Voraussetzung der Haftung des vollmachtlos
Vertretenen bei Verweigerung der Genehmigung nach §§ 280 I, 311 II, 241 II
BGB (culpa in contrahendo) - Parallele zur Fallgruppe der "arglistigen
Berufung auf den Formmangel"
BGH, Urteil vom 9. November 2012 - V
ZR 182/11
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Bei einem Grundstückskaufvertrag haftet auch
die vollmachtlos vertretene Vertragspartei nicht schon dann auf Ersatz der
vergeblichen Vertragskosten, wenn sie die als sicher erscheinende
Genehmigung ohne triftigen Grund verweigert, sondern nur, wenn eine
besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung
vorliegt, etwa das Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen
Genehmigungsbereitschaft.
b) Ist der Vertrag aufschiebend bedingt, haftet die Vertragspartei auch bei
einer besonders schwerwiegenden Treuepflichtverletzung auf Ersatz der
vergeblichen Vertragskosten nur, wenn anzunehmen ist, dass die Bedingung bei
Erteilung der Genehmigung eingetreten wäre.
c) Die gesetzliche Kostenregelung in §
448 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Kaufvertrag wirksam wird.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche und gut begründete Entscheidung
zur Fallgruppe der Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 280 I, 311 II, 241
II BGB) für das Nichtzustandekommen des Vertrages. Hier scheiterte die
Wirksamkeit des Vertragsschlusses daran, dass der vollmachtslos vertretene
Käufer den Abschluss durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht nach §
177 BGB genehmigte. Vollkommen zu recht behandelt der Senat diese Fallgruppe
genau so wie die Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen (s. dazu
BGH
NJW 1996, 1884 sowie
BGH v. 22.2.2006 - XII ZR 48/03):
Eine Haftung kommt nur in Betracht, wenn ein schwerwiegender Treueverstoß
vorliegt. Vor der Genehmigung erlaubt es eben die Privatautonomie, auch ohne
triftigen Grund von einem Vertragsschluss Abstand zu nehmen. Wie bei einem
formgebundenen Vertrag darf auch hier der andere Teil eben bis zur
Genehmigung nicht mit einem Vertrag rechnen. Hat er gewusst, dass er mit
einem falsus procurator kontrahiert, hat er sich selbst in diese Situation
begeben und ist deshalb auch nicht schutzwürdig (er hat nach § 179 III S. 1
BGB auch keine Ansprüche gegen den Vertreter!), hat er es nicht gewusst,
kann er sich an diesen halten (§§ 179 I, II BGB).
©sl 2013
Tatbestand:
1 Eine Investorin beabsichtigte,
Truppenunterkünfte errichten zu lassen.
Dazu sollte eine Kommanditgesellschaft als Projektgesellschaft mit der
Beklagten als Komplementärin und der Investorin als Kommanditistin gegründet
werden. Die Verhandlungen mit dem Kläger über den Ankauf der
benötigten Grundstücke in einer Gesamtgröße von etwa 182.000 m2 und die
Errichtung der Unterkünfte führte der Geschäftsführer der Beklagten, ein
Rechtsanwalt. Ergebnis dieser Verhandlungen war der Entwurf eines
Grundstückskaufvertrags, demzufolge der Kläger der
Projektgesellschaft die Grundstücke zu einem Gesamtpreis von 75,5 Mio. €
verkaufen, der Vertrag aber unter anderem "unter der aufschiebenden
Bedingung [stehen sollte], dass die vom Käufer hinsichtlich des
Kaufgegenstands durchgeführte sog. due-diligence-Prüfung und Bewertung
zufrieden stellend verläuft". Bei der Beurkundung des Kaufvertrags
war die Projektgesellschaft durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht
vertreten. Der Vertrag wurde nicht genehmigt. Der Kläger zahlte die
Notarkosten von 60.637,84 € und verlangt von der Beklagten vollständige
Erstattung dieser Kosten nebst Zinsen.
2 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat die
Verurteilung in Höhe der Hälfte der Klagesumme hingenommen und im Übrigen -
wegen eines Betrags von 30.318,92 € nebst Zinsen - ohne Erfolg Berufung
eingelegt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte die Beklagte
die Abweisung dieses Teils der Klage erreichen. Der Kläger beantragt, das
Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe dem Kläger wegen Verletzung
vorvertraglicher Schutzpflichten die gesamten Beurkundungskosten zu
ersetzen. Sie habe die Genehmigung des Vertrags ohne triftigen Grund
verweigert, obwohl sie in zurechenbarer Weise bei dem Kläger Vertrauen auf
das wirksame Zustandekommen des Vertrages erwirkt habe. Dieser sei
vollständig ausgehandelt gewesen. Die notarielle Beurkundung sei von den
Vertretern der Beklagten veranlasst worden. Der Kläger habe deshalb
davon ausgehen dürfen, dass der beurkundete Vertrag genehmigt werde.
II.
4 Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
5 1. Die Beklagte ist rechtskräftig verurteilt, dem Kläger die Hälfte der
vergeblich aufgewandten Beurkundungskosten - 30.318,92 € - zu ersetzen.
Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte die Beurkundung veranlasst
hat und nach § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 KostO für die Kosten mit dem Kläger, der
in der Urkunde Erklärungen abgegeben hat, gesamtschuldnerisch haftete.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist deshalb nur die Frage, ob die
Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mehr als die Hälfte der
Beurkundungskosten zu ersetzen.
6 2. Das Berufungsgericht leitet eine solche Verpflichtung der
Beklagten aus § 280 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 und § 311
Abs. 2 Nr. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher
Schutzpflichten ab. Die Feststellungen tragen dieses Ergebnis
jedoch nicht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die
Beklagte ihre vorvertraglichen Schutzpflichten gegenüber dem Kläger nicht
schon dadurch verletzt, dass sie die Genehmigung des Vertrags ohne triftigen
Grund verweigert hat.
7 a) Im Rahmen der Privatautonomie hat jede Partei bis zum
Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertrag Abstand
zu nehmen. Aufwendungen, die in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht
werden, erfolgen daher grundsätzlich auf eigene Gefahr (BGH, Urteil
vom 22. Februar 1989 - VIII ZR 4/88, ZIP 1989, 514, 515; MünchKomm-BGB/
Emmerich, 6. Aufl., § 311 Rn. 175). Nur wenn der Vertragsschluss
nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und
in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des
Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom
Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher
Schutzpflichten zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluss später ohne
triftigen Grund ablehnt (BGH, Urteile vom 6. Februar 1969 - II ZR
86/67, WM 1969, 595, 597, vom 12. Juni 1975 - X ZR 25/73, WM 1975, 923, 924
und vom 7. Februar 1980 - III ZR 23/78, BGHZ 76, 343, 349). Davon
geht das Berufungsgericht noch zutreffend aus.
8 b) Es hat aber übersehen, dass an die Verletzung vorvertraglicher
Schutzpflichten bei einem Grundstückskaufvertrag strengere Anforderungen zu
stellen sind. Bei einem solchen Vertrag löst die Verweigerung der
Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon
dann Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür
fehlt, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel
vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt, wie sie beispielsweise beim
Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft
gegeben ist. Begründete schon das Fehlen triftiger Gründe für die
Verweigerung der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags die Haftung des
Verhandlungspartners, bedeutete das nämlich einen indirekten Zwang zum
Abschluss des Vertrags. Ein solcher Zwang liefe dem Zweck der
Formvorschrift des § 311b BGB zuwider, nach der wegen der objektiven
Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form
verhindert werden soll (Senat, Urteile vom 18. Oktober 1974 - V ZR 17/73,
NJW 1975, 43, 44, vom 8. Oktober 1982 - V ZR 216/81, WM 1982, 1436, 1437 und
vom 29. März 1996 - V ZR
332/94, NJW 1996, 1884, 1885). Entschieden ist
das bisher für Fälle, in denen der Verhandlungspartner die Mitwirkung an der
Beurkundung verweigert hat. Für die hier vorliegende Konstellation, dass der
Verhandlungspartner bei der Beurkundung durch einen vollmachtlosen Vertreter
vertreten wird und die Genehmigung des Vertrags verweigert, gilt nichts
anderes. Denn nach der Vorschrift des § 311b BGB soll eine Bindung
erst und nur eintreten, wenn der aus dem Vertrag Verpflichtete die zu seiner
Bindung erforderlichen Erklärungen formgerecht abgegeben, bei einem
Abschluss durch vollmachtlosen Vertreter also den Vertrag formgerecht
genehmigt hat. Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht bei der
Feststellung stehen bleiben, triftige Gründe für die Verweigerung der
Genehmigung des Vertrags lägen nicht vor. Es musste vielmehr feststellen, ob
die Beklagte über die Verweigerung der Genehmigung ohne triftigen Grund
hinaus ihre Treuepflichten besonders schwerwiegend verletzt hat. Daran fehlt
es.
III.
9 Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue
Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
10 1. Im Hinblick auf eine Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher
Schutzpflichten wird zunächst festzustellen sein, ob die Beklagte ihre
Treuepflicht besonders schwerwiegend verletzt hat.
11 a) Eine solche Treuepflichtverletzung kann nicht schon darin
gesehen werden, dass die Beklagte mit dem Vertragsschluss durch einen
Vertreter ohne Vertretungsmacht im Ergebnis eine einseitige Bindung des
Klägers bis zur Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung erreicht hat,
die dieser vermeiden wollte. Denn darauf hat sich der
Kläger sehenden Auges eingelassen. Eine besonders
schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht wird vielmehr nur angenommen
werden können, wenn die Käuferin dem Kläger eine tatsächlich nicht
vorhandene Bereitschaft, das Handeln des vollmachtlosen Vertreters zu
genehmigen, vorgespiegelt oder das Auftreten des vollmachtlosen Vertreters
mit dem Kläger abgesprochen und die Erteilung der Genehmigung sicher in
Aussicht gestellt hätte oder wenn sich ein ähnlich schwerwiegender Treubruch
feststellen ließe. Dabei kommt es nicht auf die Vorstellungen des
Klägers, sondern darauf an, wie ein Verkäufer in der Lage des Klägers
Äußerungen oder aussagekräftiges Verhalten der Käuferin bei objektiver
Betrachtung verstehen musste. Zu berücksichtigen ist auch, ob der
beurkundete Vertrag dem verhandelten Entwurf entsprach oder ob er bei dem
Notartermin gegenüber dem Entwurf noch nennenswerte inhaltliche Änderungen
erfahren hat. Im zweiten Fall könnte die Verweigerung der vor dem Termin in
Aussicht gestellten Genehmigung nur bei Vorliegen zusätzlicher Umstände als
besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung angesehen werden.
12 b) Selbst wenn eine solche Verletzung der Treuepflicht in der neuen
Verhandlung dargelegt und nachgewiesen werden sollte, führte das nicht ohne
Weiteres zu einer Haftung der Beklagten. Vielmehr müsste der Kläger
substantiiert darlegen und beweisen, dass der Vertrag wirksam geworden wäre.
13 Den dargestellten Grundsätzen der Haftung auf Schadensersatz
wegen Verweigerung des Vertragsschlusses ohne triftigen Grund liegt der
Gedanke zugrunde, dass der Vertrag nur an der verweigerten Mitwirkung am
Vertragsschluss durch die andere Vertragspartei scheitert. Hier
liegt indessen der Sonderfall vor, dass das Zustandekommen des Vertrags
nicht allein von der Erteilung der Genehmigung abhing. Der Vertrag
sollte nämlich unter anderem unter der aufschiebenden Bedingung stehen, dass
die von der Käuferin vorgesehene due-diligence-Prüfung und Bewertung
zufriedenstellend verliefen. Er wäre deshalb nicht schon mit der
Genehmigung durch die vollmachtlos vertretene Käuferin wirksam geworden,
sondern erst mit dem Eintritt dieser und der weiteren Bedingungen.
Dann aber kommt eine Haftung auf Ersatz vergeblicher Vertragskosten nur in
Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass bei Mitwirkung der Beklagten am
Vertragsschluss die aufschiebenden Bedingungen, unter denen der Vertrag
stehen sollte, eingetreten wären.
14 2. Ferner wird zu prüfen sein, ob der Kläger Ersatz der
Vertragskosten aufgrund der im Vertrag enthaltenen Regelung verlangen kann,
dass die Kosten des Vertrags von dem Käufer getragen werden.
15 a) Allerdings setzen die gesetzliche Kostenregelung in § 448 Abs.
2 BGB und dieser entsprechende vertragliche Regelungen voraus, dass der
Vertrag (erst einmal) wirksam wird (Erman/Grunewald, BGB, 13.
Aufl., § 448 Rn. 6 aE; JurisPK/Leible, 5. Aufl., § 448 Rn. 23; MünchKomm-BGB/H.
P. Westermann, 6. Aufl., § 448 Rn. 11 aE; Palandt/Weidenkaff, BGB, 72.
Aufl., § 448 Rn. 6; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 449 Rn. 2; aM Jauernig/Chr.
Berger, BGB, 14. Aufl., § 448 Rn. 3 aE; HK-BGB/Saenger, 7. Aufl., § 448 Rn.
4 aE). Bei der Rückabwicklung eines nichtigen Vertrags könnte der
Käufer die von ihm getragenen Vertragskosten zwar nicht dem Verkäufer
anlasten (Senat, Urteil vom 6. Dezember 1991 - V ZR 311/89, BGHZ
116, 251, 256). Daraus folgt aber nicht, dass er unabhängig von dem
Zustandekommen des Vertrags verpflichtet wäre, sie allein zu tragen. Es
bleibt vielmehr bei seiner gesamtschuldnerischen Verpflichtung mit dem
Verkäufer nach Maßgabe von § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 KostO und dem im Grundsatz
hälftigen Gesamtschuldnerinnenausgleich nach § 426
Abs. 1 BGB.
16 b) Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass hier etwas anderes vereinbart
ist. Die auf konkret festzustellende Umstände zu stützende Auslegung des
Kaufvertrags kann ergeben, dass die vertragliche Kostenregelung
ausnahmsweise unabhängig von dem Zustandekommen des Vertrags gelten sollte.
Die Parteien können eine gesonderte Vereinbarung darüber getroffen haben,
dass der Käufer die Beurkundungskosten auch dann tragen soll, wenn der
Vertrag im Übrigen nicht wirksam wird (vgl. OLG Köln, MDR 1974, 136, 137;
Staudinger/Beckmann, BGB [2004], § 448 Rn. 22), oder dass die Notarkosten in
ihrem Innenverhältnis als Gesamtschuldner anders verteilt werden sollen, als
das der Regel des § 426 Abs. 1 BGB entspricht. Der Kläger hat eine
Kostenfreistellungszusage der Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt.
Dem wird nachzugehen sein.
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