Erfüllungsort, Versendungskauf, Allgemeine Geschäftbedingungen und Gefahrtragung beim Verbrauchsgüterkauf

LG Bad Kreuznach, Urteil vom 13.11.2002, 3 O 202/02


Fundstelle:

VuR 2003, 80


Leitsatz:

Die Klausel "Erfüllungsort ist ..." verstößt bei Verbrauchsgüterkäufen gegen § 307 BGB, weil entgegen dem Grundgedanken des § 474 eine § 447 entsprechende Regelung getroffen werden soll.


Zentrale Probleme (s. dazu auch die treffende Anm. von Mankowski EWiR 2003, 351 f sowie die Anm. zu BGH v. 16. Juli 2003  VIII ZR 302/02):

Es geht um die Frage der Zulässigkeit einer Erfüllungsortklausel in den AGB eines Unternehmers. Die Entscheidung ist im Ergebnis falsch und in der Begründung so abwegig, daß sie durch ihre Fehlerhaftigkeit schon wieder lehrreich ist: Sämtliche relevanten Aspekte werden heillos miteinander vermengt: § 447 BGB, der durch § 474 II BGB im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs verdrängt wird, ist eine Gefahrtragungsregelung. Das hat mit dem Erfüllungsort nur indirekt etwas zu tun. Auch im Bereich Unternehmer/Verbraucher bleibt es bei der Bestimmung des Erfüllungsorts bei den §§ 269 f. Danach liegt, wenn der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die Sache an dessen Wohnort versendet, im Zweifel auch dann eine Schickschuld vor, wenn der Verkäufer die Kosten der Versendung übernimmt (§ 269 III BGB). Die Erfüllungsortklausel gibt hier also bezüglich der Pflicht des Verkäufers ohnehin nur das dispositive Gesetzesrecht wieder. Konstitutiv ist sie allein insoweit, als sie den Erfüllungsort auch für die Zahlungsverpflichtung des Käufers festlegt. Dies aber hat keine Berührung zu den §§ 474 ff.

©sl 2003


Aus dem Tatbestand

Der Kläger ist ein Verband, der die Interessen der Verbraucher wahrnimmt im Sinn der § 3, 4 UKlaG. Er nimmt die Beklagte mit Sitz in Langenlonsheim auf Unterlassung in Anspruch wegen einer von dieser in ihren Vertragsformularen verwendeten Klausel "Erfüllungsort ist Langenlonsheim" (...). Diese Formulare verwendet der Kläger unter anderem bei vorherigen telefonischen Bestellungen von Kunden und wenn die Lieferung der bestellten Waren an deren Wohnsitz erfolgt.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 19.4.2002 auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, in der sie sich verpflichten sollte, die beanstandete Klausel nicht mehr zu verwenden. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 3.5.2002 ab. Auch eine Nachfristsetzung blieb ohne Erfolg. Der Kläger ist der Auffassung, die Bestimmung des Sitzes der Beklagten als Erfüllungsort in den AGB verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Es handele sich dabei um einen Verbrauchsgüterkauf, bei dem Erfüllungsort stets der Lieferort sei. Deshalb könne auf die allgemeine Regelung des § 269 BGB, wonach Erfüllungsort der Wohnsitz des Schuldners sei, nicht zurückgegriffen werden. Auch aus der Tatsache, dass bei der konkreten Bestellung der Frau K. ein Fernabsatzvertrag vorgelegen habe, folge aus der Natur des Schuldverhältnisses, dass der Wohnsitz des jeweiligen Gläubigers als Erfüllungsort anzusehen sei.

Der Kläger beantragt, 1. der Beklagten zu untersagen, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Kaufverträgen im Fernabsatz zu verwenden oder sich auf diese Klausel bei Fernabsatzverträgen zu berufen: "Erfüllungsort ist Langenlonsheim." (...).
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, mit der Regelung in ihren Auftragsformularen sei eine im Gesetz verankerte, nämlich § 269 BGB entsprechende Regelung getroffen worden. Erfüllungsort sei danach der Ort der gewerblichen Niederlassung der Beklagten gewesen. § 447 BGB regele lediglich die Gefahrtragung, besage aber nichts über den Erfüllungsort. Ort der Übergabe sei zudem nicht zwangsläufig Ort der Erfüllung. (...)

Aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist begründet. (...). Es besteht ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klausel, da damit  zumindest in den Fällen, in denen der Schuldner nicht in Langenlonsheim wohnt  gemäß § 307 BGB eine für den Verbraucher unangemessene nachteilige Regelung verbunden ist. Mit der Regelung (Erfüllungsort ist Langenlonsheim) wird von dem Grundgedanken des § 474 BGB abgewichen. Unstreitig handelt es sich bei den vorliegenden Verträgen um Verbrauchsgüterkäufe gemäß dieser Vorschrift. Auf diese findet § 447 BGB (Versendungskauf) keine Anwendung; vielmehr verbleibt es bei der Regelung des § 446 BGB. Danach geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Verschlechterung erst mit der Übergabe auf den Käufer über. Mit der Klausel "Erfüllungsort ist Langenlonsheim" wird die Übergabe  der Leistungsort  an den Sitz der Beklagten verlegt. Damit wird die Regelung des § 447, die gerade beim Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen sein soll, übernommen. In diesen Fällen soll nicht der Käufer die Gefahr des Untergangs der Kaufsache auf dem Transportweg tragen müssen. Deshalb ist Erfüllungsort oder Leistungsort immer der Wohnsitz des Käufers, unabhängig davon, ob eine Bringschuld oder eine Schickschuld angenommen wird. Auch im Zusammenhang mit § 269 BGB wird deutlich, dass mit der von der Beklagten vorgenommenen Bestimmung des Erfüllungsortes eine für den Verbraucher nachteilige Regelung getroffen wird. Diese liegt nämlich darin, dass die Ware von der Beklagten (teilweise wohl in der Form der Selbstauslieferung) zu dem Käufer gebracht wird. Dies stellt einen wesentlichen Bestandteil des Vertrages dar. Aus der Natur des Schuldverhältnisses folgt daher auch, dass die Leistung am Ort des Käufers erfolgen soll und nicht bereits am Sitz des Verkäufers (der Beklagten). Leistungsort und Erfüllungsort sind insoweit identisch (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. AufI., § 269 Rn. 1). Auch beim Versendungskauf ist der Leistungsort gemäß § 474 BGB der Ort der Übergabe (vgl. Palandt/Putzo, Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, 61. Aufl., § 474 Rn. 12). Allein dass die Versendung tatsächlich geschieht und ihre Notwendigkeit sich aus den Umständen des Kaufs ergibt, reicht aus, dass § 447 BGB ausgeschlossen ist. Dies kann nicht wirksam abbedungen werden. Damit durfte die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ihren Sitz zum Erfüllungsort bestimmen.

Aus den §§ 312 b, d BGB lassen sich für die Bestimmung des Erfüllungsortes nach Auffassung der Kammer allerdings keine Rückschlüsse ziehen. Aus diesen Vorschriften folgt nur, wann die Widerrufsfrist abweichend von den §§ 355, 356 BGB zu laufen beginnt. Daraus kann aber nicht auf den Erfüllungs/Leistungsort geschlossen werden. Insoweit lässt sich eine Vorgabe des Gesetzes nicht entnehmen. Da die Bestimmung des Erfüllungsortes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt, war der Beklagten zu untersagen, diese Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiter zu verwenden.