Allgemeines
Persönlichkeitsrecht bei Bildveröffentlichungen Prominenter - Pressefreiheit
(Art. 5 I GG) und allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG);
"abgestuftes Schutzkonzept" der §§ 22, 23 KUG
BGH v. 6. März 2007 - VI ZR
52/06
Fundstelle:
noch nicht bekannt
weitgehend wortlautgleich BGH v. 6. März 2007 - VI ZR
51/06 in NJW 2007, 1977
(Eigener) Leitsatz:
Zum abgestuften
Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG bei Bildveröffentlichungen von Prominenten.
Zentrale Probleme:
S. dazu die Anm. zu
BGH v. 6.3.2007 - VI ZR 13/06
sowie Teichmann NJW 2007, 1917.
Die Entscheidung wiederholt die dort wiedergegebenen Grundsätze
weitestgehend wortgleich, ist aber ein schönes Kontrastbeispiel, weil im
konkreten Fall die Veröffentlichung mangels Sachzusammenhangs mit einem
"zeitgeschichtlichen Ereignis" für rechtswidrig erachtet wurde. Zum gesamten
Komplex der verschiedenen Verfahren s. auch die Zusammenfassung in der
Pressemitteilung des BGH Nr. 34/2007 vom 6.3.2007.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist eine Tochter des verstorbenen Fürsten von Monaco. Die
Beklagte verlegt die Zeitschrift "7 TAGE". In der Ausgabe Nr. 13/02 dieser
Zeitschrift vom 20. März 2002 wurde berichtet, dass die Klägerin und ihr
Ehemann ihre auf der Insel Lamu/Kenia gelegene Villa vermieten. Illustriert
war der Bericht unter anderem mit der beanstandeten Aufnahme, welche die
Klägerin im Urlaub neben ihrem Ehemann auf einer öffentlichen Straße mit
anderen Menschen zeigt.
2 Die Klägerin verlangt - wie ihr Ehemann im Verfahren VI ZR 53/06 - von der
Beklagten, es zu unterlassen, diese Aufnahme erneut zu veröffentlichen. Das
Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat
das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin, die
Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht rechtswidrig in das Recht
der Klägerin am eigenen Bild eingegriffen. Die Klägerin müsse als Person des
öffentlichen Lebens gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG hinnehmen, dass Aufnahmen
auch ohne ihre Einwilligung verbreitet würden. Dieses Recht zur
Veröffentlichung finde nach § 23 Abs. 2 KUG erst dann seine Grenze, wenn die
Aufnahmen die Privatsphäre der Klägerin berührten und das Interesse der
Klägerin am Schutz ihrer Privatsphäre das Informationsinteresse der
Allgemeinheit überwiege. Eine Abwägung der Grundrechte der Parteien aus Art.
1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebe hier, dass die
Veröffentlichung rechtmäßig erfolgt sei. Zwar sei auch Art. 8 Abs. 1 EMRK
bei der Abwägung zu berücksichtigen und bei der Bestimmung der Grenzen des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin heranzuziehen. Das
Grundgesetz sei aber als Verfassung des deutschen Staates vorrangig.
Allerdings sei hier keine Frage des allgemeinen Interesses betroffen, zu der
das veröffentlichte Bild einen Beitrag leiste, sondern nur das
Unterhaltungsinteresse. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts sei die Veröffentlichung jedoch trotzdem zulässig,
weil Plätze, an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen befinde, die
Voraussetzungen des Privatsphärenschutzes nicht erfüllten; sie könnten das
Rückzugsbedürfnis nicht erfüllen und rechtfertigten damit auch nicht den
grundrechtlichen Schutz, den dieses Bedürfnis aus Gründen der
Persönlichkeitsentfaltung verdiene. Diese Rechtsprechung binde das
Berufungsgericht nach § 31 BVerfGG. Das beanstandete Bild zeige die Klägerin
mit ihrem Ehemann auf offener Straße und damit an einem Platz, an dem sich
viele Menschen aufhielten. Wer sich - wie die Klägerin - als Person des
öffentlichen Lebens im Urlaub an einem solchen Ort aufhalte, müsse mit einer
gewissen Aufmerksamkeit rechnen und könne nicht davon ausgehen, von den
Medien unbeobachtet zu bleiben. Dem öffentlichen Informationsinteresse sei
deshalb der Vorrang einzuräumen. Die Bildveröffentlichung sei nicht zu
beanstanden.
II.
4 Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Klägerin kann der Beklagten die erneute Veröffentlichung der
beanstandeten Aufnahme untersagen.
5 1. Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren
Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Das Recht am eigenen Bild
ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daraus
ergibt sich, dass grundsätzlich allein dem Abgebildeten die Befugnis
zusteht, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit
im Bild vorgestellt wird (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile BGHZ 131, 332,
336; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR 2005, 83).
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des
Berufungsurteils, dass die Klägerin die nach diesen Grundsätzen
erforderliche Einwilligung zur Verbreitung der Aufnahme weder ausdrücklich
noch stillschweigend erteilt hat.
6 2. Der Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auch ohne
Einwilligung hinzunehmen, dass eine Aufnahme verbreitet werde, die sie im
Urlaub in Begleitung ihres Ehemannes in der Öffentlichkeit abbilde, kann in
dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Der Ausnahmetatbestand des §
23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte
einwilligungsfrei veröffentlicht werden dürfen, greift vorliegend nicht
durch.
7 a) Das Berufungsgericht bejaht für die beanstandete Bildveröffentlichung
eine Ausnahme im Sinn von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Die Klägerin müsse als
Person des öffentlichen Lebens die Veröffentlichung hinnehmen. Zwar leiste
das Bild keinen Beitrag zu einer Frage von allgemeinem Interesse, sondern
diene nur dem Unterhaltungsinteresse. Gleichwohl sei der Schutz der
Privatsphäre nicht vorrangig, weil die Aufnahme die Klägerin an einem Ort
zeige, an dem sich viele Menschen befänden.
8 Seine Auffassung leitet das Berufungsgericht aus dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 (BVerfGE 101, 361 ff.) her,
mit dem das Urteil des erkennenden Senats vom 19. Dezember 1995 (- VI ZR
15/95 - BGHZ 131, 332 ff.) zu den Paparazzi-Bildern (mit Ausnahme der
Abbildungen mit Kindern) bestätigt worden ist und an das sich das
Berufungsgericht nach § 31 BVerfGG gebunden fühlt.
9 b) Indessen wird die Auffassung des Berufungsgerichts nicht in jeder
Hinsicht dem abgestuften Schutzkonzept gerecht, das die Rechtsprechung aus
§§ 22, 23 KUG entwickelt hat (vgl. BVerfG, BVerfGE 101, 361 ff.; NJW
2001, 1921, 1924 ff.; NJW 2006, 2835 f.; NJW 2006, 2836). Das gilt
insbesondere unter Berücksichtigung der in den Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (künftig: EGMR) vom 24. Juni
2004 in dem Verfahren von Hannover gegen Deutschland (NJW 2004, 2647 ff.)
und vom 16. November 2004 (NJW 2006, 591 ff. - Karhuvaara und Iltalehti
gegen Finnland) dargelegten Grundsätze. Der erkennende Senat hat dieses
Schutzkonzept in mehreren neuen Entscheidungen erläutert (vgl. etwa Urteile
vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 ff.; vom 15. November
2005 - VI ZR 286/04 -VersR 2006, 274 ff.) und fasst dies nochmals zusammen.
10 aa) Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten
verbreitet werden; hiervon besteht nach § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme,
wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.
Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte
Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
11 Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesgerichtshofs den abkürzenden Begriff der "Person der Zeitgeschichte"
entwickelt. Als "relative" Person der Zeitgeschichte ist eine Person
anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das
Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur
im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber gilt
als "absolute" Person der Zeitgeschichte eine Person, die aufgrund ihres
Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit findet,
so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb über sie
berichtet werden darf. Auch sie hat jedoch ein Recht auf Privatsphäre,
das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr muss sie
die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten
unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen (vgl. Senat, BGHZ 131,
332 ff., bestätigt von BVerfG, BVerfGE 101, 361 ff.).
12 bb) Gegen diese Beschränkung des Schutzes der Privatsphäre bei den so
genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte hat der EGMR in seiner
Entscheidung vom 24. Juni 2004 grundsätzliche Bedenken geäußert, denen der
erkennende Senat bereits in mehreren in der Folgezeit ergangenen
Entscheidungen Rechnung getragen hat (vgl. Urteile vom 19. Oktober 2004 - VI
ZR 292/03 - VersR 2005, 84; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR
2006, 274).
13 Hiernach nimmt die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nach der Intention des
Gesetzgebers und nach Sinn und Zweck der Regelung in Ausnahme von dem
Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das
Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die
Belange der Öffentlichkeit sind gerade bei der Auslegung des
Tatbestandsmerkmals "aus dem Bereich der Zeitgeschichte" zu beachten
(vgl. BVerfG, NJW 2006, 3406, 3407 f.).
14 cc) Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der
abgebildeten Person aus Art. 8 der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (künftig: EMRK) in
der Fassung des Protokolls Nr. 11 vom 11. Mai 1994 (BGBl 1995 II 578 ff.;
vgl. nunmehr die ab 1. November 1998 geltende Neufassung - Bek. vom 17. Mai
2002 - BGBl 2002 II 1054 ff.) sowie aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG
einerseits und der Presse aus Art. 10 EMRK und Art. 5 Abs. 1 Satz 2
GG andererseits ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der
Zeitgeschichte erforderlich. Dabei ist der Beurteilung ein normativer
Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem
Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt
(vgl. Senat, Urteile vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - VersR 1996, 341
f.; vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863; und vom 28. September
2004 - VI ZR 305/03 - VersR 2005, 83, 84; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR
292/03 - VersR 2005, 84, 85). Maßgebend ist dabei das Interesse der
Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei
ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der
Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das
Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die
persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs
immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte
Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung
zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände
des Einzelfalls entscheiden.
15 Soweit sich die Bedenken des EGMR gegen den Begriff der "absoluten Person
der Zeitgeschichte" richten (NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 72), geht es der Sache
nach um die Frage, unter welchen Voraussetzungen über solche in der
Öffentlichkeit bekannte Personen berichtet werden darf. Dem
Berufungsgericht ist zuzugeben, dass die Klägerin unbeschadet der Frage, ob
sie als absolute Person der Zeitgeschichte im Sinn der bisherigen
Rechtsprechung anzusehen ist, jedenfalls eine in der Öffentlichkeit bekannte
Person ist und in besonderem Maß das Interesse der Öffentlichkeit auf sich
zieht. Auch hat sie sich bei der beanstandeten Abbildung nicht an einem Ort
der Abgeschiedenheit im oben dargelegten Sinn befunden, so dass der
Gesichtspunkt der Belästigung durch heimlich aufgenommene Fotos (vgl. EGMR
NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 68; BVerfGE 101, 361, 381; BVerfG, NJW 2006, 3406,
3408; Senat, BGHZ 131, 332, 342) im Streitfall keine Rolle spielt.
16 Allein diese Umstände können jedoch entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts nicht ausreichen, um einen Schutz der Privatsphäre zu
verneinen. Das gilt nicht nur unter Berücksichtigung der Auffassung des
EGMR, sondern ergibt sich bei richtigem Verständnis bereits aus dem
abgestuften Schutzkonzept, wie es oben dargelegt worden ist. Hiernach ist
auch bei Personen, die unter dem Blickpunkt des zeitgeschichtlichen
Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung
die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, eine Verbreitung der
Abbildung nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des
Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
17 Mithin kommt eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich
nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von
zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft (so schon Senatsurteile BGHZ 158,
218, 222 f.; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO; vgl. BGH, Urteil vom
26. Oktober 2006 - I ZR 182/04 - Rn. 15, zum Abdruck in BGHZ bestimmt).
Dabei darf allerdings der Begriff der Zeitgeschichte nicht zu eng verstanden
werden. Schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes betreffend das
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9.
Januar 1907 (KUG; vgl. Ebermayer in: Stengleins Kommentar zu den
Strafrechtlichen Nebengesetzen des Deutschen Reiches, 5. Aufl., Band I § 23
KUG Anm. 1; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags,
XI. Legislaturperiode II. Session 1905/1906, erster Sessionsabschnitt,
Aktenstück Nr. 30 S. 1540 f. und I. Lesung 25. Januar 1906, Bd. 214, S.
819), vor allem aber im Hinblick auf den Informationsbedarf der
Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer
Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von
allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der
Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann nämlich
Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung
unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene
Informationen (vgl. Senat, Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 -
VersR 2004, 522, 523 mit Anmerkung von Gerlach JZ 2004, 625; BVerfG, BVerfGE
101, 361, 389 f.; NJW 2006, 2836, 2837).
18 Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass
die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum
besitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien
entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im
Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von
öffentlichem Interesse ist (BVerfGE 101, 361, 392; Senat, Urteil vom 15.
November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO Rn. 24; EGMR NJW 2006, 591, 592 f. Rn. 38
ff.). Deshalb muss die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden
Aufgaben nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie
des öffentlichen Interesses für wert hält (vgl. BVerfGE 101, 361, 392;
Senat, Urteile vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94 -VersR 1995, 667, 668 f.,
bestätigt durch BVerfG, NJW 2000, 1026; und vom 15. November 2005 - VI ZR
286/04 - aaO). Die Bedeutung der Pressefreiheit wird unter Hinweis auf Art.
10 EMRK auch in der Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647,
2648 f. Rn. 58, 60, 63) hervorgehoben, wenn dort ausgeführt wird, dass die
Presse in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spiele
und es ihre Aufgabe sei, Informationen und Ideen zu allen Fragen von
Allgemeininteresse weiterzugeben, was letztlich mit dem oben dargelegten
Begriff der Zeitgeschichte in Einklang steht.
19 Soweit der Gerichtshof der Presse dieses Recht nur "in bestimmten
Grenzen" (EGMR NJW 2004, 2647, 2649 Rn. 58) zugesteht, betrifft diese
Einschränkung ersichtlich die Abwägung zwischen Pressefreiheit und
Informationsrecht der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz der
Privatsphäre andererseits, mithin eine Abwägung, wie sie auch nach dem oben
dargestellten Schutzkonzept geboten ist. Auch wenn die Presse zur Wahrung
der Pressefreiheit und zur Vermeidung einer vom Grundgesetz untersagten
Zensur selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden darf, worüber sie
berichten will, kann sie sich damit nicht der Abwägung mit der geschützten
Privatsphäre derjenigen entziehen, über die sie berichten will.
20 Deshalb muss eine Interessenabwägung stattfinden und zwar zwischen dem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des
Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits. Die Bedeutung
des Informationswerts für die Interessenabwägung hat der erkennende Senat
schon in früheren Entscheidungen hervorgehoben (Senat, BGHZ 151, 26, 31;
Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525 m.w.N.). Je
größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das
Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den
Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber
auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je
geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. BVerfGE 101,
361, 392; Senat, BGHZ 131, 332, 342 m.w.N.). Das Interesse der Leser an
bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein
geringeres Gewicht und ist nicht schützenswert (vgl. BVerfGE 34, 269, 283;
Senat, BGHZ 131, 332, 334 m.w.N.).
21 Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. August 2006
(NJW 2006, 3406, 3407) bestätigt, wobei es nach Lage des Falles nicht zu
entscheiden brauchte, ob er auch für Personen von hohem Bekanntheitsgrad
gilt. Diese Frage ist nach Auffassung des erkennenden Senats unter
Berücksichtigung des Urteils des EGMR vom 24. Juni 2004 im Grundsatz zu
bejahen. Deshalb kann auch bei den bisher so genannten Personen der
Zeitgeschichte nicht außer Betracht bleiben, ob die Berichterstattung zu
einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung
bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt es freilich nicht aus, dass je nach
Lage des Falles für den Informationswert einer Berichterstattung auch der
Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist
bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein
zeitgeschichtliches Ereignis im Sinn des allgemein interessierenden
Zeitgeschehens handelt, ein weites Verständnis geboten, damit die Presse
ihren meinungsbildenden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von
größter Bedeutung sind.
22 Eine solche Gewichtung bei der Interessenabwägung trägt nach Ansicht des
erkennenden Senats den Anforderungen des Gerichtshofs (EGMR NJW 2004, 2647,
2651 Rn. 76) an einen wirksamen Schutz der Privatsphäre ebenso Rechnung wie
dem Schutz der Grundrechte aus Art. 5 GG. Ihr steht - anders als das
Berufungsgericht meint - auch eine Bindungswirkung des § 31 BVerfGG nicht
entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Entscheidung des
erkennenden Senats insoweit bestätigt, als dort der Schutz der Privatsphäre
gegen unerwünschte Aufnahmen auf die Fälle erkennbarer räumlicher
Abgeschiedenheit beschränkt worden ist. Das schließt es jedoch nicht aus,
bei der erforderlichen Interessenabwägung zwischen Pressefreiheit und Schutz
der Privatsphäre den Informationswert für die Öffentlichkeit stärker zu
berücksichtigen. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht eine diesen
Grundsätzen entsprechende Interessenabwägung in einem den Ehemann der
Klägerin betreffenden Verfahren gebilligt (Senat, Urteil vom 15. November
2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274; BVerfG, NJW 2006, 2835).
23 dd) Kommt es mithin für diese Abwägung maßgeblich auf den
Informationswert der Abbildung an, so kann - da im Streitfall die
beanstandete Abbildung im Zusammenhang mit einer Wortberichterstattung
verbreitet worden ist - bei der Beurteilung diese zugehörige
Wortberichterstattung nicht unberücksichtigt bleiben (so auch EGMR NJW 2004,
2647, 2650 Rn. 64). Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des
erkennenden Senats (vgl. BGHZ 158, 218, 223; Urteile vom 30. September 2003
- VI ZR 89/02 - VersR 2004, 205, 206; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03
- VersR 2005, 83 f.; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 f.
- jeweils m.w.N.).
24 3. Diese Grundsätze führen im Streitfall zu folgender Abwägung:
25 Das in der Ausgabe Nr. 13/02 der Zeitschrift "7 Tage" vom 20. März 2002
veröffentlichte Bild war einem Bericht darüber beigefügt, dass die Klägerin
und ihr Ehemann ihre auf der Insel Lamu/Kenia gelegene Villa vermieten.
26 Zwar darf - wie bereits oben näher ausgeführt - die Presse grundsätzlich
selbst darüber bestimmen, was sie für berichtenswert hält. Die Klägerin und
ihr Ehemann hielten sich im Zeitpunkt der beanstandeten Aufnahme zudem in
der Öffentlichkeit unter anderen Menschen auf.
27 Die Wortberichterstattung über die Wohnung und ihre Vermietung
betrifft aber selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs keinen Vorgang
von allgemeinem Interesse (EGMR NJW 2004, 2647, 2649 f. Rn. 60 ff.)
und kein zeitgeschichtliches Ereignis. Auch der beanstandeten
Abbildung ist kein Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse und
keine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu entnehmen.
Die Aufnahme zeigt die Klägerin und ihren Ehemann unstreitig im Urlaub, der
grundsätzlich auch bei "Prominenten" zum regelmäßig geschützten Kernbereich
der Privatspäre gehört.
28 Bei der erforderlichen Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist nach den oben
wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung zu beachten, dass es eine
entscheidende Rolle spielt, ob die Presse eine neue und wahre Information
von allgemeinem Interesse für die öffentliche Meinungsbildung mitteilt
oder ob der Informationswert für die Öffentlichkeit - wie hier - wesentlich
in der Unterhaltung ohne gesellschaftliche Relevanz besteht (vgl.
BVerfG, BVerfGE 34, 269, 283 f.; 101, 361, 390 f.; Senat, BGHZ 131, 332, 342
f.). Im letzten Fall besteht kein berücksichtigenswertes
Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das eine Bildveröffentlichung
entgegen dem Willen des Abgebildeten erlaubte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG); die
abgebildete Person muss die in einer Bildveröffentlichung ohne ihre
Einwilligung regelmäßig liegende Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre und
damit ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht hinnehmen.
29 4. Nach allem ist das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs.
1 ZPO). Da es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedarf, hat der
erkennende Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die
Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen.
30 Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
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