Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters nach
Art. 38 Abs. 1 BayGO - Abgrenzung zum Innenverhältnis
BGH, Beschluss vom 18. März 2016 - V
ZR 266/14 - OLG Nürnberg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Bei dem Zweiten Senat des
Bundesarbeitsgerichts wird angefragt, ob dieser daran festhält, dass eine
bayerische Gemeinde durch ihren ersten Bürgermeister nur dann wirksam
vertreten wird, wenn die nach der gemeindeinternen Kompetenzverteilung für
die Rechtshandlung erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats erfolgt
ist.
Zentrale Probleme:
Eine Klassiker-Klausurproblematik (für Bayern ...) an
der Grenze zwischen Kommunalrecht und Zivilrecht: Nach Art. 38 I BayGO
vertritt der erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Dabei stellt sich
die Frage, ob das nur dann gilt, wenn er nach Art. 37 BayGO allein zuständig
ist. Wenn man das mit der bisherigen Rspr. bejaht, handelt er ohne
Vertretungsmacht, wenn er nach außen ein Rechtsgeschäft vornimmt, das keine
laufende Angelegenheit darstellt und damit ein Gemeinderatsbeschluss
notwendig wäre. Der Senat will das bejahen, sieht sich aber durch eine (sehr
alte) Entscheidung des BAG daran gehindert. Deshalb leitet er mit diesem
Beschluss durch Anfrage beim BAG ein Verfahren nach dem RsprEinhG ein, das
zu einem Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des
Bundes führen könnte: Hier geht es stets um grundsätzliche Fragen, die in allen
Rechtsprechungsbereichen auftreten und die deshalb auch einheitlich entschieden
werden sollten (vgl. Art. 95 III GG). Nach § 2 I des RsprEinhG (Gesetz zur
Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des
Bundes) ist der Gemeinsame Senat anzurufen, wenn ein
oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen
obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will. Der Gemeinsame
Senat besteht aus den Präsidenten der obersten Gerichtshöfe, den Vorsitzenden
Richtern der beteiligten Senate und je einem weiteren Richter der beteiligten
Senate (§ 3 I RsprEinhG). Hier hat sich das allerdings erledigt. Das BAG hat
sich mit
Beschluss vom 22.8.2016 - 2 AZB 26/16 der Ansicht des Senats
angeschlossen. Auch ein "bayerisches Gewohnheitsrecht" wird nicht anerkannt
....
Ergebnis: Der erste Bürgermeister hat zwar intern pflichtwidrig gehandelt,
nach Außen aber Vertretungsmacht gehabt. S. dazu nunmehr auch
BGH, Urteil vom 18. November
2016 - V ZR 266/14.
Eine ähnliche, aber nicht zu verwechselnde Problematik stellt sich übrigens
für das nach Art. 38 II BayGO erforderliche Schriftformerfordernis für
(privatrechtliche) Verpflichtungen einer Gemeinde: Der Landesgesetzgeber hat
keine Gesetzgebungskompetenz für abschließend im BGB geregelte
privatrechtliche Schriftformerfordernisse. Deshalb wird die Regelung als
Begrenzung der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters verstanden: Bei
mündlichen Vereinbarungen handelt er ohne Vertretungsmacht für die Gemeinde
(s. dazu BGH NJW 2001, 2626).
©sl 2016
Gründe:
I.
1 Die Klägerin ist eine Große Kreisstadt in Bayern. Im Zuge der Verlegung
zweier Bundesstraßen erwarb die beklagte Bundesrepublik Deutschland von
einem Dritten im Jahr 1986 ein Grundstück, an dem eine beschränkte
persönliche Dienstbarkeit in Gestalt eines Rohrleitungsrechts zugunsten der
Klägerin bestand. Ausweislich der Bestellungsurkunde war die Klägerin
verpflichtet, im Falle einer Wegmessung nicht betroffener Grundstücksteile
die Pfandfreigabe zu erklären.
2 Aus Neuvermessungen ging unter anderem ein Grundstück hervor, auf dem eine
durch die Dienstbarkeit gesicherte Rohrleitungstrasse der Klägerin die
Bundesstraße B 2 unterquert (Flurstück Nr. 2394/1). Am 30. April 1997
erklärte der damalige Oberbürgermeister der Klägerin als deren Vertreter
gegenüber einem Notar unter anderem für dieses Grundstück die Pfandfreigabe.
Daraufhin wurde das Rohrleitungsrecht im Grundbuch gelöscht. Als die Leitung
im Jahr 2009 wegen Baumaßnahmen der Beklagten tiefer gelegt werden sollte,
wurde die fehlende dingliche Sicherung der auf dem Flurstück Nr. 2394/1
verlaufenden Leitung bemerkt.
3 Die auf Wiedereintragung der Grunddienstbarkeit gerichtete Klage der
Gemeinde hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat
das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen
Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte
ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
II.
4 Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der
Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) i.d.F. vom
5. Dezember 2012 ist eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten
Gerichtshöfe des Bundes nur zulässig, wenn der Senat, von dessen
Entscheidung abgewichen werden soll, auf die zu begründende Anfrage des
erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält.
Infolgedessen ist zunächst die aus dem Tenor ersichtliche Anfrage an den
Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts zu richten.
5 1. Nach Ansicht des erkennenden Senats stützt das Berufungsgericht den
Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB zu Unrecht darauf, dass die
durch den Oberbürgermeister erklärte Pfandfreigabe die Klägerin in
Ermangelung des hierfür erforderlichen Gemeinderatsbeschlusses nicht nach
Art. 38 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) binde
und das Rohrleitungsrecht infolgedessen fortbestehe. Daher möchte der Senat
die Entscheidung aufheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
6 2. Daran sieht er sich aber gehindert, weil er von der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts abwiche.
7 a) Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 1959
(3 AZR 348/56, juris Rn. 25) kann aus Art. 38 Abs. 1 BayGO
nicht geschlossen werden, dass dem ersten Bürgermeister - der in einer
Großen Kreisstadt wie der Klägerin gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 BayGO die
Amtsbezeichnung Oberbürgermeister führt - unabhängig von seiner
Zuständigkeit im internen Bereich eine die Gemeinde bindende
Vertretungsmacht nach außen eingeräumt wird. Daher binde eine durch den
ersten Bürgermeister erklärte Kündigung eines leitenden Angestellten die
Gemeinde nur dann, wenn der erste Bürgermeister auf Grund eines
Gemeinderatsbeschlusses, eines Beschlusses eines sonst zuständigen
Ausschusses oder im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit gehandelt habe.
Dagegen hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsfrage für das
bayerische Kommunalrecht bislang offen gelassen (Urteil vom 20. Februar 1979
- VI ZR 256/77, NJW 1980, 115; Beschluss vom 25. April 2006 - 1 StR 539/05,
wistra 2006, 306; Urteil vom 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91, NJW-RR 1992,
1435 f. zu Art. 35 Abs. 1 BayLKrO).
8 b) Eine entstehende Divergenz gäbe Anlass zu einer Vorlage an den
Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Die Vorlagepflicht
erstreckt sich nämlich auf Entscheidungen, die vor Inkrafttreten des
Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten
Gerichtshöfe des Bundes am 1. Juli 1968 ergangen (GmSOGB, BVerwGE 39, 355,
360; Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Anh. zu § 11 Rn. 10 [Stand
Oktober 2015]; MüKoZPO/Zimmermann, 4. Aufl., Vorbem. zu §§ 123 ff. GVG Rn.
6; aA BFHE 165, 569, 576) und nicht als überholt anzusehen sind (vgl. dazu
BVerwGE 66, 359, 360).
9 c) Die vorgeschaltete Anfrage ist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs.
1 Satz 1 RsprEinhG an den Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts zu
richten. Denn die Entscheidung des Dritten Senats, von der abgewichen werden
soll (BAG, Urteil vom 8. Dezember 1959 - 3 AZR 348/56, juris), betraf im
Schwerpunkt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Chefarztes als
leitendem Angestellten. Hierfür wäre nunmehr der Zweite Senat zuständig
(Ziff. B. 2.1 des GVP 2016). Zudem ist der Zweite Senat der Rechtsauffassung
des Dritten Senats hinsichtlich der gleichlautenden Bestimmung des Art. 35
Abs. 1 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern beigetreten (Urteil vom
18. Oktober 1990 - 2 AZR 157/90, juris Rn. 24 - obiter dictum).
10 3. Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich.
-
11 a) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der
Oberbürgermeister der Klägerin nach der gemeindeinternen
Zuständigkeitsverteilung nicht befugt war, die Pfandfreigabe zu erklären.
12 aa) Die Befugnis ergibt sich nicht aus Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 BayGO.
13 (1) Nach dieser Bestimmung erledigt der erste Bürgermeister in eigener
Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine
grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen
erwarten lassen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfasst
dies nur solche Geschäfte der laufenden Verwaltung, die in mehr oder weniger
gleichmäßiger Wiederkehr vorkommen und nach Größe, Umfang der
Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich
weniger erheblicher Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 -
II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 32; BGH, Urteil vom 4. Dezember 2003 - III
ZR 30/02, BGHZ 157, 168, 174; BGH, Urteil vom 20. September 1984 - III ZR
47/83, BGHZ 92, 164, 173; BGH, Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77,
NJW 1980, 117).
14 (2) Hiernach ist die Pfandfreigabe keine laufende Angelegenheit.
Bezogen auf das Flurstück 2394/1 bestand keine Verpflichtung zur Aufgabe des
Rohrleitungsrechts, das die gemeindliche Wasserversorgung absicherte und aus
diesem Grund erhebliche finanzielle Bedeutung hatte. Infolgedessen fehlt es
schon an der „mehr oder weniger gleichmäßigen Wiederkehr" oder - mit anderen
Worten - dem Routinecharakter der Angelegenheit. Dass der Oberbürgermeister
irrtümlich davon ausging, die Leitung verlaufe nicht auf dem Flurstück
2394/1, begründet seine Zuständigkeit nicht.
-
15 bb) Auch eine Eigenentscheidungsbefugnis, die sich aus § 10 Abs. 2
Unterabs. 5 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Klägerin ableitet,
verneint das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler. Danach „fallen unter die
laufenden Angelegenheiten die Entscheidung über den Erwerb, Veräußerung oder
Verpfändung von Vermögensgegenständen (insbesondere von Grundstücken) bis zu
einem Wert von 30.000 DM (...)". Eine „Veräußerung" in diesem Sinne umfasst
lediglich entgeltliche Verträge und deren Vollzug, nicht aber die Aufgabe
eines dinglichen Rechts in vermeintlicher Erfüllung einer tatsächlich nicht
bestehenden Rechtspflicht.
16 b) Die Pfandfreigabe ist nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Zwar stellt Art.
75 Abs. 1 Satz 2 BayGO, wonach die Gemeinde Vermögensgegenstände in der
Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußern darf, ein gesetzliches Verbot im
Sinne von § 134 BGB dar (vgl. Senat, Urteil vom 12. Juli 2013 - V ZR 122/12,
NJW 2013, 3779 Rn. 15). Die Pfandfreigabe ist aber - wie ausgeführt - keine
Veräußerung. Die Nichtigkeit ergibt sich auch nicht aus dem in Art. 75 Abs.
3 Satz 1 BayGO enthaltenen Verbot, wonach die Verschenkung und die
unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen unzulässig sind. Eine
Schenkung liegt schon deshalb nicht vor, weil es an der hierfür gemäß § 516
Abs. 1 BGB erforderlichen Einigung über eine unentgeltliche Zuwendung fehlt.
Aber auch die unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen, zu der unter
anderem einseitige Rechtsakte zählen sollen (BayObLGZ 1983, 85, 89 f.),
setzt voraus, dass sich die Gemeinde der Unentgeltlichkeit bewusst ist (vgl.
BayObLGZ 1995, 225, 226 f.). Irrtumsfälle wie der vorliegende werden nicht
erfasst, sondern können nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln die
Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts sowie Bereicherungsansprüche zur Folge
haben.
17 c) Mit der Frage, ob die von der Klägerin am 6. Mai 2010 erklärte
Anfechtung der Pfandfreigabe einen Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß §
894 BGB begründet, hat sich das Berufungsgericht bislang nicht befasst und
insbesondere keine Feststellungen zu der von dem Landgericht verneinten
Einhaltung der Frist des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen. Da die
Anfechtung jedenfalls nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen war (Art. 229 §
6 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 EGBGB, § 121 Abs. 2 a.F., § 121 Abs. 2 n.F. BGB),
wäre dies nachzuholen.
III.
18 Nach Auffassung des erkennenden Senats wird dem ersten
Bürgermeister durch Art. 38 Abs. 1 BayGO eine umfassende Vertretungsmacht im
Außenverhältnis eingeräumt.
19 1. Für das Kommunalrecht anderer Bundesländer entspricht es ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die organschaftliche
Vertretungsmacht des Bürgermeisters (bzw. des Landrats) im Außenverhältnis
allumfassend und unbeschränkt ist. Die Gemeinde wird durch seine Erklärungen
grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn es an einem erforderlichen
Be-schluss der Gemeindevertretung fehlt (Senat, Urteil vom 20. April 1966 -
V ZR 50/65, MDR 1966, 669: Baden-Württemberg; BGH, Urteil vom
16. November 1978 - III ZR 81/77, NJW 1980, 117, 118: Rheinland-Pfalz; BGH,
Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 f.:
Nordrhein-Westfalen; BGH, Urteil vom 6. März 1986 - VII ZR 235/94, BGHZ 97,
224, 226: Saarland; BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR
1998, 118; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 93
f.: DDR-Kommunalverfassung). Dies orientiert sich an der im
Kommunalrecht anerkannten strikten Unterscheidung zwischen interner
Willensbildung und externer Vertretungsbefugnis (BGH, Urteil vom
17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118 mwN) und an der
herrschenden Meinung für die Vertretung juristischer Personen des
Zivilrechts durch ihre Organe (BGH, Urteil vom 20. Februar 1979
- VI ZR 256/77, NJW 1980, 115). Von einer unbeschränkten Vertretungsmacht
des Bürgermeisters geht auch das Bundesarbeitsgericht für die Länder
BadenWürttemberg (BAGE 47, 179, 184 f.) und Sachsen (NJW 2002, 1287, 1289)
aus.
20 2. Ob diese Erwägungen auf das bayerische Kommunalrecht
übertragbar sind, ist umstritten.
21 a) In ständiger Rechtsprechung verneinen die bayerischen
Gerichte - wie das Berufungsgericht - eine unbeschränkte Vertretungsmacht
des ersten Bürgermeisters (vgl. BayObLGZ 1952, 271 ff.; 1971, 252,
256; 1974, 81, 84; 1974, 374, 376; 1986, 112; 1997, 37, 41; BayObLG, BayVBl.
1973, 131, 313; 1974, 706; 1998, 122; BayVerfGH 25, 27, 43; BayVGH, BayVBl.
2012, 177 Rn. 30; 2012, 341; OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248
ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris Rn. 7; Beschluss vom
28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris Rn. 9; offen gelassen durch BayObLG,
BayVBl. 1999, 473). Art. 38 Abs. 1 BayGO begründe lediglich dessen
Vertretungsrecht, nicht aber seine Vertretungsmacht. Letztere ergebe sich
aus Art. 37 BayGO, sofern das Rechtsgeschäft unter den dort genannten
Voraussetzungen in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich falle. Soweit
dagegen der Gemeinderat als willensbildendes Organ der Gemeinde zu
entscheiden habe (Art. 29 BayGO), werde die Vertretungsmacht des ersten
Bürgermeisters erst durch einen entsprechenden Gemeinderats- oder
Ausschussbeschluss begründet (vgl. nur BayObLGZ 1974, 81, 84;
BayObLG, BayVBl. 1974, 706). Insoweit sei der erste Bürgermeister bloßes
Vollzugsorgan (Art. 36 Abs. 1 BayGO). Die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu anderen Bundesländern sei wegen der Eigenständigkeit
des jeweiligen Gemeinderechts nicht auf Bayern zu übertragen. Die
jahrzehntelang dauernde tatsächliche Übung und in Bayern herrschende Meinung
könne sich nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf die
Gesetzesmaterialien und das Herkommen stützen (vgl. nur BayObLGZ
1986, 112, 114 f.; 1997, 37, 41). Entgegen dieser internen
Zuständigkeitsverteilung vorgenommene zivilrechtliche Rechtsgeschäfte seien
nach §§ 177 ff. BGB schwebend unwirksam (BayVGH, BayVBl. 2012, 177 Rn. 30
mwN.).
22 Dieser Ansicht folgen Teile der Rechtsliteratur (Masson, Gemeindeordnung
für den Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Anm. 2; Steiner in Berg/Knemeyer/Papier/Steiner,
Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl., S. 137, 145; Widtmann/Grasser/Glaser,
Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 25 [Stand Dezember 2014] und
Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand November 2013]; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19
Rn. 85; Schaub in Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl., AT VII Rn. 327 ff.;
Wachsmuth in
Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, Art. 38 BayGO Anm.
2.2 [Stand Juni 2013], anders allerdings Art. 36 BayGO Anm. 3.5 [Stand Mai
2015]; Boley, BayBgm 1953, 244 f. und 267; Wegmann, BayKommP 1997, 313,
316).
23 b) In weiten Teilen der Rechtsliteratur wird die Vertretungsmacht
des ersten Bürgermeisters dagegen im Grundsatz als unbeschränkt angesehen
(Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit
Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den
Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Erl. 2.1 [Stand Oktober 2013]; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke,
Kommunalrecht in Bayern, Art. 38 GO Anm. 1.1 [Stand März 2015]; Bauer/Böhle/Ecker,Bayerische
Kommunalgesetze, Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand Juli 2015]; Schmidt-Jortzig,
Kommunalrecht, 1982, Rn. 257 Fn. 86; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3.
Aufl., Rn. 369 und 433; Lange, Kommunalrecht, 2013, Kap. 8 Rn. 166 ff.;
Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, 3. Aufl., § 4 Rn. 36; Becker in:
Becker/Heckmann/Kempen/Mansen, Öffentliches Recht in Bayern, 6. Aufl., Rn.
166; Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl., S. 173 f.; Schoch/Röhl, Kommunalrecht
in: Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Rn. 147 Fn. 448; Ber-roth, Die
Vertretung der Gemeinde nach außen, 1964, S. 71 f.; Fritz, Vertrauensschutz
im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, 1983, S. 63 f.; Karstendiek,
Vertretungsmängel bei öffentlichen Auftraggebern, 1990, S. 63 ff.;
Habermehl, DÖV 1987, 144, 147 Fn. 23; Reuter, DtZ 1997, 15, 16; Brötel, NJW
1998, 1676, 1679 ff.).
24 3. Nach Ansicht des Senats sprechen die besseren Argumente für die zweite
Auffassung. Richtig ist zwar, dass durch Auslegung der die Vertretung
regelnden Normen zu ermitteln ist, ob Beschränkungen Außenwirkung haben. Die
Regelungen der bayerischen Gemeindeordnung weisen aber keine Besonderheiten
auf, die eine von der Rechtslage in den anderen Bundesländern abweichende
Reichweite der Vertretungsmacht des Bürgermeisters rechtfertigen könnten.
25 a) Unter der Überschrift „Verpflichtungsgeschäfte; Vertretung der
Gemeinde nach außen" regelt Art. 38 Abs. 1 BayGO, dass der erste
Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt. Nur dieser (und nicht der
Gemeinderat) kann für die Gemeinde nach außen handeln. Aus dem Wortlaut der
Norm ergeben sich keine Einschränkungen der Vertretungsbefugnis. Danach
begründet sie im Zweifel nicht nur ein formelles Vertretungsrecht, sondern
eine unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht (vgl. BGH, Urteil vom
7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388 f.) oder - mit anderen Worten
- die materielle Befugnis zur Betätigung des betreffenden Geschäfts im
Außenverhältnis.
26 b) Die systematische Auslegung ergibt nichts Gegenteiliges. Die
Vorschriften der bayerischen Gemeindeordnung, die die Zuständigkeit von
Gemeinderat und erstem Bürgermeister abgrenzen (Art. 29, 30 Abs. 2, Art. 36,
37 BayGO), regeln lediglich die gemeindeinterne Kompetenzverteilung.
Insbesondere trifft Art. 36 Satz 1 BayGO, wonach der erste Bürgermeister die
Beschlüsse des Gemeinderats vollzieht, keine Aussage über die in Art. 38
Abs. 1 BayGO eigenständig geregelte Vertretung der Gemeinde nach außen. Der
Bestimmung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der erste Bürgermeister
„bloßes Vollzugsorgan" ist. In Art. 29 BayGO wird er wie der Gemeinderat
ausdrücklich als Hauptorgan bezeichnet. Als grundsätzlich gleichgewichtiges
Hauptorgan neben dem Gemeinderat hat er einen eigenen, in Art. 37 BayGO
positiv definierten Aufgabenbereich (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit
Verwaltungsge-meinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für
den Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Erl. 2.1 [Stand Mai 2006];
Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 29 BayGO Rn. 1 [Stand
Juli 2015]; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 320 f.; ähnlich Widtmann/Grasser/Glaser,
Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 21 [Stand Dezember 2014]).
27 c) Der Entstehungsgeschichte der bayerischen Gemeindeordnung lässt sich
ein auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht gerichteter Wille des
Gesetzgebers nicht entnehmen.
28 aa) Eine ausdrückliche Stellungnahme hierzu findet sich in den
Gesetzesmaterialien nicht. Soweit in dem Regierungsentwurf zu Art. 39 Abs. 1
(entspricht Art. 38 Abs. 1 BayGO) ausgeführt wird, die Vertretung der
Gemeinde im Rechtsverkehr sei herkömmlich Sache des ersten Bürgermeisters,
der allerdings den betreffenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss dem
Vertragspartner der Gemeinde oder dem beurkundenden Notar auf Verlangen
nachzuweisen habe (Regierungsentwurf, Landtagsdrucksachen 1951/152 Beilage
1140, S. 35), ist dies unergiebig (aA BayObLGZ 1952, 271, 274). Denn der
Entwurf erfuhr im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch
umfangreiche Änderungen, durch die die Stellung des ersten Bürgermeisters
gegenüber dem Gemeinderat deutlich gestärkt wurde. So wird der erste
Bürgermeister in allen Gemeinden vom Volk gewählt (Art. 17 BayGO), während
der Regierungsentwurf eine direkte Wahl nur in Gemeinden bis zu 20.000
Einwohnern und für größere Gemeinden die Wahl durch den Gemeinderat
vorgesehen hatte (Art. 17 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 Satz 2). Art. 29 BayGO,
wonach der Gemeinderat die Gemeinde verwaltet, soweit nicht der erste
Bürgermeister selbständig entscheidet, erhielt die Überschrift „Hauptorgane"
(vgl. Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951,
S. 1083, 1085). In Art. 30 Abs. 2 BayGO wurde die Passage eingefügt, wonach
der Gemeinderat (nur) „im Rahmen des Art. 29" über alle Angelegenheiten
bestimmt, für die nicht beratende Ausschüsse bestellt sind
(Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S.
1085). Dieser Einschub nimmt die in Art. 37 BayGO festgelegten selbständigen
Befugnisse des ersten Bürgermeisters ausdrücklich vom Aufgabenbereich des
Gemeinderates aus (Masson, aaO, Art. 30 BayGO Anm. 3; Hölzl/Rollwagen,
Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Art. 30 Anm. 2). Schließlich wurde
dem Gemeinderat auf Einwendung des Bayerischen Senats die ursprünglich in
Art. 38 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit genommen,
den von dem ersten Bürgermeister getätigten dringlichen Anordnungen und
unaufschiebbaren Geschäften vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter die
Genehmigung zu versagen (vgl. Protokoll der Plenarsitzung des Bayerischen
Senats vom 11. Januar 1952, Anlage 5, S. 7 und Sitzungsprotokoll der 66.
Sitzung des Landtags vom 18. Januar 1952, S. 1305 f., 1310).
29 bb) Demgegenüber spricht der Vergleich mit den in dem Regierungsentwurf
nicht erwähnten Vorgängerregelungen in den Gemeindeordnungen vom 17. Oktober
1927 (GVBl. S. 293) und vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 225) eher für
eine nunmehr unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im
Außenverhältnis (Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit
Gemeinden, 1983, S. 64; aA BayObLGZ 1952, 271, 274). In diesen
Vorgängerregelungen kam die außerhalb der Eigenentscheidungsbefugnis
bestehende Abhängigkeit der Vertretungsmacht von der internen Willensbildung
im Gesetzeswortlaut nämlich noch deutlich zum Ausdruck. Nach Art. 17 Abs. 1
Satz 3 BayGO 1927 vollzog der erste Bürgermeister die Beschlüsse des
Gemeinderats und vertrat „hierbei" den Gemeinderat (Art. 23 Abs. 1 Satz 2
BayGO 1945: die Gemeinde) nach außen. Deshalb wurde ein solcher Beschluss
als Voraussetzung der Vertretungsmacht angesehen (vgl. Stöhsel/Stenger, Die
neue bayerische Gemeindegesetzgebung, 1929, Art. 17 BayGO Anm. 5; Woer-ner,
Kommentar zur bayerischen Gemeindeordnung vom 17. Oktober 1927, 1931, Art.
17 BayGO Anm. 11). Diese Einschränkung findet sich in der nunmehr geltenden
Fassung des Art. 38 Abs. 1 BayGO gerade nicht mehr.
30 d) Signifikante Unterschiede zu dem Kommunalrecht der anderen
Bundesländer, die nur in Bayern die Annahme einer beschränkten
Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis erlauben
könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die dualistische
Struktur der bayerischen Kommunalverfassung derjenigen der
baden-württembergischen Gemeindeordnung. Dieses Konzept der süddeutschen
Kommunalverfassung ist in Abwandlungen inzwischen in den meisten
Bundesländern übernommen worden (näher Wolff/Bachhof/Stober/Kluth,
Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., § 97 Rn. 7; Knemeyer, Bayerisches
Kommunalrecht, 12. Aufl., Rn. 292). Auch der baden-württembergische
Gemeinderat ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GO BW Hauptorgan der Gemeinde.
Gleichwohl ist die Vertretungsmacht des Bürgermeisters gemäß § 42 Abs. 1
Satz 2 GO BW unbeschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 1966 - V ZR
50/65, MDR 1966, 669 sowie BAGE 47, 179 ff. zu § 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO BW).
Selbst für das frühere nordrhein-westfälische Kommunalverfassungsrecht, das
eine Allzuständigkeit des Gemeinderats (§ 28 GO NRW a.F.) und eine
entsprechend schwächere Stellung des Gemeindedirektors vorsah, war die
umfassende Außenvertretungsmacht des Gemeindedirektors anerkannt (eingehend
OLG Köln, DVBl. 1960, 816, 817 f. mit Anm. Roemer; BGH, Urteil vom 20.
September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 zu §§ 28, 55 GO NRW i.d.F.
von 1969).
31 e) Entscheidend für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO als
Einräumung einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spricht -
wie in den anderen Bundesländern auch - das Bedürfnis nach Rechtssicherheit
und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 17. April
1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118; U. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht,
2005, S. 207: sinnvolles Ordnungsprinzip).
32 aa) Der Erklärungsempfänger - in der Regel der Bürger - muss sich
auf die Vertretungsbefugnis des für die Gemeinde nach außen handelnden
Organs verlassen können. Demgegenüber bleibt es der Gemeinde unbenommen,
gegen ihr pflichtwidrig handelndes Organ beamtenrechtliche Sanktionen zu
verhängen bzw. Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Es erscheint
unangemessen, das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem Erklärungsempfänger
aufzubürden, der die Vorgänge bei der internen Willensbildung als
außenstehender Dritter in aller Regel nicht erkennen kann.
Insbesondere wird ein ausreichender Schutz nicht dadurch gewährleistet, dass
er von der für die Gemeinde handelnden Person den Nachweis ihrer Befugnis
zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom
7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388; aA BayObLGZ 1952, 271, 274;
1974, 374, 376; 1986, 112, 115 mwN.). Dabei verbleiben nämlich erhebliche
Ungewissheiten. Wird dem Erklärungsempfänger die Ausfertigung eines
Gemeinderatsbeschlusses vorgelegt (vgl. Art. 54 BayGO), müsste er
überprüfen, ob dieser wirksam ist und das konkrete Rechtsgeschäft umfasst.
Hat der Gemeinderat keinen Be-schluss gefasst, kann eine schwierige
Abgrenzung der gemeindeinternen Zuständigkeiten erforderlich sein,
insbesondere im Hinblick auf die oft zweifelhafte Einordnung einer
Rechtshandlung als Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. hierzu etwa
BayObLGZ 1974, 374, 377). Dies ist umso problematischer, als sich die
Gemeinde im Falle einer Fehleinschätzung unter Umständen noch Jahrzehnte
später auf eine fehlende Vertretungsbefugnis des für sie handelnden
Bürgermeisters berufen kann (vgl. z.B. BayObLG, MittBayNot 1997, 120 ff.).
33 bb) Vor denselben praktischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen
Rechtsunsicherheit stehen nach der bislang in Bayern herrschenden Meinung
die dortigen Grundbuchämter. Sie dürfen Eintragungen in das Grundbuch nur
dann vornehmen, wenn die Vertretungsbefugnis des ersten Bürgermeisters in
der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Dementsprechend betrifft ein großer
Teil der oben unter III. 2 a) zitierten Entscheidungen der bayerischen
Gerichte die Frage, ob dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist oder nicht
(vgl. nur aus jüngerer Zeit OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248
ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris; Beschluss vom 28.
Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris). Den Grundbuchämtern wird in diesem
Zusammenhang ggf. die Auslegung von Gemeinderatsbeschlüssen abverlangt (vgl.
z.B. OLG München, MittBayNot 2012, 248 ff.); sie haben strenge Anforderungen
an die Beweisführung zu stellen und die Eintragung im Zweifel abzulehnen (BayOblGZ
1974, 374, 376 ff.). Nach der von dem Senat befürworteten Auslegung des Art.
38 Abs. 1 BayGO ist dieser Nachweis entbehrlich; es ist nicht Aufgabe der
Grundbuchämter, die Einhaltung der gemeindlichen Zuständigkeitsordnung zu
überwachen.
34 f) Schließlich kann den Überlegungen des Bayerischen Obersten
Landesgerichts, wonach die von den bayerischen Gerichten seit 1952
vorgenommene Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO zu der Entstehung von
Gewohnheitsrecht geführt haben könnte (BayObLGZ 1986, 112, 115), nicht
beigetreten werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere
tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und
allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt
wird (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. November 2008 - V ZR 35/08,
NJW-RR 2009, 311 Rn. 12; BVerfGE 122, 248, 269).
35 Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der
Bundesgerichtshof die Frage bereits 1966 für die sehr ähnlich gelagerte
baden-württembergische Gemeindeordnung anders entschieden und dies im Jahr
1979 für Bayern ausdrücklich offen gelassen hat; zudem wurden in der
Rechtsliteratur schon frühzeitig Bedenken im Hinblick auf den Verkehrsschutz
erhoben (vgl. z.B. Walz in Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und
Praxis, 1. Aufl. [1956] Bd. I, S. 235, 266 f.).
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