Herleitung und Grenzen des zivilrechtlichen
Hausverbots; mittelbare Wirkung von Grundrechten; Privatautonomie;
Eintrittskarte als kleines Inhaberpapier
BGH, Urteil vom 29. Mai 2020 - V ZR 275/18 - LG Gera
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Die Erteilung eines Hausverbots bedarf nicht
schon dann eines sachlichen Grundes, wenn der Hausrechtsinhaber die
Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person
öffnet, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Verweigerung
des Zutritts für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben entscheidet (im Anschluss an BVerfGE 148, 267).
b) Welche Bedeutung der Zugang zu einer Einrichtung für die Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben hat, ist nicht aus der Perspektive des
einzelnen Besuchers zu beurteilen; vielmehr ist aus objektivierter Sicht
desjenigen, der die Einrichtung dem allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, zu
fragen, welche Funktion die von ihm willentlich eröffnete und betriebene
Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat.
c) Der Besuch einer
Therme entscheidet nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben; der private Betreiber einer Therme bedarf daher
für die Erteilung eines Hausverbots gegenüber einem Gast keines sachlichen
Grundes.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Voraussetzungen der Ausübung eines
(zivilrechtlichen) Hausrechts. Dafür bedarf es eines rechtfertigenden
Grundes, wenn der Zugang für den Betroffenen in erheblichem Umfang die
Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglicht. Ausgeschlossen ist ein
Hausverbot auch dann, wenn der Eigentümer oder Besitzer sich vertraglich zur
Nutzung verpflichtet hat (zB bei einer Hotelreservierung, s.
Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, NJW 2010,
534). Das wiederum gilt nicht bei dem bloßen Verkauf von
Eintrittskarten, welche die Person des Berechtigten nicht individualisieren.
Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich kein generelles Prinzip, wonach
Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell
gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Dahingehende Anforderungen
ergeben sich auch nicht aus den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung.
Grundsätzlich gehört es zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen
darüber zu bestimmen, mit wem sie unter welchen Bedingungen Verträge
abschließen will. Allgemeine Grenzen setzen allein § 19 AGG sowie
vertragliche Bindungen.
©sl 2021
Tatbestand:
1 Die Beklagte betreibt in K. eine Therme mit
Saunabereich, die die Klägerin seit mehreren Jahren regelmäßig besucht.
Die Beklagte führte die Klägerin in einer Gästekartei für
Stammkunden und informierte sie regelmäßig über Angebote. Über diese
Angebote erwarb die Klägerin zu Sonderkonditionen zahlreiche nicht
personengebundene Eintrittskarten, welche teilweise noch nicht genutzt
wurden. Am 12. Februar 2017 erteilte die Beklagte der Klägerin ein
schriftlich vorbereitetes, unbefristetes Hausverbot für die von ihr
betriebene Therme sowie alle der K. AG „angehörenden“
Einrichtungen.
2 Die Klägerin verlangt von der Beklagten, das
Hausverbot zurückzunehmen, hilfsweise, ihr den bereits entrichteten
Eintrittspreis zu erstatten. Das Amtsgericht hat die Beklagte auf ihr
Anerkenntnis hin verurteilt, an die Klägerin 1.116,04 € zu zahlen, Zug um
Zug gegen Rückgabe der von dieser erworbenen Eintrittskarten. Im Übrigen hat
es die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat das Hausverbot auf die Therme
in K. beschränkt und die Berufung der Klägerin im Übrigen zurückgewiesen.
Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die
Beklagte beantragt, will die Klägerin erreichen, dass das Hausverbot auch im
Übrigen zurückgenommen oder, hilfsweise, seine Nichtigkeit festgestellt
wird.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das
Berufungsgericht meint, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen
Anspruch auf Rücknahme des Hausverbots. Die Beklagte, der als
Betreiberin der Therme das Hausrecht zustehe, könne ein solches aussprechen,
ohne dass die Erklärung einer Rechtfertigung bedürfe. Eine Einschränkung
des Hausrechts könne sich zwar für Veranstaltungen ergeben, die einem
großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet würden, wenn der Ausschluss
für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben entscheide. Dies sei vorliegend aber nicht der
Fall, denn der Klägerin stehe es frei, andere Bäder in der Umgebung
aufzusuchen. Eine Einschränkung des Hausrechts ergebe sich auch nicht
daraus, dass die Klägerin bereits eine Vielzahl von Eintrittskarten für die
Therme erworben habe, die teilweise Gültigkeit bis Mitte 2021 hätten.
Die Eintrittskarten seien nicht personalisiert und bewirkten daher
keine zivilrechtliche Bindung, die die Beklagte hindere, sich auf die
Privatautonomie, ihre unternehmerische Freiheit und ihr Eigentumsrecht
zu berufen. Anderenfalls liefe das Hausrecht der Beklagten leer.
II.
4 Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rücknahme des
Hausverbots, da die Befugnis der Beklagten zur Erteilung eines Hausverbots
für die von ihr betriebene Therme nicht von dem Vorliegen eines sachlichen
Grundes abhängt.
5 1. Die Beklagte ist als Betreiberin der Therme
aufgrund ihres Hausrechts grundsätzlich befugt, gegenüber Besuchern ein
Hausverbot auszusprechen. Das Hausrecht beruht auf dem
Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht
es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er Zutritt
gestattet und wem er ihn verwehrt (st. Rspr., vgl. etwa Senat,
Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, NJW 2010,
534 Rn. 11; Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V
ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 8 jeweils mwN). In ihm kommt die
aus der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) fließende Befugnis
des Eigentümers zum Ausdruck, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu
verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen (§ 903 Satz 1 BGB).
Darüber hinaus ist das Hausrecht Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG
gewährleisteten Privatautonomie, die die Selbstbestimmung des Einzelnen im
Rechtsleben schützt. Dazu gehört, dass rechtlich erhebliche
Willenserklärungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen; das gilt in
gleicher Weise für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang einem Dritten
der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird (vgl.
zum Ganzen Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR
115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 8).
2. Das Hausrecht der
Beklagten ist gegenüber der Klägerin nicht deshalb eingeschränkt, weil diese
Eintrittskarten erworben hat, die noch nicht genutzt wurden und teils bis in
das Jahr 2021 hinein Gültigkeit haben.
7 a) Aus
einer vertraglichen Bindung können allerdings Einschränkungen bei der
Ausübung des Hausrechts resultieren (vgl.
Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 10
ff.). Hat sich der Betreiber einer Einrichtung vertraglich
verpflichtet, dem Gast den Aufenthalt zu gestatten, ist er an diesen Vertrag
gebunden und kann sich hiervon grundsätzlich nur nach allgemeinen
zivilrechtlichen Regeln lösen, etwa durch Anfechtung oder - bei
Dauerschuldverhältnissen - durch Kündigung aus wichtigem Grund. Die
vertragliche Bindung schließt zwar die Erteilung eines Hausverbots gegenüber
dem Gast als Vertragspartner nicht aus, führt aber dazu, dass ein den
Vertrag vereitelndes Hausverbot der Rechtfertigung durch besonders
gewichtige Sachgründe bedarf (vgl. Senat,
Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 14).
8
b) Die von der Klägerin erworbenen Eintrittskarten führen aber nicht
zu einer vertraglichen Bindung, die die Ausübung des Hausrechts einschränkt.
9 aa) Bei Eintrittskarten, die - wie hier - die Person des
Berechtigten nicht individualisieren, handelt es sich um sog. kleine
Inhaberpapiere gemäß § 807 BGB (vgl. MüKoBGB/Habersack, 7. Aufl., §
807 Rn. 10; Staudinger/Marburger, BGB [2015], § 807 Rn. 5). Kleine
Inhaberpapiere sind Karten, Marken oder ähnliche Urkunden, bei denen die
Umstände der Ausgabe erkennen lassen, dass der Aussteller grundsätzlich
jedem Inhaber zur Leistung verpflichtet sein will (vgl.
MüKoBGB/Habersack, 7. Aufl., § 807 Rn. 6, 9; Staudinger/Marburger,
BGB [2015], § 807 Rn. 3). Sie werden ausgegeben, um dem Aussteller
die schuldbefreiende Leistung zu erleichtern. Der
Aussteller bzw. Schuldner ist jedem materiell berechtigten Inhaber gegen
Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet (§ 793 Abs. 1 Satz 1
BGB), dem Inhaber der Urkunde gegenüber aber auch zur Leistung berechtigt,
selbst wenn diesem die materielle Berechtigung fehlt (sog.
Liberationswirkung, § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. hierzu
Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 793 Rn. 12; Staudinger/Marburger, BGB
[2015], § 807 Rn. 2, 4).
10 bb) Entgegen der Auffassung der
Revision ist die vertragliche Bindung des Ausstellers einer solchen
Eintrittskarte nicht vergleichbar mit der vertraglichen Bindung bei einem
gebuchten und bestätigten Hotelaufenthalt, aus der der Senat eine
Einschränkung des Hausrechts des Hotelbetreibers abgeleitet hat (vgl.
Senat, Urteil vom 12. März 2012 - V ZR 115/11,
NJW 2012, 1725).
11 (1) Durch die bestätigte Hotelbuchung erwerben
der Buchende und etwaige Mitreisende einen auf die Erbringung der
vereinbarten Leistung gerichteten Anspruch (vgl. Senat,
Urteil vom 12. März 2012 - V ZR 115/11, NJW
2012, 1725 Rn. 10). Die zivilrechtliche Bindung besteht unmittelbar
zwischen dem Hotelbetreiber und dem durch die Bestätigung individualisierten
Gast. Der Hotelier wird von der Leistungsverpflichtung nicht frei, wenn er
einem Dritten gegenüber die vereinbarte Leistung erbringt. Die Hotelbuchung
ist auch nicht frei übertragbar. Grundsätzlich anders ist die
Situation bei Eintrittskarten für eine der breiten Öffentlichkeit
zugängliche Einrichtung, um die es sich bei der von der Beklagten
betriebenen Therme handelt. Einlass wird in der Regel demjenigen
gewährt, der eine - nicht personalisierte und frei übertragbare -
Eintrittskarte „in der Hand hat“. Auf welchem Weg diese Person die
Eintrittskarte erhalten hat, wird grundsätzlich nicht überprüft.
12 (2) Es wäre mit der Rechtsnatur des kleinen
Inhaberpapiers nicht zu vereinbaren, in dem Begebungsvertrag (vgl.
dazu Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 793 Rn. 8) eine
zivilrechtliche Bindung zu sehen, die zu einer Einschränkung der Ausübung
des Hausrechts führte. Zum einen hat der Aussteller nach Ausgabe
der Eintrittskarten keinen Einfluss darauf, wer die Karten zum Eintritt in
die Einrichtung verwendet und wann dies geschieht. Zum anderen wäre es
den Kunden - hier der Klägerin - möglich, über Dritte in den Besitz weiterer
Eintrittskarten zu gelangen, um sich sodann auf die vertragliche Bindung des
Betreibers der Einrichtung - hier der Beklagten - zu berufen und eine
Einschränkung von dessen Hausrecht geltend zu machen. Damit liefe
das Hausrecht desjenigen, der übertragbare Eintrittskarten für die von ihm
betriebene Einrichtung begibt, im Ergebnis leer.
13 3.
Eine Einschränkung des Hausrechts der Beklagten dahingehend, dass
ein von ihr ausgesprochenes Hausverbot eines sachlichen Grundes
bedarf, ergibt sich auch nicht aus den mittelbar in das Zivilrecht
einwirkenden Grundrechten, namentlich nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot
des Art. 3 Abs. 1 GG.
14 a) Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs können sich - außer durch vertragliche Bindungen
und die hier nicht einschlägigen Benachteiligungsverbote aus § 19 AGG -
Einschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts insbesondere daraus ergeben,
dass der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen
Publikumsverkehr öffnet und dadurch seine Bereitschaft zu erkennen gibt,
generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem den Zutritt
zu gestatten, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt
(vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 134/05, NJW 2006, 1054 Rn. 8
[Flughafen]; Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR
253/08, NJW 2010, 534 Rn. 13 [Fußballstadion];
Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 22, 24
[verneinend zu einem Wellnesshotel]; BGH, Urteil vom 3. November 1993 - VIII
ZR 106/93, BGHZ 124, 39, 43 [Einkaufsmarkt]; Urteil vom 25. April 1991 - I
ZR 283/89, NJW-RR 1991, 1512 [Warenhaus]). Das schließt es zwar auch
in solchen Fällen nicht aus, dass der Berechtigte die Befugnis zum
Aufenthalt nach außen hin erkennbar an rechtlich zulässige
Bedingungen knüpft. Geschieht dies jedoch nicht oder sind die Bedingungen
erfüllt, bedarf ein gegenüber einer bestimmten Person ausgesprochenes
Verbot, die Örtlichkeit zu betreten, zumindest grundsätzlich eines
sachlichen Grundes. In solchen Konstellationen tritt die Privatautonomie
(Art. 2 Abs. 1 GG) des Hausrechtsinhabers in ihrem Gewicht zurück und stehen
die Grundrechte des Betroffenen, namentlich dessen allgemeines
Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)
und das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 GG), bei
der gebotenen Abwägung einem willkürlichen Ausschluss entgegen
(vgl. Senat, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR
253/08, aaO; Urteil vom 9. März 2012 - V ZR
115/11, aaO Rn. 22).
15 b) Diese Rechtsprechung bedarf im
Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Grundsatzentscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur mittelbaren Drittwirkung von Art. 3 Abs. 1 GG
im Verhältnis zwischen Privaten (BVerfGE
148, 267) der Modifizierung.
16 aa) Danach folgt
aus Art. 3 Abs. 1 GG kein objektives Verfassungsprinzip, wonach
Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell
gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Dahingehende
Anforderungen ergeben sich auch nicht aus den Grundsätzen der mittelbaren
Drittwirkung. Grundsätzlich gehört es zur Freiheit jeder Person, nach
eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie unter welchen
Bedingungen Verträge abschließen will (BVerfGE 148, 267 Leitsatz 1
und Rn. 40; vgl. auch BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn. 6).
Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten
können sich aus Art. 3 Abs. 1 GG jedoch für spezifische
Konstellationen ergeben, etwa wenn der Ausschluss von Veranstaltungen, die
aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne
Ansehen der Person geöffnet werden, für die Betroffenen in erheblichem
Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet
(vgl.
BVerfGE 148, 267 Leitsatz 2 und Rn. 41). Indem ein
Privater eine solche Veranstaltung ins Werk setzt, erwächst ihm von
Verfassungs wegen auch eine besondere rechtliche Verantwortung. Er darf
seine aus dem Hausrecht - so wie in anderen Fällen möglicherweise aus einem
Monopol oder aus struktureller Überlegenheit - resultierende
Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, bestimmte Personen ohne sachlichen
Grund von einem solchen Ereignis auszuschließen (vgl.
BVerfGE 148, 267 Leitsatz 2 und Rn. 41; vgl. auch BVerfG, NJW
2019, 3769 Rn. 7).
17 bb) Nach diesen Grundsätzen bedarf die
Erteilung eines Hausverbots nicht schon dann eines sachlichen Grundes, wenn
der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr
ohne Ansehen der Person öffnet, sondern nur unter der weiteren
Voraussetzung, dass die Verweigerung des Zutritts für die Betroffenen in
erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
entscheidet. In diesem Fall greift die Wirkung von Art. 3 Abs. 1 GG zwischen
dem Betreiber einer solchen Einrichtung und deren (potentiellen) Besuchern,
Gästen oder Kunden über die in Art. 3 Abs. 3 GG und in den §§ 19 ff. AGG
besonders geregelten Diskriminierungsverbote hinaus und stellt die Ausübung
des Hausrechts durch den Veranstalter bzw. Betreiber in einen Zusammenhang
mit dem Recht des Einzelnen auf Teilhabe am kulturellen Leben (vgl.
BVerfGE 148, 267 Rn. 42). Dem Betreiber einer
Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und
kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung
zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund
auszuschließen. Welche Bedeutung der Zugang zu einer Einrichtung
für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, ist daher nicht aus der
Perspektive des einzelnen Besuchers zu beurteilen; vielmehr ist aus
objektivierter Sicht desjenigen, der die Einrichtung dem allgemeinen
Publikumsverkehr öffnet, zu fragen, welche Funktion die von ihm willentlich
eröffnete und betriebene Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat. Dies
zeigt auch der von dem Bundesverfassungsgericht gezogene Vergleich
zu anderen Fällen der mittelbaren Grundrechtswirkung, in denen insbesondere
die Unausweichlichkeit von Situationen, das Ungleichgewicht zwischen sich
gegenüberstehenden Parteien, die gesellschaftliche Bedeutung von
bestimmten Leistungen oder die soziale Mächtigkeit einer Seite eine
maßgebliche Rolle spielen (vgl.
BVerfGE 148, 267 Rn. 33), wie etwa in den Fällen des
Monopols oder der strukturellen Überlegenheit (vgl.
BVerfGE 148, 267 Rn. 41).
18 c) Danach unterliegt die
Beklagte in der Ausübung ihres Hausrechts keinen Einschränkungen aus Art. 3
Abs. 1 GG.
19 aa) Der Besuch einer Therme entscheidet nicht in
erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben;
der private Betreiber einer Therme bedarf daher für die Erteilung eines
Hausverbots gegenüber einem Gast keines sachlichen Grundes.
20 (1) Zwar handelt es sich bei einer Therme regelmäßig um eine Einrichtung,
die aufgrund eigener Entscheidung des Betreibers einem großen Publikum ohne
Ansehen der Person geöffnet wird. Das Angebot des Betreibers einer Therme
richtet sich üblicherweise an einen uneingeschränkten Besucher-
und Kundenkreis; die Einrichtung ist für den allgemeinen Publikumsverkehr
geöffnet. Der Betreiber behält sich typischerweise nicht in jedem
Einzelfall eine individuelle Entscheidung darüber vor, ob er demjenigen, der
die Therme besuchen will, Einlass gewährt, sondern macht den Zutritt allein
von der Entrichtung des Entgelts und davon abhängig, dass sich der Besucher
an die für die Benutzung der Therme aufgestellten Regeln hält. Der
Identität des einzelnen Besuchers, die der Betreiber zumeist gar nicht
erfährt, kommt regelmäßig keine Bedeutung zu. So liegt es
auch hier. Dies folgt auch daraus, dass die Beklagte Einlasskarten verkauft,
die nicht an eine bestimmte Person gebunden, sondern frei übertragbar sind.
Die Beklagte macht nicht geltend, dass sie nur bestimmten Personen Einlass
gewährt oder für jeden Gast eine gesonderte Einzelfallentscheidung über den
Zutritt trifft.
21 (2) Eine Therme ist aber keine Einrichtung, die
für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben entscheidet (vgl. für ein Wellnesshotel BVerfG, NJW
2019, 3769 Rn. 8).
22 (a) Aus der objektivierten Sicht des
Betreibers ist eine Therme eine Einrichtung, die bei typisierender
Betrachtung für die Gäste der Erholung und Entspannung und, soweit sie - wie
hier - einen Saunabereich aufweist, auch der Ruhe und der Förderung der
Gesundheit dient. Ungeachtet der unterschiedlichen
Leistungsangebote verschiedener Thermen sind diese Leistungen prinzipiell
austauschbar. Für den Gast kommt es typischerweise nicht darauf an,
eine ganz bestimmte Therme besuchen zu können. Soweit die Revision
darauf abstellt, dass eine Therme auch ein Ort der Kommunikation und somit
des gesellschaftlichen Lebens ist, mag dies zwar eine mögliche Nutzung durch
die Gäste darstellen. Die Kommunikation unter den Gästen gibt einer Therme
aber nicht ihr Gepräge. Im Vordergrund der Leistung des Betreibers stehen
das Bade- und ggf. Saunaangebot sowie - je nach Ausgestaltung - weitere
Leistungen wie Massagen, Sonnenbänke usw.
23 (b) Eine andere
Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin - wie zu ihren
Gunsten revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die Therme der Beklagten
zur gesellschaftlichen Zusammenkunft nutzt und über die Jahre hinweg nahezu
freundschaftliche Beziehungen zu anderen Gästen aufgebaut hat. Für die
Beurteilung, ob eine Einrichtung erhebliche Bedeutung für die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben hat, kommt es nicht auf etwaige besondere Übungen,
Bedürfnisse oder Interessen des einzelnen Besuchers an, sondern
darauf, für welche Art der Nutzung der Betreiber seine Einrichtung aus
objektivierter Sicht willentlich geöffnet hat. Nur wenn der Private
eine Einrichtung betreibt und für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet,
die bei objektiv-typisierender Betrachtung erhebliche Bedeutung für
die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, erscheint die Anwendung des
Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG auf das Privatrechtsverhältnis zwischen dem
Betreiber und seinen Kunden und die damit verbundene Einschränkung seines
Hausrechts gerechtfertigt. Betreibt er hingegen eine Einrichtung,
der eine solche Bedeutung objektiv nicht zukommt, kann ihm eine
verfassungsrechtliche Bindung gegenüber dem einzelnen Kunden nicht dadurch
erwachsen, dass die Einrichtung für dessen gesellschaftliches Leben
subjektiv eine größere Bedeutung hat als ihr bei objektivtypisierender
Betracht zukommt.
24 Anderenfalls entstünde zudem eine bedenkliche
Rechtsunsicherheit für den Betreiber einer dem allgemeinen Publikumsverkehr
geöffneten Einrichtung. Dieser könnte, wenn es nicht auf den objektiven
Charakter seiner Einrichtung, sondern auf die - ihm regelmäßig nicht
bekannten - Bedürfnisse der einzelnen Kunden ankäme, vor der Erteilung eines
Hausverbots nicht erkennen, ob er dieses frei oder nur bei Vorliegen eines
sachlichen Grundes aussprechen darf und welche verfahrensrechtlichen
Vorgaben für ihn gelten, namentlich ob er den Betroffenen anhören, ggf. auch
abmahnen und ob er das Hausverbot ihm gegenüber begründen muss (vgl. hierzu
BVerfGE 148, 267 Rn. 46 ff.).
25 bb) Die
Beklagte hat auch keine Monopolstellung, aus der sich ebenfalls
gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zu den Gästen
ergeben könnten (vgl. zu diesem Aspekt BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn.
8). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befinden sich in G. und J.
und damit in einer Entfernung von 20 bzw. 30 km von der Therme der Beklagten
weitere Bäder und Saunen. Dass die Therme der Beklagten am Wohnort der
Klägerin liegt und somit für diese besonders einfach zu erreichen ist,
begründet keine Monopolstellung der Beklagten.
III.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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