Keine Haftung des
Reisevermittlers (Reisebüro) für Reisemängel
BGH v. 30.9.2010 – Xa ZR
130/08
Fundstelle:
NJW 2011, 599
(Eigener)
Leitsatz:
Zur Abgrenzung zwischen
Reisvermittler und Reiseveranstalter.
Zentrale Probleme:
Die Klägerin hatte bei einem Reisebüro eine kombinierten
Flug- und Schiffsreise mit Hotelaufenthalten auf Jamaika individuell
zusammengestellt, d.h. Flüge und Unterkunft einzeln buchen lassen. Bei
dieser Reise wurde auf dem Hinflug ihr Koffer nicht mitbefördert. Sie hat
ihn erst nach Abschluss der Schiffsreise wieder erhalten. Deshalb verlangt
sie von dem beklagten Reisebüro Minderung des Reisepreises, Schadensersatz
wegen mangelbedingter Mehrkosten für die Reise sowie Entschädigung für
nutzlos aufgewendete Urlaubszeit. dabei kommt es darauf an, ob das Reisebüro
hier Schuldner der Reise war (und damit die Leistungsträger wie zB
Fluggesellschaft ihre Erfüllungsgehilfen). Schuldner der Reiseleistung ist
der Reiseveranstalter. Wer hingegen lediglich Reiseverträge oder Verträge
über einzelne Leistungen vermittelt (so das Reisebüro, ist nicht
Reiseveranstalter. Nach § 651a II ist aber eine entsprechende Klausel in
einem Vertrag unbeachtlich, wenn nach den sonstigen Umständen (insbesondere
etwa Werbung oder Katalogangaben) der Eindruck erweckt wird, der
Vertragspartner erbringe die Leistung in eigener Verantwortung. Das war hier
aber nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat die Klage daher abgewiesen. Es
hat angenommen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten kein
Reisevertrag gemäß § 651a Abs. 1 BGB, sondern lediglich ein
Reisevermittlungsvertrag i. S. des § 675 BGB zustande gekommen sei. Das
Reisebüro sei nicht als Reiseveranstalter Vertragspartner eines aus mehreren
Reiseleistungen zusammengesetzten Reisevertrags geworden, weil es lediglich
die die Reiseleistungen anderer Anbieter für einen Vertragsschluss angeboten
habe und hierbei erkennbar nur vermittelnd tätig geworden sei. Der BGH
bestätigt diese Auffassung. Es gebe weder einen Erfahrungssatz noch eine
gesetzliche Auslegungsregel, wonach ein Reisebüro, das einzelne
Reiseleistungen verschiedener Leistungserbringer zu einer individuellen, auf
die Wünsche des Kunden zugeschnittenen Reise zusammenstellt, zwangsläufig
als Reiseveranstalter anzusehen ist. Ein Reisebüro übernimmt in der Regel
typischerweise lediglich die Tätigkeit eines Vermittlers von
Reiseleistungen. Allein aus dem Angebot mehrerer zeitlich und örtlich
aufeinander abgestimmter Reiseleistungen auf Wunsch des Kunden kann nicht
geschlossen werden, dass das Reisebüro dem Kunden gegenüber wie ein
Reiseveranstalter die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der
einzelnen Reiseleistungen übernimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht
aus der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über
Pauschalreisen.
Zur Haftung des Reisebüros s. auch die Anm. zu
BGH NJW 2006, 2321
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Klägerin zu 1 buchte bei einem Reisebüro in Chemnitz,
dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, für sich und die weiteren Kläger
für die Zeit vom 27. Februar 2006 bis zum 14. März 2006 eine kombinierte
Flug- und Schiffsreise mit zwei Hotelaufenthalten auf Jamaika. Die Auswahl
beruhte auf einer Empfehlung der Mitarbeiterin des Reisebüros, welche die
einzelnen Elemente der Reise unter Berücksichtigung von Vorgaben der
Klägerin zu 1 zusammenstellte und buchte. Die Klägerin zu 1 unterzeichnete
für die Flüge, die Schiffsreise und die Hotelaufenthalte gesonderte
Reiseanmeldungen, in denen jeweils das die Reiseleistung erbringende
Unternehmen und der Einzelpreis genannt wurden. Für die Schiffsreise und die
Hotelaufenthalte erhielt die Klägerin zu 1 gesonderte Sicherungsscheine. Zur
Bezahlung überließ die Klägerin zu 1 der Mitarbeiterin des Reisebüros die
Daten ihrer Kreditkarte. Die Kosten für die Hotelaufenthalte wurden unter
der Gläubigerbezeichnung ... -reisen (eine Zweigniederlassung der ...
Touristik GmbH), die Kosten für die Schiffsreise unter der Bezeichnung S.
abgebucht. Die Kosten für den Flug überwies die Klägerin zu 1 unmittelbar an
das Reisebüro.
2 Auf dem Hinflug wurde der Koffer der Klägerin zu 2, der die gesamte
Kleidung und Reiseutensilien der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3
enthielt, nicht mitbefördert. Die Klägerin zu 2 erhielt diesen Koffer erst
nach Abschluss der Schiffsreise am 11. März 2006. Sie ist der Ansicht,
aufgrund dessen sei der Reisepreis um 50% zu mindern. Sie verlangt von der
Beklagten die Rückzahlung des überzahlten Reisepreises, Schadensersatz für
entstandene Mehrkosten sowie Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter
Urlaubszeit.
3 Das Amtsgericht hat der Klage der Klägerin zu 2 überwiegend stattgegeben,
im Übrigen die Klagen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Berufungsgericht, dessen Urteil in RRa 2009, 28 ff. veröffentlicht ist, die
Klagen insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht
zugelassene Revision der Klägerin zu 2.
Entscheidungsgründe:
4 I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, zwischen den Klägern und der
Beklagten sei kein Reisevertrag gemäß § 651a Abs. 1 BGB, sondern ein
Reisevermittlungsvertrag i.S. des § 675 BGB zustande gekommen. Ein Reisebüro
sei nur dann Reiseveranstalter für einen sich aus mehreren Reiseleistungen
zusammensetzenden Reisevertrag, wenn es diese Reiseleistungen als eigene
anbiete. Das Reisebüro habe zwar die Reiseleistungen entsprechend dem
Kundenwunsch zusammengestellt, diese Reiseleistungen anderer Anbieter aber
jeweils separat für einen Vertragsschluss angeboten und sei hierbei
erkennbar nur vermittelnd tätig geworden.
5 Ein Reisebüro biete zusammengestellte Reiseleistungen als eigene an, wenn
es diese in eigener Verantwortung auf den Markt bringe und ausführe. Eine
Reisevermittlung liege dagegen vor, wenn es im Anmeldeformular und durch
Nennung des jeweiligen Leistungsträgers deutlich zum Ausdruck bringe, dass
es lediglich die Vermittlung eines Vertrags mit diesen Leistungsträgern
besorge. In diesem Falle werde ein Reisebüro auch dann nicht zum
Reiseveranstalter, wenn es dem Verbraucher nach dessen Wunsch mehrere
einzelne touristische Dienstleistungen verkaufe.
6 Im Streitfall habe sich das Reisebüro erkennbar auf die Vermittlung
beschränkt, indem es die Veranstalter in den Reiseanmeldungen jeweils
namentlich benannt, sich selbst nur als Reisebüro bezeichnet und auf die
Reisebedingungen der Reiseveranstalter verwiesen habe. Diese Tätigkeit habe
sich insbesondere auch aus dem Umstand ergeben, dass die Klägerin zu 1
jeweils gesonderte Reiseanmeldungen für die jeweiligen Leistungsträger oder
Reiseveranstalter unterschrieben habe. Eine derartige Aufsplitterung in
einzelne Anmeldungen wäre sinnlos gewesen, wenn das Reisebüro das
Gesamtreisepaket als eigenes hätte anbieten wollen und hierfür der
einheitliche Vertragspartner hätte sein sollen. Das Reisebüro habe
schließlich auch keinen Gesamtreisepreis vereinnahmt, vielmehr die
Reisekosten für die Hotelaufenthalte und die Schiffsreise von den jeweiligen
Leistungserbringern abbuchen lassen.
7 II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
8 Die Klägerin zu 2 kann von der Beklagten weder eine Minderung des
Reisepreises noch Schadensersatz wegen mangelbedingter Mehrkosten für die
Reise noch eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit
verlangen, denn sie hat mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten keinen
Reisevertrag geschlossen, der diese zur Erbringung der Reiseleistungen in
eigener Verantwortung verpflichtet hätte.
9 1. Reiseunternehmen können als Erbringer von Reiseleistungen in eigener
Verantwortung tätig werden, wobei sie sich Dritter als Leistungsträger
bedienen können, sie können aber auch bloß Vermittler solcher
Reiseleistungen sein. Welche Art von Tätigkeit vorliegt, hängt vom Inhalt
und den weiteren Umständen der Vertragsverhandlungen ab. Hierbei ist gemäß §
651a Abs. 2 BGB entscheidend darauf abzustellen, wie das Reiseunternehmen
aus der Sicht des Reisenden auftritt (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.1973 - VII
ZR 247/72, BGHZ 61, 275, 277 f. = WM 1973, 1405; Urt. v. 30.9.2003 - X ZR
244/02, BGHZ 156, 220, 225 f. = NJW 2004, 681). Reiseveranstalter und
damit der Vertragspartner des Reisevertrags ist derjenige, der aus der
maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Reisekunden als Vertragspartei
eine Gesamtheit der Reiseleistungen in eigener Verantwortung zu erbringen
verspricht (vgl. BGH, Urt. 24.11.1999 - I ZR 171/97, NJW 2000, 1639,
1640; Urt. v. 25.7.2006 - X ZR 182/05, RRa 2006, 266 ff. Rn. 11; Urt. v.
19.7.2007 - X ZR 61/06, RRa 2007, 221 ff. Rn. 14).
10 Die Abgrenzung der Vertragsstellung als Reiseveranstalter von der eines
Reisevermittlers obliegt bei einer Individualvereinbarung dem Tatrichter,
der hierbei im Wege der Auslegung der Willenserklärungen nach den Maßstäben
der §§ 133, 157, 164 Abs. 2 BGB und der besonderen Maßgabe des § 651a Abs. 2
BGB die Gesamtumstände und die Interessen der Parteien zu würdigen hat,
soweit sie erkennbar wurden. Das Revisionsgericht prüft nur, ob der
Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt ist und gesetzliche
Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften
verletzt sind (statt vieler: BGH, Urt. v. 20.4.2004 - X ZR 255/02, NJW-RR
2004, 1464 unter II 1 b aa; Urt. v. 19.6.2007 - X ZR 61/06, RRa 2007, 221
ff. Rn. 15; Urt. v. 26.10.2009 - II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18).
11 2. Das Zusammenstellen von Einzelleistungen verschiedener Anbieter
durch ein Reisebüro, das damit dem Kunden eine individuelle, auf ihn
zugeschnittene Reise aufzeigt, führt dabei nicht zwangsläufig dazu, dass das
Reisebüro als Reiseveranstalter zu qualifizieren ist. Hierfür streitet weder
ein Erfahrungssatz noch eine gesetzliche Auslegungsregel.
12 a) Typischerweise übernimmt ein Reisebüro lediglich die Tätigkeit
eines Vermittlers von Reiseleistungen und nicht die Verantwortung für deren
ordnungsgemäße Durchführung (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1969 - VI ZR 45/67,
BGHZ 52, 194, 198; Urt. v. 18.10.1973 - VII ZR 247/72, BGHZ 61, 275, 278 =
WM 1973, 1405; Urt. v. 21.12.1973 - IV ZR 158/72, BGHZ 62, 71, 78 = WM 1974,
396). Gleichwohl kann ein Reisebüro auch als Reiseveranstalter auftreten,
etwa wenn es diverse Einzelleistungen im Voraus bündelt, die
Leistungserbringer nicht benennt und insbesondere dem Kunden nur einen
Gesamtpreis nennt (vgl. OLGR Düsseldorf 1997, 313; AG Bad Homburg RRa
1999, 92 f.; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., § 5 Rn. 91, S. 74;
Staudinger/Eckert, BGB, Bearb. 2003, § 651a Rn. 110). Jedoch folgt nicht
allein aus dem Angebot mehrerer zeitlich und örtlich aufeinander
abgestimmter Reiseleistungen durch das Reisebüro, dass es damit sämtliche
Reiseleistungen dem Kunden in eigener Verantwortung verspricht. Für den
Kunden ist erkennbar, dass das Reisebüro mit dem Aufzeigen einer weiteren
Reiseleistung, die wie schon die erste nach Maßgabe seiner individuellen
Wünsche herausgesucht wurde, nicht allein aus diesem Grund eine
weitergehende Verantwortung übernehmen will als bei der bloßen Vermittlung
einer einzelnen Reiseleistung.
13 b) Das Zusammenstellen von Reiseleistungen verschiedener
Leistungserbringer auf Wunsch des Kunden führt auch nicht aufgrund einer
gesetzlichen Auslegungsregel dazu, dass das Reisebüro zwingend als
Reiseveranstalter anzusehen ist. Eine solche Auslegungsregel ergibt sich
weder aus dem Wortlaut des § 651a BGB noch aus einer unionsrechtskonformen
Auslegung im Hinblick auf die Richtlinie 90/314/EWG vom 13. Juni 1990 über
Pauschalreisen (nachfolgend: Richtlinie), zu deren Umsetzung § 651a BGB
dient.
14 aa) Art. 2 der Richtlinie definiert eine Pauschalreise als eine im Voraus
festgelegte Verbindung von mindestens zwei näher spezifizierten
Reiseleistungen. Ein Reiseveranstalter ist danach eine Person, die
Pauschalreisen organisiert und sie direkt oder über einen Vermittler
verkauft oder zum Verkauf anbietet. Ein Vermittler wird durch Art. 2 Nr. 3
der Richtlinie als die Person bestimmt, die eine vom Veranstalter
zusammengestellte Pauschalreise verkauft oder zum Verkauf anbietet. Der
Gerichtshof der Europäischen Union hat hierzu erkannt, dass der Begriff der
Pauschalreise auch solche Reisen einschließt, die von einem Reisebüro auf
Wunsch und nach den Vorgaben des Verbrauchers organisiert werden, und eine
"im Voraus festgelegte Verbindung" auch dann vorliegt, wenn die Verbindung
von touristischen Dienstleistungen in dem Zeitpunkt vorgenommen wurde, in
dem der Vertrag zwischen dem Reisebüro und dem Verbraucher geschlossen wurde
(EuGH, Urt. v. 30.4.2002 - C-400/00, Slg. I 4065 ff. Tz. 11 ff. = RRa 2002,
119 f. - Club Tour/Garrido). Der Gerichtshof der Europäischen Union geht
dabei entsprechend den Vorgaben des damals vorlegenden Gerichts davon aus,
dass der Vertrag mit dem Reisebüro in dem zu Grunde liegenden Fall das
Versprechen zur Erbringung von Reiseleistungen umfasste. Das Reisebüro war
dort gegenüber dem Reisenden Gläubiger des Reisepreises und Schuldner der
Reiseleistungen, für die es ihm gegenüber in eigener Verantwortung
einzustehen hatte (vgl. Tz. 6, 7, 9). Die Frage, ob das Reisebüro die
vertragliche Stellung eines Reiseveranstalters oder die eines Vermittlers
einnahm, war von dem vorlegenden Gericht bereits entschieden und deshalb
nicht von den dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Fragen
umfasst. Das auf diese Vorlagefragen ergangene Urteil enthält daher keine
eigene Aussage über die vertragliche Stellung des Reisebüros (vgl. dazu
Eckert, RRa 2003, 194; Führich, RRa 2002, 194; Palandt/Sprau, BGB, 69.
Aufl., vor § 651a Rn. 4; anders unter Abstellen auf die Zusammenstellung der
Reise vor Vertragsschluss MünchKomm./Tonner, BGB, 5. Aufl., § 651a Rn. 22;
PWW/Deppenkemper, BGB, 5. Aufl., § 651a Rn. 12). Der Gerichtshof hatte
lediglich darüber zu entscheiden, ob auf den mit dem Reisebüro geschlossenen
Vertrag die besonderen Regeln für Pauschalreisen anzuwenden sind.
15 bb) Ebenso wenig enthält die Richtlinie selbst Vorgaben dazu, ob ein
Reiseunternehmen die Reiseleistungen in eigener Verantwortung als
Vertragspartner dem Reisenden verspricht oder den Abschluss eines solchen
Vertrags mit einem anderen Unternehmen vermittelt. Die Richtlinie geht davon
aus, dass Reiseunternehmen beim Zustandekommen von Reiseverträgen als
Reiseveranstalter oder als Vermittler tätig werden können. Dabei überlässt
es die Richtlinie dem Recht der Mitgliedstaaten, ob der Vermittler selbst
aus dem Vertrag gebunden sein soll. Eine solche Bindung wird in Art. 2 Nr. 5
nur als eine mögliche Alternative für die Wirkungen eines solchen Vertrags
bezeichnet. Soweit der Reisevermittler wie in Art. 4 Abs. 7 und Art. 5 Abs.
1 und 2 der Richtlinie als Verpflichteter für Schadensersatz oder für
Entschädigungsleistungen auf den gezahlten Reisepreis genannt wird,
begründet auch dies nur eine fakultative Alternative neben der Verpflichtung
des Reiseveranstalters. Das deutsche Recht hat von dieser Möglichkeit keinen
Gebrauch gemacht und in §§ 651a ff. BGB allein den Reiseveranstalter als
Vertragspartner des Reisenden besonderen Pflichten unterworfen.
16 cc) Die Richtlinie sieht auch nicht vor, dass einem Reisenden stets die
darin vorgesehenen Rechte einzuräumen sind, wenn mehrere Reiseleistungen
gleichzeitig gebucht werden. Sie knüpft die darin vorgesehenen besonderen
Rechtswirkungen vielmehr an das Vorliegen eines Pauschalreisevertrages.
Dieser setzt gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie nicht nur voraus, dass die
Reise zwei der in dieser Bestimmung genannten Bestandteile aufweist, sondern
auch, dass der Vertrag zu einem Pauschalpreis verkauft wurde (vgl. EuGH,
Urt. v. 15.6.1999, Slg. I 3499 ff. Tz. 31 = RRa 1999, 227 ff. - Rechberger/Österreich).
Zumindest an der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es im Streitfall.
17 Für das Vorliegen eines Pauschalpreises reicht es nicht aus, dass dieser
sich durch die Addition von Einzelpreisen errechnen ließe. Vielmehr muss es
sich um einen Vertrag handeln, bei dem der Gesamtpreis für den Kunden als
solcher erkennbar wird, sei es indem allein dieser genannt wird oder sei es
indem mehrere Einzelpreise durch den Reisevertrag zu einem Gesamtpreis
rechtlich mit einander verknüpft werden. Die Richtlinie greift folglich
nicht, wenn der Reisende mehrere, rechtlich von einander unabhängige
Verträge für einzelne Leistungen abschließt. In dieser Konstellation führt
auch die Vermittlung der einzelnen Verträge durch dieselbe Person zu keiner
rechtlichen Verknüpfung der Reiseleistungen, die zur Annahme einer
Pauschalreise im Sinne der Richtlinie führen würde.
18 dd) Eine Vorlage dieser Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union
ist nicht erforderlich.
19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Vorlage
nicht erforderlich, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts
derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum
bleibt (EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs 283/81 C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415
Tz. 16 = NJW 1983, 1257). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
20 Aus dem Wortlaut der Richtlinie ergibt sich eindeutig, dass es neben dem
Reiseveranstalter auch einen Reisevermittler geben kann und dass diesen
nicht zwangsläufig die Pflichten aus dem Reisevertrag treffen müssen. Der
Begriff der Pauschalreise selbst ist in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie klar
definiert. Aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 2002 können, wie
bereits oben dargelegt wurde, keine abweichenden Schlussfolgerungen gezogen
werden. Soweit diesem Urteil in Teilen der Literatur für die hier in Rede
stehenden Fragen Bedeutung beigemessen wird, findet dies keine Grundlage in
den Entscheidungsgründen.
21 3. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Rechtsvorgängerin der
Beklagten der Klägerin zu 2 die Erbringung von Reiseleistungen in eigener
Verantwortung nicht versprochen, sondern nur den Abschluss solcher Verträge
zu anderen Reiseunternehmen vermittelt hat, lässt auch im Übrigen keine
revisiblen Auslegungsfehler erkennen. Die Auslegung ist in jeder Hinsicht
nachvollziehbar begründet.
22 Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft
einen angebotenen Beweis nicht erhoben, hat der Senat geprüft, jedoch nicht
für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
23 III. Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der durch die
Nebenintervention verursachten Kosten hat die Klägerin zu 2 gemäß §§ 97 Abs.
1, 101 Abs. 1 ZPO zu tragen. |