicht nur die
Aufschrift "W. Grillanzünder" sondern auch der Rest einer Firmenangabe in
Form von "d GmbH u. Co KG R. 3" noch zu erkennen gewesen sei und auf der am
gleichen Tage gekauften weiteren Flasche die Firma der W. GmbH & Co. KG
nebst einer Adresse in " R. 3" gestanden habe, komme ein anderer
Rechtsträger nämlich die W. GmbH & Co. KG als Hersteller in Betracht.
Demnach sei auch die explodierte Flasche bei ihrem Erwerb durch den Kunden
M. mit Hinweisen auf einen Hersteller versehen gewesen, die weit mehr auf
die W. GmbH & Co. KG als auf die Beklagte hingedeutet hätten. Für die
Lieferanteneigenschaft nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG komme es nicht auf die
Feststellbarkeit des Herstellers in der Zeit nach dem Schadensereignis,
sondern auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens an. Insoweit könne nicht
sicher ausgeschlossen werden, daß die W. GmbH & Co. KG auf der zerstörten
Flasche als Hersteller noch hätte ermittelt werden können. Damit komme eine
Haftung als Lieferant nicht mehr in Betracht.
Schließlich scheitere auch eine Haftung als Quasi-Hersteller im Sinne des §
4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG. Da dafür der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des
Produktes entscheidend sei, komme eine solche Stellung allenfalls dann in
Betracht, wenn die Beklagte den alten von der W. GmbH & Co. KG hergestellten
Warenbestand übernommen und die am 12. Juli 1997 explodierte Flasche der
Rechtsvorgängerin der Streithelferin geliefert hätte. Dies habe die Klägerin
indessen nicht vorgetragen; vielmehr habe sie lediglich die Behauptung der
Beklagten bestritten, daß es sich bei der Flasche um Altbestände der
Rechtsvorgängerin der Streithelferin gehandelt haben müsse, die dieser noch
von der W. GmbH & Co. KG geliefert worden seien. Damit habe die Klägerin
ihrer Darlegungslast nicht genügt.
Mangels Übereinstimmung des maßgeblichen Firmenkerns der Beklagten mit
demjenigen der W. GmbH & Co. KG ergebe sich auch keine Haftung unter dem
Gesichtspunkt einer Firmenfortführung gemäß § 25 HGB.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für eine
Haftung der Beklagten als (tatsächliche) Herstellerin eines Produktes, das
nach dem Klagevortrag einen Gesundheitsschaden verursacht haben soll (§
1 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG), nicht darauf an, ob der
Hersteller zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens feststellbar war oder nicht.
Dieser Gesichtspunkt kann allein für die Frage von Bedeutung sein, ob ein
Lieferant gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG wie ein Hersteller haftet. Die Haftung
eines Herstellers hängt nicht davon ab, ob zugleich die Voraussetzungen für
die Haftung eines Lieferanten erfüllt oder ausgeschlossen sind (vgl.
dazu Kullmann, ProdHaftG, 4. Aufl., § 5 I, S. 151; Erman/Schiemann, BGB, 11.
Aufl., § 4 ProdHaftG, Rn. 6). Dementsprechend haftet der Hersteller für
ein fehlerhaftes Produkt sowohl, wenn er sich als solcher auf dem Produkt
angegeben hat, als auch, wenn dies unterblieben ist.
Für das Klagevorbringen reichte es deshalb aus vorzutragen, die Beklagte
habe den in den Händen des Geschädigten explodierten Grillanzünder
hergestellt. Wann dieser Herstellungsprozeß stattfand, bleibt für die von
der Klägerin begehrte Rechtsfolge ohne Bedeutung. Das Bestreiten der
Beklagten gab ebenfalls keinen Anlaß, den Klagevortrag insoweit näher zu
substantiieren. Der Umstand, daß auf der explodierten Flasche eine Adresse
in R. mit einer noch vierstelligen Postleitzahl angegeben war, indiziert
zwar, daß auf dieser Flasche die Adresse der W. GmbH & Co. KG angegeben war
und diese Angabe vor der Gründung der Beklagten erfolgte, was für den
Zeitpunkt der Herstellung somit auf einen Zeitraum vor der Gründung der
Beklagten hindeuten würde. Dieses Indiz schließt es indessen nicht
gänzlich aus, daß die Beklagte den explodierten Grillanzünder unter
Aufbrauchen alter, von der W. GmbH & Co. KG stammender leerer Flaschen bzw.
Etiketten nach ihrer Gründung herstellte. Der Klägerin ist es daher nicht
verwehrt, den Beweis zu führen, die Beklagte habe sich an dem tatsächlichen
Herstellungsprozeß beteiligt.
2. Auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Haftung der
Beklagten als Quasi-Hersteller (§ 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG) verneint, sind
nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß die
Beklagte als Quasi-Hersteller haften würde, wenn sie den alten, von der W.
GmbH & Co. KG fertig hergestellten Warenbestand übernommen, aus diesem
Bestand die später in der Hand des Geschädigten explodierte
Grillanzünderflasche an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin veräußert
und sich dabei als Herstellerin dieser Flasche ausgegeben hätte.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG ist auch derjenige als Hersteller im Sinne
dieses Gesetzes anzusehen, der sich durch das Anbringen seines Namens,
seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als
Hersteller ausgibt. Mit dieser Regelung entsprach der deutsche Gesetzgeber
der Vorgabe aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates der
Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für
fehlerhafte Produkte. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung soll damit der
Geschädigte - meist Verbraucher - von den Mühen befreit werden, den
tatsächlichen Hersteller zur Verfolgung seines Schadensersatzanspruches
ermitteln zu müssen, und eine Entlastung hinsichtlich des Insolvenzrisikos
in bezug auf diesen Hersteller erfahren, wenn der Quasi-Hersteller für das
konkrete Produkt unter Herausstellen eines eigenen Renommees den Anschein
erweckt hat, einen Einfluß auf die Qualität des Produktes und seinen
Herstellungsprozeß gehabt zu haben (vgl. Richtlinienvorschlag der
EG-Kommission vom 9. September 1976, Bulletin der Europäischen
Gemeinschaften, Beilage 11/1976, Erl. zu Art. 1, Nr. 6 und zu Art. 2, Nr. 8
= BT-Drucks. 7/5812, S. 6 f. zu Art. 1 lit. e) und zu Art. 2 lit. b)).
Nach dieser Zielrichtung des § 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG kommt es nicht
darauf an, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen
Tatbestandsmerkmale zustande kommen und ob der Quasi-Hersteller diese selbst
entstehen läßt. Es reicht, wenn sie ihm zuzurechnen sind.
aa) Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG und des Art. 3
Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG braucht der Quasi-Hersteller die Anbringung
seines Namens oder eines sonstigen, auf ihn als Hersteller weisenden
Zeichens auf dem Produkt nicht selbst zu bewirken; vielmehr steht dem
gleich, wenn er eine solche Anbringung mit seinem Einverständnis durch
andere, insbesondere den tatsächlichen Hersteller vornehmen läßt (vgl.
Regierungsentwurf zum ProdHaftG, BT-Drucks. 11/2447, S. 19; ebenso
Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 4 ProdHaftG, Rn. 61; MünchKomm/Wagner,
4. Aufl., § 4 ProdHaftG, Rn. 22; Kullmann, aaO, § 4, III 2 b, S. 133;
Rolland, Produkthaftungsrecht, § 4 ProdHaftG, Rn. 27; Krüger, Die Haftung
des Quasi-Herstellers, S. 15 f.; Rieckers VersR 2004, 706, 711; Bräutigam WM
1994, 1189, 1196). Sein Einverständnis muß auch nicht vor dem Anbringen
des Namens oder Zeichens erteilt worden sein. Da es nach dem Zweck der
Vorschrift auf den Anschein der Herstellereigenschaft zum Zeitpunkt des
Produkterwerbs durch den Verbraucher bzw. Endabnehmer ankommt, reicht es
aus, wenn der QuasiHersteller diese Darstellung nach ihrer Anbringung auf
dem Produkt genehmigt (vgl. MünchKomm/Wagner, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn.
22; Pott/Frieling, ProdHaftG, § 4, Rn. 38; Krüger, aaO, S. 16).
bb) Entgegen der Ansicht der Revision muß das Einverständnis des
Quasi-Herstellers allerdings den Vertrieb des konkreten, die Haftung
auslösenden Produktes umfassen. Es wäre nicht ausreichend, wenn die Beklagte
lediglich einen Namen verwendet hätte, der der Produktbezeichnung für die
zuvor von der W. GmbH & Co. KG vertriebenen Grillanzünder entsprach, aber
die konkret vom Geschädigten F. verwendete Flasche seitens der
Rechtsvorgängerin der Streithelferin unmittelbar von der W. GmbH & Co. KG
bezogen worden wäre. Die Beklagte wäre bei einer solchen Fallgestaltung
nicht in der Lage gewesen, auf Herstellung oder Vertrieb dieser Flasche
Einfluß zu nehmen. Erst der Umstand, daß der Händler oder Lizenzgeber mit
der Anbringung seines Namens, seiner Marke oder eines anderen Kennzeichens
auf dem Produkt typischerweise ein eigenes Renommee herausstellen will, mit
dem auf eine besondere Sorge für die Produktqualität bzw. auf einen
Qualitätsstandard für das Produkt geschlossen werden soll, rechtfertigt die
Haftung des Quasi-Herstellers gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG, Art. 3 Abs.
1 der Richtlinie 85/374/EWG (vgl. Richtlinienvorschlag der EG-Kommission,
aaO, Erl. zu Art. 1 Nr. 6).
cc) Für die Haftung eines Quasi-Herstellers gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2
ProdHaftG ist es allerdings ohne Bedeutung, ob die Genehmigung ausdrücklich
gegenüber demjenigen erteilt wurde, der den Namen oder das Zeichen auf dem
Produkt angebracht hat, oder ob die Billigung in anderer Weise zum Ausdruck
kommt. Das Berufungsgericht ist daher vorliegend zu Recht davon ausgegangen,
daß die Beklagte als Quasi-Hersteller die Haftung dann träfe, wenn diese
Flasche zum alten Warenbestand der W. GmbH & Co. KG gehörte, sie diesen
Bestand übernommen hätte und daraus sodann die verwendete Flasche an die
Rechtsvorgängerin der Streithelferin geliefert worden wäre, sofern
spätestens zum Zeitpunkt dieser Lieferung auf der Flasche - insbesondere mit
der Produktbezeichnung - ein auf die Beklagte deutender Hinweis im Sinne des
§ 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG angebracht war. Bei einer solchen Fallgestaltung
hätte sie auch die Möglichkeit gehabt, die Fehlerfreiheit des Produktes zu
prüfen und damit auf dessen Qualität Einfluß zu nehmen.
b) Nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 4 Satz 1 ProdHaftG muß
der Geschädigte die Voraussetzungen für eine Haftung des Herstellers wie
auch des Quasi-Herstellers darlegen und gegebenenfalls beweisen, also den
Produktfehler, den Schaden und den Ursachenzusammenhang. Weiterhin hat der
Geschädigte nach allgemeiner Auffassung auch die Umstände darzulegen und zu
beweisen, aus denen sich die Eigenschaft des in Anspruch Genommenen als
Quasi-Hersteller für das konkrete, schadensrelevante Produkt ergibt
(vgl. Baumgärtel, Hdb. d. Beweislast, 2. Aufl., § 823 BGB, Anhang C IV, § 1
ProdHaftG, Rn. 13, § 4 ProdHaftG, Rn. 1; Palandt/Sprau, 64. Aufl., § 1
ProdHaftG, Rn. 25; Staudinger/Oechsler, aaO, § 1 ProdHaftG, Rn. 156;
Taschner/Frietsch, ProdHaftG, 2. Aufl., § 1, Rn. 144; Rolland, aaO, § 1
ProdHaftG, Rn. 174; Pott/Frieling, ProdHaftG, § 1, Rn. 144; Schmidt-Salzer/
Hollmann, EG-Richtlinie Produkthaftung, Art. 7 der EG-Richtlinie, Rn. 22;
Krüger, aaO, S. 42; Landscheidt, Das neue Produkthaftungsrecht, 2. Aufl., 3.
Teil, VI 1, S. 129 f., Rn. 80; Arens, ZZP 104 (1991), 123, 128; Frietsch, DB
1990, 29, 33). Erst wenn der (Quasi-)Hersteller geltend macht, das
verwendete Produkt sei ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt, obliegt
die Darlegungs- und Beweislast insoweit ihm (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2
ProdHaftG).
Der in Anspruch genommene (Quasi-)Hersteller soll nicht nachweisen müssen,
daß von Dritten ohne seine Zustimmung hergestellte Produkte, die -
insbesondere in Form der Produkt- oder Markenpiraterie - den eigenen
Produkten täuschend ähnlich sind, mitunter aber eine schlechtere Qualität
aufweisen, nicht von ihm hergestellt oder auch nur lizenziert wurden (vgl.
dazu Schmidt-Salzer/Hollmann, aaO, Art. 7, Rn. 23; Landscheidt, aaO, S. 134,
Rn. 83; Taschner/Frietsch, aaO, § 1 ProdHaftG, Rn. 60), zumal dem
Verbraucher auch in diesen Fällen noch die Haftung des Importeurs und des
Lieferanten offen steht (§ 4 Abs. 2, 3 ProdHaftG). Die Beweislast dafür, das
Produkt nicht in den Verkehr gebracht zu haben, trägt zwar gemäß § 1 Abs. 4
Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 ProdHaftG der Hersteller bzw. Quasi-Hersteller, weil
nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein im Markt befindliches Produkt
regelmäßig auch mit Wissen und Wollen dessen in Verkehr gebracht worden ist,
dem dieses Produkt als Hersteller bzw. Quasi-Hersteller zuzurechnen ist.
Diese tatsächliche Vermutung bezieht sich aber lediglich auf die Frage, ob
dem (Quasi-)Hersteller das Produkt gestohlen oder in sonstiger Weise ohne
seinen Willen abhanden gekommen ist (vgl. BT-Drucks. 11/2447, S. 14), und
soll deshalb erst greifen, wenn feststeht, daß dem in Anspruch Genommenen
hinsichtlich des konkreten Produkts die Eigenschaft eines Herstellers bzw.
Quasi-Herstellers zukommt.
c) Dem Berufungsgericht kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit es
meint, die Klägerin habe ihre Darlegungslast insoweit nicht erfüllt.
Es verneint die Eigenschaft der Beklagten als Quasi-Hersteller mit der
Begründung, die Klägerin habe nicht vorgetragen, daß die Beklagte noch von
der W. GmbH & Co. KG hergestellte Produkte an die Rechtsvorgängerin der
Streithelferin veräußert habe. Vielmehr habe die Klägerin den Vortrag der
Beklagten, daß die verwendete Flasche zu von der W. GmbH & Co. KG
gelieferten Altbeständen der Rechtsvorgängerin der Streithelferin gehört
habe, lediglich bestritten und damit ihrer Darlegungslast nicht genügt. Nach
dem Tatbestand des Berufungsurteils hat die Klägerin indes unter
Beweisantritt vorgetragen, die Beklagte sei Herstellerin der verwendeten
Grillanzünderflasche gewesen, welche sie an die Rechtsvorgängerin der
Streithelferin weiterveräußert habe. Dieser Klagevortrag beschreibt zwei von
einander getrennte Vorgänge, nämlich daß die Beklagte die Flasche
hergestellt und sie später an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin
weiterveräußert habe. Die Frage der Herstellung ist für eine Haftung als
Quasi-Hersteller unerheblich, soweit die weitere Voraussetzung eines
Sich-Ausgebens als Hersteller erfüllt ist. Der Vortrag einer Veräußerung
durch die Beklagte ist mit den Ausführungen in den Entscheidungsgründen, die
Klägerin habe eine Lieferung durch die W. GmbH & Co. KG lediglich
bestritten, nicht vereinbar.
Die somit widersprüchlichen Feststellungen des Berufungsgerichts bieten, was
von Amts wegen zu berücksichtigen ist, keine geeignete
Entscheidungsgrundlage, so daß die dem Tatbestand sonst zukommende
Beweiskraft (§ 314 ZPO) entfällt und der erkennende Senat daran nicht
gebunden ist (vgl. BGHZ 40, 84, 86 f.; BGH Urteile vom 13. Mai 1996 - II ZR
275/94 - NJW 1996, 2306 und vom 15. April 1997 - XI ZR 105/96 - NJW 1997,
1917). Das Berufungsurteil ist bereits wegen dieses Mangels aufzuheben, denn
damit ist eine erschöpfende sachliche Nachprüfung des Urteils nicht möglich
(vgl. BGHZ 40, 84, 86 f.; 80, 64, 67 ff.; BGH Urteile vom 16. Mai 1990 - IV
ZR 64/89 -VersR 1990, 974 f. und 13. Juli 1994 - VIII ZR 256/93 - NJW-RR
1994, 1340, 1341). Die widersprüchlichen Feststellungen des
Berufungsgerichts lassen es nicht zu, im Revisionsverfahren zu beurteilen,
ob die Klägerin ihrer Darlegungslast genügt hat.
3. Weiterhin begegnet das Berufungsurteil hinsichtlich der Verneinung
einer Haftung der Beklagten als Lieferant gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG haftet der Lieferant eines fehlerhaften
Produktes, wenn die primär haftenden Hersteller, also Produzent oder
Quasi-Hersteller im Sinne des § 4 Abs. 1 ProdHaftG, nicht festgestellt
werden können und er dem Geschädigten den wahren Hersteller oder seinen
Vorlieferanten nicht binnen eines Monats nach Aufforderung mitteilt. Der
Lieferant soll dadurch angehalten werden, die Offenlegung der tatsächlichen
Verhältnisse zu fördern, womit insbesondere einer Verschleierung der
Identität des tatsächlichen Herstellers entgegengewirkt und der Verbraucher
zugleich davor geschützt werden soll, daß die Produzentenhaftung durch die
Verwendung anonymer Produkte ausgehöhlt wird (BT-Drucks. 11/2447, S. 20;
vgl. auch Staudinger/Oechsler, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn. 95; Palandt/Sprau,
aaO, § 4 ProdHaftG, Rn. 8; Rolland, aaO, § 4, Rn. 70; MünchKomm/Wagner, aaO,
§ 4 ProdHaftG, Rn. 31). Ein Ausgleich des Schadens soll nicht daran
scheitern, daß dem Geschädigten für eine Verfolgung seiner Ansprüche
gegenüber dem (Quasi-)Hersteller die erforderlichen Informationen über
dessen Person und die Erkenntnismittel fehlen, die zum erfolgreichen
Nachweis dieser Eigenschaft erforderlich sind. Er soll dieses Wissen über
die Offenbarung der Vertriebskette erhalten oder andernfalls den mit der
Auskunft fällig bleibenden (Vor-)Lieferanten in Anspruch nehmen können.
b) Dieses Schutzes bedarf der Geschädigte jedoch nur, soweit er auf diese
Auskunft angewiesen ist (vgl. Staudinger/Oechsler, aaO, Rn. 99). Hieran sind
entsprechend dem Schutzzweck der Ausfallhaftung keine zu hohen Anforderungen
zu stellen. Der Geschädigte ist nicht gehalten, sämtliche anderen objektiv
zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten zu nutzen, bevor er den
Lieferanten nach dem wahren Hersteller fragt (vgl. MünchKomm/Wagner, aaO,
§ 4 ProdHaftG, Rn. 35). Grundsätzlich ist von ihm nur zu erwarten, die
Informationen zur Verfolgung seiner Produkthaftungsansprüche zu nutzen, die
ihm auf Grund des Produkterwerbs zur Verfügung stehen (vgl. von
Westphalen, Produkthaftungshandbuch, Band 2, 2. Aufl., § 75, Rn. 73). Die
Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 3 ProdHaftG und die Erwägungen zu Art. 3 Abs.
3 der Richtlinie 85/374/EWG zeigen, daß bereits das Fehlen von Hinweisen zum
Hersteller auf dem Produkt die Ausfallhaftung des Lieferanten eröffnen soll
(vgl. BT-Drucks. 11/2447, S. 20; Richtlinienvorschlag der EG-Kommission, aaO,
Erl. zu Art. 2 Nr. 9).
Ein dem Lieferanten zuzurechnendes Auskunftsbedürfnis ist damit bereits
gegeben, wenn die Angaben auf dem Produkt nur vage auf einen möglichen
Hersteller hindeuten. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Name
eines Unternehmens angegeben ist, jedoch unklar bleibt, in welcher Beziehung
dieses Unternehmen zu dem Produkt steht, etwa ob es dessen Hersteller ist
oder nur am Vertrieb beteiligt war. Nur die eindeutige Angabe eines
Unternehmens als "Hersteller", vermag dem Geschädigten die nötige Klarheit
zu verschaffen, um sich direkt an dieses zu wenden. Wird auf dem Produkt nur
ein Vertriebsunternehmen genannt, ist damit der Hersteller noch nicht im
Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 ProdHaftG feststellbar, vielmehr bedürfte es
weiterer Recherchen zur Vertriebskette.
c) Ausgehend von diesen Maßstäben kann den Ausführungen des
Berufungsgerichts nicht gefolgt werden.
Es kann insoweit offenbleiben, ob für die Feststellbarkeit des Herstellers
im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 ProdHaftG auf einen Zeitpunkt nach dem
Schaden, also dem Zeitpunkt des Auskunftsersuchens abzustellen ist, wenn die
Angaben auf dem Produkt durch den Produktfehler vernichtet wurden (vgl.
Rolland, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn. 73-75; Pott/Frieling, § 4 ProdHaftG, Rn.
67, 70 ff.), oder auf den Zeitpunkt des letzten Erwerbsvorgangs (vgl. OLG
Düsseldorf, OLGR 2000, 194; Staudinger/Oechsler, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn.
100; Taschner/Frietsch, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn. 69).
Auch zum Zeitpunkt des letzten Erwerbsvorgangs ergibt sich nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts kein Sachverhalt, bei dem der
Hersteller der explodierten Grillanzünderflasche aus den darauf befindlichen
Angaben schon damals eindeutig hätte bestimmt werden können. Das
Berufungsgericht stellt insoweit unter Berücksichtigung eines zwischen dem
Geschädigten und der Beklagten ergangenen Urteils des Landgerichts Wiesbaden
fest, daß unstreitig den Bruchstücken der explodierten Flasche noch in
Teilen die Angabe einer Firma zu entnehmen war, und es meint, daß diese
Teile weit mehr den Angaben der zweiten, am selben Tage vom Kunden M.
gekauften Flasche entsprachen, auf der unstreitig die Firma und Adresse der
W. GmbH & Co. KG angegeben waren.
Soweit dies beim letzten Erwerbsvorgang der Fall gewesen sein sollte, wie es
von der Streithelferin vorgetragen und von der Klägerin im
Berufungsverfahren zugestanden wurde, handelte es sich indessen noch nicht
um einen eindeutigen Hinweis auf den Hersteller dieses Produkts. Eine solche
Angabe läßt offen, ob damit der Hersteller oder eine Vertriebsgesellschaft
bezeichnet werden soll. Für die Ermittlung des Herstellers des
Grillanzünders bedurfte es daher bei einer solchen Fallgestaltung der
weiteren Nachfrage, die entsprechend dem revisionsrechtlich zu
unterstellenden Vortrag der Klägerin die Beklagte als Vorlieferantin der
Rechtsvorgängerin der Streithelferin mit einschloß.
Die bloße Angabe der Firma und Adresse der W. GmbH & Co. KG auf der
explodierten Grillanzünderflasche ohne weitere Zusätze rechtfertigte daher
nicht die Annahme, der Hersteller habe festgestellt werden können.
4. Soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten kraft
Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB) verneint, sind seine Ausführungen
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die tatrichterliche Würdigung, daß
die Beklagte in ihrer Firma nicht den maßgeblichen Firmenkern der W. GmbH &
Co. KG fortgeführt habe (vgl. dazu BGHZ 146, 374, 376), wird von der
Revision nicht angegriffen und begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
III. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben und die Sache an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sofern der Klägerin nicht der Nachweis gelingen sollte, daß die Beklagte der
tatsächliche Hersteller des explodierten Grillanzünders war, werden
hinsichtlich einer Haftung der Beklagten als Quasi-Hersteller insbesondere
noch tatrichterliche Feststellungen dazu zu treffen sein, ob die Beklagte,
wenn sie den explodierten Grillanzünder auslieferte, mit der Bezeichnung "W.
Grillanzünder" ihren Namen oder eine ihr zuzurechnende Marke oder ein
anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen für den Produktabsatz verwandte
und dies vom Verkehr dahingehend zu verstehen war, daß sie der Hersteller
der Flasche sei (vgl. dazu MünchKomm/Wagner, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn. 24).
Insoweit stünde der Umstand, daß auf der Flasche (auch) der Name der W. GmbH
& Co. KG angegeben war, nicht zwingend einer Stellung der Beklagten als
Quasi-Hersteller entgegen; nur ein eindeutiger, nicht zu übersehender
Hinweis auf ein anderes Unternehmen als Hersteller könnte dazu führen, daß
ein ansonsten festzustellendes Sich-Ausgeben als Hersteller nicht die
Quasi-Herstellereigenschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG zur
Folge hätte (vgl. MünchKomm/Wagner aaO; Staudinger/Oechsler, aaO, § 4
ProdHaftG, Rn. 64; von Westphalen, aaO, § 75, Rn. 47). Hierfür wäre zudem zu
berücksichtigen, inwieweit der Name der W. GmbH & Co. KG auch als ein
Hinweis auf eine Vertriebsgesellschaft aufgefaßt oder irrtümlich dahingehend
mißverstanden werden konnte, daß die Beklagte diesen Namen früher geführt
hätte.
Sofern auch die Voraussetzungen für eine Haftung als Quasi-Hersteller nicht
festzustellen sein sollten, wäre für eine Lieferantenhaftung gemäß § 4 Abs.
3 ProdHaftG noch zu berücksichtigen, daß diese nur eingreifen könnte, wenn
die Klägerin die Beklagte aufforderte, ihren Vorlieferanten oder den
Hersteller der explodierten Grillanzünderflasche zu benennen (vgl.
Staudinger/Oechsler, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn. 106; Kullmann, aaO, § 4, V 3,
S. 145; Rolland, aaO, § 4 ProdHaftG, Rn. 85), sofern eine solche
Aufforderung nicht im Hinblick auf die außergerichtlichen und prozessualen
Erklärungen der Beklagten eine unnötige Förmelei gewesen wäre. Letzteres
wäre anzunehmen, wenn die Beklagte deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, daß
sie den Hersteller der explodierten Grillanzünderflasche nicht benennen
könne oder wolle und diese Flasche auch nicht vertrieben habe, so daß sie
hierfür auch keinen Vorlieferanten nennen könne. |