Vertragsverhältnis
zwischen Reisebüro und Reisendem (Reisevermittlungsvertrag); Eigenhaftung
Dritter aus c.i.c. (§§ 311 III, II, 241 II, 280 I BGB); (keine) Eigenhaftung des Reisebüros
bei fehlerhafter Information über die Durchführung der gebuchten Reise nach
erfolgter Vermittlung; Reisebüro als Erfüllungsgehilfe des
Reiseveranstalters
BGH, Urt. v. 25. April 2006
- X ZR 198/04
Fundstelle:
NJW 2006, 2321
Amtl. Leitsatz:
a) Es bleibt offen, ob
zwischen einem Reisebüro, das Agenturverträge mit verschiedenen
Reiseveranstaltern geschlossen hat, und dem Beratung bei der Auswahl einer
Pauschalreise wünschenden Reisekunden ein eigenes Vertragsverhältnis mit
Haftungsfolgen für das Reisebüro zustandekommt.
b) Nach getroffener Auswahlentscheidung des Reisekunden wird das Reisebüro
bei den Informationen über die Durchführung der konkreten gewählten Reise
jedenfalls nur noch als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters tätig.
c) Insbesondere die Information über die Pass- und Visumerfordernisse gehört
in der Regel nicht zu der möglicherweise vom Reisebüro geschuldeten
Auswahlberatung, sondern ist allein Pflicht des Reiseveranstalters bei den
Verhandlungen über den gewählten Reisevertrag (§§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1
BGB-InfoV). Sofern sich der Reiseveranstalter zur Erfüllung dieser Pflicht
des Reisebüros bedient, haftet er für dessen Verschulden (§ 278 BGB).
Zentrale Probleme:
Der BGH läßt die Frage, ob zwischen einem Reisebüro, daß
eine Reise vermittelt und dem Kunden, der über das Reisebüro bei einem
Veranstalter eine Reise bucht, ein eigenes Vertragsverhältnis zustandekommt.
Er kann dies des deshalb offen lassen, weil selbst bei Bejahung dieser Frage
keine Pflichtverletzung aus diesem Vertrag vorliege, wenn über eine zu
buchende Reise falsch informiert werde. Ab der Auswahlentscheidung sei das
Reisebüro nämlich Erfüllungsgehilfe des Veranstalters. Wenn dann
vorvertragliche Informationspflichten verletzt werden, haftet dieser für das
Verhalten des Reisebüros nach §§ 311 II, 241 II, 280 I, 278 BGB (culpa in
contrahendo). Letztlich ist er wohl auch skeptisch, ob überhaupt ein
Vertragsverhältnis zwischen Reisebüro und Kunden zustandekommt. dazu weist
er auf die Rechtsprechung zum Handelsvertreter hin.
Damit ist die Frage der Eigenhaftung des Reisebüros wohl alleine ein
c.i.c.-Problem, was die Entscheidung sehr lehrreich macht: Die
Voraussetzungen für eine Eigenhaftung des Reisebüros als Dritter aus
c.i.c. (§ 311 III BGB), nämlich wirtschaftliches Eigeninteresse und
Inanspruchnahme besonderen eigenen Vertrauens verneint der Senat völlig zu
recht (s. dazu auch Köhler/Lorenz, PdW SchuldR I Fall
82): Nach § 311 III (der die bisherige Rspr. kodifiziert) können jedoch
unter bestimmten Voraussetzungen auch vertragsfremde Dritte aus c. i. c.
haften. Vor der gesetzlichen Regelung, die eine sachliche Änderung nicht
beabsichtigte, hatten sich dabei in der Rspr. im Wesentlichen zwei
Fallgruppen herausgebildet. Danach haftete ein Vertreter bzw.
Verhandlungsgehilfe persönlich, wenn er entweder (a) ein eigenes
unmittelbares wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hatte (s. BGH
NJW 2002, 208) oder (b) in besonderem Umfang das persönliche Vertrauen des
Verhandlungsgegners für die eigene Person in Anspruch genommen hatte (s.
BGH
NJW 1997, 1233;
BGH
NJW 2002, 1335;
BGH NJW-RR 2003, 1037;
BGH v. 12.11.2003 - VIII ZR 268/02).
Beide Fallgruppen werden jetzt von § 311 III erfasst. Die Fallgruppe a), die
heute auf § 311 III S. 1 gestützt werden kann, wurde dabei von der Rspr.
freilich zuletzt zu recht sehr restriktiv gehandhabt und nur dann bejaht,
wenn der Verhandlungsgehilfe/Stellvertreter mit dem Vertrag bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein eigenes Geschäft besorgte („procurator
quasi in rem suam“). Ein bloßes mittelbares Eigeninteresse (etwa in Bezug
auf Provisionen und dergl.) ist nicht ausreichend. Aus diesem Grund kommt
auch keine Eigenhaftung des Reisebüros in Betracht, da dieses (nur) ein
Provisionsinteresse hat. Fallgruppe b) ist nunmehr als Regelbeispiel in §
311 III S. 2 aufgenommen. Die Inanspruchnahme solchen "besonderen"
Vertrauens verneint der Senat aber ebenfalls vollkommen zu recht. Merke: Die
Dritthaftung aus c.i.c. ist eine Ausnahme von der Relativität vertraglicher
bzw. vorvertraglicher Schuldverhältnisse, § 311 III BGB ist daher eng
auszulegen! S. auch BGH, v. 2.6.2008 - II ZR
210/06. Zur Abgrenzung zwischen Reisebüro und
Reisevermittler s. BGH v. 30.9.2010 – Xa ZR 130/08.
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Reisebüro, das ihr eine
Pauschalreise vermittelte, Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung
über die Einreisebestimmungen.
Die Klägerin ließ sich bei dem Beklagten, der Pauschalreisen mehrerer
Reiseveranstalter vertreibt, beraten und buchte dann für sich und ihre
Familie eine Pauschalreise nach Bulgarien. Für die Einreise in diesen Staat
ist ein Reisepass erforderlich. Der 16jährige Sohn der Klägerin besaß keinen
solchen. Er wurde deshalb am geplanten Abreisetag am Schalter des
Reiseveranstalters im Flughafen Hannover zurückgewiesen. Die Klägerin buchte
daraufhin den Flug auf den nächsten Tag ab Rostock um, und die Familie fuhr
mit einem Mietwagen zunächst zurück nach Bremen, wo sie den fehlenden
Reisepass beschaffte, und von dort am nächsten Tag nach Rostock. Durch die
Umbuchungsgebühr und die Mietwagen- und Benzinkosten entstand ein Aufwand
von insgesamt 678,75 €, welchen die Klägerin zuzüglich einer Entschädigung
von 221,71 € für einen verlorenen Reisetag vom Beklagten ersetzt verlangt.
Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des
erstinstanzlichen Urteils hat die Klägerin ihre Behauptung, die sie
beratende Mitarbeiterin des Beklagten habe ihr auf Nachfrage erklärt, für
die Einreise genüge ein Personalausweis, nicht beweisen können, hat aber
andererseits auch der Beklagte nicht bewiesen, dass seine Angestellte der
Klägerin einen Reiseprospekt aushändigte, aus dessen Preisteil sich das
Erfordernis des Reisepasses ergab. Unstreitig ist, dass die Mitarbeiterin
des Beklagten die Klägerin über diese Einreisevoraussetzung nicht von sich
aus mündlich aufklärte.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist
erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen
Schadensersatzanspruch der klagenden Reisekundin gegen das beklagte
Reisebüro verneint. Nicht das Reisebüro, sondern allein der
Reiseveranstalter war verpflichtet, die Kundin über das Passerfordernis zu
informieren.
I. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Ein Reisebüro brauche den
Reisekunden nicht über die Notwendigkeit eines Reisepasses aufzuklären.
Anders als der Reiseveranstalter, den weitergehende Hinweispflichten träfen,
weil er die Reise selbst durchführe und für den Erfolg einzustehen habe, sei
das Reisebüro nur Vermittler und schulde dem Kunden nur Beratung bei der
Auswahl derjenigen Reise, die den Erwartungen und Bedürfnissen des Kunden am
Besten entspreche. Die Beratungspflicht des Reisebüros beziehe sich deshalb
nur auf die für die Auswahl der Reise entscheidenden Umstände, also z.B.
Lage, Klima und touristische Angebote des Urlaubsorts, Abflug- und
Ankunftsflughafen, Fluggesellschaft, Größe und Lage des Hotels, nicht aber
auf die für die Auswahl in der Regel nicht bedeutsame Frage, ob ein
Reisepass erforderlich sei. Unabhängig davon dürfe das Reisebüro davon
ausgehen, es sei dem Kunden bekannt, dass der Reisepass das klassische
Legitimationspapier für das Ausland darstelle und deshalb grundsätzlich für
jeden Auslandsaufenthalt ein Reisepass erforderlich sei. Ausnahmen von
diesem Grundsatz gälten zwar in den Ländern der Europäischen Union, für die
ein Personalausweis genüge, jedoch habe der Beklagte die Klägerin nicht über
die Selbstverständlichkeit aufklären müssen, dass Bulgarien nicht Mitglied
der Europäischen Union sei.
II. Zumindest die Hauptbegründung des Berufungsurteils hält der rechtlichen
Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht ist mit der ganz herrschenden Meinung in der
Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur davon ausgegangen,
dass zwischen einem Reisebüro, das mehrere Reiseveranstalter vertritt, und
einem Kunden, den es bei der Auswahl einer Pauschalreise berät,
stillschweigend ein selbständiger Vertrag mit Haftungsfolgen zustandekommt,
der zumeist als Reisevermittlungsvertrag bezeichnet wird (s. nur LG
Frankfurt a.M. RRa 1999, 55; LG Kleve RRa 2000, 210; LG Frankfurt a.M. RRa
2002, 26; AG Kronach RRa 2002, 83; LG Baden-Baden RRa 2003, 82; Baumbach/Hopt,
HGB, 32. Aufl., § 84 Rdn. 49; Dewenter, Die rechtliche Stellung des
Reisebüros, S. 42 f.; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rdn. 701; MünchKomm/Tonner,
BGB, 4. Aufl., § 651a Rdn. 44; Neuner, ACP 1993, S. 1, 23; Nies, Reisebüro,
2. Aufl., Rdn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., vor § 651 a Rdn. 4).
Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher offengelassen (Urt. v.
19.11.1981 - VII ZR 238/80, BGHZ 82, 219, 223 f.; v. 10.12.2002 - X ZR
193/99, NJW 2003, 743). Auch der vorliegende Fall nötigt den erkennenden
Senat insoweit nicht zu einer Entscheidung.
2. Denn zu Recht hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der von ihm
grundsätzlich für möglich erachteten eigenen vertraglichen Haftung des
Reisebüros weiter entschieden, dass im konkreten Fall der Klägerin
gleichwohl kein Schadensersatzanspruch zusteht (§ 280 Abs. 1 BGB), weil der
Beklagte nicht gegen seine eigenen Beratungspflichten verstoßen hat, als er
die Klägerin nicht über das Passerfordernis für die empfohlene Reise nach
Bulgarien informierte.
a) Sollte zwischen dem Reisebüro und dem Kunden ein eigener Vertrag
zustandegekommen sein, so hat das Berufungsgericht für diesen Fall
zutreffend ausgeführt, dass das Reisebüro dem Kunden Beratung nur bei der
Auswahl der Reise schuldet, während die davon zu trennende Durchführung der
gewählten Reise mitsamt den dabei anfallenden weiteren Aufklärungs- und
Hinweispflichten Sache des Reiseveranstalters ist, und dass - zumindest im
Regelfall - die Unterrichtung über ein Pass- oder Visumerfordernis nicht zur
Beratung bei der Auswahl, sondern zur Durchführung der Reise gehört (so
auch schon LG Frankfurt aaO; LG Kleve aaO; AG Kronach aaO; LG Baden-Baden
aaO; im Ergebnis gegen eine Pflicht des Reisebüros zur ungefragten Belehrung
auch MünchKomm/Tonner, aaO Rdn. 38; Niehuus, ZAP 2003, Fach 6, S. 753, 757;
a.A. Tempel, RRa 1999, 56, 57). "Durchführung" ist dabei in dem Sinne zu
verstehen, dass auch schon die Buchung der ausgewählten Reise dazugehört.
aa) Falls das Reisebüro eigene vertragliche Beratungspflichten gegenüber
dem Reisekunden hat, so enden diese im Allgemeinen in dem Zeitpunkt, in dem
die Auswahlberatung abgeschlossen ist und der Kunde sich für eine bestimmte
Reise - oder zunächst nur für einen bestimmten Veranstalter - entscheidet.
Nach dieser Auswahlentscheidung beginnen die Verhandlungen über den
konkreten Reisevertrag des Kunden mit einem bestimmten Reiseveranstalter und
setzt damit die vorvertragliche Haftung dieses Reiseveranstalters für ein
Verhandlungsverschulden des Reisebüros als seines Erfüllungsgehilfen ein
(Dewenter, S. 68). Somit entsteht keine Schutzlücke für den Reisekunden,
wenn die Haftung des Reisebüros mit der Auswahlentscheidung endet. Neben der
Haftung des Reiseveranstalters fortbestehende eigene Vertragspflichten des
Reisebüros würden zu einer konkurrierenden Haftung und Gesamtschuldnerschaft
von Reisebüro und Veranstalter führen (so Dewenter, S. 70; Führich, Rdn.
704; konkludent auch LG Frankfurt a.M. RRa 2002, 26), die indessen nicht
erforderlich ist, weil der Reisekunde keinen doppelten Schutz benötigt.
Insbesondere die für die Durchführung der von ihm ausgewählten Reise
erforderlichen Informationen braucht der Kunde weder in doppelter Ausführung
noch braucht er für den Fall der unterlassenen oder unrichtigen Information
einen zweiten Haftungsgegner. Es besteht mithin keine Notwendigkeit, auch
das Reisebüro mit diesen schon den Veranstalter treffenden
Informationspflichten zu belasten.
Deshalb ist auch kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, vom
Grundsatz der fehlenden Vertragsbeziehungen zwischen Handelsvertreter und
Kunden abzuweichen. Ein Reisebüro, das sich durch einen Agenturvertrag einem
Reiseveranstalter verpflichtet, dessen Reisen zu vertreiben, und von diesem
dafür Provision erhält, ist dessen Handelsvertreter (§ 84 Abs. 1 Satz 1
HGB; st. Rspr. d. BGH, zuletzt SenUrt., NJW 2003, 743; vgl. auch Urt. v.
25.03.1987 - IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60 für den Versicherungsvertreter).
Zwischen dem Handelsvertreter und den Kunden des von ihm vertretenen
Unternehmers kommt in der Regel kein eigener Vertrag zustande (Baumbach/Hopt,
aaO). Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens des Handelsvertreters bei
seinen Verhandlungen mit dem Kunden über den zwischen diesem und dem
Unternehmer abzuschließenden Hauptvertrag richten sich deshalb grundsätzlich
allein gegen den Unternehmer, der für den Handelsvertreter als seinen
Erfüllungsgehilfen einstehen muss (§ 278 BGB). Nur ausnahmsweise kann der
Vertreter persönlich neben dem Unternehmer haften, wenn er entweder
gegenüber dem Vertragspartner in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch
genommen und dadurch die Verhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich
beeinflusst hat (§§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB) oder wenn er am
Vertragsschluss ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse hat
(st. Rspr. d. BGH; vgl. nur Urt. v. 03.04.1990 - XI ZR 206/88, NJW 1990,
753). Beide Voraussetzungen sind bei einem Reisebüro normalerweise nicht
gegeben. Dass das Reisebüro mit seiner Sachkunde wirbt, bedeutet keine
Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Diese liegt nicht schon
dann vor, wenn der Vertreter über die für seine Tätigkeit erforderliche
besondere Sachkunde verfügt und darauf hinweist. Erforderlich ist vielmehr,
dass er dem Kunden zusätzlich in zurechenbarer Weise den Eindruck
vermittelt, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße
Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde dem
Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut (BGH, aaO). Das ist bei einem
Reisebüro nicht der Fall (LG Frankfurt a.M. RRa 1999, 55; LG Kleve
NJW-RR 2002, 558; AG Kronach aaO; a.A. Neuner, S. 20; offengelassen von
Tempel, S. 58). Das Reisebüro hat an der Buchung der Pauschalreise auch kein
unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse. Der Provisionsanspruch
eines Handelsvertreters reicht dafür nicht aus, weil dieser lediglich ein
mittelbares wirtschaftliches Interesse begründet (BGH, Urt. v.
17.10.1989 - XI ZR 173/88, NJW 1990, 506).
Somit trifft die Pflicht, dem Kunden diejenigen Informationen zu erteilen,
die nur für die von ihm ausgewählte konkrete Reise eines bestimmten
Veranstalters von Bedeutung sind, allein den Reiseveranstalter.
bb) Zu diesen allein vom Reiseveranstalter geschuldeten Informationen gehört
die Belehrung darüber, dass ein Reisepass erforderlich ist. Sie ist bei der
vom Reisebüro geschuldeten Auswahlberatung im Allgemeinen ohne Bedeutung und
wird erst erforderlich, wenn der Kunde sich für eine bestimmte Reise
entschieden hat.
Im Rahmen der Auswahlberatung muss das Reisebüro mit der Sorgfalt eines
ordentlichen Reisebürokaufmanns die Wünsche des Kunden erforschen, eine
Produktauswahl vorlegen, die seinen Wünschen und Möglichkeiten entspricht
(Nies, Rdn. 105), und ungefragt diejenigen Umstände offenlegen, von denen
die Kunden erfahrungsgemäß ihre Entscheidung abhängig machen. Dazu gehören
alle wesentlichen Merkmale der Reise, unter anderem die vom Berufungsgericht
beispielhaft genannten Faktoren Lage, Klima und touristische Angebote des
Urlaubsorts, Größe und Lage des Hotels, Abflug- und Ankunftsflughafen und
Fluggesellschaft, sowie der Reisepreis. Hingegen spielt die Frage, ob für
die Einreise in das Urlaubsland der Personalausweis genügt oder aber ein
Reisepass bzw. ein Visum erforderlich ist, in der Regel bei der Auswahl der
Reise keine nennenswerte Rolle. Die verhältnismäßig geringen zusätzlichen
Mühen und Kosten, die mit der Beschaffung eines Reisepasses oder Visums
verbunden sind, schrecken den Reiseinteressenten von einer ansonsten seinen
Wünschen entsprechenden Reise nicht ab.
Im Fall der Klägerin liegen auch keine Besonderheiten vor, die eine andere
Beurteilung rechtfertigen würden. Zwar muss das Reisebüro, das seine
Beratung an den persönlichen Wünschen und Bedürfnisses des einzelnen Kunden
auszurichten hat, im Einzelfall außer den Faktoren, die erfahrungsgemäß für
die meisten Reisekunden von Bedeutung sind, auch noch weitere Umstände
unaufgefordert darlegen, wenn es erkennen kann, dass es dem betreffenden
Kunden aufgrund seiner speziellen persönlichen Situation auf diese Umstände
ankommt. Zutreffend ist deshalb in der Rechtsprechung die Pflicht des
Reisebüros, ungefragt auf Einreisebedingungen hinzuweisen, für den Fall
bejaht worden, dass deren Relevanz für die vom Kunden beabsichtigte Reise
naheliegt (LG Frankfurt a.M. RRa 2002, 26). Die Klägerin hat indessen nicht
vorgetragen, dass für ihre Auswahlentscheidung das von ihr angenommene
Fehlen des Passzwangs ausnahmsweise von Bedeutung war, sondern sie hat im
Gegenteil erklärt, dass die rechtzeitige Beschaffung des Passes ihr keine
Schwierigkeiten bereitet hätte.
cc) Das Reisebüro braucht den Interessenten auch nicht etwa deshalb
unaufgefordert über das Pass- oder Visumerfordernis zu belehren, weil der
Interessent ansonsten möglicherweise Gefahr laufen würde, eine Reise zu
buchen, für die er das notwendige Einreisepapier nicht oder nicht
rechtzeitig beschaffen kann. Denn nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB-InfoV
ist der Veranstalter der Reise verpflichtet, den Kunden schon vor der
Buchung über etwaige Pass- oder Visumerfordernisse und die Fristen zur
Erlangung dieser Dokumente zu unterrichten. Im faktischen Geschehensablauf
wird diese Unterrichtung zwar oft vom Reisebüro vorgenommen - das zum
Beispiel einen Prospekt übergibt, der die Belehrung vor der Buchung
entbehrlich macht (§ 5 letzter Halbsatz BGB-InfoV) -, jedoch handelt das
Reisebüro dann als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters (Dewenter, S.
72).
dd) Die durch §§ 4, 5 BGB-InfoV konkretisierten Informationspflichten des
Reiseveranstalters bestimmen nicht etwa gleichzeitig den Umfang der
Hinweispflichten des Vermittlers. Vielmehr spricht die Unterrichtungspflicht
des Reiseveranstalters nach §§ 4, 5 BGB-InfoV eher gegen eine konkurrierende
inhaltsgleiche Pflicht des Reisebüros (so schon LG Kleve NJW-RR 2002, 558).
Die Richtlinie 90/314/EWG, deren Umsetzung die deutsche
BGB-Informationspflichten-Verordnung dient, hat es dem nationalen
Gesetzgeber ausdrücklich freigestellt, ob "der Veranstalter und/oder der
Vermittler" den Verbraucher vor Vertragsschluss schriftlich oder in einer
anderen geeigneten Form über die Pass- und Visumerfordernisse unterrichtet
(Art. 4 Abs. 1 lit. a der Richtlinie). Da der deutsche Gesetzgeber sich
angesichts dieser Wahlmöglichkeit bewusst dafür entschieden hat, nur den
Veranstalter zu verpflichten, bestehen Bedenken, ob die Gerichte überhaupt
befugt wären, im Wege der Auslegung des Reisevermittlungsvertrages dieselbe
Pflicht auch dem Vermittler aufzuerlegen. Auf jeden Fall hat der Gesetzgeber
ihnen eine derartige Auslegung nicht vorgegeben.
b) Da nach alledem das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, dass das
Reisebüro dem Kunden schon deshalb keine unaufgeforderte Belehrung über ein
Pass- oder Visumerfordernis schuldet, weil diese Pflicht allein den
Reiseveranstalter trifft, kann dahinstehen, ob auch die weitere Begründung,
mit der das Berufungsgericht eine Informationspflicht des Reisebüros wegen
fehlender Belehrungsbedürftigkeit der Klägerin verneint hat, der rechtlichen
Nachprüfung standhalten würde.
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