Verwirkung von
Lohnansprüchen analog § 654 BGB bei Dienstverhältnissen mit
Vertrauensstellung
BGH, Beschluss vom 23.
September 2009 - V ZB 90/09
Fundstelle:
NJW-RR 2009, 1710
Amtl. Leitsatz:
a) Wer bei der Bestellung zum
Zwangsverwalter unbefugt einen Doktor- oder Diplomtitel führt, ist
unzuverlässig und kann nicht zum Zwangsverwalter bestellt werden.
b) Wer seine Bestellung zum Zwangsverwalter dennoch erreicht, verwirkt
seinen Anspruch auf Vergütung und Auslagen nach § 152a ZVG i.V.m. §§ 18, 21
ZwVwV.
c) Die Verwirkung des Vergütungsanspruchs schließt Ansprüche aus
ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung wegen der Auslagen und
Anstrengungen bei der Vermietung nicht aus. Diese können aber nicht im
Festsetzungsverfahren nach § 153 ZVG, sondern nur in einem ordentlichen
Rechtsstreit gegen den Bereicherungsschuldner oder Geschäftsherrn geltend
gemacht werden. (Fortführung von BGHZ 159, 122)
Zentrale Probleme:
Die den Vergütungs- und
Auslagenersatzanspruch eines Zwangsverwalters betreffende Entscheidung ist
von generellem Interesse wegen der erheblichen Erweiterung des § 654 BGB.
Danach verwirkt ein Makler als Sanktion für seinen Treuebruch den
Lohanspruch, wenn er vertragswidrig für beide Seiten tätig war. Der BGH
erweitert diesen Rechtsgedanken auf andere Dienstverhältnisse: Eines
Entgeltanspruchs soll verlustig gehen, wer sich wegen eines Treuebruchs als
unwürdig erweist. Deshalb wendet er die Vorschrift nicht nur auf andere dem
in der Doppelmakelei liegenden Treubruch vergleichbare Verletzungen der
Treuepflicht des Maklers, sondern auch auf andere Dienstverhältnisse mit
entsprechenden Treuepflichten des Dienstverpflichteten an (z.B.
Testamentsvollstrecker oder Rechtsanwalt). Dabei handelt es sich um eine
Sanktion für den Treuebruch und nicht um einen Fall der Leistungsstörung,
d.h. die Verwirkung tritt auch ein, wenn die Tätigkeit fehlerlos war und ein
Schaden nicht eingetreten ist. Deshalb sind auch die Anforderungen an einen
Treuebruch sehr hoch (s. dazu bei Tz. 15). Hier bestand er
in der unberechtigten Führung eines Dr.- Titels. Der Senat hat keinen
Zweifel, daß der Betroffene sich hiermit die Bestellung zum Zwangsverwalter
erschlichen hat.
Evtl. Vorteile hat der Dienstgläubiger dann über Bereicherungsrecht (§ 812 I
S. 1 Alt. 1 BGB) oder Geschäftsführung ohne Auftrag (in Form des "Auch-fremden-Geschäfts"),
d.h. §§ 683, 670 herauszugeben (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2000, 1560).
©sl 2009
Gründe:
I.
1 Der Antragsteller wurde mit Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 4.
November 2004 in den vorliegenden verbundenen Verfahren als "Dr. C." zum
Zwangsverwalter bestellt. Einen Bericht für die Geschäftsjahre 2004/2005
legte er vor, Berichte für die Folgejahre 2006 und 2007 zunächst nicht. Der
von dem Vollstreckungsgericht daraufhin mit der Prüfung der Rechnungslegung
und Buchführung beauftragte Sachverständige stellte in seinem Bericht vom
15. August 2008 Unregelmäßigkeiten fest. Im Zuge von deren Überprüfung wurde
bekannt, dass der Antragsteller den Doktortitel zu Unrecht führte und
deswegen mit Strafbefehl des Amtsgerichts Dinslaken vom 24. Juni 2005 zu
einer Geldstrafe und mit einem weiteren Strafbefehl dieses Gerichts vom 7.
September 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung
verurteilt worden war. Das Vollstreckungsgericht enthob ihn mit Be-schluss
vom 2. September 2008 mit sofortiger Wirkung seines Amtes und ersetzte ihn
durch den Beteiligten zu 5.
2 Der Antragsteller hat bei dem Vollstreckungsgericht mit Anträgen vom 12.
August und 11. September 2008 die Festsetzung von insgesamt 389.772,39 € an
Vergütung und Auslagen für seine Tätigkeit in den Jahren 2006 bis 2008
beantragt und dem Vollstreckungsgericht mit einem Schreiben vom 13. November
2008 eine Frist für die Entscheidung über die Vergütungsanträge gesetzt. Das
Vollstreckungsgericht hat, soweit noch von Interesse, die Anträge auf
Festsetzung von Vergütung und Auslagen zurückgewiesen (NJW-RR 2009, 1137).
Gegen den ihm am 6. April 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller
am 16. Juni 2009 Rechtsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen für die Einlegung und die
Begründung des Rechtsmittels beantragt. Mit dem Rechtsmittel verfolgt er
seine Festsetzungsanträge weiter. Die Beteiligte zu 4 beantragt, die
Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II.
3 Das Beschwerdegericht hält den Anspruch des Antragstellers auf Vergütung
und auf Ersatz von Auslagen mit dem Vollstreckungsgericht für verwirkt.
Entsprechend einem Rechtsgedanken, der unter anderem in § 654 BGB seinen
Ausdruck finde, sei ein Anspruch auf Vergütung für Dienstleistungen
verwirkt, wenn das Dienstverhältnis besondere Treuepflichten begründe und
der Dienstleistende gegen eine solche Pflicht in besonders schwerwiegender
Weise verstoßen habe. Diese Grundsätze gälten auch für öffentlich-rechtliche
Dienstverhältnisse wie das eines gerichtlich bestellten Sachverständigen
oder eines Insolvenzverwalters. Sie seien auch auf den Zwangsverwalter
anzuwenden, der ebenfalls besondere Treuepflichten habe. Die hieraus
abzuleitende Pflicht des Zwangsverwalters zu Wahrhaftigkeit und Redlichkeit
habe der Antragsteller verletzt. Er habe über Jahre hinweg auch während der
hier zu beurteilenden Zwangsverwaltungsverfahren unbefugt den Doktortitel
geführt und sei deswegen bestraft worden. Er sei damit unzuverlässig
gewesen. Das rechtfertige auch die vollständige Aberkennung des Anspruchs
auf die ausstehende Vergütung. Ob den Verfahrensbeteiligten ein materieller
Schaden entstanden sei, sei unerheblich. Ob dem Antragsteller an Stelle des
Vergütungs- andere Ansprüche zustünden, sei im Festsetzungsverfahren nicht
zu prüfen.
III.
4 Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.
5 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Antragsteller hat zwar die
Fristen für die Einlegung und die Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt.
Ihm ist aber gegen die Versäumung dieser Fristen nach § 233 ZPO
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antragsteller hat
glaubhaft gemacht, dass seine schon seit Frühjahr 2008 bestehende Erkrankung
im März 2009 eine so nicht zu erwartende Zuspitzung erfahren hat und dass er
infolge seiner seelischen Verfassung nicht in der Lage war, seinen
Prozessbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren rechtzeitig Weisung zu
erteilen, das Rechtsmittel einlegen und begründen zu lassen. Das
rechtfertigt die Wiedereinsetzung (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Januar 1985, IVb
ZB 55/84, VersR 1985, 393, 394; Beschl. v. 7. März 1985, IX ZB 16/85, VersR
1985, 550,; Beschl. v. 10. Juni 1985, II ZB 4/85, VersR 1985, 888, 889).
6 2. Das Rechtsmittel ist aber unbegründet. Der im Festsetzungsverfahren
nach § 153 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 22 ZwVwV allein zu prüfende Anspruch des
Antragstellers als früherer Zwangsverwalter auf Vergütung und Auslagen nach
§ 152a ZVG i.V.m. §§ 18, 21 ZwVwV ist verwirkt.
7 a) Materiell-rechtliche Einwände gegen den Anspruch des Zwangsverwalters
auf Vergütung und Ersatz von Auslagen sind zwar im
Kostenfestsetzungsverfahren nach § 153 ZVG i.V.m. § 22 ZwVwV grundsätzlich
nicht zu prüfen (Senat, Beschl. v. 18. Januar 2007, V ZB 63/06, ZfIR 2007,
249, 251). Anders liegt es aber, wenn es um die Erforderlichkeit der
beantragten Vergütung geht (Senat, Beschl. v. 29. November 2007, V ZB
179/06, NJW-RR 2008, 324, 325). Dazu gehört auch der Einwand der Verwirkung
(BGHZ 159, 122, 127).
8 b) Die Verwirkung des Anspruchs auf Vergütung und Ersatz von Auslagen
folgt aus dem Rechtsgedanken des § 654 BGB.
9 aa) Die Vorschrift erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Fall der
Doppelmakelei. Der Bundesgerichtshof entnimmt ihr aber den allgemeinen
Rechtsgedanken, dass eines Entgeltanspruchs verlustig gehen soll, wer sich
wegen eines Treuebruchs als unwürdig erweist (Urt. v. 19. Mai 2005, III
ZR 322/04, NJW-RR 2005, 1423, 1424). Deshalb wendet er die Vorschrift
nicht nur auf andere dem in der Doppelmakelei liegenden Treubruch
vergleichbare Verletzungen der Treuepflicht des Maklers (BGH wie vor),
sondern auch auf andere Dienstverhältnisse mit entsprechenden Treuepflichten
des Dienstverpflichteten an (BGH, Urt. v. 5. Mai 1976, IV ZR 53/75, WM
1976, 771, 772; Urt. v. 13. Juni 1979, IV ZR 102/77, DNotZ 1980, 164, 165 -
Testamentsvollstrecker; Urt. v. 15. Januar 1981, III ZR 19/80, NJW 1981,
1211, 1212; Urt. v. 30. März 1995, IX ZR 182/94, WM 1995, 1288, 1289 -
Rechtsanwalt).
10 bb) Der an dieser Rechtsprechung teilweise geäußerten Kritik (Münch-Komm-BGB/Roth,
5. Aufl., § 654 Rdn. 3; Simanek, Pflichtenkollision bei
Doppelmaklertätigkeit zum Abschluss von Grundstückskaufverträgen, 2005, S.
52-54) ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt (BGH, Urt. v. 19. Mai 2005,
III ZR 322/04, aaO). Sie ist auch nicht berechtigt. Zwar kann der
Auftraggeber bei Verletzung der Treuepflicht unabhängig von § 654 BGB
Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB verlangen (BGH, Urt. v. 19. Mai
2005, III ZR 309/04, NJW-RR 2005, 1425, 1426). Bei schweren Verstößen
gegen die Treuepflicht besteht aber, was auch die von dem
Vollstreckungsgericht angesprochenen (NJW-RR 2009, 1137, 1139) Vorschriften
der § 971 Abs. 2, § 1579 Nr. 3 und 5, § 1611 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, §§ 2339
und 2345 BGB erkennen lassen, ein Bedürfnis für eine von dem Entstehen eines
ersatzfähigen Schadens unabhängigen (zu diesem Gesichtspunkt: BGHZ 36, 323,
326; BGH, Urt. v. 19. Mai 2005, III ZR 322/04, aaO) Anspruchsverwirkung.
11 c) Der Verwirkungsgedanke des § 654 BGB ist auf den Zwangsverwalter
anwendbar.
12 aa) Diesen Rechtsgedanken wendet der Bundesgerichtshof nicht nur auf
privatrechtliche Dienstverhältnisse, sondern auch auf öffentlich-rechtliche
Dienstverhältnisse an. Entschieden ist das für den gerichtlich bestellten
Sachverständigen (BGH, Beschl. v. 15. Dezember 1975, X ZR 52/73, NJW 1976,
1154, 1155) und für den Insolvenzverwalter (BGHZ 159, 122, 131; vgl. auch
BayObLGZ 1991, 272, 275 - Vormund oder Pfleger). Für den Zwangsverwalter
gilt nichts anderes.
13 bb) Der Zwangsverwalter hat eine in den entscheidenden Punkten dem
Insolvenzverwalter vergleichbare Rechtsstellung (BGH, Urt. v. 5. Februar
2009, IX ZR 21/07, NJW 2009, 1674, 1675, für BGHZ 179, 336 vorgesehen).
Daraus hat der Bundesgerichtshof in dem erwähnten Urteil abgeleitet, dass
der Umfang der Haftung des Zwangsverwalters für Fehler bei seiner
Amtsführung nach § 154 ZVG ähnlich wie der Umfang der entsprechenden Haftung
des Insolvenzverwalters an den gesetzlichen Pflichten des Zwangsverwalters
und nicht am formellen Beteiligtenbegriff des § 9 ZVG auszurichten ist. Der
Zwangsverwalter haftet in diesem Rahmen nach § 154 ZVG nicht für jegliche
Pflichtverletzung, sondern nur für die Verletzung verwalterspezifischer
Pflichten (BGH, Urt. v. 5. Februar 2009, IX ZR 21/07, aaO). Diese sind den
insolvenzspezifischen Pflichten vergleichbar (BGH, Urt. v. 5. März 2009, IX
ZR 15/08, NJW 2009, 1677, 1678). Deshalb führt auch der Treubruch des
Zwangsverwalters zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs. Für diese Wertung
ist es entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung, welcher der
zu Beschreibung der Rechtsstellung des Zwangsverwalters vertretenen Theorien
(dazu: Engels in Dass-ler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13.
Aufl., § 152 Rdn. 3 f.; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 152 Rdn. 2) zu folgen ist.
14 c) Die Voraussetzungen einer Anspruchsverwirkung liegen vor.
15 aa) Zur Verwirkung führt nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, das ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, nicht jede
objektiv erhebliche Pflichtverletzung des Dienstverpflichteten (BGH, Urt. v.
19. Mai 2005, III ZR 322/04, aaO). Wegen des Strafcharakters der Verwirkung
muss es sich um eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung handeln, die den
Dienstverpflichteten seines Lohnes als "unwürdig" erweist (BGH aaO). Das ist
nach der Rechtsprechung erst dann der Fall, wenn die Treuepflicht
vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer grob
leichtfertigen Weise verletzt wird, die dem Vorsatz nahe kommt (BGHZ 36,
323, 326 f.; 92, 184, 185; BGH, Urt. v. 24. Juni 1981, IVa ZR 225/80, NJW
1981, 2297; Urt. v. 18. März 1992, IV ZR 41/91, NJW-RR 1992, 817, 818). Ein
solcher Treuebruch liegt, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht nur
bei strafbaren Handlungen (z.B. Unterschlagungen) zum Nachteil der Masse,
sondern auch bei einer strafbaren Täuschung über die Qualifikation vor (BGHZ
159, 122, 132 f.). Auf eine materielle Schädigung der Gläubiger kommt es
nicht an (BGHZ 159, 122, 131).
16 bb) Eine solche Täuschung über die Qualifikation hat das
Vollstreckungsgericht zutreffend angenommen.
17 (1) Der Antragsteller hat in den Jahren 2004 und 2005 unbefugt den Titel
eines Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften geführt und sich
nach § 132a StGB strafbar gemacht. Er ist deswegen wiederholt, nämlich mit
Strafbefehlen vom 24. Juni 2005 und vom 7. September 2006, bestraft worden.
Er hat den Doktortitel auch danach noch unter Verstoß gegen die
Bewährungsauflage aus dem Strafbefehl vom 7. September 2006 unbefugt
geführt. Der Antragsteller hat sich, was das Vollstreckungsgericht
rechtsfehlerfrei festgestellt hat (NJW-RR 2009, 1137, 1139), ferner wegen
unbefugten Führens des Titels eines Diplom-Kaufmanns strafbar gemacht, den
er in den vorliegenden verbundenen Zwangsverwaltungsverfahren bis Dezember
2005 geführt hat.
18 (2) Damit hat er dem Vollstreckungsgericht eine fachliche Qualifikation
vorgetäuscht, die er nicht hatte.
19 (a) Mit der Führung eines Titels, der eine erfolgreiche (universitäre
oder sonstige geregelte) Berufsausbildung voraussetzt, weist der Titelträger
auf eine nach einer solchen Ausbildung zu erwartende fachliche Qualifikation
hin. Zu diesen Titeln gehört auch der Doktortitel. Er ist zwar nicht der
einzige berufsqualifizierende Grad, den eine Hochschule verleihen kann. In
einigen Bereichen hat er als berufsqualifizierender Abschluss durch
staatliche Berufsprüfungen an Bedeutung verloren. Der Doktortitel schließt
aber dessen ungeachtet eine über die wissenschaftliche Grundausbildung
hinausführende wissenschaftliche Ausbildung ab (vgl. etwa § 67 HochschulG
NRW) und ist deshalb ein berufsqualifizierender Abschluss. Das gilt
insbesondere für Studienfächer, in denen eine staatliche Berufsprüfung nicht
oder nur bei bestimmten Laufbahnen vorgesehen ist. Insofern unterscheidet
sich das unbefugte Führen eines Doktortitels nicht von der unbefugten
Führung des Titels eines Diplom-Kaufmanns. Hier kommt hinzu, dass der
Antragsteller auch diesen Titel unrechtmäßig geführt hat.
20 (b) Dem steht, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht entgegen,
dass § 1 Abs. 2 ZwVwV die Bestellung zum Zwangsverwalter nicht von einer
bestimmten formalen Berufsqualifikation, sondern von einer ausreichenden
Geschäftskunde abhängig macht. Diese kann zwar auch ohne eine abgeschlossene
Berufsausbildung erworben werden. Eine formelle Qualifikation wie ein
Doktortitel oder der Titel eines Diplom-Kaufmanns gibt aber ein wichtiges
Indiz dafür, dass der Titelträger die nach dem Titel zu erwartenden
Kenntnisse hat (BGHZ 159, 122, 133).
21 (3) Der Antragsteller hat das Vollstreckungsgericht über seine
persönliche Qualifikation getäuscht.
22 (a) Nach § 1 Abs. 2 ZwVwV kommt es nicht nur auf die Sachkunde an. Gewähr
für die ordnungsgemäße Gestaltung und Durchführung der Zwangsverwaltung
bietet im Sinne dieser Vorschrift nur, wer zuverlässig ist. Diese
Zuverlässigkeit setzt, nicht anders als bei einem Insolvenzverwalter (dazu
BGHZ 159, 122, 128 f.), persönliche Integrität und insbesondere Ehrlichkeit
voraus. Wer eine akademische Ausbildung vortäuscht und sich dabei wegen
Missbrauchs von Titeln gemäß § 132a Abs. 1 StGB strafbar macht, um seine
Bestellung zu erschleichen, wird den charakterlichen und persönlichen
Anforderungen, die an einen Zwangsverwalter zu stellen sind, nicht gerecht
(BGH aaO für Insolvenzverwalter).
23 (b) Im Fall des Antragstellers tritt ein weiterer Aspekt hinzu: Der
Antragsteller hat den ihm nicht zustehenden Doktortitel geführt, obwohl er
bereits zweimal wegen ungefugten Führens von Titeln verurteilt worden war
und auch noch während der Bewährungszeit der zweiten Verurteilung. In diesem
Verhalten wird deutlich, dass dem Antragsteller der eigene Vorteil wichtiger
ist als die Einhaltung der Rechtsvorschriften. Ohne das Bemühen um die
Einhaltung von Rechtsvorschriften ist ein Zwangsverwalter nicht zuverlässig.
Damit war der Antragsteller für das Amt des Zwangsverwalters nicht (mehr)
persönlich geeignet.
24 (c) Der von der Rechtsbeschwerde hervorgehobene Umstand, dass der
Antragsteller seit vielen Jahren und in zahlreichen Verfahren zum
Zwangsverwalter bestellt worden ist, ist unerheblich. Es mag sein, dass der
Antragsteller früher Gewähr für eine ordnungsgemäße Gestaltung und
Durchführung der Zwangswaltung geboten hat. Entscheidend ist, dass er diese
Gewähr bei Anordnung der Zwangsverwaltung in den vorliegenden verbundenen
Verfahren nicht mehr bot.
25 (4) Die Täuschung des Antragstellers hat zu seiner Bestellung als
Zwangsverwalter geführt.
26 (a) Die Rechtsbeschwerde stellt das in Abrede. Der Antragsteller habe
erst im Dezember 2005 und damit nach Anordnung der Zwangsverwaltung in den
vorliegenden Verfahren begonnen, den Doktortitel unbefugt zu führen.
Außerdem sei nicht festgestellt, dass die Täuschung für die Bestellung des
Antragstellers zum Zwangsverwalter ausschlaggebend war. Beides trifft nicht
zu.
27 (b) Das Vollstreckungsgericht hat festgestellt, dass der Antragsteller
den Doktortitel von April 2004 bis Juli 2008 und damit auch schon zu dem
Zeitpunkt unbefugt geführt hat, als es die Zwangsverwaltung in den
vorliegenden Verfahren anordnete und den Antragsteller zum Zwangsverwalter
bestellte. Diese Feststellung ist entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde
rechtsfehlerfrei. Sie findet ihre Grundlage zunächst in dem Strafbefehl des
Amtsgerichts Dinslaken vom 24. Juni 2005. Danach hat der Antragsteller mit
der Führung des Doktortitels im Jahre 2004 begonnen. Die Bestellung des
Antragstellers zum Zwangsverwalter geht auf einen Vorschlag der Beteiligten
zu 3 als betreibender Gläubigerin zurück. Diese hatte die Bestellung eines
insolvenzrechtlich erfahrenen Zwangsverwalters als nötig angesehen und dazu
in ihren Anträgen auf Anordnung der Zwangsverwaltung vom 11. Oktober 2004
den Antragsteller empfohlen. In allen Anträgen wird der Antragsteller mit
"Dr. C. " bezeichnet. Das beruht nicht auf einem Versehen der Beteiligten zu
3. Der Antragsteller verwendete nämlich in dem Zeitraum, in dem seine
Bestellung zum Zwangsverwalter in den vorliegenden Verfahren erfolgte, einen
Briefbogen, auf welchem er sein Büro als "Dr. H. C. Wirtschaftskanzlei" und
sich selbst als "Dr. rer. pol./Dipl. Kfm. H. C. " bezeichnete. Auf einem
solchen Briefbogen bestätigte er dem Vollstreckungsgericht unter dem 11.
Februar 2005 seine Bestellung in dem verbundenen Einzelverfahren 46 L 94/05.
28 (c) Von der Tatsache, dass der Antragsteller zur Führung des Doktortitels
nicht berechtigt war, hat das Vollstreckungsgericht nach seinen
Feststellungen erst am 18. August 2008 erfahren. Damit steht fest, dass es
die Bestellung des Antragstellers auf Grund einer unerkannt unzutreffenden
Tatsachengrundlage vorgenommen hat. Das wiederum bedeutet, dass die
Täuschung des Antragstellers zu einer Verkürzung der Ermessensausübung durch
das Vollstreckungsgericht geführt hat. Diese Einwirkung des Antragstellers
auf den Entscheidungsvorgang könnte allenfalls dann folgenlos bleiben, wenn
feststünde, dass das Vollstreckungsgericht den Antragsteller dennoch
bestellt hätte.
29 Das ist entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde nicht der Fall. Ihr ist
zwar einzuräumen, dass der Antragsteller auf Grund der zahlreichen
Zwangsverwaltungen, die er seit der Aufnahme seiner Tätigkeit durchgeführt
hat, von den Vollstreckungsgerichten des Bezirks, auch von dem hier
zuständigen Vollstreckungsgericht, als geschäftskundig angesehen worden ist.
Es spricht ferner viel dafür, dass der Antragsteller auch ohne Doktortitel
in den vorliegenden Verfahren zum Zwangsverwalter bestellt worden wäre. Die
Voraussetzungen hierfür sind aber gerade dadurch entfallen, dass der
Antragsteller mit der unberechtigten Führung des Doktortitels eine Sachkunde
in Anspruch nahm, die er nicht hatte, und unzuverlässig wurde. Das
Vollstreckungsgericht hätte ihn jetzt nicht mehr bestellen dürfen.
Anhaltspunkte, dass es den Antragsteller unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2
ZwVwV bestellt hätte, wenn er sein (strafbares) Verhalten offen gelegt
hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
30 cc) Die vollständige Verwirkung des Anspruchs auf Vergütung und Ersatz
von Auslagen nach § 152a ZVG i.V.m. §§ 18, 21 ZwVwV ist verhältnismäßig.
31 (a) Die Täuschung über die formale Qualifikation ist ein besonders
schwerwiegender Treubruch. Die Zwangsverwaltung soll sicherstellen, dass die
laufenden Einnahmen aus dem Grundstück zur Befriedigung der Gläubiger
eingesetzt und die Gläubiger vor einer Wertminderung des Objekts und
sonstigen Beeinträchtigungen geschützt werden (BGHZ 161, 336, 340 f.). Dabei
übernimmt der Zwangsverwalter eine zentrale Rolle. Deshalb ist seine
fachliche und persönliche Qualifikation von entscheidender Bedeutung. Wer
sich wie der Antragsteller die besondere Vertrauensstellung, die der
Zwangsverwalter wie der Insolvenzverwalter (zu diesem BGHZ 150, 122, 133)
bei Wahrnehmung der ihm obliegenden treuhänderischen Aufgaben genießt, durch
Täuschung über seine Qualifikation in strafbarer Weise erschleicht,
gefährdet damit die Belange des Schuldners und der Gläubiger erheblich. Er
handelt darüber hinaus grob rücksichtslos, weil er sich im Interesse eigener
wirtschaftlicher Vorteile über die Belange der übrigen Verfahrensbeteiligten
hinwegsetzt. Diese Haltung und die erhebliche Gefährdung des
Zwangsverwaltungsverfahrens rechtfertigen es, ihm wie dem Insolvenzverwalter
(BGHZ 159, 122, 133) den Rechtsanspruch auf eine Vergütung zu versagen, die
er anderenfalls auf Kosten der Gläubiger, die auf seine berufliche
Lauterkeit vertraut haben, erzielen würde. Entsprechendes gilt für den
Anspruch auf Ersatz von Auslagen.
32 (b) Dem steht nicht entgegen, dass dem Antragsteller damit in den
vorliegenden Verfahren Vergütung und Auslagenersatz im Umfang von 389.772,39
€ entgehen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller
Vergütung und Auslagen für die Jahre 2004/2005, die bereits abgerechnet
sind, in Höhe von 179.449,11 € verbleiben (vgl. dazu BGHZ 159, 122, 124 f.).
Sodann ist zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Abrechnung für
die Jahre 2006 bis 2008 auf die Vergütung entfällt, die von den
Mieteinnahmen abhängt und dem Antragsteller nach der mit der Verwirkung
verbundenen Wertung nicht zusteht. Allerdings können den Gläubigern
materielle Vorteile zugefallen sein. Sie können in den abgerechneten
Auslagen im Umfang von insgesamt 35.433,86 € und in einem etwaigen
besonderen Erfolg des Antragstellers bei der Vermietung und anderweitigen
Nutzung der Grundstücke liegen. Eine Grundlage, den Gläubigern solche
Vorteile endgültig zu belassen und sie dem Antragsteller endgültig zu
entziehen, bietet der Verwirkungsgedanke nicht. Sie wären dem Antragsteller
nach Maßgabe der allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, etwa über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung oder der Geschäftsführung
ohne Auftrag auch dann herauszugeben, wenn er nicht zum Verwalter bestellt
worden und dennoch tätig geworden wäre. Über derartige Ansprüche ist im
Feststellungsverfahren nach § 153 ZVG i.V.m. § 22 ZwVwV nicht zu entscheiden
(BGHZ 159, 122, 133 f. für Festsetzung nach § 64 InsO). Sie werden dem
Antragsteller damit durch diese Entscheidung aber auch nicht aberkannt.
IV.
33 In einem Rechtsbeschwerdeverfahren über die Höhe der
Zwangsverwaltervergütung ist eine Kostenentscheidung regelmäßig nicht
veranlasst, weil es nicht kontradiktorisch ausgestaltet (zu diesem
Gesichtspunkt Senat, BGHZ 170, 378, 381) ist (Senat, Beschl. v. 15. März
2007, V ZB 117/06, NJW-RR 2007, 1150; Beschl. v. 10. Januar 2008, V ZB
31/07, NJW-RR 2008, 892, insoweit nur bei juris). Die Kostenaussprüche der
Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben. |