Haftung nach § 823 Abs.
2 BGB: Begriff des Schutzgesetzes, Untersuchungspflichten des Importeurs,
Verschuldensvermutung
BGH, Urteil vom 28. März
2006 - VI ZR 46/05
Fundstelle:
NJW 2006, 1589
Amtl. Leitsätze:
1. Der Importeur eines
in großer Stückzahl aus China importierten technischen Arbeitsmittels (hier:
Tapetenkleistermaschine) ist verpflichtet, das Gerät zu Beginn des
Inverkehrbringens und sodann stichprobenartig darauf zu untersuchen, ob die
Beschaffenheit den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine
Verletzung dieser Pflicht kann zur Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB führen,
wenn es bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des Geräts (hier: Reinigung)
zu einem Körperschaden des Verwenders kommt.
2. Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die
erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529
ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang
darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Es darf sich nicht darauf
beschränken, die Ermessensausübung der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu
überprüfen.
Zentrale Probleme:
Der Kläger erwarb im April 2001 eine
Tapetenkleistermaschine bei einer Supermarktkette. Die Beklagte importiert
diese Maschinen aus China und vertreibt sie in der Bundesrepublik unter
einer eigenen Marke. Die Maschine ist so konstruiert, dass man, um die
Kleisterwanne zu reinigen, hineingreifen muss. Dort wies das vom Kläger
gekaufte Exemplar scharfe Blechkanten auf. Der Kläger behauptet, er habe
sich beim Reinigen der Kleisterwanne erhebliche Schnittverletzungen an der
Hand zugezogen, und verlangt deshalb von der Beklagten Schadensersatz. Die
Vorinstanzen haben ihm u. a. 4.000 € Schmerzensgeld zugesprochen.
Der unter anderem für die Produkthaftung zuständige VI. Zivilsenat des BGH
hat die Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis bestätigt. Das Landgericht
hat zwar fälschlich eine Haftung auf der Grundlage des
Produktsicherheitsgesetzes bejaht. Die Beklagte haftet dem Kläger jedoch
wegen der Verletzung von § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gerätesicherheitsgesetzes,
der ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist. Der Importeur eines
technischen Arbeitsmittels ist verpflichtet, dieses vor dem Beginn des
Inverkehrbringens und sodann stichprobenartig daraufhin zu untersuchen, ob
es den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die gekaufte
Tapetenkleistermaschine war nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht
von dieser Beschaffenheit, da die Blechkanten bei der Herstellung nicht
entgratet wurden und deshalb zu Verletzungen führen konnten. Die Beklagte
hat dies zu vertreten. Ihr Verschulden wird nach dem Gesetz vermutet;
deshalb hätte sie darlegen müssen, inwiefern sie ihrer Untersuchungspflicht
nachgekommen ist. Ihr dahingehendes tatsächliches Vorbringen in den
Vorinstanzen wurde indes vom Berufungsgericht zu Recht für unzureichend
erachtet.
Zum Begriff des Schutzgesetzes i.S.v. § 823 II BGB s. auch
BGH NJW 2004, 1949 sowie BGH NJW 2004, 356.
©sl 2006
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Ersatz materiellen Schadens und Schmerzensgeld wegen
Schnittverletzungen an der linken Hand, die er sich nach seiner Behauptung
beim Reinigen der Kleisterwanne einer bei der Supermarktkette A. S.
erworbenen Tapetenkleistermaschine im Mai 2001 zugezogen habe. Die Beklagte
importiert diese Maschinen aus China und vertreibt sie in Deutschland unter
der Marke "K. C.".
Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich des materiellen Schadens
teilweise stattgegeben und dem Kläger ein Schmerzensgeld von 4.000 €
zuerkannt. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und
die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf
Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht bejaht einen
Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 ProdSG. Es hat im Wesentlichen
ausgeführt: Die nach Durchführung einer Beweisaufnahme vom Amtsgericht
getroffene Feststellung, der Kläger habe sich beim Reinigen der
Tapetenkleistermaschine verletzt, sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte sei
als Quasi-Herstellerin verantwortlich nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ProdSG. Sie
vertreibe unter der Marke "K. C." die Tapetenkleistermaschine zum
Weiterverkauf unter anderem an A. S.. Einen Hinweis auf den chinesischen
Hersteller wiesen die Tapetenkleistermaschine und deren Verpackung nicht
auf. Darüber hinaus sei die Herstellerdefinition in § 3 Abs. 1 Satz 3 ProdSG
zu berücksichtigen. Danach gelte hilfsweise der Importeur als Hersteller.
Der Hersteller verletze ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn
er gemäß § 4 Abs. 2 ProdSG ein nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 ProdSG sicheres
Produkt in den Verkehr gebracht habe. Nach dem Gutachten des
Sachverständigen H. seien die Gratkanten der Kleisterwanne, die nach innen
ragten, messerscharf. Eine Reinigung entsprechend der auf dem Karton
aufgedruckten Anleitung alleine durch Ausspülen sei nach den Ausführungen
des Sachverständigen nicht möglich. Rechtswidrigkeit und Verschulden seien
zu bejahen. Der Beklagten sei vorzuwerfen, dass sie sich nicht durch eine
eingehende Überprüfung der frei zugänglichen Kanten der Kleisterwanne
Gewissheit über die Sicherheit der Geräte verschafft habe. Auch habe sie es
unterlassen, zusammen mit der Reinigungsanleitung der Kleisterwanne auf der
Verpackung einen Warnhinweis auf die Möglichkeit der Verletzung beim
Hineingreifen anzubringen. Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene
Behauptung der Beklagten, bei der Tapetenkleistermaschine handele es sich um
einen "Ausreißer", sei aus prozessualen Gründen unbeachtlich.
II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Zu Recht weist die Revision allerdings darauf hin, dass für die
Beurteilung des Streitfalls nicht das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG),
sondern das Gerätesicherheitsgesetz (GSG) einschlägig ist. Das neue Geräte-
und Produktsicherheitsgesetz vom 6. Januar 2004 (GPSG), welches die
vorgenannten Gesetze außer Kraft gesetzt hat, findet auf den Vorfall aus
2001 noch keine Anwendung. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 g ProdSG findet der zweite
Abschnitt des Produktsicherheitsgesetzes über Produktsicherheit - mit
Ausnahme der im Streitfall nicht relevanten Bestimmungen über Warnungen und
Rückruf - keine Anwendung auf Produkte, deren sicherheitsrelevante
Beschaffenheit im Gerätesicherheitsgesetz geregelt ist.
So liegt es hier. Das Gerätesicherheitsgesetz gilt für das Inverkehrbringen
technischer Arbeitsmittel (§ 1 Abs. 1 GSG). Technische Arbeitsmittel sind
unter anderem verwendungsfertige Arbeitseinrichtungen, vor allem Werkzeuge
und Arbeitsgeräte (§ 2 Abs. 1 GSG). Es muss sich um Einrichtungen handeln,
die zu dem Zweck benutzt werden, Arbeit zu verrichten (vgl. Jeiter/Klindt,
Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., § 2 Rn. 5 f.). Jedes für die Erzielung
eines Arbeitserfolgs einsetzbare und nicht vollkommen ungefährliche Gerät
ist ein technisches Arbeitsmittel im Sinne des Gerätesicherheitsgesetzes (Peine,
Gerätesicherheitsgesetz, 3. Aufl., §§ 1, 1a, 2 Rn. 14; zur weiteren
Eingrenzung derselbe Rn. 17 ff.; vgl. die Beispiele bei Kullmann in Kullmann/Pfister,
Produzentenhaftung, VI/97, 2450 S. 10). Nach der Absicht des Gesetzgebers
sollen alle technischen Geräte erfasst werden, unabhängig davon, wo sie zum
Einsatz gelangen: sei es im Betrieb, im Haushalt oder in einer Dienststelle
(Peine, aaO, §§ 1, 1a, 2 Rn. 12).
Dazu zählt auch die von der Beklagten importierte und vertriebene
Tapetenkleistermaschine. Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2
Nr. 3 GSG liegt nicht vor. Spezialvorschriften für Tapetenkleistermaschinen
sind nicht ersichtlich (vgl. etwa die Beispiele bei Kullmann in Kullmann/Pfister,
aaO, S. 16 f.).
2. Das Urteil erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO), da
die Beklagte dem Kläger, der sich nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen
Feststellungen bei der Reinigung der Tapetenkleistermaschine verletzt hat,
für die Verletzungsfolgen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2
GSG, § 847 Abs. 1 BGB a.F. haftet.
a) § 3 Abs. 1 und 3 GSG ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB
(Senat, Urteile vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - VersR 1980, 380,
382 m.w.N. und vom 18. Januar 1983 - VI ZR 270/80 - VersR 1983, 346, 347;
Beschlüsse vom 17. Januar 1984 - VI ZR 35/83 - VersR 1984, 270 und vom 28.
April 1987 - VI ZR 247/86 - VersR 1988, 635, 636; vgl. auch OLG Düsseldorf,
VersR 1989, 1158 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 7. März 1989 - VI
ZR 257/88 -; OLG Bremen, VersR 2004, 207, 208 mit Nichtzulassungsbeschluss
des Senats vom 15. Juli 2003 - VI ZR 11/03 -; Kullmann in Kullmann/Pfister,
aaO, S. 3).
b) Die Beklagte hat den äußeren Tatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG
erfüllt, weil sie ein technisches Arbeitsmittel in den Verkehr gebracht hat,
das nicht der von der Norm geforderten Beschaffenheit entsprach.
aa) Die Tapetenkleistermaschine fällt nicht in den Regelungsbereich einer in
§ 3 Abs. 1 Satz 1 GSG angesprochenen Rechtsverordnung. Die insoweit in
Betracht kommende Neunte Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz (9. GSGV =
Maschinenverordnung; vgl. dort § 1 Abs. 2) gilt nicht für Maschinen, deren
einzige Kraftquelle die unmittelbar angewandte menschliche Arbeitskraft ist
(§ 1 Abs. 5 Nr. 1 der 9. GSGV; vgl. Jeiter/Klindt, aaO, § 3 Rn. 32 f.). Es
gilt also § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG. Danach dürfen technische Arbeitsmittel nur
in den Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den allgemein anerkannten
Regeln der Technik sowie den Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften
so beschaffen sind, dass Benutzer oder Dritte bei ihrer bestimmungsgemäßen
Verwendung gegen Gefahren aller Art für Leben oder Gesundheit soweit
geschützt sind, wie es die Art der bestimmungsgemäßen Verwendung gestattet
(vgl. Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO).
bb) Die Tapetenkleistermaschine war nicht dementsprechend beschaffen. Nach
den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts sind die nach innen ragenden Gratkanten der Kleisterwanne
messerscharf. Sämtliche Blechkanten sind nicht abgerundet, so dass eine
erhöhte Verletzungsgefahr für den Benutzer besteht. Dieser Zustand
entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, denn die
Blechkanten sind nach den auf sachverständiger Beratung beruhenden
Feststellungen des Amtsgerichts, die sich das Berufungsgericht zu Eigen
macht, bei der Produktion nach dem Abschneiden der Bleche zu entgraten. Bei
dieser Sachlage liegt auch unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen,
die der erkennende Senat insoweit stellt (vgl. etwa Senat, Urteil vom 11.
Dezember 1979 - VI ZR 141/78 -aaO; Beschluss vom 17. Januar 1984 - VI ZR
35/83 - aaO; Kullmann in Kull-mann/Pfister, aaO, S. 27 f.; Peine, aaO, § 3
Rn. 24 ff.), ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik
ersichtlich vor.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Haftung der Beklagten
nicht deshalb aus, weil § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG anders als § 6 Abs. 1 ProdSG
dem Wortlaut nach nur die bestimmungsgemäße Verwendung erfasst.
(1) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG ist der gesetzlich gebotene Schutz bei
"bestimmungsgemäßer Verwendung" zu gewährleisten. Bestimmungsgemäße
Verwendung in diesem Sinne ist nach § 2 Abs. 5 GSG die Verwendung, für die
die technischen Arbeitsmittel nach den Angaben derjenigen, die sie in den
Verkehr bringen, insbesondere nach ihren Angaben zum Zwecke der Werbung,
geeignet sind (Nr. 1) oder die übliche Verwendung, die sich aus der Bauart
und Ausführung der technischen Arbeitsmittel ergibt (Nr. 2). Demgegenüber
stellt das Produktsicherheitsgesetz nicht allein auf die bestimmungsgemäße
Verwendung, sondern in § 6 Abs. 1 ProdSG daneben auf die zu erwartende
Verwendung ab. Es wird nicht einheitlich beurteilt, ob es sich hierbei um
mehr als einen sprachlichen Unterschied handelt (vgl. Jeiter/Klindt, aaO, §
3 Rn. 51), oder ob nicht der Schutzbereich des Gerätesicherheitsgesetzes,
auch ohne dies ausdrücklich zu benennen, eine nahe liegende Fehlanwendung,
einen üblichen Fehlgebrauch (Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 7 m.w.N.)
oder eine für den Hersteller vorhersehbare Verwendung erfasst (Jeiter/Klindt,
aaO, § 3 Rn. 55 im Hinblick auf EG-Produktsicherheitsrichtlinie 92/59/EWG
vgl. aaO § 2 Rn. 53 und § 3 Rn. 47, 49, 52; Kullmann in Kullmann/Pfister,
aaO, S. 7; Peine, aaO, § 3 Rn. 82 [für Spielzeug]).
(2) Diese Frage bedarf im Streitfall keiner Beantwortung. Denn der Unfall
hat sich bei bestimmungsgemäßer Verwendung ereignet. Der Kläger hat die
Maschine entsprechend ihrer Bestimmung zum Einkleistern von Tapeten
verwendet. Das Reinigen der Kleisterwanne nach dem Gebrauch ist zur
Sicherstellung wiederholter Nutzung unerlässlich und gehört ebenso zum
Verwendungsvorgang wie das Einfüllen des Kleisters davor (vgl. auch OLG
Frankfurt, VersR 1977, 1133). Durch den Begriff der bestimmungsgemäßen
Verwendung sollen die Nutzung zu anderen Zwecken, wie etwa die eines
Rasenmähers zum Heckenschneiden, oder offensichtlicher Fehlgebrauch
ausgeschlossen werden (vgl. Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 7; LG
Frankfurt, NJW-RR 1986, 658, 659), nicht aber notwendige Nach- und
Vorbereitungshandlungen an technischen Arbeitsmitteln. Diese sind Teil des
einheitlichen Verwendungsbegriffs im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG.
Auch die auf der Verpackung abgedruckte Reinigungsanleitung nimmt das
Hineingreifen in die Wanne zum Zweck der Reinigung bereits dem Wortsinn nach
nicht aus dem Verwendungsbegriff heraus. Sie lautet: "Kleisterreste
ausgießen und die Wanne unter fließendem Wasser reinigen. Kleistermaschine
an der Luft trocknen lassen und im Originalkarton aufbewahren". Eine
Beschränkung der Reinigung auf bloßes Ausspülen ohne manuelle Unterstützung
ist hieraus nicht zu entnehmen.
dd) Die Beklagte hat die Tapetenkleistermaschine dadurch in den Verkehr
gebracht, dass sie diese aus China importierte und an die Handelskette A. S.
weiterverkaufte, wo sie der Kläger erwarb (§ 3 Abs. 1 Satz 2 GSG). Gemäß § 2
Abs. 3 Satz 1 GSG ist Inverkehrbringen jedes Überlassen technischer
Arbeitsmittel an andere. Hierunter fällt die Lieferung des inländischen
Importeurs an den inländischen Händler oder Verbraucher (vgl. Senat, Urteil
vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO; BGH, Urteil vom 13. Mai 1981 -
VIII ZR 113/80 - NJW 1981, 2640, 2641; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S.
19 und 23; ders., Produkthaftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 318).
ee) Das Berufungsgericht stellt verfahrensfehlerfrei fest, dass sich der
Kläger beim Reinigen der Kleisterwanne verletzt hat. Die Kausalität der
Schutzgesetzverletzung für den beim Kläger eingetretenen Körperschaden wird
von der Revision nicht in Frage gestellt.
c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft.
aa) Ein Verstoß gegen den objektiven bzw. äußeren Tatbestand des § 3 Abs.
1 Satz 2 GSG begründet in einem Schadensfall noch keine Haftung. Eine
Schadensersatzpflicht besteht für den Produktverantwortlichen nur, wenn ihn
ein Verschulden an dem Gesetzesverstoß trifft (vgl. Senat, Urteil vom
11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO,
S. 33; ders., aaO, Rn. 280 f.; Peine, aaO, § 3 Rn. 157). Bei dieser Prüfung
ist zu beachten, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG dem Importeur nicht dieselben
Pflichten wie einem Hersteller auferlegt. Jedem Produktverantwortlichen kann
nur der Standard seines Berufskreises abverlangt werden (Senat, Urteil vom
11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO; Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO,
S. 34, 35; ders., aaO, Rn. 325, 330; Peine, aaO, § 3 Rn. 159; BT-Drucks.
12/2693 S. 17, 21).
bb) Die Beklagte, die das von ihr aus China importierte Produkt in hoher
Stückzahl vertreibt, wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, die
Tapetenkleistermaschinen zu Beginn des Inverkehrbringens und sodann
stichprobenartig darauf zu untersuchen, ob die Beschaffenheit den allgemein
anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine dahingehende
Überprüfungspflicht des Importeurs hat der erkennende Senat bereits bejaht
(Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - aaO). Sie ist auch
in der Literatur anerkannt (Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 35 f.;
ders., aaO, Rn. 330 f.; Peine, aaO, § 3 Rn. 159; Köhler, BB 1985, Beilage 4,
10, 12; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445, 446; vgl. auch BT-Drucks. 12/2693 S.
17, 21). Der Fehler wäre bei pflichtgemäßer Untersuchung ohne weiteres
entdeckt worden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 11. Dezember 1979 - VI ZR
141/78 - aaO).
cc) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der
Überprüfungspflicht der Beklagten keine näheren Feststellungen getroffen
hat. Da die Beklagte § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG objektiv verletzt hat, spricht
eine Vermutung dafür, dass diese Verletzung des Schutzgesetzes auch
schuldhaft erfolgt ist. Es lag an der Beklagten, Umstände darzulegen und zu
beweisen, die geeignet sind, die Annahme zumindest fahrlässigen Verhaltens
auszuräumen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Januar 1984 - VI ZR 35/83 -
aaO, 271; OLG München, VersR 1975, 605, 606; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445,
446; alle zu § 3 Abs. 1 GSG; OLG Stuttgart, NJW-RR 1992, 670, 671; Kullmann,
aaO, Rn. 286 zu § 3 Abs. 3 Satz 2 GSG).
dd) Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, die Beklagte sei
insoweit ihrer Darlegungspflicht nicht nachgekommen.
Welche Prüfungen der Importeur anstellen und in welchem Umfang er die
importierten Geräte untersuchen oder untersuchen lassen muss, ist eine Frage
des Einzelfalls (Kullmann in Kullmann/Pfister, aaO, S. 36; Kullmann, aaO,
Rn. 331; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445, 446). Die Häufigkeit der notwendigen
Stichproben hängt unter anderem davon ab, ob die importierten Maschinen aus
einem Fertigungsvorgang stammen oder nicht. Im letztgenannten Fall sind
häufigere Stichproben erforderlich, um die Entdeckung von Fehlern
wahrscheinlich zu machen. Ferner kann den Importeur bei Importen aus dem
außereuropäischen Bereich eine besondere Verantwortung treffen (Kollmer, NJW
1997, 2015, 2017; Schmidt-Salzer, BB 1980, 445, 446).
Die Revision legt nicht dar, dass die Beklagte insoweit erstinstanzlich in
dem erforderlichen Maße vorgetragen habe. Das Berufungsgericht hat insoweit
entgegen der Annahme der Revision auch nicht verfahrensfehlerhaft die
Beklagte entlastenden zweitinstanzlichen Sachvortrag übergangen. Es hat
ausgeführt, die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Behauptung der
Beklagten, bei der Tapetenkleistermaschine handele es sich um einen
"Ausreißer", sei neu und unsubstantiiert. Es werde nicht vorgetragen, wie
viele Stichproben in Anbetracht der nach Behauptung der Beklagten mehr als
zehntausendfach vertriebenen Maschinen die Beklagte selbst durchgeführt habe
oder habe durchführen lassen.
Das Berufungsgericht hat den zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten
entgegen der Auffassung der Revision zu Recht als neu angesehen und deshalb
unberücksichtigt gelassen. Er war sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch
aus rechtlichen Gründen neu im Sinne der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2
ZPO. Die Beklagte hatte im Schriftsatz vom 29. Juli 2004 an das Amtsgericht
lediglich dargelegt, dass die Tapetenkleistermaschine zehntausendfach im
EG-Raum vertrieben werde. Die Frage eines Ausreißers wird in diesem
Zusammenhang nur spekulativ behandelt. Zudem handelte es sich um Vorbringen
in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz. Dieses ist in zweiter Instanz neu
(BGH, Urteil vom 2. April 2004 - V ZR 107/03 - NJW 2004, 2382; vgl.
Musie-lak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 296 a Rn. 5 m.w.N.; Musielak/Ball, aaO, §
531 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 296 a Rn. 3). Die Revision
zeigt keine Gründe auf, die das Amtsgericht hätten veranlassen müssen, die
mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die Erheblichkeit eines erstmals in
einem nicht nachgelassenen Schriftsatz enthaltenen Vorbringens allein wäre
nicht ausreichend (vgl. Musielak/Stadler, aaO, § 156 Rn. 4; Zöller/Greger,
aaO, § 156 Rn. 4). Das Amtsgericht war auch nicht verpflichtet, die Beklagte
auf zuvor in ihrem Vortrag nicht andeutungsweise enthaltenes entlastendes
Vorbringen hinzuweisen (vgl. BGHZ 156, 269, 270 f.; BGH, Urteil vom 23.
November 2005 - VIII ZR 43/05 - NJW 2006, 434, 435; Musielak/Stadler, aaO, §
139 Rn. 5, 7, 9; Zöller/Greger, aaO, § 139 Rn. 3, 17), so dass auch insoweit
kein zwingender Grund zur Wiedereröffnung bestand (hierzu Zöller/Greger,
aaO, § 156 Rn. 3; § 283 Rn. 5).
Dass die Berücksichtigung der neuen Tatsachen durch das Berufungsgericht
hier ausnahmsweise zulässig gewesen sein könnte (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531
Abs. 2 ZPO), legt die Revision nicht dar. Auf ihre im Zusammenhang mit der
vom Berufungsgericht angenommenen fehlenden Substantiierung des Vorbringens
erhobenen Rügen kommt es danach nicht mehr an.
3. Die Revision macht auch ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe
sich hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes darauf
beschränkt zu prüfen, ob eine Ermessensüberschreitung des Amtsgerichts
vorliege. Zwar wäre es fehlerhaft gewesen, wenn sich das Berufungsgericht
auf eine bloße Überprüfung der Ermessensausübung des Amtsgerichts beschränkt
hätte. So sind seine Ausführungen indes nicht zu verstehen.
a) Die Frage, inwieweit das Berufungsgericht nach der Neuregelung des
Rechtsmittelrechts die Bemessung des Schmerzensgeldes durch die Vorinstanz
überprüfen kann, wird nicht einheitlich beurteilt. Einerseits wird
vertreten, eine Überprüfung sei auf Rechtsfehler beschränkt. Lägen solche
nicht vor, dürfe die Berufungsinstanz nicht eigenes Ermessen an die Stelle
der Bestimmung durch die Vorinstanz setzen (OLG Braunschweig, VersR 2004,
924, 925; OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 398, 399; OLG Hamm, VersR 2006, 134,
135; vgl. auch OLG Hamm, VersR 2004, 757; OLG München, NJW 2004, 959). Nach
der Gegenmeinung darf und muss das Berufungsgericht ohne Bindung an die
Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts, allerdings im Rahmen
seiner Bindung an die Tatsachenfeststellungen gemäß § 529 Abs. 1 ZPO, selbst
über die Bemessung des im Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldes befinden
(OLG Brandenburg, VersR 2005, 953, 954).
b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Eine Beschränkung der
Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts - entsprechend der des
Revisionsgerichts - hat der Bundesgerichtshof bereits für den Bereich der
Vertragsauslegung abgelehnt (BGHZ 160, 83 ff.) und darauf hingewiesen, dass
im Bereich der rechtlichen Bewertung festgestellter Tatsachen eine Bindung
des Berufungsgerichts an eine lediglich mögliche, aber nicht überzeugende
Wertung der Vorinstanz nicht besteht (BGHZ 160, 83, 92). Die insoweit
angestellten Erwägungen gelten für die Überprüfung der
Schmerzensgeldbemessung in gleicher Weise (vgl. OLG Brandenburg, aaO;
Geisler, jurisPR-BGHZivilR 33/2004 Anm. 6). Auch nach der Reform des
Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche
Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen
Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu
überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie für zwar
vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht
für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen
eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das
Berufungsgericht darf es nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Bemessung
Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen
maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine
angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen
bemüht hat (vgl. Senat BGHZ 138, 388, 391 m.w.N.).
d) Hier hat das Berufungsgericht ausgeführt, das zuerkannte Schmerzensgeld
von 4.000 € bewege sich an der oberen Grenze des zuzubilligenden Rahmens.
Eine Abänderung sei jedoch nicht gerechtfertigt, da das Amtsgericht das ihm
eingeräumte Ermessen nicht überschritten habe. Auch wenn dieser Satz
missverständlich sein könnte, lassen die nachfolgenden Ausführungen
erkennen, dass das Berufungsgericht sich selbst mit den für die
Schmerzensgeldbemessung maßgebenden Faktoren auseinandergesetzt hat und das
vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld als angemessenen Ausgleich für den
immateriellen Schaden des Klägers ansieht. Es heißt nämlich, 4.000 € seien
angesichts der Art der Verletzung, der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und des
Dauerschadens vertretbar. Die Sehnen des linken Handgelenks seien ebenso
teilweise durchtrennt gewesen, wie Nerven der Hand. An der Daumenwurzel des
Klägers seien eine sichtbare Narbe sowie Gefühlsminderungen geblieben.
Der Kläger sei vom 19. Mai 2001 bis zum 10. Juni 2001 zu 100 %
arbeitsunfähig gewesen.
Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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