Allgemeines
Persönlichkeitsrecht bei Bildveröffentlichungen Prominenter - Pressefreiheit
(Art. 5 I GG) und allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG);
"abgestuftes Schutzkonzept" der §§ 22, 23 KUG
BGH, Urteil vom 6. März
2007 - VI ZR 13/06
Fundstelle:
NJW 2007, 1981
Amtl. Leitsatz:
Zum abgestuften
Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG bei Bildveröffentlichungen von Personen
öffentlichen Interesses (Prominente) (Anschluss an
BVerfGE 101, 361 ff.; Senat, Urteile BGHZ 131, 332 ff.; 158, 218 ff.,
vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84; vom 15. November 2005
- VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274; EGMR NJW 2004, 2647 ff.).
Zentrale Probleme:
Es geht um die Veröffentlichung von Fotos prominenter in
einer banalen Alltagssituation. Deshalb hatte BGH erneut über das Verhältnis
von Privatsphäre und Pressefreiheit zu entscheiden. Insoweit besteht auch
innerhalb des deutschen Rechts ein permanentes Spannungsverhältnis zwischen
den Grundrechten des Einzelnen aus Art. 1 und 2 GG und den Grundrechten des
Art. 5 GG. Der BGH hat dazu unter Berücksichtigung eines Urteils des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein "abgestuftes
Schutzkonzept" entwickelt, welches hier in sehr lehrreicher Weise
resümiert wird (s. Rn. 9 ff):
Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, über das Zeitgeschehen
unterrichtet zu werden und damit über alle Fragen von allgemeinem
gesellschaftlichen Interesse. Deshalb darf grundsätzlich die Presse zur
Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben hierüber berichten, wobei sie
keiner Zensur unterliegt und nach publizistischen Kriterien selbst
entscheiden darf, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Dabei
muss sie allerdings die geschützte Privatsphäre desjenigen beachten, über
den sie berichten will, so dass es stets einer Interessenabwägung bedarf.
Im Rahmen dieser Interessenabwägung kann unter Berücksichtigung des Urteils
des EGMR vom 24. Juni 2004 für den Informationsanspruch der Öffentlichkeit
auch bei den so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte der
Informationswert der Berichterstattung nicht außer Betracht bleiben. Der
erkennende Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, dass der Schutz der
Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer wiegt, je geringer der
Informationswert für die Allgemeinheit ist. Das muss im Grundsatz auch für
Personen mit hohem Bekanntheitsgrad gelten, so dass es auch hier eine Rolle
spielt, ob die Berichterstattung zu einer Debatte mit einem Sachgehalt
beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt
es nicht aus, dass im Einzelfall für den Informationswert einer
Berichterstattung der Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein
kann. In jedem Fall ist bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der
Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt, ein weites
Verständnis sowie die Einbeziehung der zugehörigen Wortberichterstattung
geboten, damit die Presse ihren meinungsbildenden Aufgaben gerecht werden
kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind.
Für die entschiedenen Fälle führt das dazu, dass nur diejenigen Fotos
zulässig sind, die im Zusammenhang mit der Wortberichterstattung über ein
zeitgeschichtliches Ereignis (Erkrankung des damals regierenden Fürsten von
Monaco). Auf den redaktionellen Gehalt und die Gestaltung des Artikels kommt
es nicht an, da die Garantie der Pressefreiheit es nicht zulässt, das
Eingreifen dieses Grundrechts von der Qualität des Presseerzeugnisses
abhängig zu machen. S. dazu auch
BGH v. 6. März 2007 - VI ZR 52/06 sowie
Teichmann, Abschied von der absoluten Person der Zeitgeschichte, NJW 2007,
1917.
Zum Recht am eigenen Bild s. auch die Anm. zu
BGH NJW 2007, 689
(Oskar Lafontaine) sowie BGH
NJW 2005, 56.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Der Kläger ist Oberhaupt des Welfenhauses und Ehemann der ältesten Tochter
des verstorbenen Fürsten von Monaco. Die Beklagte verlegt die Zeitschrift
"FRAU AKTUELL". In der Ausgabe Nr. 9/02 vom 20. Februar 2002 dieser
Zeitschrift wurde berichtet, dass es dem Fürsten von Monaco "wieder einmal
sehr schlecht gehen soll" und dass er Besuch nur von seiner jüngsten Tochter
erhalten habe, seine älteste Tochter, die Ehefrau des Klägers, aber mit
ihrem Ehemann und ihrem Töchterchen ein paar Tage zum Skiurlaub in St.
Moritz weile. Illustriert war diese Berichterstattung unter anderem mit der
beanstandeten Aufnahme, welche den Kläger neben seiner Ehefrau auf der
Straße in St. Moritz zeigt.
2 Der Kläger verlangt - wie seine Ehefrau im Verfahren VI ZR 14/06 - von der
Beklagten, es zu unterlassen, diese Aufnahme erneut zu veröffentlichen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten
hat das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger, die
Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe auch ohne Einwilligung des
Klägers nicht rechtswidrig in dessen Recht am eigenen Bild eingegriffen. Der
Kläger müsse gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG als Begleiter einer Person des
öffentlichen Lebens hinnehmen, dass Aufnahmen, die ihn als Begleiter dieser
Person im Rahmen eines öffentlichen Auftritts abbildeten, auch ohne seine
Einwilligung verbreitet würden. Es bestehe ein anerkennenswertes Interesse
der Allgemeinheit zu erfahren, mit welchen Personen sich die Ehefrau des
Klägers in der Öffentlichkeit zeige. Dieses werde erst dann begrenzt, wenn
auch seine Ehefrau die Veröffentlichung einer Aufnahme nicht hinzunehmen
habe, weil ihr Interesse am Schutz ihrer Privatsphäre das
Informationsinteresse der Allgemeinheit überwiege. Eine Abwägung der
Grundrechte der Parteien aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Satz 2 GG
ergebe hier, dass die Veröffentlichung rechtmäßig erfolgt sei. Zwar sei auch
Art. 8 Abs. 1 EMRK bei der Abwägung zu berücksichtigen und bei der
Bestimmung der Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers
heranzuziehen. Das Grundgesetz sei aber als Verfassung des deutschen Staates
vorrangig. Allerdings sei hier keine Frage des allgemeinen Interesses
betroffen, zu der das veröffentlichte Bild einen Beitrag leiste, sondern nur
das Unterhaltungsinteresse. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts sei die Veröffentlichung jedoch trotzdem zulässig,
weil Plätze, an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen befinde, die
Voraussetzungen des Privatsphärenschutzes nicht erfüllten; sie könnten das
Rückzugsbedürfnis nicht erfüllen und rechtfertigten damit auch nicht den
grundrechtlichen Schutz, den dieses Bedürfnis aus Gründen der
Persönlichkeitsentfaltung verdiene. Diese Rechtsprechung binde das
Berufungsgericht nach § 31 BVerfGG. Das beanstandete Bild zeige den Kläger
mit seiner Ehefrau auf offener Straße in St. Moritz und damit an einem
Platz, an dem sich viele Menschen aufhielten. Wer wie die Ehefrau des
Klägers als Person des öffentlichen Lebens in diesem Ort seinen Urlaub
verbringe, müsse mit einer gewissen Aufmerksamkeit rechnen und könne nicht
davon ausgehen, von den Medien unbeobachtet zu bleiben. Dem öffentlichen
Informationsinteresse sei deshalb der Vorrang einzuräumen. Dieses
berechtigte Interesse der Öffentlichkeit strahle auch auf den Kläger als
Begleitperson seiner Ehefrau aus. Die Bildveröffentlichung sei nicht zu
beanstanden.
II.
4 Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis
stand.
5 1. Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren
Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Das Recht am eigenen
Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein dem Abgebildeten die Befugnis
zusteht, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit
im Bild vorgestellt wird (st. Rspr.; vgl. Senat, BGHZ 131, 332, 336;
Urteil vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR 2005, 83).
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des
Berufungsurteils, dass der Kläger die nach diesen Grundsätzen erforderliche
Einwilligung zur Verbreitung der Aufnahme weder ausdrücklich noch
stillschweigend erteilt hat.
6 2. Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe auch ohne
Einwilligung hinzunehmen, dass Aufnahmen verbreitet werden, die ihn im
Urlaub in Begleitung seiner Ehefrau in der Öffentlichkeit abbildeten, kann
in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Der Ausnahmetatbestand des §
23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte
einwilligungsfrei veröffentlicht werden dürfen, greift aber vorliegend
hinsichtlich der beanstandeten Aufnahme durch.
7 a) Das Berufungsgericht bejaht für die beanstandete Bildveröffentlichung
eine Ausnahme im Sinn von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Der Kläger müsse als
Ehemann einer Person des öffentlichen Lebens die Veröffentlichung hinnehmen.
Zwar leiste das Bild keinen Beitrag zu einer Frage von allgemeinem
Interesse, sondern diene nur dem Unterhaltungsinteresse. Gleichwohl sei der
Schutz der Privatsphäre nicht vorrangig, weil die Aufnahme den Kläger als
Begleiter seiner Ehefrau an einem Ort zeige, an dem sich auch andere
Menschen befänden.
8 Seine Auffassung leitet das Berufungsgericht aus dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 (BVerfGE 101, 361 ff.) her,
mit dem das Urteil des erkennenden Senats vom 19. Dezember 1995 (- VI ZR
15/95 - BGHZ 131, 332 ff.) zu den Paparazzi-Bildern (mit Ausnahme der
Abbildungen mit Kindern) bestätigt worden ist und an das sich das
Berufungsgericht nach § 31 BVerfGG gebunden fühlt.
9 b) Indessen wird diese Auffassung des Berufungsgerichts
nicht in jeder Hinsicht dem abgestuften Schutzkonzept gerecht, das die
Rechtsprechung aus §§ 22, 23 KUG entwickelt hat (vgl. BVerfG, BVerfGE
101, 361 ff.; NJW 2001, 1921, 1924 ff.; NJW 2006, 2835 f.; NJW 2006, 2836).
Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der in den Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (künftig: EGMR) vom 24. Juni
2004 in dem Verfahren von Hannover gegen Deutschland (NJW 2004, 2647 ff.)
und vom 16. November 2004 (NJW 2006, 591 ff. - Karhuvaara und Iltalehti
gegen Finnland) dargelegten Grundsätze. Der erkennende Senat hat dieses
Schutzkonzept in mehreren neuen Entscheidungen erläutert (vgl. etwa Urteile
vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 ff.; vom 15. November
2005 - VI ZR 286/04 -VersR 2006, 274 ff.) und fasst dies nochmals
zusammen.
10 aa) Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des
Abgebildeten verbreitet werden; hiervon besteht nach § 23 Abs. 1 KUG eine
Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte
handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die
berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
11 Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesgerichtshofs den abkürzenden Begriff der "Person der Zeitgeschichte"
entwickelt. Als "relative" Person der Zeitgeschichte ist eine Person
anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das
Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur
im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber
gilt als "absolute" Person der Zeitgeschichte eine Person, die aufgrund
ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit
findet, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb
über sie berichtet werden darf. Auch sie hat jedoch ein Recht auf
Privatsphäre, das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr
muss sie die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen
Orten unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen (vgl. Senat, BGHZ
131, 332 ff., bestätigt von BVerfG, BVerfGE 101,
361 ff.).
12 bb) Gegen diese Beschränkung des Schutzes der Privatsphäre bei den so
genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte hat der EGMR in seiner
Entscheidung vom 24. Juni 2004 grundsätzliche Bedenken geäußert, denen der
erkennende Senat bereits in mehreren in der Folgezeit ergangenen
Entscheidungen Rechnung getragen hat (vgl. Urteile vom 19. Oktober 2004
- VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 -
VersR 2006, 274).
13 Hiernach nimmt die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nach der Intention
des Gesetzgebers und nach Sinn und Zweck der Regelung in Ausnahme von dem
Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das
Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die
Belange der Öffentlichkeit sind gerade bei der Auslegung des
Tatbestandsmerkmals "aus dem Bereich der Zeitgeschichte" zu beachten
(vgl. BVerfG, NJW 2006, 3406, 3407 f.).
14 cc) Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der
abgebildeten Person aus Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (künftig: EMRK) in der Fassung
des Protokolls Nr. 11 vom 11. Mai 1994 (BGBl 1995 II 578 ff.; vgl. nunmehr
die ab 1. November 1998 geltende Neufassung - Bek. vom 17. Mai 2002 - BGBl
2002 II 1054 ff.) sowie aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einerseits und der
Presse aus Art. 10 EMRK und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits ist mithin
schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich. Dabei
ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der
Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer
Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (vgl. Senat, Urteile vom 12.
Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - VersR 1996, 341 f.; vom 9. März 2004 - VI ZR
217/03 - VersR 2004, 863; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR
2005, 83, 84; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 85).
Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger
Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens
in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten
Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos.
Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine
Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo
konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der
Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich
nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls
entscheiden.
15 Soweit sich die Bedenken des EGMR gegen den Begriff der "absoluten Person
der Zeitgeschichte" richten (NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 72), geht es der Sache
nach um die Frage, unter welchen Voraussetzungen über solche in der
Öffentlichkeit bekannten Personen berichtet werden darf. Dem
Berufungsgericht ist zuzugeben, dass der Kläger unbeschadet der Frage, ob er
als relative oder als absolute Person der Zeitgeschichte im Sinn der
bisherigen Rechtsprechung anzusehen ist, jedenfalls eine in der
Öffentlichkeit bekannte Person ist und - insbesondere auch als Ehemann von
Prinzessin Caroline - in besonderem Maß das Interesse der Öffentlichkeit auf
sich zieht. Auch hat er sich bei der beanstandeten Abbildung nicht an einem
Ort der Abgeschiedenheit im oben dargelegten Sinn befunden, so dass der
Gesichtspunkt der Belästigung durch heimlich aufgenommene Fotos (vgl. EGMR
NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 68; BVerfGE 101, 361, 381; BVerfG, NJW 2006, 3406,
3408; Senat, BGHZ 131, 332, 342) im Streitfall keine Rolle spielt.
16 Allein diese Umstände können jedoch entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts nicht ausreichen, um einen Schutz der Privatsphäre zu
verneinen. Das gilt nicht nur unter Berücksichtigung der Auffassung des
EGMR, sondern ergibt sich bei richtigem Verständnis bereits aus dem
abgestuften Schutzkonzept, wie es oben dargelegt worden ist. Hiernach
ist auch bei Personen, die unter dem Blickpunkt des zeitgeschichtlichen
Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung
die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, eine Verbreitung der
Abbildung nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des
Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
17 Mithin kommt eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung
grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von
zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft (so schon Senatsurteile BGHZ 158,
218, 222 f.; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO; vgl. BGH, Urteil vom
26. Oktober 2006 - I ZR 182/04 - Rn. 15, zum Abdruck in BGHZ bestimmt).
Dabei darf allerdings der Begriff der Zeitgeschichte nicht zu eng verstanden
werden. Schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes betreffend das
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9.
Januar 1907 (KUG; vgl. Ebermayer in: Stengleins Kommentar zu den
Strafrechtlichen Nebengesetzen des Deutschen Reiches, 5. Aufl., Band I § 23
KUG Anm. 1; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags,
XI. Legislaturperiode II. Session 1905/1906, erster Sessionsabschnitt,
Aktenstück Nr. 30 S. 1540 f. und I. Lesung 25. Januar 1906, Bd. 214, S.
819), vor allem aber im Hinblick auf den Informationsbedarf der
Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer
Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von
allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der
Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann nämlich
Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung
unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene
Informationen (vgl. Senat, Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 -
VersR 2004, 522, 523 mit Anmerkung von Gerlach JZ 2004, 625; BVerfG, BVerfGE
101, 361, 389 f.; NJW 2006, 2836, 2837).
18 Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass
die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum
besitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien
entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im
Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von
öffentlichem Interesse ist (BVerfGE 101, 361,
392; Senat, Urteil vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO Rn. 24;
EGMR NJW 2006, 591, 592 f. Rn. 38 ff.). Deshalb muss die Presse zur
Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben nach publizistischen Kriterien
selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält
(vgl. BVerfGE 101, 361, 392; Senat, Urteile vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94
-VersR 1995, 667, 668 f., bestätigt durch BVerfG, NJW 2000, 1026, und vom
15. November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO). Die Bedeutung der Pressefreiheit
wird unter Hinweis auf Art. 10 EMRK auch in der Entscheidung des EGMR vom
24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647, 2648 f. Rn. 58, 60, 63) hervorgehoben, wenn
dort ausgeführt wird, dass die Presse in einer demokratischen Gesellschaft
eine wesentliche Rolle spiele und es ihre Aufgabe sei, Informationen und
Ideen zu allen Fragen von Allgemeininteresse weiterzugeben, was letztlich
mit dem oben dargelegten Begriff der Zeitgeschichte in Einklang steht.
19 Soweit der Gerichtshof der Presse dieses Recht nur "in bestimmten
Grenzen" (EGMR NJW 2004, 2647, 2649 Rn. 58) zugesteht, betrifft diese
Einschränkung ersichtlich die Abwägung zwischen Pressefreiheit und
Informationsrecht der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz der
Privatsphäre andererseits, mithin eine Abwägung, wie sie auch nach dem oben
dargestellten Schutzkonzept geboten ist. Auch wenn die Presse zur Wahrung
der Pressefreiheit und zur Vermeidung einer vom Grundgesetz untersagten
Zensur selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden darf, worüber sie
berichten will, kann sie sich damit nicht der Abwägung mit der geschützten
Privatsphäre derjenigen entziehen, über die sie berichten will.
20 Deshalb muss eine Interessenabwägung stattfinden und zwar zwischen dem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des
Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits. Die Bedeutung
des Informationswerts für die Interessenabwägung hat der erkennende Senat
schon in früheren Entscheidungen hervorgehoben (Senat, BGHZ 151, 26, 31;
Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525 m.w.N.). Je
größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das
Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den
Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber
auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je
geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. BVerfGE
101, 361, 391; Senat, BGHZ 131, 332, 342 m.w.N.). Das Interesse der Leser an
bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein
geringeres Gewicht (vgl. BVerfGE 34, 269, 283; Senat, BGHZ 131, 332, 342
m.w.N.).
21 Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. August 2006
(NJW 2006, 3406, 3407) bestätigt, wobei es nach Lage des Falles nicht zu
entscheiden brauchte, ob er auch für Personen von hohem Bekanntheitsgrad
gilt. Diese Frage ist nach Auffassung des erkennenden Senats unter
Berücksichtigung des Urteils des EGMR vom 24. Juni 2004 im Grundsatz zu
bejahen. Deshalb kann auch bei den bisher so genannten Personen der
Zeitgeschichte nicht außer Betracht bleiben, ob die Berichterstattung zu
einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung
bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt es freilich nicht aus, dass je nach
Lage des Falles für den Informationswert einer Berichterstattung auch der
Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist
bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein
zeitgeschichtliches Ereignis im Sinn des allgemein interessierenden
Zeitgeschehens handelt, ein weites Verständnis geboten, damit die Presse
ihren meinungsbildenden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von
größter Bedeutung sind.
22 Eine solche Gewichtung bei der Interessenabwägung trägt nach Auffassung
des erkennenden Senats den Anforderungen des Gerichtshofs (EGMR NJW 2004,
2647, 2651 Rn. 76) an einen wirksamen Schutz der Privatsphäre ebenso
Rechnung wie dem Schutz der Grundrechte aus Art. 5 GG. Ihr steht - anders
als das Berufungsgericht meint - auch eine Bindungswirkung des § 31 BVerfGG
nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Entscheidung des
erkennenden Senats insoweit bestätigt, als dort der Schutz der Privatsphäre
gegen unerwünschte Aufnahmen auf die Fälle erkennbarer räumlicher
Abgeschiedenheit beschränkt worden ist. Das schließt es jedoch nicht aus,
bei der erforderlichen Interessenabwägung zwischen Pressefreiheit und Schutz
der Privatsphäre den Informationswert für die Öffentlichkeit stärker zu
berücksichtigen. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht eine diesen
Grundsätzen entsprechende Interessenabwägung in einem den Kläger
betreffenden Verfahren bereits gebilligt (Senat, Urteil vom 15. November
2005- VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274; BVerfG, NJW 2006, 2835).
23 dd) Kommt es mithin für diese Abwägung maßgeblich auf den
Informationswert der Abbildung an, so kann - da im Streitfall die
beanstandete Abbildung im Zusammenhang mit einer Wortberichterstattung
verbreitet worden ist - bei der Beurteilung diese zugehörige
Wortberichterstattung nicht unberücksichtigt bleiben (so auch EGMR NJW 2004,
2647, 2650 Rn. 64). Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des
erkennenden Senats (vgl. BGHZ 158, 218, 223; Urteile vom 30. September 2003
- VI ZR 89/02 - VersR 2004, 205, 206; vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03
- VersR 2005, 83 f.; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 f.
- jeweils m.w.N.).
24 3. Diese Grundsätze führen im Streitfall zu folgender Abwägung:
25 Das in der Ausgabe Nr. 9/02 vom 20. Februar 2002 der Zeitschrift "FRAU
AKTUELL" veröffentlichte Bild zeigt den Kläger und seine Ehefrau auf
öffentlicher Straße in St. Moritz im Urlaub, der grundsätzlich auch bei
"Prominenten" zum geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört.
Dennoch hat das Berufungsgericht die Veröffentlichung des Fotos im Ergebnis
zutreffend als Bebilderung eines Berichts über ein zeitgeschichtliches
Ereignis nicht beanstandet.
26 Zwar ist der beanstandeten Abbildung als solcher keine Information über
ein zeitgeschichtliches Ereignis oder ein Beitrag zu einer Diskussion von
allgemeinem Interesse zu entnehmen. Indes ist für den Informationswert auch
die zugehörige Wortberichterstattung zu berücksichtigen. Soweit diese sich
auf den Skiurlaub bezieht, kann allerdings ein zeitgeschichtliches Ereignis
bzw. ein Vorgang von allgemeinem Interesse (EGMR NJW 2004, 2647, 2649 Rn. 60
ff.) selbst bei dem im Interesse der Informationsfreiheit gebotenen weiten
Verständnis dieser Begriffe nicht angenommen werden. Gegenstand der
Wortberichterstattung ist jedoch auch die Erkrankung des damals regierenden
Fürsten von Monaco und damit ein zeitgeschichtliches Ereignis im oben
dargelegten Sinn, über das die Presse berichten darf. Insofern kommt es auf
den redaktionellen Gehalt und die Gestaltung dieses Artikels nicht an, da
die Garantie der Pressefreiheit es nicht zulässt, das Eingreifen dieses
Grundrechts von der Qualität des jeweiligen Presseerzeugnisses oder
redaktionellen Beitrags abhängig zu machen (BVerfGE 34, 269, 283; Senat,
Urteil vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94 - VersR 1995, 667, 668, bestätigt
durch BVerfG, NJW 2000, 1026). Das gilt auch, soweit der Artikel das
Verhalten von Familienmitgliedern während der Krankheit des Fürsten
betrifft, zumal die Zulässigkeit der Wortberichterstattung von der Revision
nicht in Frage gestellt wird. Diese Berichterstattung wird mit der
beanstandeten Abbildung belegt und illustriert.
27 Bei dieser Sachlage sind überwiegende berechtigte Interessen des Klägers
(§ 23 Abs. 2 KUG), die einer Veröffentlichung der Abbildung entgegenstehen
könnten, bei der gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer
Gesamtheit (vgl. Senat, Urteil vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - VersR
2005, 83, 84) nicht zu erkennen. Insbesondere ist der beanstandeten
Abbildung, die den Kläger und seine Frau auf offener Straße zeigt, kein
eigenständiger Verletzungseffekt zu entnehmen, der eine abweichende
Beurteilung rechtfertigen könnte. Dass die Aufnahme etwa unter Ausnutzung
von Heimlichkeit oder von technischen Mitteln, die dem gleich kämen,
zustande gekommen und aus diesem Grund unzulässig wäre (vgl. EGMR NJW 2004,
2647, 2650 Rn. 68; BVerfGE 101, 361, 381; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408;
Senat, BGHZ 131, 332, 342), macht die Revision nicht geltend und ist auch
nicht ersichtlich.
28 4. Nach allem ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.
29 Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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