Umfang des Hausrechts eines Hotelbetreibers;
Anfechtung eines Vertrages wegen der politischen Überzeugung des
Vertragspartners; Diskriminierungsverbote nach AGG (NPD-Vorsitzender im
Wellness-Hotel)
BGH, Urteil vom 9.3.2012 - V ZR 115/11
Fundstelle:
NJW 2012, 1725
Eigener Leitsatz:
1. Das auf dem Grundstückseigentum oder -besitz
(§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) beruhende Hausrecht ist auch Ausdruck der
grundrechtlich geschützten Privatautonomie. Es ermöglicht seinem Inhaber, in
der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt gestattet und wem
er ihn verwehrt, ohne dass dies einer rechtfertigenden Begründung bedarf.
2. Das Diskriminierungsverbot nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 21 AGG gilt
nicht für politische Überzeugungen.
2. Zur Anfechtung eines Vertrages wegen der politischen Überzeugung des
Vertragspartners
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist bereits
durch Presseberichterstattung bekannt (s. auch die
Pressemitteilung des BGH Nr. 32/12). Für die Ausbildung ist sie von
grundsätzlicher Bedeutung und in jeder Hinsicht "klausurgeeignet". Das gilt insbesondere für die Ausführungen zum
Einfluss der Grundrechte auf die - ebenfalls grundrechtlich geschützte
Privatautonomie. Wichtig ist insbesondere die Unterscheidung, wann ein
Hausverbot einer Rechtfertigung bedarf (s. dazu
BGH NJW 2010, 534 zum Stadionverbot) und wann es
grundsätzlich willkürlich ausgeübt werden darf (s. dazu bei Rn
22 f). Im konkreten Fall war eine Hausrechtsausübung insoweit nicht
möglich, als der Gast aufgrund des (von seiner Ehefrau abgeschlossenen, aber
nach § 328 BGB als Vertrag zugunsten Dritter auch ihn berechtigenden
Beherbergungsvertrags) einen Anspruch auf die vertragliche Leistung hatte.
Die Privatautonomie des Hoteliers tritt hier hinter die bereits eingetretene
Vertragsbindung zurück (anders etwa im Fall BGH v.
29.5.2020 - V ZR 275/18). Die Voraussetzungen einer außerordentlichen
Kündigung lagen nicht vor, eine Anfechtung des Vertrages (wegen
verkehrswesentlicher Eigenschaften der Person, § 119 II BGB) scheiterte
jedenfalls am Ablauf der Anfechtungsfrist des § 121 BGB, so dass die Frage, ob der
Beherbergungsvertrag wegen der politischen Überzeugung des Gastes (oder
seiner Stellung als Parteivorsitzender einer politischen Partei) angefochten werden kann,
offengelassen wurde. Lesen!!!
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Ehefrau des Klägers buchte bei
einem Touristikunternehmen für beide Eheleute einen Aufenthalt in einem von
der Beklagten betriebenen Hotel für die Zeit vom 6. bis zum 10. Dezember
2009. Nachdem das Touristikunternehmen die Buchung zunächst bestätigt hatte,
teilte es am 19. November 2009 mit, dass ein Aufenthalt in dem Hotel der
Beklagten nicht möglich sei, und bot verschiedene Unterbringungsalternativen
sowie eine kostenfreie Stornierung an. Auf Nachfrage erteilte die Beklagte
dem Kläger am 23. November 2009 ein Hausverbot. Dieses begründete sie mit
Schreiben vom 8. Dezember 2009 damit, dass die politische Überzeugung des
Klägers - dieser war seinerzeit Bundesvorsitzender der
Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) - nicht mit dem Ziel des
Hotels zu vereinbaren sei, jedem Gast nach Möglichkeit ein exzellentes
Wohlfühlerlebnis zu bieten.
2 Der Kläger, der sich dadurch diskriminiert sieht, möchte mit der Klage den
Widerruf des Hausverbots erreichen. Hierzu verweist er u.a. darauf, dass er
sich bei seinen früheren Aufenthalten in dem Hotel nicht politisch geäußert
habe. Da er dies bei künftigen und daher auch bei dem gebuchten Aufenthalt
ebenso habe halten wollen, hätte das Hausverbot nicht ausgesprochen werden
dürfen.
3 Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem
Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen
Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NJW-RR 2011, 890 ff.
veröffentlicht ist, hält das Hausverbot für rechtmäßig. Eine das
Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzende Diskriminierung liege nicht
vor. Die Beklagte habe als Betreiberin eines sog. Wellnesshotels ein
berechtigtes Interesse daran, ihren Gästen eine ruhige und friedliche
Atmosphäre zu bieten. Daraus folge zugleich das Recht, einen Gast von der
Nutzung des Hotels auszuschließen, sofern dessen politische Überzeugung
befürchten lasse, dass sich andere Gäste provoziert fühlen könnten. Davon
sei bei dem Kläger als dem (im Zeitpunkt der Entscheidung des
Berufungsgerichts noch) Bundesvorsitzenden einer rechtsextremen Partei, der
selbst wiederholt in der Öffentlichkeit rechtsextremistisches Gedankengut
geäußert habe, auszugehen. Die konkrete Besorgnis, der Kläger werde während
des Hotelaufenthalts seine politische Auffassung bekunden, sei für die
Erteilung des Hausverbots nicht erforderlich. Es genüge bereits der
Eindruck, die Beklagte beherberge in ihrem Hotel Rechtsextremisten. Darauf,
dass sich der Kläger schon mehrfach dort aufgehalten habe, ohne dass
Beschwerden an die Beklagte herangetragen worden seien, komme es nicht an,
weil die Anwesenheit des Klägers möglicherweise in der Zukunft durch andere
Gäste missbilligt werde. Schließlich stünden dem erteilten Hausverbot weder
Grundrechte des Klägers entgegen noch werde dessen politische Überzeugung
durch das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geschützt. Eine Ausgrenzung aus dem
öffentlichen Leben finde durch das Hausverbot nicht statt, zumal der Kläger
auf ein anderes Hotel in der Region ausweichen könne.
II.
5 Die Revision ist teilweise begründet.
6 1. Gegenstand des Rechtsstreits ist zum einen die Frage, ob das
Hausverbot hätte erteilt werden dürfen, soweit der Kläger dadurch an seinem
bereits gebuchten Aufenthalt in dem Hotel der Beklagten gehindert wurde.
Darüber hinaus und - ausweislich der Klagebegründung - vor allem
will der Kläger durch die der Sache nach beantragte Aufhebung (vgl. auch LG
München I, NJW-RR 2010, 760) des Hausverbots erreichen, dass die aus seiner
Sicht auch für die Zukunft fortwirkende Diskriminierung beseitigt wird.
Mit dieser Unterscheidung gehen unterschiedliche rechtliche Maßstäbe einher,
an denen sich das Hausverbot messen lassen muss. Sie führen dazu,
dass das Hausverbot, soweit es den gebuchten Aufenthalt betrifft,
rechtswidrig war, im Übrigen aber rechtmäßig ist.
7 2. Zu Unrecht erachtet das Berufungsgericht das Hausverbot auch
insoweit für rechtmäßig, als dem Kläger dadurch der bereits vor dessen
Ausspruch für die Zeit vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 gebuchte Aufenthalt
in dem Hotel der Beklagten untersagt wurde.
8 a) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die
Beklagte aufgrund ihres Hausrechts grundsätzlich befugt ist, für das von ihr
betriebene Hotel ein Hausverbot auszusprechen. Das Hausrecht beruht
auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und
ermöglicht es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem
er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt (Senat, Urteil vom
20. Januar 2006 - V ZR 134/05, NJW 2006, 1054 Rn. 7; Urteil vom 30. Oktober
2009 - V ZR 253/08, NJW 2010, 534, 535 Rn. 11; BGH, Urteil vom 8. November
2005 - KZR 37/03, BGHZ 165, 62, 70 mwN). In ihm kommt insbesondere
die - ihrerseits aus der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG)
fließende -Befugnis des Eigentümers zum Ausdruck, mit der Sache
grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung
auszuschließen (§ 903 Satz 1 BGB). Darüber hinaus ist das Hausrecht Ausdruck
der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie, die die
Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt (BVerfG, NJW
1994, 36, 38 mwN). Dazu gehört, dass rechtlich erhebliche
Willensentscheidungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen; das gilt
in gleicher Weise für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang einem
Dritten der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird.
9 b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass aus der
speziellen zivilrechtlichen Regelung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 21 AGG
keine Einschränkungen des Hausrechts der Beklagten hergeleitet werden
können. Abgesehen davon, dass es bereits zweifelhaft erscheint, ob
Verträge über den Aufenthalt in einem Wellnesshotel überhaupt unter den
Tatbestand der Norm fallen (für Beherbergungsverträge bejahend Erman/Armbrüster,
BGB, 12. Aufl., § 19 AGG Rn. 20; differenzierend Bauer/Göpfert/Krieger, AGG,
3. Aufl., § 19 Rn. 8), scheitert das Eingreifen der Vorschrift
jedenfalls daran, dass der Gesetzgeber bewusst davon Abstand genommen hat,
das Diskriminierungsverbot auf Benachteiligungen wegen politischer
Überzeugungen zu erstrecken (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/2022, S. 13). Auch die der
Regelung zugrunde liegenden Richtlinien 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur
Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder
der ethnischen Herkunft (ABl. EG 2000 Nr. L 180 S. 22) und 2004/113/EG des
Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EU 2004 Nr. L 373 S. 37)
enthalten insoweit keine weitergehenden Anforderungen (vgl.
Bauer/Göpfert/Krieger, aaO, 3. Aufl., § 19 Rn. 2; Franke/Schlichtmann in
Däub-ler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl., § 19 Rn. 8; Adomeit/Mohr, AGG, § 19 Rn.
8).
10 c) Das Berufungsgericht hat aber übersehen, dass die Beklagte ihr
Hausrecht bezogen auf die Zeit vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 deshalb
nicht frei ausüben konnte, weil sie vertraglich verpflichtet war, dem Kläger
den gebuchten Aufenthalt in dem Hotel zu gestatten. Mit der Bestätigung der
Buchung seitens des Touristikunternehmens erwarb nämlich nicht nur seine
Ehefrau, sondern auch der Kläger selbst jedenfalls nach den Regeln des
Vertrages zugunsten Dritter einen auf die Erbringung der vereinbarten
Leistungen gerichteten Anspruch (vgl. auch BGH, Urteil vom 17.
Januar 1985 - VII ZR 63/84, BGHZ 93, 271, 274 ff.).
11 d) Von diesem Vertrag hat sich die Beklagte weder durch eine
Anfechtung noch durch eine Kündigung aus wichtigem Grund wirksam gelöst,
ohne dass es auf die - nicht festgestellten - Einzelheiten der vertraglichen
Beziehungen zwischen der Beklagten, dem Touristikunternehmen sowie dem
Kläger und dessen Ehefrau ankäme.
12 aa) Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB wegen eines Irrtums
über eine Eigenschaft des Klägers scheitert schon daran, dass die Beklagte
sie nicht unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat.
Dass die Beklagte den Kläger wegen dessen politischer Überzeugung
nicht als Gast in ihrem Hotel wünschte, hat sie erstmals mit Schreiben vom
8. Dezember 2009 geltend gemacht. Diese - nachgeschobene - Begründung mag
bei wohlwollender Betrachtung als Anfechtungserklärung zu verstehen sein.
Den Grund kannte die Beklagte aber zumindest seit der auf ihre Veranlassung
hin vorgenommenen Stornierung der Buchung durch das Touristikunternehmen am
19. November 2009. Die damit mehr als zwei Wochen später erklärte Anfechtung
kann nicht als unverzüglich angesehen werden (vgl. MünchKommBGB/Armbrüster,
6. Aufl., § 121 Rn. 7 mwN).
13 bb) Soweit in der Erteilung des Hausverbots zudem eine Kündigung
des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund durch die Beklagte zu
erblicken sein sollte, ginge diese schon deshalb ins Leere, weil das
Kündigungsrecht aus wichtigem Grund regelmäßig eine, nicht notwendig
schuldhafte, Vertragsverletzung durch eine Vertragspartei voraussetzt
(vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2002 - LwZR 20/01, BGHZ 150, 365,
369). Daran fehlt es.
14 e) Die zivilrechtliche Bindung, durch deren Begründung die
Beklagte ihre Interessen freiwillig - privatautonom - gestaltet hat, führt
dazu, dass die Berufung auf die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und die
unternehmerische Freiheit (Art. 12 GG) sowie die Ausübung der
Eigentumsrechte (Art. 14 GG) deutlich an Gewicht verlieren.
Dasselbe würde für das Recht gelten, sich durch die Erteilung eines
Hausverbots politisch zu positionieren (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG); hierauf
hat sich die Beklagte allerdings nicht berufen. Diese Grundrechte
treten bei der gebotenen Abwägung hinter das Persönlichkeitsrecht (Art. 2
Abs. 1 GG) des von dem Hausverbot Betroffenen sowie das
Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG) zurück, da diese Regelungen insbesondere
über die zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB ebenfalls
mittelbar in das Zivilrecht einwirken. Die Abwägung führt dazu, dass ein den
Vertrag vereitelndes Hausverbot der Rechtfertigung durch besonders
gewichtige Sachgründe bedarf. Solche Sachgründe lagen entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor, soweit das Hausverbot den
bereits gebuchten Aufenthalt betraf, wobei nur solche Gründe zu würdigen
sind, auf die es von vornherein gestützt worden ist oder die in den
Tatsacheninstanzen unter Beachtung der §§ 296, 529 ff. ZPO in den Prozess
eingeführt worden sind.
15 aa) Die von der Beklagten gegebene Begründung, wonach die politische
Überzeugung des Klägers in einem Widerspruch zu dem Ziel des Hotels stehe,
jedem Gast nach Möglichkeit ein „exzellentes Wohlfühlerlebnis" zu bieten,
trägt nicht die Weigerung, dem Kläger den bereits gebuchten Aufenthalt in
dem Hotel zu gestatten. Da keine Verfahrensrügen gegen die tatsächlichen
Feststellungen des Berufungsgerichts erhoben worden sind, ist der Senat als
Revisionsgericht an den festgestellten Sachverhalt gebunden (§ 559 ZPO).
Tatrichterliche Feststellungen, aufgrund deren konkrete Störungen
durch den Kläger zu befürchten wären, liegen nicht vor. Insbesondere hat das
Berufungsgericht keine Tatsachen festgestellt, aufgrund deren die
Befürchtung bestanden hätte, dass der Kläger bei dem beabsichtigten
Aufenthalt in dem von der Beklagten betriebenen Hotel - anders als bei
seinen vorherigen Besuchen - durch Äußerung rechtsextremer Thesen Unruhe
gestiftet hätte.
16 bb) Der Beklagten bleibt angesichts der eingegangenen vertraglichen
Bindung auch die Berufung darauf versagt, berechtigte Belange anderer
Hotelgäste begründeten ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung des
Hausverbots. Zwar liegt die Annahme durchaus nahe, dass die
Anwesenheit des Klägers mit Blick auf die von diesem und dessen Partei
vertretenen rechtsextremen Positionen bei anderen Gästen Missfallen erregen
oder gar als Provokation empfunden wird. Das Bestehen unterschiedlicher
politischer Auffassungen ist der freiheitlichen - wesentlich durch das
Mehrparteiensystem geprägten -demokratischen Grundordnung indessen immanent
(vgl. BVerfGE 2, 1, 12 f.). Das schließt die Möglichkeit ein, im
alltäglichen Leben und damit auch in einem Wellnesshotel mit einer Person
zusammenzutreffen, die innerhalb einer - nicht verbotenen - politischen
Partei eine hervorgehobene Funktion innehat. Es begründet als solches keine
rechtlich erhebliche Beeinträchtigung, die etwa Ansprüche gegen den
Hotelbetreiber aus einem mit diesem geschlossenen Beherbergungsvertrag oder,
sofern der Aufenthalt auf der Grundlage eines Reisevertrags erfolgt, gegen
den Reiseveranstalter (vgl. §§ 651c ff. BGB) auslösen könnte.
17 cc) Die Befürchtung, die Anwesenheit des Klägers in dem Hotel könne zu
Beschwerden anderer Gäste oder gar dazu führen, das diese ihren
Hotelaufenthalt vorzeitig beenden oder von einem neuerlichen Aufenthalt
Abstand nehmen werden, vermag bereits deshalb ein Hausverbot nicht zu
tragen, weil es auch insoweit jedenfalls an hinreichend konkreten
Anhaltspunkten für eine solche Annahme fehlt. Nach den nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Kläger bereits mehrmals in
dem Hotel der Beklagten aufgehalten, ohne dass es deshalb zu Beanstandungen
gekommen wäre. Die abstrakte Möglichkeit, es könne sich bei einem weiteren -
rein privaten und nicht von der parteipolitischen Funktion des Klägers
geprägten - Aufenthalt anders verhalten, reicht für die Erteilung eines
Hausverbots nicht aus. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht ohne weiteres
davon ausgegangen werden, ein Aufenthalt des Klägers werde die
wirtschaftlichen Interessen der Beklagten in rechtlich erheblicher Weise
beeinträchtigen.
18 dd) Schließlich macht die Beklagte schon nicht geltend, dass ein
Aufenthalt des Klägers in ihrem Hotel die naheliegende Gefahr begründet, sie
werde dadurch in der öffentlichen Wahrnehmung mit den von diesem bzw. der
NPD vertretenen politischen Positionen identifiziert.
19 3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist das Hausverbot dagegen, soweit dem
Kläger dadurch für die Zukunft der Zutritt zu dem Hotel untersagt wird.
20 a) Ein vertraglicher Anspruch des Klägers, aufgrund dessen die
Beklagte bei der Ausübung ihres Hausrechts Einschränkungen unterläge,
besteht nach Ablauf der Zeit, für die der Hotelaufenthalt gebucht war, nicht
mehr.
21 b) Die Beklagte war insoweit auch nicht aus sonstigen Gründen an der
Erteilung eines Hausverbots gehindert.
22 aa) Einschränkungen bei der Ausübung des
Hausrechts können sich, abgesehen von einer vertraglichen Bindung des
Hausrechtsinhabers, insbesondere daraus ergeben, dass dieser die Örtlichkeit
für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet und dadurch seine Bereitschaft
zu erkennen gibt, generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall
jedem den Zutritt zu gestatten, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens
bewegt (Senat, Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 134/05, NJW 2006,
1054 Rn. 8; BGH, Urteil vom 3. November 1993 - VIII ZR 106/93, BGHZ 124, 39,
43 mwN). Das schließt es zwar auch in solchen Fällen nicht aus, dass
der Berechtigte die Befugnis zum Aufenthalt nach außen hin erkennbar an
rechtlich zulässige Bedingungen knüpft (vgl. BGH, Urteil vom 3.
November 1993 - VIII ZR 106/93, BGHZ 124, 39, 43; Urteil vom 8. November
2005 - KZR 37/03, BGHZ 165, 62, 70 - jeweils mwN).
Geschieht dies jedoch nicht oder sind die Bedingungen
erfüllt, bedarf ein gegenüber einer bestimmten Person ausgesprochenes
Verbot, die Örtlichkeit (künftig) zu betreten, zumindest grundsätzlich eines
sachlichen Grundes, weil auch in solchen Konstellationen die Grundrechte des
Betroffenen, namentlich dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.
1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 GG),
bei der gebotenen Abwägung einem willkürlichen Ausschluss entgegen stehen
(Senat, Urteil vom 30. Oktober 2009
- V ZR 253/08, NJW 2010, 534, 535 Rn. 13).
23 In solchen Fallgestaltungen tritt die Privatautonomie (Art. 2
Abs. 1 GG) des Hausrechtsinhabers in ihrem Gewicht zurück. Das ist deshalb
gerechtfertigt, weil bei einer Öffnung der Örtlichkeit für den allgemeinen
Publikumsverkehr der Person des einzelnen Besuchers oder Kunden regelmäßig
nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Hier liegt die Annahme besonders
nahe, es sei unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem der Zutritt
gestattet, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt (vgl.
Senat, Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 134/05, NJW 2006, 1054
[Flughafenterminal] und vom 30. Oktober 2009 - V ZR
253/08, NJW 2010, 534 [Fußballstadion]; BGH, Urteil vom 3. November 1993
- VIII ZR 106/93, BGHZ 124, 39 [Einzelhandelsmarkt]; ebenso bereits BGH,
Urteil vom 13. Juli 1979 - I ZR 138/77, NJW 1980, 700 [Apotheke] und vom 25.
April 1991 - I ZR 283/89, NJW-RR 1991, 1512 [Getränkemarkt]).
24 bb) Diese Erwägungen sind indes auf die Erteilung eines
Hausverbots für ein Hotel mit Wellnesscharakter nicht übertragbar. Mit dem
Betrieb eines Wellnesshotels soll erkennbar nur ein eingeschränkter
Besucher- oder Kundenkreis angesprochen werden. Aus der Sicht potentieller
Gäste tritt klar zutage, dass sich der Hotelbetreiber eine individuelle
Entscheidung darüber vorbehalten wird, ob er demjenigen, der um eine
Beherbergung nachsucht oder aus sonstigen Gründen das Hotelgelände betreten
will, den Zutritt gestattet. Ein solcher Vorbehalt ist im Grundsatz
nicht zu beanstanden (vgl. Richter, Vertragsfreiheit und Hausrecht
gewerblicher Anbieter, 2003, S. 135; Christensen, JuS 1996, 873, 874).
Er ist ebenfalls Ausdruck der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG),
der unternehmerischen Freiheit (Art. 12 GG) sowie der Freiheit des Eigentums
(Art. 14 GG; § 903 Satz 1 BGB) und beruht auf dem legitimen Interesse,
innerhalb der durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen auf die
Zusammensetzung des Publikums Einfluss auszuüben. Daraus folgt,
dass der Hausrechtsinhaber nicht nur im Bereich privater Lebensgestaltung,
sondern auch in seiner unternehmerischen Entscheidung frei ist, ob und ggf.
unter welchen Voraussetzungen er anderen den Aufenthalt in seinen Räumen
gestattet. Die privatautonome Erteilung eines Hausverbots muss daher
auch insoweit in der Regel nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt
werden.
25 cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Beklagte die Disposition
über ihre Beherbergungskapazitäten teilweise einem Touristikunternehmen
überlassen hat. Die darin zum Ausdruck kommende (teilweise) Öffnung des
Hotels hat nicht zur Folge, dass die Beklagte ihre Freiheit verliert, die
Zusammensetzung des Hotelpublikums zu beeinflussen.
26 c) Auch der Umstand, dass die Beklagte das Hausverbot auf die
politische Überzeugung des Klägers gestützt hat, lässt dieses nicht als
rechtswidrig erscheinen. Wie bereits dargelegt, ergeben sich insoweit keine
Einschränkungen aus §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 21 AGG. Nichts anderes folgt aus der
Regelung des Art. 3 Abs. 3 GG, durch die unter anderem solche
Benachteiligungen verboten werden, die an die politischen Anschauungen einer
Person anknüpfen. Diese Bestimmung ist im Rechtsverkehr zwischen Privaten
nicht unmittelbar anwendbar (vgl. Heun in Dreier, GG, 2. Aufl.,
Art. 3 Rn. 138; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 3
Abs. 3 Rn. 376 mwN). Ob ihr im Wege der mittelbaren Drittwirkung
eine im Vergleich zu dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
„größere Durchschlagskraft" zukommt, wird -jedenfalls was die
Diskriminierung wegen der politischen Anschauung betrifft -unterschiedlich
beurteilt (bejahend Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 516
[anders aber wohl Art. 3 Abs. 3 Rn. 172]; ähnlich Jarass in Jarass/Pieroth,
GG, 11. Aufl., Art. 3 Rn. 133; AK-GG/Eckertz-Höfer, 3. Aufl., Art. 3 Abs. 2,
3 Rn. 93; Heun in Dreier, aaO; einschränkend Rüfner in Bonner Kommentar, GG,
Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 607; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, aaO; aA
Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1988, S.
1580 f.; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 337 ff., ins-bes.
S. 343), kann aber dahinstehen.
27 Selbst wenn der Regelung des Art. 3 Abs. 3 GG auch im Verhältnis
zwischen Privaten ein besonderes Gewicht beizumessen wäre, führte dies nicht
dazu, dass sich das Interesse des Klägers, nicht auf Grund seiner
politischen Überzeugung durch die Erteilung eines Hausverbots benachteiligt
zu werden, bei der gebotenen Abwägung gegenüber den ebenfalls grundrechtlich
geschützten Interessen der Beklagten durchsetzte. Der Kläger sieht sich
durch das Verbot, das Hotel der Beklagten zu nutzen, lediglich in seiner
Freizeitgestaltung beeinträchtigt. Im Übrigen erfährt er dadurch, dass das
Hausverbot schriftlich - und nicht etwa erst bei seiner Ankunft in dem Hotel
- erteilt wurde, auch keine öffentliche Bloßstellung. Demgegenüber
trägt die Beklagte das wirtschaftliche Risiko für das von ihr betriebene
Geschäftskonzept eines Wellnesshotels. Das lässt es gerechtfertigt
erscheinen, der Beklagten - soweit sie nicht eine vertragliche Bindung
eingegangen ist (dazu unter 2.) - die Freiheit einzuräumen, solchen Gästen
den Zutritt zu verweigern, von denen sie annimmt, ihr Aufenthalt könne mit
Blick auf die von ihnen vertretene politische Auffassung diesem Konzept
abträglich sein.
28 4. Soweit die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der
Rechtsstreit nach § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif ist. Da das dem
Kläger erteilte Hausverbot, soweit die Beklagte bereits eine vertragliche
Bindung eingegangen war, auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht
getroffenen Feststellungen nicht hätte ergehen dürfen, ist die Beklagte
entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB an sich verpflichtet, die dadurch
bewirkte Beeinträchtigung des Klägers zu beseitigen, indem sie das
Hausverbot, wie von dem Kläger der Sache nach beantragt, aufhebt. Dem
Umstand, dass eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht mehr in
Betracht kommt, ist durch die Feststellung Rechnung zu tragen, dass das
Hausverbot in dem betreffenden Zeitraum rechtswidrig war.
III.
29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
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