Eigenhaftung eines
Verhandlungsgehilfen aus vorvertraglichem Verschulden (Sachwalterhaftung –
jetzt § 311 Abs. 3, 2 iVm § 241 Abs. 2 BGB n.F.) bzw. aus Schlechterfüllung
eines stillschweigenden geschlossenen Beratungsvertrags; Internationales
Privatrecht: Sachwalterhaftung und anwendbares Recht; Vertragsstatut eines
Beratervertrags; Überprüfung der Frage des anwendbaren Rechts sowie dessen
Ermittlung durch das Revisionsgericht
BGH, Urteil vom 12.
November 2003 - VIII ZR 268/02
Fundstelle:
NJW-RR 2004, 308
Amtl. Leitsätze:
1. Zu Fragen einer Sachwalterhaftung im Rahmen des Abschlusses eines
Franchisevertrages.
2. Zur Überprüfung der auf die Entscheidung des Rechtsstreits anzuwendenden
Rechtsordnung durch das Revisionsgericht.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist sowohl kollisionsrechtlich als auch prozeßrechtlich
und materiellrechtlich lehrreich. Die Kl. hat mit einem Franchisegeber einen
Vertrag über den Betrieb eines Schnellrestaurants in einem Kinocenter
geschlossen. Vor Vertragsschluß erfolgte eine Standortanalyse durch die Bekl.,
die als Vertreterin des Franchisegebers (und späteren Vertragspartners)
handelte. Nachdem sich der Betrieb des Restaurants als verlustreich erwies,
verlangte die Kl. von der Bekl. Schadensersatz wegen einer fehlerhaften
Beratung.
In Betracht kommen dabei Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden oder aus
der Verletzung eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrags. Dabei
geht es im Bereich des vorvertraglichen Verschuldens um die als
„Sachwalterhaftung“ bezeichnete Frage, ob auch eine Person, die nicht selbst
Partei des angebahnten Vertrages werden soll, selbst aus culpa in
contrahendo haften kann. Die Rspr. bejaht dies bei der Inanspruchnahme
„besonderen Vertrauens“ (s. dazu etwa die Anm. zu
BGH NJW-RR 2003, 1037;
BGH NJW 1997, 1233; sowie zu
BGH, Urt. v. 25.4.2006 - X ZR 198/04; zur Haftung eines nur scheinbaren Vertragspartners
aus c.i.c. s. BGH NJW 2001, 2716). Seit dem
1.1.2002 ist dies nun auch gesetzlich geregelt. Anspruchsgrundlage wäre
nunmehr §§ 280 I iVm 311 II, III, 241 II, s. dazu die Anm. zu
BGH NJW-RR 2003, 1037.
Zunächst beschäftigt sich der BGH aber mit der Frage des anwendbaren Rechts,
da der Franchisevertrag selbst kraft Rechtswahl (s. Art. 27 Abs. 1 EGBGB)
walisischem Recht unterlag. Er läßt die Frage der
international-privatrechtlichen Qualifikation der c.i.c. dabei offen und
löst den Fall alternativ nach englisch/walisischem sowie nach deutschem
Recht, weil beides zur Klageabweisung führt.
Das darf nur ein Revisionsgericht: Da nämlich ausländisches Recht nicht
revisibel ist (§§ 545 Abs. 1, 560 ZPO; dies gilt nicht für
Ermittlungsfehler, die nach als Verletzung von § 293 ZPO mit der
Verfahrensrüge angegriffen werden können, s. dazu
BGH NJW 1991, 1418 sowie BGH v. 23.6.2003, II
ZR 305/01), darf nach Ansicht des BGH eine Tatsacheninstanz die Frage,
ob deutsches oder ausländisches Recht zur Anwendung kommt nicht offenlassen,
weil sonst die Überprüfbarkeit des Urteils eingeschränkt würde. Da das
Kollisionsrecht selbst, also die Frage des anwendbaren Rechts, in Anwendung
deutschen internationalen Privatrechts beantwortet wird, hat der BGH die
Frage, ob die Vorinstanz das IPR richtig angewendet hat, von Amts wegen zu
überprüfen, ohne daß dies von den Parteien gerügt werden muß. Es handelt
sich um eine Sachrüge iSv § 557 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Tatsache, daß
ausländisches Recht nach § 560 ZPO nicht revisibel ist, hindert das
Revisionsgericht nicht daran, den Inhalt ausländischen Rechts selbst
festzustellen und dieses anzuwenden, wenn die Vorinstanz dieses gar nicht
angewendet hatte.
Ein konkludent geschlossener Beratungsvertrag unterläge gem. Art. 28 Abs. 1,
2 EGBGB hier deutschem materiellem Recht. Der BGH läßt dessen Zustandekommen
offen, weil jedenfalls keine Pflichtverletzung vorliegt.
Zur zitierten Entscheidung des House of Lords in Sachen
Hedley Byrne & Co. Ltd. v. Heller & Partners Ltd.
[1964] A.C. S. 465) s. hier.
©sl 2004
Tatbestand:
Die U. GmbH (nachfolgend: U GmbH), die mehrere Kinocenter in Deutschland
betreibt, plante Mitte der neunziger Jahre ein weiteres Objekt mit
verschiedenen Kinos und drei Restaurants auf der Rückseite des Hauptbahnhofs
in D. . Die Einzelheiten waren dem Zeugen W. bekannt, der damals als "Operations-Director"
der U. GmbH die neu eröffneten Kinocenter zu betreuen hatte. Zusammen mit
mehreren hinter ihm stehenden Investoren wollte er zumindest eines der drei
Restaurants in dem neuen Kinocenter betreiben und sich dabei eines bewährten
Franchisekonzepts bedienen. Zu diesem Zweck wandte er sich im März 1996 an
die damals als T. Restaurants International Ltd. & Co. KG firmierende
Beklagte, die als Vertreterin der in den USA ansässigen P. Inc. deren
Franchisekonzept in Deutschland vermarktet. Es kam zu längeren, zeitweise
unterbrochenen Vertragsverhandlungen. Im Mai 1997 gründete der Zeuge W. die
Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, und ihre Komplementär-GmbH, deren
Geschäftsführer er zunächst war. Im Oktober 1997 schloß die Klägerin einen
Mietvertrag für das Ladenlokal, in dem das Restaurant betrieben werden
sollte. Im Verlauf der weiteren Vertragsverhandlungen mit der Beklagten
erstellte diese im November 1997 eine Standortanalyse und
Wirtschaftlichkeitsberechnung, in die auch Angaben des Zeugen W. über die
von der U. GmbH erwarteten Zahlen der Kinobesucher einflossen. Über der
Überschrift der Wirtschaftlichkeitsberechnung steht "DATENMATERIAL OHNE
GEWÄHR!"; in einer Fußnote zur Überschrift heißt es:
"Die vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung wurde auf Grundlage uns
vorgelegter Daten und unter Hinzunahme von Erfahrungswerten aus
vergleichbaren companyeigenen Restaurants erstellt. T. [= Beklagte] kann
keine Garantie für die Richtigkeit der uns zur Verfügung gestellten Daten
übernehmen ..."
Darüber hinaus erklärte die Beklagte dem Zeugen ausdrücklich, daß sie die
zugrunde gelegten Zahlen von dritter Seite erhalten habe und für deren
Richtigkeit nicht einstehen könne. Nach weiteren Verhandlungen kam es am 1.
Dezember 1997/20. Januar 1998 zum Abschluß eines Franchisevertrages zwischen
der Klägerin und der P. Inc., der die Anwendung des englischen und
walisischen Rechts vorsieht. Anfang 1998 eröffnete die Klägerin das
Restaurant. Sie erzielte nicht die in der Standortanalyse und
Wirtschaftlichkeitsberechnung erwarteten Umsätze und Gewinne, sondern machte
nach ihrer Behauptung statt dessen Verluste. Anfang Februar 1999 schloß die
Klägerin das Restaurant wieder.
In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagte unter anderem
auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.148.073,33 DM sowie weiterer
327.825,71 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen (Anträge zu 1 und 2) und die
Feststellung begehrt, daß ihr die Beklagte zur Erstattung des weiteren
Schadens verpflichtet sei, der ihr durch die Schließung des Restaurants
Anfang Februar 1999 entstanden sei und noch entstehen werde (Antrag zu 4).
Sie hat geltend gemacht, obwohl die Beklagte nicht selbst Partei des
Franchisevertrages geworden sei, sei sie ihr, der Klägerin, aus dem
Gesichtspunkt der sogenannten Sachwalterhaftung und aus einem
stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrag zum Schadensersatz
verpflichtet, weil die von der Beklagten erstellte Standortanalyse und
Wirtschaftlichkeitsberechnung unzutreffend gewesen sei. Dem ist die Beklagte
entgegengetreten, die zudem die Auffassung geäußert hat, auch in ihrem
Verhältnis zur Klägerin gelte gemäß der in dem Franchisevertrag getroffenen
Rechtswahlvereinbarung das englische und walisische Recht. Das Landgericht
hat die Klage in Anwendung des englischen und walisischen Rechts abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich
die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Klägerin, mit der
diese ihre oben bezeichneten Anträge zu 1,
2 und 4 weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von
Interesse, ausgeführt:
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien finde entgegen der Ansicht des
Landgerichts deutsches Recht Anwendung. In Bezug auf die von der Klägerin
geltend gemachte Sachwalterhaftung der Beklagten sei das anzuwendende Recht
nicht durch eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut des
angebahnten Vertrages, sondern durch gesonderte Anknüpfung zu bestimmen,
weil die Haftung des Sachwalters auf einem von dem angebahnten Vertrag
unabhängigen Schuldverhältnis beruhe. Offenbleiben könne, ob das
Vertragsstatut dieses Schuldverhältnisses oder das Deliktsstatut maßgebend
sei. Denn beides führe hier analog Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB
beziehungsweise nach den seinerzeit vor dem Inkrafttreten des Art. 40 EGBGB
geltenden Rechtsregeln zur Anwendung deutschen Rechts. Auch auf den nach der
Behauptung der Klägerin konkludent geschlossenen Beratungsvertrag der
Parteien sei gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB deutsches Recht anzuwenden.
Unter Zugrundelegung deutschen Rechts könne die Klägerin von der Beklagten
keinen Schadensersatz beanspruchen.
Die Beklagte hafte nicht wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen. Da
sie die Vertragsverhandlungen lediglich als Vertreterin der P. Inc. geführt
habe, hafte sie nur unter den besonderen Voraussetzungen der sogenannten
Sachwalterhaftung. Ob diese Voraussetzungen hier gegeben seien, namentlich
die Beklagte besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe,
könne trotz Bedenken offenbleiben. Denn eine Haftung der Beklagten scheide
jedenfalls deswegen aus, weil sie keine vorvertraglichen Pflichten verletzt
habe. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die Standortanalyse und
Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten nicht deshalb mangelhaft, weil
diese keine eigenen Erhebungen über die Zahl der zu erwartenden
Restaurantbesucher durchgeführt habe. Hierzu sei die Beklagte nach den
Umständen nicht verpflichtet gewesen. Der geschäftliche Kontakt zu der
Klägerin sei von dem Zeugen W. ausgegangen, der auf seine einschlägigen
Erfahrungen mit "P. "-Restaurants in zwei anderen Kinocentern der U. GmbH
verwiesen habe. Der von dem Zeugen selbst vorgeschlagene Standort für das
von ihm geplante Restaurant in dem neuen Kinocenter hinter dem Hauptbahnhof
in D. habe nicht zur Disposition gestanden. Anders sei nicht zu erklären,
daß die Klägerin den Mietvertrag für das Lokal geschlossen habe, als noch
über den Franchisevertrag verhandelt worden sei. Danach sei es bei der von
der Beklagten erstellten Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung
allein darum gegangen, ob das "P. "-Franchisekonzept zu dem feststehenden
Standort passe. Unter diesen Umständen habe die Beklagte auf die von dem
einschlägig erfahrenen Zeugen W. eingebrachten Daten über die zu erwartenden
Kinobesucher vertrauen dürfen. Die von der Deutschen Bahn AG zur Verfügung
gestellte Zahl der Bahnreisenden im Hauptbahnhof D. sei ebenfalls eine
einigermaßen sichere Information gewesen, die eigene Erhebungen der
Beklagten entbehrlich gemacht habe. Die Beklagte habe zudem ausdrücklich
darauf hingewiesen, daß sie die zugrunde gelegten Zahlen von dritter Seite
erhalten habe und dafür keine Gewähr übernehmen könne. In diesem Hinweis sei
zwar keine Haftungsfreizeichnung zu sehen. Damit habe die Beklagte jedoch
auf die eingeschränkte Aussagekraft und Verbindlichkeit der Daten aufmerksam
gemacht und deutlich zu erkennen gegeben, daß die Zahlen der Kinobesucher
und Passanten nicht unerhebliche Schätzungenauigkeiten aufweisen könnten.
Auch im übrigen sei die Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung
der Beklagten nach dem in erster Instanz eingeholten
Sachverständigengutachten weitgehend nicht zu beanstanden und jedenfalls im
Ergebnis haltbar. Sie weise lediglich in einem Detailbereich, nämlich bei
der Schätzung der Zahl der Passanten aus der Zahl der Bahnreisenden und der
sonstigen Bahnhofsbesucher, Unsicherheiten und methodische Schwächen auf,
die jedoch keine wesentlichen Auswirkungen auf das Gesamtergebnis gehabt
hätten. Der Mißerfolg des Restaurants sei nach der eigenen Darstellung der
Klägerin vor allem darauf zurückzuführen, daß sich ihre eigenen Erwartungen
bezüglich der Zahl der Kinobesucher nicht erfüllt hätten.
Aus denselben Gründen hafte die Beklagte der Klägerin auch nicht wegen
positiver Vertragsverletzung. Ob stillschweigend ein Beratungsvertrag
zwischen den Parteien geschlossen worden sei, erscheine insbesondere im
Hinblick darauf zweifelhaft, daß die Beklagte bei den Verhandlungen über den
Franchisevertrag immer nur als Vertreterin der P. Inc. aufgetreten sei und
kein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt habe. Das könne aber
letztlich dahingestellt bleiben, weil sich ein Beratungsvertrag
gegebenenfalls mangels ausdrücklicher Abreden auf die Erstellung der
Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung beschränkt habe und die
Beklagte dabei, wie dargelegt, keine Pflichten verletzt habe.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Klägerin von der
Beklagten keinen Schadensersatz beanspruchen kann.
1. a) Keiner Entscheidung bedarf allerdings, ob in Bezug auf die von der
Klägerin geltend gemachte Sachwalterhaftung der Beklagten an das
Vertragsstatut des angebahnten Vertrages (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 -
II ZR 241/85, NJW 1987, 1141 ohne Begründung; ferner z. B. Ahrens, IPRax
1986, 355, 359 f.; MünchKomm/Spellenberg, BGB, 3. Aufl., Art. 32 EGBGB Rdnr.
45), an das Vertragsstatut eines davon unabhängigen Schuldverhältnisses
(z.B. Dörner, JR 1987, 201, 202 f.; Palandt/Heldrich, BGB, 62. Aufl., Art.
32 EGBGB Rdnr. 8; differenzierend Staudinger/v. Hoffmann, BGB, 13. Bearb.,
Vorb. zu Art. 40 Rdnr. 14; Soergel/Lüderitz, BGB, 12. Aufl., Art. 38 EGBGB
Rdnr. 85) oder an das Deliktsstatut (z. B. OLG Frankfurt am Main, IPRax
1986, 373, 378; Erman/Hohloch, BGB, 10. Aufl., Art. 32 EGBGB Rdnr. 21;
Kreuzer, IPRax 1988, 16, 20) anzuknüpfen ist und ob demgemäß insoweit
englisches und walisisches oder, der Ansicht des Berufungsgerichts folgend,
deutsches Recht Anwendung findet. Allerdings hat das Revisionsgericht über
die Frage, welche Rechtsordnung für die Entscheidung des Rechtsstreits
heranzuziehen ist, grundsätzlich auch dann zu befinden, wenn - wie im
gegebenen Fall - die Revision die Beurteilung durch das Berufungsgericht
ausdrücklich unbeanstandet läßt und der Revisionsgegner insoweit keine
Gegenrüge erhebt. Führt die Anwendung deutschen oder fremden Rechts nicht zu
verschiedenen Ergebnissen, kann es aber in der Revisionsinstanz
offenbleiben, welches sachliche Recht auf das streitige Rechtsverhältnis
anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 25. Januar 1991 - V ZR 258/89, WM 1991, 837
unter 2 a; Urteil vom 21. September 1995 - VII ZR 248/94, WM 1995, 2113
unter I 2 c (2), jew. m.w.Nachw.). So ist es hier. Unabhängig davon, ob
deutsches oder englisches und walisisches Recht zur Anwendung kommt, ist für
die von der Klägerin geltend gemachte Sachwalterhaftung der Beklagten eine
vorvertragliche Pflichtverletzung erforderlich, an der es auf Seiten der
Beklagten fehlt.
aa) Nach deutschem Recht kann unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise
auch ein Dritter, der selbst nicht Vertragspartei werden soll, an den
Vertragsverhandlungen aber als Vertreter, Vermittler oder Sachwalter einer
Partei beteiligt ist, wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in
contrahendo) haften (Senatsurteil vom 29. Januar 1997 - VIII ZR 356/95, WM
1997, 1431 unter II 1 mit zahlreichen w.Nachw.). Ob die besonderen
Voraussetzungen dieser sogenannten Sachwalterhaftung auf seiten der
Beklagten als Vertreterin der P. Inc. vorliegen, hat das Berufungsgericht
trotz Bedenken letztlich offengelassen; in der Revisionsinstanz kann es
zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Im vorliegenden Zusammenhang ist
allein von Bedeutung, daß die Sachwalterhaftung als besonderer
Anwendungsfall der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen die
Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht des Vertreters, Vermittlers oder
Sachwalters voraussetzt.
bb) Das englische und walisische Recht darf der Senat selbst ermitteln.
Gemäß § 560 ZPO in Verbindung mit § 545 Abs. 1 ZPO ist zwar die Entscheidung
des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt des ausländischen
Rechts für das Revisionsgericht maßgebend. Hat jedoch das Berufungsgericht -
wie hier - das nicht revisible ausländische Recht außer Betracht gelassen
und infolgedessen nicht gewürdigt, ist das Revisionsgericht nicht gehindert,
es selbst zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, da es sich
hierbei nicht um die unzulässige Nachprüfung einer Entscheidung des
Berufungsgerichts handelt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - III ZR
133/95, WM 1996, 2063 = NJW 1996, 3151 unter II 1; Zöller/Geimer, ZPO, 23.
Aufl., § 293 Rdnr. 28, jew. m.w.Nachw.; vgl. ferner BGHZ 24, 159, 164; 36,
348, 350 ff.; 40, 197, 200 f.).
Im vorliegenden Fall kann der Senat nach eigener Prüfung an die
Feststellungen anknüpfen, die das Landgericht auf der Grundlage des Vortrags
der Parteien und der von ihnen benannten Rechtsquellen zur Eigenhaftung des
Vertreters einer Vertragspartei nach dem englischen und walisischen Recht
getroffen hat. Danach besteht zwar keine vertragliche Haftung des Vertreters
einer Vertragspartei gegenüber der anderen Vertragspartei für die hier in
Rede stehende fahrlässig falsche Beratung ("negligent misrepresentation")
bei Vertragsverhandlungen; vielmehr trifft die vertragliche Haftung nach dem
von der Klägerin angeführten Misrepresentation Act allein den Vertretenen.
Der Vertreter selbst haftet insoweit jedoch deliktsrechtlich gemäß dem Law
of Torts ("tort of negligence"; Kreuzer, IPRax 1988, 16, 20 m.w.Nachw.; vgl.
Adams/Jones, Franchising, Third Edition S. 61 f., Salmond and Heuston, Law
of Torts, Twentieth Edition S. 214 f., Müller, Vorvertragliche und
vertragliche Informationspflichten nach englischem und deutschem Recht,
1994, S. 49 f., Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3.
Aufl., S. 615 f., sämtlich aufgrund der obiter zu der Frage Stellung
nehmenden Entscheidung des House of Lords in
Sachen Hedley Byrne & Co. Ltd. v. Heller & Partners Ltd. [1964] A.C. S. 465).
Demgegenüber hat die Klägerin in der Berufungsschrift unter Hinweis auf ein
von ihr vorgelegtes Rechtsgutachten (dort S. 16 f.) geltend gemacht, der
Vertreter hafte insbesondere bei der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens
nach neuerer Tendenz auch vertraglich. Das kann indessen im vorliegenden
Zusammenhang dahingestellt bleiben, weil auch die von der Klägerin
behauptete vertragliche Haftung des Vertreters gegebenenfalls eine
Pflichtverletzung in Form einer falschen Beratung voraussetzt.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung der Beklagten
als Vertreterin der P. Inc. bei den Vertragsverhandlungen mit der Klägerin
verneint. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatbestandlichen
Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin lediglich beanstandet,
daß die Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten
insbesondere deswegen mangelhaft sei, weil diese keine eigenen Erhebungen
über die Zahl der zu erwartenden Restaurantbesucher durchgeführt habe. Diese
Beanstandung ist nicht berechtigt.
aa) Zu den von der Klägerin vermißten Erhebungen über die Zahl der zu
erwartenden Restaurantbesucher war die Beklagte gemäß der zutreffenden
Ansicht des Berufungsgerichts nach den Umständen nicht verpflichtet. Wie die
Revision selbst einräumt, durfte sich die Beklagte auf die von dem Zeugen W.
in die Verhandlungen eingebrachte Zahl der zu erwartenden Kinobesucher
verlassen, da der Zeuge als "Operations-Director" der U. GmbH einschlägige
Erfahrungen besaß, er den Standort für das von ihm geplante Restaurant in
dem neuen Kinocenter hinter dem Hauptbahnhof in D. selbst vorgeschlagen
hatte und dieser Standort für ihn nicht zur Disposition stand. Daraus ergab
sich bereits ein für den Umsatz wesentlicher Teil der potentiellen
Restaurantbesucher, ohne daß es hierzu weiterer Erhebungen der Beklagten
bedurfte.
Danach beschränkt sich die Beanstandung, die Beklagte habe keine eigenen
Erhebungen zu der Zahl der zu erwartenden Restaurantbesucher durchgeführt,
auf die Laufkundschaft, die sich aus den Straßenpassanten rekrutiert. Die
Zahl der Straßenpassanten hat die Beklagte anhand der - von der Revision
nicht angegriffenen - Zahl der Bahnreisenden und der sonstigen Passanten des
Hauptbahnhofs D. geschätzt. Das ist nicht zu beanstanden. Zutreffend weist
die Revisionserwiderung auf die erstinstanzliche Aussage des Zeugen Dr. B. ,
seinerzeit leitender Mitarbeiter der Beklagten, hin, daß die Ermittlung der
Straßenpassanten wegen der laufenden Bauarbeiten an dem Kinocenter schwierig
und deswegen eine Schätzung erforderlich gewesen sei. Zudem hat der
gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten dargelegt, daß
Passantenzählungen bei einer Standortanalyse für Geschäftsobjekte in der
Größenordnung des hier in Rede stehenden Restaurants nicht allgemein üblich
sind und letztlich auch keine absolute Gewähr für die Richtigkeit einer
hierauf gegründeten Standortanalyse bieten. Dem hat die Revision nichts
entgegen zu setzen.
In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht auch zu Recht ausgeführt,
daß die Beklagte die Klägerin nicht über die Herkunft der ihrer
Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde gelegten Daten
getäuscht hat. Sie hat vielmehr in der Wirtschaftlichkeitsberechnung darauf
hingewiesen und darüber hinaus dem Zeugen W. ausdrücklich erklärt, daß sie
die Zahlen von dritter Seite erhalten habe und keine Gewähr dafür übernehmen
könne. Daraus ergibt sich nach der von der Revision nicht angegriffenen
tatrichterlichen Auslegung des Berufungsgerichts zwar keine
Haftungsfreizeichnung, jedoch ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Daten
nur eine eingeschränkte Aussagekraft und Verbindlichkeit haben und nicht
unerhebliche Schätzungenauigkeiten aufweisen können. Angesichts dessen hätte
die Klägerin auf eigenen Erhebungen der Beklagten bestehen müssen, wenn sie
darauf Wert gelegt hätte. Der Umstand, daß sie dies nicht getan hat, spricht
dafür, daß sie mit der Schätzung der Straßenpassanten durch die Beklagte
einverstanden war.
bb) Auch im übrigen begegnet die Standortanalyse und
Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten gemäß der zutreffenden Ansicht
des Berufungsgerichts keinen durchgreifenden Bedenken. Die Revision erhebt
keine Einwendungen dagegen, daß die Beklagte den Angaben der Deutschen Bahn
AG über die Zahl der Bahnreisenden gefolgt ist und die Zahl der sonstigen
Bahnhofsbesucher selbst geschätzt hat. Die hierauf beruhende Schätzung der
Straßenpassanten ist nach der auf das gerichtliche Sachverständigengutachten
gestützten tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts zwar methodisch
mangelhaft, im Ergebnis jedoch noch vertretbar.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Ihr Vorwurf, das gerichtliche
Sachverständigengutachten weise ähnliche Schwachpunkte auf wie die
Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten, ist nicht
berechtigt.
Während die Beklagte die Zahl der Straßenpassanten ohne jede Begründung
festgesetzt hat, hat der Sachverständige sie - mit einem nur unwesentlich
niedrigeren Ergebnis - in mehreren Schritten aus der Zahl der Bahnreisenden
und der sonstigen Bahnhofsbesucher abgeleitet und dabei jeweils ganz
erhebliche Sicherheitsabschläge vorgenommen. Die Verfahrensrügen, die die
Revision in diesem Zusammenhang weiter erhebt, hat der Senat geprüft, jedoch
nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 ZPO
abgesehen.
Vergeblich wendet sich die Revision ferner dagegen, daß das Berufungsgericht
die der Standortanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten
zugrunde gelegten sogenannten Fangraten ("capture rates") gebilligt hat. Die
Beklagte hat diese Fangraten, die den Prozentsatz des aus Kinobesuchern und
Straßenpassanten bestehenden Kundenpotenzials darstellen, der
erfahrungsgemäß das Restaurant für ein Umsatzgeschäft aufsucht, nach ihrem
detaillierten Vortrag bei den Straßenpassanten am unteren Ende und bei den
Kinobesuchern sogar noch unterhalb der Bandbreite ihrer Erfahrungswerte
angesetzt. Die Revision zeigt nicht auf, daß die Klägerin diesen Vortrag
substantiiert bestritten hat. Daher ist weder zu beanstanden, daß das
Berufungsgericht über die Richtigkeit der Fangraten keinen Beweis erhoben
hat, noch, daß der gerichtliche Sachverständige die Fangraten in seinem
Gutachten ungeprüft übernommen hat.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den von der Klägerin gegen die
Beklagte geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen positiver
Vertragsverletzung eines angeblich stillschweigend geschlossenen
Beratungsvertrages verneint. Auf einen solchen Vertrag findet gegebenenfalls
gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB deutsches Recht Anwendung, da beide
Parteien zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Vertragsverhandlungen
ihren Sitz in Deutschland hatten. Ob ein Beratungsvertrag stillschweigend
geschlossen worden ist, hat das Berufungsgericht trotz erheblicher Bedenken
offengelassen; in der Revisionsinstanz kann es zugunsten der Klägerin
unterstellt werden. Jedenfalls fehlt es aus den oben (unter II 1 b)
angeführten Gründen an der Verletzung einer Beratungspflicht der Beklagten.
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