(Keine) Verletzung des
Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei Presseberichterstattung über
(tatsächlich begangene) Straftaten
BGH, Urteil vom 15.
November 2005 - VI ZR 286/04
Fundstelle:
NJW 2006, 599
Amtl. Leitsatz:
Die Presse darf über
einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß einer in der Öffentlichkeit bekannten
Person mit Namensnennung und Abbildung berichten (hier: Überschreitung der
auf französischen Autobahnen zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h
um 81 km/h).
Zentrale Probleme:
Im August 2003 berichteten zahlreiche Presseorgane, Ernst
August Prinz von Hannover sei von einem französischen Gericht zu einem
Bußgeld verurteilt und mit einem Monat Fahrverbot belegt worden, weil er
eine französische Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 211 km/h befahren
habe, obwohl dort die Höchstgeschwindigkeit 130 km/h beträgt. Der Prinz hat
daraufhin auf Unterlassung dieser Berichterstattung geklagt. Er sieht in der
– mit einem Foto von ihm bebilderten - Berichterstattung über den nach
seiner Ansicht unwesentlichen Vorfall eine Verletzung seines
Persönlichkeitsrechts und meint, dadurch werde er an den Pranger gestellt,
ohne dass ein Informationsinteresse bestehe.
Der BGH hat die Klageabweisung bestätigt: Zwar stellt die öffentliche
Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder
Darstellung des Täters regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts des Täters dar. Andererseits gehören Straftaten zum
Zeitgeschehen, über das die Medien die Öffentlichkeit grundsätzlich zu
unterrichten haben. Eine vollständige Berichterstattung unter Namensnennung
und Abbildung des Täters kann je nach Art der Tat und der Person des Täters
zulässig sein. Sie ist nicht prinzipiell auf schwere Straftaten beschränkt.
Hier war danach die Berichterstattung zulässig: Es handelte sich um einen
schwerwiegenden Verkehrsverstoß, der schon als solcher geeignet ist, Anlass
zu öffentlicher Diskussion zu geben. Hierüber darf jedenfalls dann mit
Namensnennung und Abbildung berichtet werden, wenn er von einer in der
Öffentlichkeit bekannten Person begangen wurde. Dem steht auch nicht die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall
"Caroline" entgegen, mit welcher sich der Senat eingehend auseinandersetzt.
S. dazu auch
BGH v. 8.5.2012 - VI ZR 217/08
("Sedlmayr-Mörder).
©sl 2006
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Berichterstattung in
Anspruch. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitung "Saarbrücker Zeitung". In
der Ausgabe vom 14. August 2003 wurde die Meldung verbreitet, dass der
Kläger auf einer französischen Autobahn statt der dort erlaubten 130 km/h
mit 211 km/h gefahren, von der Polizei ermittelt und deshalb von einem
französischen Gericht u.a. zu einem Monat Fahrverbot verurteilt worden sei.
Der mit einem Foto des Klägers bebilderte und in der Sache zutreffende
Bericht hat folgenden Wortlaut:
"Der auch in Gemütsdingen
gelegentlich zur Raserei neigende Ernst August von Hannover hat seinen
Autoführerschein verloren. Ein französisches Gericht verurteilte den
Prinzen nach Justizangaben vom Mittwoch bereits am ... wegen Fahrens mit
211 Stundenkilometer zudem zu 728 Euro Bußgeld. Der Ehemann von
Prinzessin Caroline von Monaco war Anfang Juni mit atemberaubender
Geschwindigkeit über die Autobahn A 6 in Richtung Lyon gebraust.
Bei dem Ort ... stoppte ihn die Polizei. Höchstgeschwindigkeit auf
französischen Autobahnen sind 130 Stundenkilometer. Einen Monat muss der
blaublütige Deutsche sich nun durch die Lande fahren lassen."
Das Landgericht hat die Beklagte in zwei
Urteilen zur Unterlassung sowohl der Wort- als auch der
Bildberichterstattung verurteilt. Dagegen hat die Beklagte Berufungen
eingelegt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe aufgrund seiner
Angehörigkeit zum Welfengeschlecht und durch die Heirat mit Prinzessin
Caroline von Monaco sowie seines mehrfachen indiskutablen früheren
öffentlichen Verhaltens eine Position und Bedeutung erlangt, die ihn zur
absoluten Person der Zeitgeschichte mache. Jedenfalls sei seine Stellung so
herausgehoben, dass die anlassbezogene Berichterstattung wegen überwiegender
Interessen der Presse zulässig sei. Einschränkungen der
Berichterstattungsfreiheit seien nicht geboten, da die vom Kläger nicht
abgestrittene Verfehlung nur die Sozial- und nicht seine Privatsphäre
betreffe. Der Kläger ist dem entgegen getreten.
Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufungen abgewiesen. Dagegen
richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil
in AfP 2004, 559 ff. veröffentlicht ist, hat ausgeführt:
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Unterlassung der Wort- und
Bildberichterstattung gegen die Beklagte zu. Durch die individualisierende
Berichterstattung über die Verkehrsverfehlung werde zwar das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigt. Er habe diesen Eingriff
aber hinzunehmen, da die Interessen der Presse die des Klägers überwögen. Es
handele sich bei der Berichterstattung über den Verkehrsverstoß des Klägers
um eine der Wahrheit entsprechende Meldung. Wahre Äußerungen seien
grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn sie für den Betroffenen nachteilig
seien. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Meldung - wie hier - nicht die
Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre
betreffe. Derartige Äußerungen dürften nur im Fall schwerwiegender
Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen untersagt bzw. mit
negativen Sanktionen verknüpft werden, etwa bei Stigmatisierung oder
sozialer Ausgrenzung sowie bei Eintreten einer Prangerwirkung. Voraussetzung
sei aber auch dann, dass eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit deren
Zurücktreten ergebe. Eine solche die Pressefreiheit einschränkende Sachlage
sei hier nicht gegeben.
Die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung,
Abbildung oder Darstellung des Täters stelle zwar regelmäßig eine erhebliche
Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters dar, weil sein
Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des
Publikums negativ qualifiziert werde. Vorliegend habe jedoch ein erhebliches
Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über die
vom Kläger begangene Tat bestanden, was sich schon daran zeige, dass die
Meldung von nahezu der gesamten deutschen, auch der sog. "seriösen" Presse
verbreitet worden sei. Grundlage für das Informationsinteresse sei dabei zum
einen die Abstammung des Klägers, der zudem der Ehemann der ständig im Licht
der Öffentlichkeit stehenden Prinzessin Caroline von Hannover, vormals
Monaco, sei.
Im Streitfall komme entscheidend hinzu, dass der Kläger in der jüngeren
Vergangenheit durch mehrere Verfehlungen, die zum Teil zur Strafverfolgung
geführt hätten, aufgefallen sei. Er habe durch diese Vorfälle zwar nicht die
Stellung einer absoluten Person der Zeitgeschichte erlangt, jedoch vor dem
Hintergrund seiner Herkunft und Heirat und durch sein Verhalten das
Interesse der Öffentlichkeit an der Frage geweckt, ob es weiterhin
auffällige Verhaltensweisen oder sogar Gesetzesverstöße in der
Öffentlichkeit von ihm gebe. Das vom Kläger selbst hervorgerufene Interesse
sei durch die von ihm in Frankreich begangene Tat betroffen und durch die
verbreitete Meldung in angemessener Weise befriedigt worden. Er habe nämlich
einen schwer wiegenden Rechtsverstoß begangen, der ein
Berichterstattungsinteresse geradezu provoziere. Eine solch massive
Überschreitung setze ein vorsätzliches Handeln und Hinwegsetzen über die für
alle geltenden Regeln voraus. Der Gesetzesverstoß stelle allein wegen der
hohen Geschwindigkeit jedenfalls eine abstrakte Gefährdung der Allgemeinheit
dar. In einem solchen Fall genieße die aktuelle Berichterstattung Vorrang
vor den Interessen des Betroffenen, zumal der Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht durch die seine Sozialsphäre betreffende wahre Meldung
über den Verkehrsverstoß nicht erheblich sei und er weder stigmatisiert noch
ausgegrenzt oder an den Pranger gestellt werde.
Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, den zulässigen Wortbericht mit
einem - wie hier geschehen - kontextneutralen Portraitfoto des Klägers zu
bebildern. Die Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 KUG lägen vor, da der
Verkehrsverstoß des Klägers ein zeitgeschichtlich berichtenswertes Ereignis
darstelle.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung Stand.
1. Das Berufungsgericht stellt fest, dass die Berichterstattung über den
Verkehrsverstoß des Klägers der Wahrheit entspricht. Dagegen bringt die
Revision nichts vor. Die Problematik einer Verdachtsberichterstattung über
Ermittlungsverfahren, die ungeklärte Straftaten betreffen (dazu Senatsurteil
BGHZ 143, 199, 203 ff.), stellt sich daher im Streitfall nicht.
2. Entscheidungserheblich ist die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen
Voraussetzungen über weniger schwerwiegende Straftaten oder
Ordnungswidrigkeiten unter Namensnennung und Beifügung eines Bildes des
Täters berichtet werden darf. Unter den Umständen des Streitfalls hat das
Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berichterstattung ohne Rechtsfehler
bejaht.
a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Revision, dass die öffentliche
Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder
Darstellung des Täters regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts des Täters darstelle, weil sein Fehlverhalten
öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums
negativ qualifiziert werde (vgl. BVerfGE 35, 202, 226; BVerfG, NJW 1993,
1463, 1464). Unrichtig ist aber ihre Auffassung, eine derartige
Berichterstattung sei nur in Fällen schwerer Kriminalität zulässig. Ein
solcher Grundsatz lässt sich weder aus der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts noch aus der des erkennenden Senats herleiten.
Dabei kann hier dahin stehen, ob der Verkehrsverstoß des Klägers dem Bereich
der "Kleinkriminalität" zuzurechnen ist oder ob es sich sogar nur um eine
Ordnungswidrigkeit handelt.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 35,
202, 230 ff.; BVerfG, aaO) sprechen erhebliche Erwägungen für eine auch die
Person des Täters einbeziehende vollständige Information der Öffentlichkeit
über vorgefallene Straftaten, weil Straftaten zum Zeitgeschehen gehören,
dessen Vermittlung Aufgabe der Medien überhaupt ist, und weil unter anderem
die Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von
Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein durchaus
anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter
begründen. Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an
einer Berichterstattung gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in
den Persönlichkeitsbereich des Täters verdient für die aktuelle
Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen
den Vorrang. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen
Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muss
sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen
Sanktionen beugen. Er muss grundsätzlich auch dulden, dass das von ihm
selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in
einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den
dafür üblichen Wegen befriedigt wird.
Das Bundesverfassungsgericht (aaO) hat daraus hergeleitet, dass bei
schweren Straftaten regelmäßig ein Interesse der Öffentlichkeit an einer
auch die Person des Täters einbeziehenden vollständigen Information über die
Straftat besteht. Dabei und auch für den Bereich sonstiger Straftaten
ist zu beachten, dass der Vorrang des Informationsinteresses nicht
schrankenlos besteht, vielmehr der Einbruch in die persönliche Sphäre des
Täters durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt ist, so dass
eine Berichterstattung unter Namensnennung und Abbildung des Täters in
Fällen der Kleinkriminalität und bei Jugendlichen keineswegs immer zulässig
ist. Wo konkret die Grenze für das grundsätzlich vorgehende
Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist,
lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des
Einzelfalles entscheiden.
bb) Ein davon abweichender Maßstab lässt sich der Rechtsprechung des
erkennenden Senats nicht entnehmen. In der von der Revision herangezogenen
Entscheidung (BGHZ 143, 199 ff.) hat der Senat vielmehr ausgeführt, bei
Straftaten, die die Öffentlichkeit in besonderem Maße berühren, könne wegen
der Stellung der Person des Beschuldigten und der Art der Straftat eine
namentliche Berichterstattung auch unterhalb der Schwelle der
Schwerkriminalität zulässig sein (aaO, S. 207). Auch früher schon hat der
erkennende Senat betont, dass es für die Zulässigkeit einer
identifizierenden Berichterstattung auf die Art der Tat und die Person des
Täters ankommen kann (Senatsurteil BGHZ 36, 77, 82 f.; vgl. auch BGH, Urteil
vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 - NJW 1994, 1950, 1952).
cc) In der veröffentlichten Rechtsprechung der Obergerichte ist die
Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung bei schweren
Straftaten mehrfach bejaht (vgl. OLG Brandenburg, AfP 1995, 520, 522; OLG
Frankfurt, AfP 1990, 229; OLG Köln, AfP 1986, 347), bei unspektakulärer
Kriminalität dagegen gelegentlich verneint worden (vgl. OLG Nürnberg, NJW
1996, 530, 531). Doch ist die Zulässigkeit der Berichterstattung auch bei
Straftaten unterhalb der Schwelle der Schwerkriminalität bejaht worden, weil
die Art der Tat oder die Person bzw. Stellung des Täters ein
Informationsinteresse rechtfertigten (OLG Braunschweig, NJW-RR 2005, 195 f.;
OLG München, NJW-RR 2003, 111).
dd) Auch in der Literatur wird die Notwendigkeit einer Abwägung der
widerstreitenden Grundrechte im Einzelfall betont (Löffler/Steffen,
Presserecht, 4. Aufl., § 6 LPG Rn. 205 ff.; MünchKomm-BGB/Rixecker, 4.
Aufl., § 12 Anh. Rn. 146; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 19.24 ff.,
19.32 ff.; Staudinger/Hager, 13. Bearb., § 823 Rn. C 202 f.) und
insbesondere auch die Auffassung vertreten, dass eine identifizierende
Berichterstattung auch in Fällen kleiner oder mittlerer Kriminalität
gerechtfertigt sein kann, wenn wegen der Person des Täters ein besonderes
Informationsinteresse besteht (Löffler/Steffen, aaO, Rn. 208; Soehring, aaO,
Rn. 19.25). Sofern der Rechtsprechung teilweise ein engerer Maßstab
entnommen wird (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 169; Löffler/Ricker, Handbuch
des Presserechts, 5. Aufl., Kap. 42 Rn. 13), kann dem nicht gefolgt werden.
b) Nach dem dargelegten Maßstab ist die Abwägung, die das Berufungsgericht
für den Streitfall vorgenommen hat, nicht zu beanstanden.
aa) Es kann dahinstehen, ob über einen Verkehrsverstoß, wie der Kläger ihn
begangen hat, unter Namensnennung und Abbildung auch eines bisher der
Öffentlichkeit unbekannten Täters hätte berichtet werden dürfen. Im Fall des
Klägers hat das Berufungsgericht jedenfalls ein überwiegendes
Informationsinteresse zu Recht bejaht.
Es hat dies zutreffend zunächst aus der Art der Tat hergeleitet. Es handelte
sich um eine ganz erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, wie sie nur
vorsätzlich hat geschehen können, so dass in ihr eine krasse Missachtung
bestehender Regeln zum Ausdruck kommt. Zudem gehen von einer derartigen
Fahrweise erhebliche Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer aus, die wegen
des bestehenden Tempolimits nicht damit rechnen, dass sich ein Fahrzeug
derart schnell von hinten nähert; ob es hier tatsächlich zu einer
Gefahrensituation gekommen ist, ist dabei unerheblich. Die Öffentlichkeit
hat ein Recht darauf, über eine derart unverantwortliche Verhaltensweise
informiert zu werden, zumal schon der Berichterstattung über den Verstoß als
solchen und seine Ahndung in Frankreich ein erheblicher Informationswert
zukommt.
Nicht zu beanstanden ist weiter die Erwägung des Berufungsgerichts, dass
auch wegen der Person des Klägers ein besonderes Informationsinteresse zu
bejahen sei. Es stellt zutreffend auf Herkunft und Stellung des Klägers und
darauf ab, dass dieser nicht nur wegen des vorliegenden Vorfalls, sondern
auch schon wegen seines bisherigen Verhaltens in der Öffentlichkeit selbst
ein erhebliches Interesse an seiner Person auf sich gezogen hat. Der Kläger
ist aufgrund dieser Umstände eine in der Öffentlichkeit bekannte Person,
über deren Verhalten jedenfalls unter den im vorliegenden Fall gegebenen
Umständen berichtet werden durfte. Dass ein erhebliches
Informationsinteresse bestand, zeigt sich auch daran, dass der Vorfall
Gegenstand der Berichterstattung der gesamten, auch der "seriösen" Presse
war.
Durchschlagende entgegenstehende Interessen des Klägers hat das
Berufungsgericht mit nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint. Die
Presseberichte mögen für den Kläger zwar lästig und peinlich gewesen sein.
Es ist jedoch nicht erkennbar, dass sie eine erhebliche Belastung, eine
Stigmatisierung, eine Ausgrenzung oder gar eine Prangerwirkung zur Folge
gehabt haben könnten.
bb) Die dargelegten Erwägungen rechtfertigen nicht nur die
Wortberichterstattung, sondern auch die Veröffentlichung eines
kontextneutralen Fotos zu dem Bericht. Ohne Rechtsfehler nimmt das
Berufungsgericht an, dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KUG vorliegen,
weil der berichtete Vorgang ein zeitgeschichtlich berichtenswertes Ereignis
darstellt. Der Begriff der Zeitgeschichte erfasst nicht allein Vorgänge von
historischer oder politischer Bedeutung, sondern wird vom
Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt; zum Kern der Presse-
und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der
gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach
ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse
beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine
Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist (BVerfGE 101, 361, 391). Danach
ist die angegriffene Veröffentlichung hier nicht zu beanstanden. Die krasse
Missachtung der Verkehrsregeln eines Nachbarstaates durch eine in der
Öffentlichkeit bekannte Person ist entgegen den Ausführungen der Revision
kein alltäglicher Vorgang wie etwa Falschparken oder eine maßvolle
Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern ein im oben definierten Sinne
zeitgeschichtlicher Vorgang, über den die Öffentlichkeit informiert werden
darf.
Die Veröffentlichung des Fotos des ohnehin weithin bekannten Klägers
bewirkte keinen weiter gehenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht als
die Wortberichterstattung. Die konkrete Abbildung als solche hat keinen
eigenständigen Verletzungseffekt, stammt nicht aus der Intimsphäre des
Klägers und ist auch nicht aus ihrem Kontext gerissen und in einen anderen
gestellt (vgl. dazu BVerfG, NJW 2001, 1921, 1924; von Strobl-Albeg in:
Wenzel, aaO, Kap. 8 Rn. 27 f.). Für die Abwägung kann deshalb auf die
vorstehenden Ausführungen zur Wortberichterstattung Bezug genommen werden.
c) Die Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte vom 24. Juni 2004 in dem Verfahren von Hannover gegen
Deutschland (NJW 2004, 2647 ff.) führt hier entgegen den Ausführungen der
Revision nicht zu einer anderen Beurteilung. In jenem Fall ging es darum,
dass in verschiedenen deutschen Zeitschriften erschienene Fotoaufnahmen die
dortige Beschwerdeführerin in Szenen ihres Alltagslebens, also bei
Tätigkeiten rein privater Art zeigten. Eine solche Berichterstattung, zumal
durch die Sensationspresse, hat der Gerichtshof für unzulässig gehalten,
weil sie auch unter Berücksichtigung des Art. 10 EMRK gegen Art. 8 EMRK
verstoße, da die Veröffentlichung der umstrittenen Fotos und Artikel nur die
Neugier eines bestimmten Publikums über das Privatleben der
Beschwerdeführerin habe befriedigen wollen und trotz des hohen
Bekanntheitsgrades der Beschwerdeführerin nicht als Beitrag zu irgendeiner
Diskussion von allgemeinem Interesse für die Gesellschaft angesehen werden
könne (aaO, S. 2650, Nr. 65).
Dem gegenüber hat im Streitfall der von der Berichterstattung Betroffene
durch die Begehung eines gravierenden Verkehrsverstoßes den Bereich rein
privater Betätigung verlassen und sich selbst - wie oben dargelegt - zum
Gegenstand des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit gemacht. Der eine
andere Fallkonstellation betreffenden Entscheidung des Gerichtshofs ist
nicht zu entnehmen, dass die vorliegende Berichterstattung unzulässig sein
könnte.
Nach dem Maßstab des Gerichtshofs ist grundsätzlich zu unterscheiden
zwischen einer Berichterstattung über Tatsachen, die einen Beitrag zu einer
Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft leisten und zum Beispiel
Personen des politischen Lebens, insbesondere bei Wahrnehmung ihrer
Amtsgeschäfte, betreffen, und einer Berichterstattung über Einzelheiten des
Privatlebens einer Person, die keine solchen Aufgaben hat. Nur im ersten
Fall hat die Presse ihre wesentliche Rolle als "Wachhund" in der
demokratischen Gesellschaft wahrzunehmen und dazu beizutragen, "Ideen und
Informationen zu Fragen allgemeinen Interesses zu vermitteln", während sie
dies im zweiten Fall nicht tut (aaO, S. 2649, Nrn. 63, 64).
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs kann eine identifizierende
Berichterstattung über Straftaten (oder auch nicht unerhebliche
Ordnungswidrigkeiten) ersichtlich geeignet sein, Ideen und Informationen zu
Fragen von allgemeinem Interesse zu vermitteln und eine Diskussion hierüber
in der Gesellschaft anzustoßen oder zu bereichern. Das zeigt auch der
Streitfall. Zum einen hat der Kläger in den Instanzen und in der
Revisionsbegründung selbst zur unterschiedlichen Ausgestaltung des
Tempolimits in verschiedenen Staaten allgemeine Ausführungen gemacht. Zum
anderen kann nicht zweifelhaft sein, dass es in einer demokratischen
Gesellschaft Gegenstand der Diskussion sein kann, wenn sich eine in der
Öffentlichkeit bekannte Person über bestehende Regeln, mögen es auch die
eines benachbarten Staates sein, in krasser Weise hinwegsetzt. Auch insoweit
kann und darf die Presse ihre Funktion als "Wachhund" wahrnehmen, weil es
hier nicht um die Befriedigung der Neugier eines bestimmten Publikums am
Privatleben Prominenter geht, sondern darum, die Öffentlichkeit über das
Geschehen angemessen zu informieren.
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