Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters nach
Art. 38 Abs. 1 BayGO - Abgrenzung zum Innenverhältnis
BGH, Urteil vom 18. November 2016 - V
ZR 266/14 - OLG Nürnberg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die organschaftliche
Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde ist im
Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen wird die
Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters
berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche
Beschlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat.
Zentrale Probleme:
Eine Klassiker-Klausurproblematik (für Bayern ...) an der
Grenze zwischen Kommunalrecht und Zivilrecht: Nach Art. 38 I BayGO vertritt
der erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Dabei stellt sich die
Frage, ob das nur dann gilt, wenn er nach Art. 37 BayGO allein zuständig
ist. Das hat die bisherige Rspr. so gesehen. Im vorliegenden Verfahren
wollte der BGH davon abweichen, musste aber dafür beim BAG anfragen (s.
BGH v. 18.3.2016 in demselben
Verfahren). Nachdem das BAG daran auch nicht festhalten wollte (s.
Beschluss vom 22.8.2016 - 2 AZB 26/16), ändert der BGH nunmehr seine
Rspr. wie im Leitsatz ersichtlich. Auch die Existenz eines "bayerischen
Gewohnheitsrechts" verneint der Senat ...
Eine ähnliche, aber nicht zu verwechselnde Problematik stellt sich übrigens
für das nach Art. 38 II BayGO erforderliche Schriftformerfordernis für
(privatrechtliche) Verpflichtungen einer Gemeinde: Der Landesgesetzgeber hat
keine Gesetzgebungskompetenz für abschließend im BGB geregelte
privatrechtliche Schriftformerfordernisse. Deshalb wird die Regelung als
Begrenzung der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters verstanden: Bei
mündlichen Vereinbarungen handelt er ohne Vertretungsmacht für die Gemeinde
(s. dazu BGH NJW 2001, 2626).
©sl 2017
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist eine Große
Kreisstadt in Bayern. Im Zuge der Verlegung zweier Bundesstraßen erwarb die
beklagte Bundesrepublik Deutschland von einem Dritten im Jahr 1986 ein
Grundstück, an dem eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Gestalt
eines Rohrleitungsrechts zugunsten der Klägerin bestand. Ausweislich der
Bestellungsurkunde war die Klägerin verpflichtet, im Falle einer Wegmessung
nicht betroffener Grundstücksteile die „Pfandfreigabe" zu erklären.
2 Aus Neuvermessungen ging unter anderem ein Grundstück hervor, auf dem eine
durch die Dienstbarkeit gesicherte Rohrleitungstrasse der Klägerin die
Bundesstraße B 2 unterquert (Flurstück Nr. 2394/1). Am 30. April 1997
erklärte der damalige Oberbürgermeister der Klägerin als deren Vertreter
gegenüber einem Notar unter anderem für dieses Grundstück die Pfandfreigabe.
Daraufhin wurde das Rohrleitungsrecht im Grundbuch gelöscht. Als die Leitung
im Jahr 2009 wegen Baumaßnahmen der Beklagten tiefer gelegt werden sollte,
wurde die fehlende dingliche Sicherung der auf dem Flurstück Nr. 2394/1
verlaufenden Leitung bemerkt.
3 Die auf Wiedereintragung der Grunddienstbarkeit gerichtete Klage der
Gemeinde hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat
das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen
Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte
ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht lässt dahinstehen, ob es an einem Rechtsgrund für die
Pfandfreigabe fehle, weil die Klägerin schuldrechtlich hierzu nicht
verpflichtet gewesen sei oder weil sie die Pfandfreigabe wirksam angefochten
habe. Einem auf Bereicherungsrecht gestützten Grundbuchberichtigungsanspruch
stehe jedenfalls die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung
entgegen.
5 Die Klägerin könne jedoch gemäß § 894 BGB Berichtigung des Grundbuchs
verlangen. Die Unrichtigkeit ergebe sich daraus, dass die von dem
Oberbürgermeister der Klägerin erklärte Pfandfreigabe mangels
Vertretungsmacht unwirksam sei. Der Oberbürgermeister habe erkennbar im
vermeintlichen Vollzug der Verpflichtung zur Freigabe aus dem Kaufvertrag
gehandelt. Die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters - der in einer
Großen Kreisstadt wie der Klägerin gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 der
Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) die Amtsbezeichnung
Oberbürgermeister führt - nach Art. 38 Abs. 1 BayGO bestehe nicht. Sie
erstrecke sich nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO nur auf die laufenden
Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben
und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Ob die Pfandfreigabe
zu den laufenden Angelegenheiten zähle, könne dahinstehen, weil sie
erhebliche Pflichten erwarten lasse. Auch aus § 10 der Geschäftsordnung des
Stadtrats der Klägerin ergebe sich keine Vertretungsbefugnis. Die Befugnisse
des Bürgermeisters würden hiernach zwar auf „die Entscheidung über den
Erwerb, Veräußerung oder Verpfändung von Vermögensgegenständen (insbesondere
von Grundstücken) bis zu einem Wert von 30.000 DM" erstreckt. Hierzu zähle
jedoch nicht der Verzicht auf ein Recht, der der Gemeinde nur Nachteile
bringen könne; er habe zur Folge, dass nunmehr die Gemeinde die Kosten einer
Trassenverlegung zu tragen habe. Der Oberbürgermeister sei allenfalls befugt
gewesen, die vertragliche Freigabeverpflichtung zu vollziehen. Da sich diese
gerade nicht auf das Flurstück Nr. 2394/1 beziehe, habe es eines
Gemeinderatsbeschlusses bedurft, der sich aus den Grundakten nicht ergebe.
II.
6 Die Revision hat Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen
Begründung, wonach die von dem Oberbürgermeister der Klägerin hinsichtlich
des Rohrleitungsrechts abgegebene Pfandfreigabeerklärung unwirksam ist, weil
der nach der gemeindeinternen Zuständigkeitsverteilung erforderliche
Gemeinderatsbeschluss fehlt, kann eine Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne
von § 894 BGB nicht angenommen werden.
7 1. Für das Kommunalrecht anderer Bundesländer entspricht es
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die organschaftliche
Vertretungsmacht des Bürgermeisters (bzw. des Landrats) im Außenverhältnis
allumfassend und unbeschränkt ist. Die Gemeinde wird durch seine Erklärungen
grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn es an einem erforderlichen
Beschluss der Gemeindevertretung fehlt (Senat, Urteil vom 20. April
1966 - V ZR 50/65, MDR 1966, 669: Baden-Württemberg; BGH, Urteil vom 16.
November 1978 - III ZR 81/77, NJW 1980, 117, 118: Rheinland-Pfalz; BGH,
Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 f.:
Nordrhein-Westfalen; BGH, Urteil vom 6. März 1986 - VII ZR 235/84, BGHZ 97,
224, 226: Saarland; BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR
1998, 118; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 93
f.: DDR-Kommunalverfassung). Dies orientiert sich an der im Kommunalrecht
anerkannten strikten Unterscheidung zwischen interner Willensbildung und
externer Vertretungsbefugnis (BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96,
VersR 1998, 118 mwN) und an der herrschenden Meinung für die Vertretung
juristischer Personen des Zivilrechts durch ihre Organe (BGH, Urteil vom 20.
Februar 1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115). Von einer unbeschränkten
Vertretungsmacht des Bürgermeisters geht auch das Bundesarbeitsgericht für
die Länder Baden-Württemberg (BAGE 47, 179, 184 f.) und Sachsen (NJW 2002,
1287, 1289) aus.
8 2. Ob diese Erwägungen auf das bayerische Kommunalrecht
übertragbar sind, ist umstritten. Der Bundesgerichtshof hat diese
Rechtsfrage bislang offen gelassen (Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR
256/77, NJW 1980, 115; Beschluss vom 25. April 2006 - 1 StR 539/05, wistra
2006, 306; Urteil vom 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91, NJW-RR 1992, 1435 f. zu
Art. 35 Abs. 1
BayLKrO).
9 a) In ständiger Rechtsprechung verneinen die bayerischen Gerichte - wie
das Berufungsgericht - eine unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten
Bürgermeisters (vgl. BayObLGZ 1952, 271 ff.; 1971, 252, 256; 1974, 81, 84;
1974, 374, 376; 1986, 112; 1997, 37, 41; BayObLG, BayVBl. 1973, 131, 313;
1974, 706; 1998, 122; BayVerfGH 25, 27, 43; BayVGH, BayVBl. 2012, 177 Rn.
30; 2012, 341; OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.;
Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 28.
Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris Rn. 9; offen gelassen durch BayObLG,
BayVBl. 1999, 473). Diese Ansicht hat auch das Bundesarbeitsgericht in einem
Urteil vom 8. Dezember 1959 vertreten (3 AZR 348/56, juris Rn. 25; vgl. auch
BAG, Urteil vom 18. Oktober 1990 - 2 AZR 157/90, juris Rn. 24 zu Art. 35
Abs. 1 BayLKrO -obiter dictum). Art. 38 Abs. 1 BayGO begründe lediglich das
Vertretungsrecht des ersten Bürgermeisters, nicht aber seine
Vertretungsmacht. Letztere ergebe sich aus Art. 37 BayGO, sofern das
Rechtsgeschäft unter den dort genannten Voraussetzungen in seinen eigenen
Zuständigkeitsbereich falle. Soweit dagegen der Gemeinderat als
willensbildendes Organ der Gemeinde zu entscheiden habe (Art. 29 BayGO),
werde die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters erst durch einen
entsprechenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss begründet (vgl. nur
BayObLGZ 1974, 81, 84; BayObLG, BayVBl. 1974, 706). Insoweit sei der erste
Bürgermeister bloßes Vollzugsorgan (Art. 36 Abs. 1 BayGO). Die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu anderen Bundesländern sei wegen der
Eigenständigkeit des jeweiligen Gemeinderechts nicht auf Bayern zu
übertragen. Die jahrzehntelang dauernde tatsächliche Übung und in Bayern
herrschende Meinung könne sich nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf
die Gesetzesmaterialien und das Herkommen stützen (vgl. nur BayObLGZ 1986,
112, 114 f.; 1997, 37, 41). Entgegen dieser internen
Zuständigkeitsverteilung vorgenommene zivilrechtliche Rechtsgeschäfte seien
nach §§ 177 ff. BGB schwebend unwirksam (BayVGH, BayVBl. 2012, 177
Rn. 30 mwN).
10 Dieser Ansicht folgen Teile der Rechtsliteratur (Masson, Gemeindeordnung
für den Freistaat Bayern, (1952), Art. 38 BayGO Anm. 2; Steiner in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner,
Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl., S. 137, 145; Widtmann/Grasser/Glaser,
Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 25 [Stand Dezember 2014] und
Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand November 2013]; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19
Rn. 85; Schaub in: Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl., AT VII Rn. 327 ff.;
Wachsmuth in: Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, Art.
38 BayGO Anm. 2.2 [Stand Juni 2013], anders allerdings Art. 36 BayGO Anm.
3.5 [Stand Mai 2015]; Boley, BayBgm 1953, 244 f. und 267; Wegmann, BayKommP
1997, 313, 316).
11 b) In weiten Teilen der Rechtsliteratur wird die Vertretungsmacht des
ersten Bürgermeisters dagegen im Grundsatz als unbeschränkt angesehen
(Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung,
Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO
Erl. 2.1 [Stand Oktober 2013]; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke,
Kommunalrecht in Bayern, Art. 38 GO Anm. 1.1 [Stand März 2015];
Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand
Juli 2015]; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 257 Fn. 86; Gern,
Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl., Rn. 369 und 433; Lange, Kommunalrecht,
2013, Kap. 8 Rn. 166 ff.; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, 3. Aufl., § 4
Rn. 36; Becker in: Becker/Heckmann/Kempen/Mansen, Öffentliches Recht in
Bayern, 6. Aufl., Rn. 166; Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl., S. 173 f.;
Schoch/Röhl, Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Kommunalrecht Rn. 147
Fn. 448; Berroth, Die Vertretung der Gemeinde nach außen, 1964, S. 71 f.;
Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, 1983, S. 63
f.; Karstendiek, Vertretungsmängel bei öffentlichen Auftraggebern, 1990, S.
63 ff.; Habermehl, DÖV 1987, 144, 147 Fn. 23; Reuter, DtZ 1997, 15, 16;
Brötel, NJW 1998, 1676, 1679 ff.).
12 3. Der Senat entscheidet die Rechtsfrage im Sinne der zweiten
Ansicht.
Die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters
einer bayerischen Gemeinde gemäß Art. 38 Abs. 1 BayGO ist im Außenverhältnis
allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen wird die Gemeinde auch durch
solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters berechtigt und
verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung des
Gemeinderats vorgenommen hat. Soweit der Dritte Senat des
Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 8. Dezember 1959 (3 AZR 348/56,
juris) die gegenteilige Auffassung vertreten hat, hat der nunmehr zuständige
Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf vorgeschaltete Anfrage des
erkennenden Senats gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1
RsprEinhG (Senat, Beschluss
vom 18. März 2016 - V ZR 266/14, BayVBl 2016, 716 ff.)
mitgeteilt, dass er hieran nicht festhält (BAG,
Beschluss vom 22. August 2016 - 2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296).
Im Ergebnis kann deshalb dahinstehen, ob ein Geschäft der laufenden
Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 BayGO vorlag oder ob sich aus
der Geschäftsordnung der Klägerin eine Eigenentscheidungsbefugnis des ersten
Bürgermeisters ergab.
13 Ob Beschränkungen Außenwirkung haben, ist durch Auslegung der die
Vertretung regelnden Normen zu ermitteln; die Regelungen der bayerischen
Gemeindeordnung weisen keine Besonderheiten auf, die eine von der Rechtslage
in den anderen Bundesländern abweichende Reichweite der Vertretungsmacht des
ersten Bürgermeisters rechtfertigen könnten.
14 a) Unter der Überschrift „Verpflichtungsgeschäfte; Vertretung der
Gemeinde nach außen" regelt Art. 38 Abs. 1 BayGO, dass der erste
Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt. Nur dieser (und nicht der
Gemeinderat) kann für die Gemeinde nach außen handeln. Aus dem Wortlaut der
Norm ergeben sich keine Einschränkungen der Vertretungsbefugnis. Danach
begründet sie im Zweifel nicht nur ein formelles Vertretungsrecht, sondern
eine unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht (vgl. BGH, Urteil vom
7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388 f.) oder - mit anderen Worten
- die materielle Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts im
Außenverhältnis.
15 b) Die systematische Auslegung ergibt nichts Gegenteiliges. Die
Vorschriften der bayerischen Gemeindeordnung, die die Zuständigkeit von
Gemeinderat und erstem Bürgermeister abgrenzen (Art. 29, 30 Abs. 2, Art. 36,
37 BayGO), regeln lediglich die gemeindeinterne Kompetenzverteilung.
Insbesondere trifft Art. 36 Satz 1 BayGO, wonach der erste Bürgermeister die
Beschlüsse des Gemeinderats vollzieht, keine Aussage über die in Art. 38
Abs. 1 BayGO eigenständig geregelte Vertretung der Gemeinde nach außen. Der
Bestimmung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der erste Bürgermeister
„bloßes Vollzugsorgan" ist. In Art. 29 BayGO wird er wie der Gemeinderat
ausdrücklich als Hauptorgan bezeichnet. Als grundsätzlich gleichgewichtiges
Hauptorgan neben dem Gemeinderat hat er einen eigenen, in Art. 37 BayGO
positiv definierten Aufgabenbereich (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit
Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den
Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Erl. 2.1 [Stand Mai 2006];
Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 29 BayGO Rn. 1 [Stand
Juli 2015]; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 320 f.; ähnlich Widtmann/Grasser/Glaser,
Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 21 [Stand Dezember 2014]).
16 c) Der Entstehungsgeschichte der bayerischen Gemeindeordnung lässt sich
ein auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht gerichteter Wille des
Gesetzgebers nicht entnehmen.
17 aa) Eine ausdrückliche Stellungnahme hierzu findet sich in den
Gesetzesmaterialien nicht. Soweit in dem Regierungsentwurf zu Art. 39 Abs. 1
(entspricht Art. 38 Abs. 1 BayGO) ausgeführt wird, die Vertretung der
Gemeinde im Rechtsverkehr sei herkömmlich Sache des ersten Bürgermeisters,
der allerdings den betreffenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss dem
Vertragspartner der Gemeinde oder dem beurkundenden Notar auf Verlangen
nachzuweisen habe (Regierungsentwurf, Landtagsdrucksachen 1951/1952 Beilage
1140, S. 35), ist dies unergiebig (aA BayObLGZ 1952, 271, 274). Denn der
Entwurf erfuhr im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch
umfangreiche Änderungen, durch die die Stellung des ersten Bürgermeisters
gegenüber dem Gemeinderat deutlich gestärkt wurde. So wird der erste
Bürgermeister in allen Gemeinden vom Volk gewählt (Art. 17 BayGO), während
der Regierungsentwurf eine direkte Wahl nur in Gemeinden bis zu 20.000
Einwohnern und für größere Gemeinden die Wahl durch den Gemeinderat
vorgesehen hatte (Art. 17 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 Satz 2). Art. 29 BayGO,
wonach der Gemeinderat die Gemeinde verwaltet, soweit nicht der erste
Bürgermeister selbständig entscheidet, erhielt die Überschrift „Hauptorgane"
(vgl. Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951,
S. 1083, 1085). In Art. 30 Abs. 2 BayGO wurde die Passage eingefügt, wonach
der Gemeinderat (nur) „im Rahmen des Art. 29" über alle Angelegenheiten
bestimmt, für die nicht berate n-de Ausschüsse bestellt sind
(Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S.
1085). Dieser Einschub nimmt die in Art. 37 BayGO festgelegten selbständigen
Befugnisse des ersten Bürgermeisters ausdrücklich vom Aufgabenbereich des
Gemeinderates aus. Schließlich wurde dem Gemeinderat auf Einwendung des
Bayerischen Senats die ursprünglich in Art. 38 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 des
Entwurfs vorgesehene Möglichkeit genommen, den von dem ersten Bürgermeister
getätigten dringlichen Anordnungen und unaufschiebbaren Geschäften
vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter die Genehmigung zu versagen (vgl.
Protokoll der Plenarsitzung des Bayerischen Senats vom 11. Januar 1952,
Anlage 5, S. 7 und Sitzungsprotokoll der 66. Sitzung des Landtags vom 18.
Januar 1952, S. 1305 f., 1310).
18 bb) Demgegenüber spricht der Vergleich mit den in dem Regierungsentwurf
nicht erwähnten Vorgängerregelungen in den Gemeindeordnungen vom 17. Oktober
1927 (GVBl. S. 293) und vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 225) eher für
eine nunmehr unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im
Außenverhältnis (Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit
Gemeinden, 1983, S. 64; aA BayObLGZ 1952, 271, 274). In diesen
Vorgängerregelungen kam die außerhalb der Eigenentscheidungsbefugnis
bestehende Abhängigkeit der Vertretungsmacht von der internen Willensbildung
im Gesetzeswortlaut nämlich noch deutlich zum Ausdruck. Nach Art. 17 Abs. 1
Satz 3 BayGO 1927 vollzog der erste Bürgermeister die Beschlüsse des
Gemeinderats und vertrat „hierbei" den Gemeinderat (Art. 23 Abs. 1 Satz 2
BayGO 1945: die Gemeinde) nach außen. Deshalb wurde ein solcher Beschluss
als Voraussetzung der Vertretungsmacht angesehen (vgl. Stöhsel/Stenger, Die
neue bayerische Gemeindegesetzgebung, 1929, Art. 17 BayGO Anm. 5; Woerner,
Kommentar zur bayerischen Gemeindeordnung vom 17. Oktober 1927, 1931, Art.
17 BayGO Anm. 11). Diese Einschränkung findet sich in der nunmehr geltenden
Fassung des Art. 38 Abs. 1 BayGO gerade nicht mehr.
19 d) Signifikante Unterschiede zu dem Kommunalrecht der anderen
Bundesländer, die nur in Bayern die Annahme einer beschränkten
Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis erlauben
könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die dualistische
Struktur der bayerischen Kommunalverfassung derjenigen der
baden-württembergischen Gemeindeordnung. Dieses Konzept der süddeutschen
Kommunalverfassung ist in Abwandlungen inzwischen in den meisten
Bundesländern übernommen worden (näher Wolff/Bachhof/Stober/Kluth,
Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., § 97 Rn. 7; Knemeyer, Bayerisches
Kommunalrecht, 12. Aufl., Rn. 292). Auch der badenwürttembergische
Gemeinderat ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GO BW Hauptorgan der Gemeinde.
Gleichwohl ist die Vertretungsmacht des Bürgermeisters gemäß § 42 Abs. 1
Satz 2 GO BW unbeschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 1966 - V ZR
50/65, MDR 1966, 669 sowie BAGE 47, 179 ff. zu § 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO BW).
Selbst für das frühere nordrhein-westfälische Kom-munalverfassungsrecht, das
eine Allzuständigkeit des Gemeinderats (§ 28 GO NRW aF) und eine
entsprechend schwächere Stellung des Gemeindedirektors vorsah, war die
umfassende Außenvertretungsmacht des Gemeindedirektors anerkannt (eingehend
OLG Köln, DVBl. 1960, 816, 817 f. mit Anm. Roemer; BGH, Urteil vom 20.
September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 zu §§ 28, 55 GO NRW i.d.F.
von 1969).
20 e) Entscheidend für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO als
Einräumung einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spricht -
wie in den anderen Bundesländern auch - das Bedürfnis nach Rechtssicherheit
und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 17. April
1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118; U. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht,
2005, S. 207: sinnvolles Ordnungsprinzip; hierzu auch BAG, Beschluss vom 22.
August 2016 - 2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296 Rn. 11).
21 aa) Der Erklärungsempfänger - in der Regel der Bürger - muss sich
auf die Vertretungsbefugnis des für die Gemeinde nach außen handelnden
Organs verlassen können. Demgegenüber bleibt es der Gemeinde unbenommen,
gegen ihr pflichtwidrig handelndes Organ beamtenrechtliche Sanktionen zu
verhängen bzw. Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Es
erscheint unangemessen, das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem
Erklärungsempfänger aufzubürden, der die Vorgänge bei der internen
Willensbildung als außenstehender Dritter in aller Regel nicht erkennen
kann. Insbesondere wird ein ausreichender Schutz nicht dadurch
gewährleistet, dass er von der für die Gemeinde handelnden Person den
Nachweis ihrer Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen
kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388;
aA BayObLGZ 1952, 271, 274; 1974, 374, 376; 1986, 112, 115 mwN). Dabei
verbleiben nämlich erhebliche Ungewissheiten. Wird dem Erklärungsempfänger
die Ausfertigung eines Gemeinderatsbeschlusses vorgelegt (vgl. Art. 54 BayGO),
müsste er überprüfen, ob dieser wirksam ist und das konkrete Rechtsgeschäft
umfasst. Hat der Gemeinderat keinen Beschluss gefasst, kann eine schwierige
Abgrenzung der gemeindeinternen Zuständigkeiten erforderlich sein,
insbesondere im Hinblick auf die oft zweifelhafte Einordnung einer
Rechtshandlung als Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. hierzu etwa
BayObLGZ 1974, 374, 377). Dies ist umso problematischer, als sich die
Gemeinde im Falle einer Fehleinschätzung unter Umständen noch Jahrzehnte
später auf eine fehlende Vertretungsbefugnis des für sie handelnden
Bürgermeisters berufen kann (vgl. z.B. BayObLG, MittBayNot 1997, 120 ff.).
22 bb) Vor denselben praktischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen
Rechtsunsicherheit stehen nach der bislang in Bayern herrschenden Meinung
die dortigen Grundbuchämter. Sie dürfen Eintragungen in das Grundbuch nur
dann vornehmen, wenn die Vertretungsbefugnis des ersten Bürgermeisters in
der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Dementsprechend betrifft ein großer
Teil der oben (unter II.2a)) zitierten Entscheidungen der bayerischen
Gerichte die Frage, ob dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist oder nicht
(vgl. nur aus jüngerer Zeit OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248
ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris; Beschluss vom 28.
Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris). Den Grundbuchämtern wird in diesem
Zusammenhang ggf. die Auslegung von Gemeinderatsbeschlüssen abverlangt (vgl.
z.B. OLG München, MittBayNot 2012, 248 ff.); sie haben strenge Anforderungen
an die Beweisführung zu stellen und die Eintragung im Zweifel abzulehnen (BayOblGZ
1974, 374, 376 ff.). Nach der von dem Senat vorgenommenen Auslegung des Art.
38 Abs. 1 BayGO ist dieser Nachweis entbehrlich; es ist nicht Aufgabe der
Grundbuchämter, die Einhaltung der gemeindlichen Zuständigkeitsordnung zu
überwachen.
23 f) Schließlich kann den Überlegungen des Bayerischen Obersten
Landesgerichts, wonach die von den bayerischen Gerichten seit 1952
vorgenommene Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO zu der Entstehung von
Gewohnheitsrecht geführt haben könnte (BayObLGZ 1986, 112, 115), nicht
beigetreten werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere
tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und
allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt
wird (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. November 2008 - V ZR 35/08,
NJW-RR 2009, 311 Rn. 12; BVerfGE 122, 248, 269). Diese
Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der Bundesgerichtshof
die Frage bereits 1966 für die sehr ähnlich gelagerte badenwürttembergische
Gemeindeordnung anders entschieden und dies im Jahr 1979 für Bayern
ausdrücklich offen gelassen hat; zudem wurden in der Rechtsliteratur schon
frühzeitig Bedenken im Hinblick auf den Verkehrsschutz erhoben
(vgl. z.B. Walz in Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis,
1. Aufl. [1956] Bd. I, S. 235, 266 f.). Darüber hinaus hat der Zweite Senat
des Bundesarbeitsgerichts in seinem (auf Anfrage des erkennenden Senats in
dieser Sache ergangenen) Beschluss vom 22. August 2016 (2 AZB 26/16, NZA
2016, 1296 Rn. 11) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vertretungsmacht
des ersten Bürgermeisters nach Art. 38 Abs. 1 BayGO nicht auf der
Bildung einer Rechtsüberzeugung in den beteiligten Kreisen beruhe; da zu
diesen auch Dritte gehörten, die in rechtsgeschäftliche Beziehungen zu den
bayerischen Kommunen treten, dürfte schon wegen des Umfangs und der
Unbestimmtheit dieses Personenkreises eine einheitlich als richtig
angesehene Rechtsüberzeugung nicht feststellbar sein.
III.
24 Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da sie nicht
zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
25 1. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein
auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützter Anspruch der Klägerin auf
Berichtigung des Grundbuchs nicht verneinen.
26 a) Ein solcher Anspruch kann sich daraus ergeben, dass eine
schuldrechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Pfandfreigabe - also zur
dinglichen Aufgabe des Rohrleitungsrechts (§ 875 Abs. 1 BGB) hinsichtlich
des Flurstücks Nr. 2394/1 und zur Abgabe der darauf bezogenen
Löschungsbewilligung - nicht bestand. Insoweit macht die Klägerin geltend,
ihre Verpflichtung zur Pfandfreigabe habe sich nur auf die Wegmessung nicht
betroffener Grundstücksteile bezogen; die Beklagte hat bestritten, dass die
Pfandfreigabe irrtümlich erfolgte. Hiervon hängt ab, ob die Beklagte ihre
vorteilhafte Buchposition ohne Rechtsgrund erlangt hat.
27 b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Verjährung des
Anspruchs nicht eingetreten.
28 aa) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der
im Jahr 1997 entstandene Anspruch zunächst der Verjährungsfrist von dreißig
Jahren unterlag (§ 195 BGB aF). Ab dem Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2002 galt gemäß Art. 229 §
6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die (kürzere) zehnjährige Verjährungsfrist des § 196
BGB nF, die von diesem Tag an zu berechnen war. Die Frist lief daher am
Montag, dem 2. Januar 2012, ab. Dem für die Vertretung des Freistaats Bayern
(als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland) zuständigen Landesamt für
Finanzen wurde die im Dezember 2011 eingereichte Klage erst am 20. Januar
2012 zugestellt.
29 bb) Gleichwohl ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die
Erhebung der Klage gehemmt worden. Denn die Zustellung wirkt, anders als das
Berufungsgericht meint, auf die vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgte
Einreichung der Klage zurück, da sie „demnächst" im Sinne von § 167 ZPO
erfolgt ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird eine der
Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig
hingenommen (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 154/14, NJW
2015, 2666 Rn. 5 mwN). Dieser Zeitraum ist nicht überschritten. Zuzurechnen
ist der Klägerin zwar, dass in der Klageschrift das (unzuständige)
Staatliche Bauamt Ansbach als Vertreterin der Beklagten benannt worden ist.
Aber nach einem Hinweis des Gerichts hat sie bereits am 10. Januar 2012 die
Zustellung der Klage an das (zuständige) Landesamt für Finanzen beantragt,
deren Ausführung dem Gericht oblag. Da die hinzunehmende
Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen nach ständiger Rechtsprechung
erst vom Tag des Ablaufs der Verjährungsfrist an berechnet wird (vgl. Senat,
Versäumnisurteil vom 25. September 2015 - V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rn. 11;
BGH, Urteil vom 10. September 2015 - IX ZR 255/14, NJW 2016, 151 Rn. 15,
jeweils mwN), hier also ab dem 2. Januar 2012, kommt es - anders als der
Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint
hat - auf den fehlgeschlagenen Zustellungsversuch im Dezember 2011 nicht an.
30 c) Inhaltlich hat sich das Berufungsgericht mit diesem Anspruch - von
seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst. Die
insoweit getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um dem
Revisionsgericht eine eigene Prüfung zu ermöglichen. Zwar geht das
Berufungsgericht in anderem Zusammenhang, nämlich bei der - nach den
Ausführungen unter II.3. entbehrlichen - Prüfung, ob ein Geschäft der
laufenden Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO vorlag,
davon aus, dass sich die Verpflichtung der Klägerin zu der Pfandfreigabe
nicht auf das Flurstück Nr. 2394/1 bezog und der Bürgermeister irrtümlich
auf das Rohrleitungsrecht verzichtet habe. Bei der entscheidenden Prüfung
eines Anspruchs gemäß § 812 Abs. 1 BGB lässt es aber ausdrücklich offen, ob
die Klägerin schuldrechtlich zu der Pfandfreigabe verpflichtet war. Das
Berufungsgericht wird infolgedessen zunächst tragfähige Feststellungen zu
den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu treffen haben, um auf
dieser Grundlage zu beurteilen, ob ein Rechtsgrund für die Pfandfreigabe
bestand oder nicht; die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit die
Klägerin.
31 2. Darüber hinaus kann sich ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs
aus der Anfechtung der Pfandfreigabeerklärung ergeben. Diese kann im
Hinblick auf die Anfechtung der dinglich wirkenden Aufgabe des
Rohrleitungsrechts (§ 875 Abs. 1 BGB) und der verfahrensrechtlichen
Löschungsbewilligung ebenfalls einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB
begründen; daneben kann ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB
bestehen.
Da die Anfechtung bei Abgabe der Anfechtungserklärung am 6. Mai 2010
jedenfalls nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen war (Art. 229 § 6 Abs. 5
i.V.m. Abs. 4 EGBGB, § 121 Abs. 2 aF, § 121 Abs. 2 nF BGB), wird das
Berufungsgericht ggf. Feststellungen zu der - von dem Landgericht verneinten
- Einhaltung der Frist des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB treffen müssen.
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