Haftung für Sachmängel:
Entbehrlichkeit der Fristsetzung bei arglistiger Täuschung über den
Sachmangel; Fristsetzung trotz Entbehrlichkeit: Kein Rücktrittsrecht bei
erfolgter Nacherfüllung innerhalb der gesetzten Frist
BGH, Urteil vom 12. März
2010 - V ZR 147/09
Fundstelle:
NJW 2010, 1805
Amtl. Leitsatz:
1. Wird der Mangel der Kaufsache
innerhalb einer hierzu von dem Ksäufer gesetzten Frist zur Nacherfüllung
behoben, erlischt das Recht des Verkäufers zum Rücktritt vom Vertrag auch
dann, wenn es wegen eines arglistigen Verhaltens des Verkäufers im Hinblick
auf den Mangel des erfolglosen Ablaufs einer Frist zur Nacherfüllung als
Voraussetzung für einen Rücktritt vom Vertrag nicht bedurft hätte.
2. Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft die Behebung eines Mangels am
Gemeinschaftseigentum beschlossen, steht der Erfüllung des Anspruchs des
Käufers auf Nacherfüllung wegen des Mangels gleich, wenn der Verkäufer den
Käufer von der Forderung der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Ersatz der
anteiligen Kosten der Mangelbeseitigung freistellt, sofern feststeht, dass
die Durchführung der Mängelbeseitigung in angemessener Zeit vorgenommen wird
und die Freistellung von den Kosten sichergestellt ist.
Zentrale Probleme:
Eine interessante Entscheidung zum Kaufrecht. Wenn der
Verkäufer den Käufer über das Vorliegen eines (behebbaren) Mangels arglistig
täuscht, ist eine Fristsetzung zur Nacherfüllung zumindest i.d.R. nach §§
437 Nr. 2; 323 II Nr. 3 BGB entbehrlich (man kann hierfür auch § 440 S. 1 -
"Unzumutbarkeit" heranziehen), s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2007, 835, 836
und BGH NJW 2008, 1371. Setzt der Käufer
dennoch eine Frist und erfolgt die Nacherfüllung fristgerecht, ist der
Mangel behoben, so daß dann ein Rücktritt ausgeschlossen ist. Läuft die
Frist noch und ist die Nacherfüllung nicht erfolgt, kann der Käufer aber
grundsätzlich ohne erneute Fristsetzung auf Rücktritt übergehen (s. dazu die
Anm. zu
BGH NJW 2006, 1198).
Eine Besonderheit der WEG-Komponente des Falles bestand darin, daß die
Zusage der Übernahme der Kosten einer Nacherfüllung gleichsteht.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Das Grundstück "W. 112" in E. ist nach dem
Wohnungseigentumsgesetz geteilt. Eine der Wohnungen gehörte den Beklagten,
eine andere Herrn Dr. K. und Frau O. . Diese unterrichteten die Verwalterin
davon, dass in ihre Wohnung Feuchtigkeit eintrete. Die Wohnungseigentümer
beschlossen daraufhin in einer außerordentlichen Versammlung am 31. Oktober
2006, den Architekten H. zu beauftragen, die Ursache des
Feuchtigkeitseintritts und die zur Beseitigung notwendigen Kosten
festzustellen.
2 Mit Notarvertrag vom 11. Dezember 2006 verkauften die Beklagten ihre
Wohnung unter Ausschluss von Ansprüchen wegen Sachmängeln für 279.000 € an
die Klägerin. Dabei unterließen sie es, auf die
Feuchtigkeitsbeeinträchtigung der Wohnung K/O und den Beschluss der
Wohnungseigentümer vom 31. Oktober 2006 hinzuweisen. Die Klägerin bezahlte
den Kaufpreis und bezog die Wohnung.
3 In der Folgezeit ermittelte H. die auf die Wohnungseigentümergemeinschaft
entfallenden Kosten für die Beseitigung der Feuchtigkeitsbeeinträchtigung
der Wohnung K/O. In der Versammlung vom 23. April 2007 beschlossen die
Wohnungseigentümer unter Beteiligung der Klägerin, die sich der Stimme
enthielt, die von H. vorgeschlagenen Maßnahmen auszuführen und H. mit den
notwendigen Architektenleistungen zu beauftragen. Mit Schreiben an die
Beklagten vom 14. August 2007 machte die Klägerin verschiedene Mängel des
ihr verkauften Wohnungseigentums, u.a. auch die
Feuchtigkeitsbeeinträchtigung der Wohnung K/O geltend und forderte die
Beklagten zur "Nacherfüllung" bis zum 4. September 2007 auf.
4 In ihrer Antwort vom 3. September 2007 verneinten die Beklagten im
Wesentlichen die von der Klägerin geltend gemachten Mängel. Im Hinblick auf
die in der Wohnung K/O aufgetretene Feuchtigkeit erklärten sie, die auf die
Klägerin zukommenden Kosten zu übernehmen und boten an, hierfür Sicherheit
zu leisten. In ihrer Antwort vom 9. Oktober 2007 erklärte die Klägerin den
Rücktritt vom Vertrag.
5 Mit der Klage verlangt sie nach näherer Maßgabe Rückzahlung des
Kaufpreises und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne
Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision
verfolgt sie ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Das Berufungsgericht verneint ein Recht der Klägerin zum Rücktritt vom
Vertrag. Es meint, mit Ausnahme der Feuchtigkeitsbeeinträchtigung des
Gemeinschaftseigentums im Bereich der Wohnung K/O bestünden die von der
Klägerin behaupteten Mängel nicht. Den Mangel am Gemeinschaftseigentum im
Bereich der Wohnung K/O hätten die Beklagten arglistig verschwiegen. Das
habe die Klägerin trotz des vereinbarten Anspruchausschlusses grundsätzlich
berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, ohne eine Frist zur Nacherfüllung zu
setzen. An der trotzdem gesetzten Frist müsse sie sich jedoch festhalten
lassen. Die vorbehaltlose Erklärung der Beklagten, die auf die Klägerin im
Zusammenhang mit der Behebung des Mangels zukommenden Kosten zu übernehmen
und hierfür Sicherheit zu leisten, stehe einer Behebung des Mangels gleich.
II.
7 Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
8 Ein Recht der Klägerin, im Hinblick auf den verschwiegenen Mangel am
Gemeinschaftseigentum trotz der Erklärung der Beklagten vom 3. September
2007 zurückzutreten, besteht nicht.
9 Der Käufer kann wegen eines Sachmangels der verkauften Sache
grundsätzlich nur dann von dem Kaufvertrag zurücktreten, wenn er dem
Verkäufer fruchtlos Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, §§ 437 Nr. 2, 323
Abs. 1 BGB. Dieser Grundsatz gilt nicht ausnahmslos. Eine Ausnahme greift
namentlich dann ein, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung
der beiderseitigen Interessen die sofortige Ausübung des Rücktrittsrechts
rechtfertigen, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB. So kann es sich insbesondere
verhalten, wenn der Verkäufer bei Abschluss des Vertrags eine
Täuschungshandlung begangen hat. Eine solche Handlung ist grundsätzlich
geeignet, das Vertrauen des Käufers in die Ordnungsmäßigkeit der
Nacherfüllung zu zerstören, und lässt aus diesem Grund das Verlangen der
Nacherfüllung für den Käufer in der Regel unzumutbar sein (Senat,
Beschl. v. 8. Dezember 2006, V ZR 249/05, NJW 2007, 835, 836;
BGH, Urt. v. 9. Januar
2008, VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371; Palandt/Grüneberg,
BGB, 69. Aufl., § 323 Rdn. 22).
10 So liegt es indessen nicht, wenn der Käufer dem Verkäufer nach
Entdeckung des verschwiegenen Mangels eine Frist zu dessen Behebung setzt.
Damit gibt er zu erkennen, dass sein Vertrauen in die Bereitschaft zur
ordnungsgemäßen Nacherfüllung trotz des arglistigen Verhaltens des
Verkäufers weiterhin besteht. Kommt der Verkäufer innerhalb der Frist dem
Verlangen des Käufers nach und wird der Mangel behoben, scheidet der
Rücktritt des Käufers vom Vertrag aus, weil die verkaufte Sache - nunmehr -
vertragsgerecht ist.
11 So ist es hier. Die Erklärungen der Beklagten im Schreiben vom 3.
September 2007 haben den Eintritt der Voraussetzungen eines Rechts der
Klägerin, wegen des Mangels am Gemeinschaftseigentum vom Vertrag
zurückzutreten, entfallen lassen. Die Behebung eines Mangels am
Gemeinschaftseigentum durch einen Wohnungseigentümer oder einen früheren
Wohnungseigentümer kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Über die Frage, ob
und in welcher Art ein solcher Mangel beseitigt werden soll, hat nach § 21
Abs. 3 WEG die Wohnungseigentümergemeinschaft zu entscheiden. Hat die
Wohnungseigentümergemeinschaft die Beseitigung des Mangels beschlossen,
scheiden Maßnahmen eines Wohnungseigentümers oder früheren
Wohnungseigentümers zur Behebung des Mangels aus. Die Wohnungseigentümer
haben gegenüber der Gemeinschaft die Kosten der Mangelbeseitigung im
Verhältnis ihres Miteigentumsanteils an dem Grundstück zu tragen, § 16 Abs.
2 WEG.
12 Ist der Käufer einer insoweit mangelhaften Eigentumswohnung von dem
Mangel allein finanziell betroffen, steht der Erfüllung des Anspruchs auf
Nacherfüllung gleich, wenn der Verkäufer den Käufer von den Kosten zur
Beseitigung des Mangels freistellt, die dieser gegenüber der
Eigentümergemeinschaft zu tragen hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn
feststeht, dass die Arbeiten zur Mängelbeseitigung in angemessener Zeit
vorgenommen werden und dass die Freistellung gesichert ist. So war es hier,
zumal die Beklagten der Klägerin angeboten hatten, für die
Kostenfreistellung Sicherheit zu leisten.
13 Dass die Klägerin das Angebot der Beklagten nicht angenommen hat,
ändert hieran nichts. Eine ihre Kostenbelastung durch die von der
Eigentümergemeinschaft beschlossenen Maßnahmen übersteigende
Beeinträchtigung durch den Mangel an dem Gemeinschaftseigentum ist von der
Klägerin weder behauptet worden, noch ist eine solche Beeinträchtigung
ersichtlich.
III.
14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. |