IPR: Voraussetzung der
regelwidrigen Anwendung deutschen Scheidungsrechts nach Art. 17 I S. 2 EGBGB
BGH, Urteil vom 25. Oktober
2006 - XII ZR 5/04
Fundstelle:
NJW 2007, 220
JZ 2007, 691 m. Anm. Jayme
BGHZ 169, 328
Zur Vorinstanz s.
OLG Hamm
FamRZ 2004, 954.
Amtl. Leitsatz:
a) Soweit Art. 17 Abs. 1
Satz 2 EGBGB die regelwidrige Anwendung deutschen Scheidungsrechts vorsieht,
wenn die Ehe auf den Antrag des deutschen oder ehemals deutschen Ehegatten
nach dem primär berufenen ausländischen Recht nicht geschieden werden kann,
kommt es für diese Voraussetzung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung an, nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des
Scheidungsantrages.
b) Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB führt nicht schon immer dann zur Anwendung
deutschen Sachrechts, wenn die Ehe nach dem ausländischen Recht derzeit noch
nicht geschieden werden kann, etwa weil die nach diesem Recht erforderliche
Trennungszeit noch nicht abgelaufen ist.
Kann die Ehe nach dem ausländischen Recht derzeit nur deshalb noch nicht
geschieden werden, weil der Antragsteller es versäumt hatte, das ihm
zumutbare, nach dem ausländischen Recht für den Beginn der Frist maßgebliche
Trennungsverfahren einzuleiten, rechtfertigt dies nicht die Scheidung nach
deutschem Recht.
Tatbestand:
1 Die Antragstellerin begehrt, ihre am 6. August 1994 in Italien
geschlossene, kinderlos gebliebene Ehe nach deutschem Recht zu scheiden. Sie
ist Deutsche, der Antragsgegner Italiener. Bis zur Trennung im Juni 1995
lebten die Parteien in Italien, die Antragstellerin seitdem in Deutschland.
2 Ihren Scheidungsantrag vom 7. Juni 1999 hatte die Antragstellerin zunächst
nicht weiter betrieben, nachdem sie mit Schriftsatz vom 7. September 2000
mitgeteilt hatte, mit dem Antragsgegner Einvernehmen darüber erzielt zu
haben, ein Scheidungsverfahren in Italien durchzuführen.
3 Im April 2002 nahm die Antragstellerin das Verfahren wieder auf. Auf den
Hinweis des Familiengerichts, dass italienisches Recht anzuwenden sei,
welches eine gerichtliche Feststellung der mindestens dreijährigen Trennung
voraussetze, beantragte sie in der mündlichen Verhandlung vom 15. August
2002 zunächst, die Trennung der Parteien seit 1995 festzustellen, nahm
diesen Antrag aber sogleich wieder zurück.
4 Ihr Scheidungsbegehren blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Dagegen
richtet sich ihre vom Berufungsgericht zugelassene Revision.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
6 1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in
FamRZ 2004, 954 f. (mit Anmerkung
Jayme IPrax 2004, 534) veröffentlicht ist, hat die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens -
auch vom Revisionsgericht - von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsurteil BGHZ
160, 332, 334), für den hier schon am 4. Januar 2000 zugestellten
Scheidungsantrag zutreffend aus § 606 a ZPO Abs. 1 Nr. 1 ZPO hergeleitet,
weil die Antragstellerin Deutsche ist.
7 2. Ebenso zutreffend hat es italienisches Sachrecht für primär anwendbar
gehalten, weil gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Scheidung dem Recht
unterliegt, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit für die
allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Insoweit war das Haager
Ehewirkungsabkommen, das zuletzt nur noch im Verhältnis zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Italien galt, nicht mehr zu beachten, weil es
von der Bundesrepublik zum 23. August 1987 und damit schon vor
Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages gekündigt worden war. Vielmehr
richten sich die allgemeinen Wirkungen der Ehe der Parteien gemäß Art. 14
Abs. 1 Nr. 2 EGBGB nach italienischem Recht, weil beide Parteien während der
Ehe ihren gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt in Italien hatten und der
Antragsgegner dort auch jetzt noch wohnt.
8 Allerdings fehlen Feststellungen dazu, ob das italienische internationale
Privatrecht die Verweisung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Art. 14 Abs. 1
Nr. 2 EGBGB auch annimmt (vgl. Jayme IPrax 1991, 422 und 1987, 167). Das ist
indes der Fall: Nach Art. 31 Abs. 1, 2. Halbs. des Gesetzes Nr. 218 vom 31.
Mai 1995 über die Reform des italienischen Systems des internationalen
Privatrechts (Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe-
und Kindschaftsrecht, Länderteil Italien - III B 1 - S. 42 g) ist auf die
persönliche Trennung und die Auflösung der Ehe beim Fehlen eines gemeinsamen
Heimatrechts das Recht des Staates anzuwenden, in welchem das eheliche
Zusammenleben überwiegend stattgefunden hat (vgl. Rimini StAZ 1997, 193,
196), hier also ebenfalls das italienische Recht.
9 3. Ferner hat das Berufungsgericht zum Inhalt des italienischen
Scheidungsrechts (Art. 3 Nr. 2 b Abs. 2 des Gesetzes Nr. 898 vom 1. Dezember
1970 in der Fassung des Gesetzes Nr. 72 vom 6. März 1987) festgestellt, dass
die Scheidung (genauer: die Auflösung der Ehe, Art. 1 des Gesetzes 898; vgl.
auch Buono StAZ 1997, 201) eine gerichtlich bestätigte oder angeordnete
Trennungszeit von drei Jahren voraussetze. Diese Voraussetzung liege mangels
Durchführung eines gerichtlichen Trennungsverfahrens nicht vor.
10 Auch das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt Rechtsfehler
nicht erkennen. Darauf, dass das italienische Recht bei einer sogenannten
Konkordatsehe nur den Ausspruch der Beendigung der zivilrechtlichen
Wirkungen der Ehe vorsieht (Art. 2 des Gesetzes Nr. 898), kommt es hier
schon deshalb nicht an, weil die Parteien ausweislich der in den Akten
befindlichen Heiratsurkunde eine Zivilehe geschlossen haben. Ergänzend zu
den Feststellungen des Berufungsgerichts ist allerdings darauf hinzuweisen,
dass die gerichtlich ausgesprochene (oder bestätigte einvernehmliche)
Trennung bei Einreichung der Scheidungsklage (Art. 3 Nr. 2 b Abs. 2 Satz 1
des Gesetzes Nr. 898, Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich aaO - III B 8 -
S. 105, vgl. auch Patti FamRZ 1990, 703, 705), zumindest aber im Zeitpunkt
ihrer Zustellung (vgl. Jayme IPrax 1991 aaO; MünchKomm-BGB/Winkler v.
Mohrenfels 4. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 70 m.N.) schon drei Jahre angedauert
haben muss, und zwar von dem Zeitpunkt an gerechnet, zu dem die Parteien vor
dem Richter des Trennungsverfahrens erschienen sind.
11 4. Die Revision wendet sich - ohne Erfolg - allein gegen die Auffassung
des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
nicht anzuwenden. Nach dieser Vorschrift unterliegt das Scheidungsbegehren
eines Ehegatten, der Deutscher ist oder dies bei der Eheschließung war,
(regelwidrig) deutschem Recht, wenn die Ehe nach dem sonst berufenen
ausländischen Sachrecht nicht geschieden werden kann.
12 Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten
Ansicht vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, hierfür reiche es
nicht aus, dass die Ehe nach ausländischem Recht derzeit, das heißt im
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, (noch) nicht geschieden werden
könne. Die regelwidrige Anwendung deutschen Rechts sei vielmehr erst dann
gerechtfertigt, wenn das an sich maßgebliche ausländische Recht entweder
weitaus strengere Anforderungen an die Begründetheit des Scheidungsbegehrens
stelle als das deutsche Recht oder die erforderliche Trennungszeit im
Vergleich zu § 1566 BGB um soviel länger sei, dass dies praktisch einen
Scheidungsausschluss bedeute. Das sei hier nicht der Fall, zumal die
Antragstellerin schon zu Beginn des Verfahrens auch vor dem deutschen
Gericht die erforderliche Trennungsentscheidung hätte herbeiführen können.
13 5. Der Senat schließt sich dieser Auffassung im Grundsatz an. Die
angefochtene Entscheidung ist somit zumindest im Ergebnis nicht zu
beanstanden.
14 a) Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB legt nicht fest, wann die Voraussetzung
gegeben sein muss, dass die Ehe nach dem ausländischen Scheidungsstatut
nicht geschieden werden kann. Da es sich um eine Rechtsfrage handelt, ist
sie aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen (vgl.
Münch-Komm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO Art. 17 EGBGB Rdn. 68 m.N.;
Palandt/Heldrich BGB 65. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 9).
15 Der Gegenansicht, die auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit abstellt (Jayme
IPrax 1987 aaO 168 ohne nähere Begründung; Kersting FamRZ 1992, 268, 274
im Interesse der Vermeidung eines unerwünschten Statutenwechsels während des
Verfahrens), vermag sich der Senat nicht anzuschließen, zumal auch
Kersting (aaO 274 f.) für die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des
Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
abstellt.
16 Art. 17 Abs. 1 Satz 2 BGB soll einen deutschen oder ehemals deutschen
Antragsteller nämlich nur vor der Anwendung eines scheidungsunfreundlicheren
fremden Rechts schützen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll
diese Vorschrift über das an sich maßgebliche Recht hinaus eine
Scheidungsmöglichkeit eröffnen, "um bei ausreichend starkem Inlandsbezug dem
berechtigten Bestreben (Art. 6 Abs. 1 GG) nach Wiedererlangung der
Eheschließungsfreiheit auch ohne eine - daneben nicht ausgeschlossene -
Inanspruchnahme des ordre public Rechnung zu tragen". Hingegen bezweckt
diese Vorschrift nicht, dem deutschen Ehegatten auch die Anwendung des
deutschen Rechts auf die Scheidungsfolgen zu sichern. Soweit der Gesetzgeber
dies für erforderlich hielt, hat er entsprechende Sonderregelungen an
anderer Stelle getroffen, nämlich für den Versorgungsausgleich in Art. 17
Abs. 3 Satz 2 EGBGB und für den Unterhalt in Art. 18 Abs. 2 EGBGB. Daraus
folgt, dass die Frage des auf die Scheidungsfolgen anzuwendenden Rechts kein
Kriterium ist, das schon bei der Auslegung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
zu berücksichtigen wäre.
17 Des im Hinblick auf die Wiedererlangung der Eheschließungsfreiheit
gebotenen Schutzes bedarf es z.B. aber nicht mehr, wenn das ausländische
Recht, das eine Scheidung bislang überhaupt nicht zuließ (z.B. Irland), sein
Recht nach dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit mit Rückwirkung ändert und die
Scheidung nunmehr auch nach diesem Recht ausgesprochen werden könnte.
Maßgeblich ist das über Art. 17 EGBGB berufene Recht in seiner jeweiligen
Gestalt zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl.
Staudinger/Mankowski BGB [2003] Art. 17 EGBGB Rdn. 130).
18 Auch räumt Art. 17 Abs. 1. Satz 2 EGBGB dem deutschen Antragsteller
kein Wahlrecht ein, das Scheidungsstatut zu bestimmen. Dem liefe es aber
zuwider, wenn der deutsche Antragsteller eine solche Wahl beispielsweise
dadurch treffen könnte, dass er seinen Scheidungsantrag entweder nach oder
aber vor Ablauf einer nach dem ausländischen Recht erforderlichen
Trennungsfrist einreicht (vgl. MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO Art.
17 EGBGB Rdn. 68; Henrich FamRZ 1996, 841, 851). Jedenfalls dann, wenn man
der vom Berufungsgericht aufgezeigten herrschenden Meinung folgt, wäre im
ersten Fall (Antragstellung nach Ablauf der Trennungsfrist) gemäß Art. 17
Abs. 1 Satz 1 EGBGB das ausländische Recht maßgeblich; im zweiten Fall
(Antragstellung vor Ablauf der Trennungsfrist) wäre hingegen nach Art. 17
Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Recht anwendbar, weil dem Scheidungsbegehren
nach dem ausländischen Recht noch nicht entsprochen werden könnte.
19 Der von Kersting (aaO 274) befürchteten umgekehrten
Manipulationsmöglichkeit, dass nämlich der Antragsgegner, der die Anwendung
des ausländischen Rechts erreichen möchte, das Verfahren bis zum Ablauf der
nach diesem Recht maßgeblichen Trennungsfrist hinauszögert, wird das Gericht
ohnehin nach dem Beschleunigungsgrundsatz entgegenzuwirken haben. Den Erfolg
des Scheidungsbegehrens kann der Antragsgegner aber auch damit nicht
verhindern. Und nur die Scheidbarkeit als solche will Art. 17 Abs. 1 Satz 2
EGBGB im Interesse der Wiedererlangung der Eheschließungsfreiheit
gewährleisten (vgl. MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO Art. 17 EGBGB
Rdn. 69; BT-Drucks. 10/504 S. 61).
20 b) Nach inzwischen einhelliger Meinung, der sich auch der Senat
anschließt, setzt Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB andererseits nicht etwa
voraus, dass Ehen nach dem primär anwendbaren Recht grundsätzlich nicht
scheidbar sind. Bereits dem Wortlaut der Vorschrift ("die Ehe") ist zu
entnehmen, dass ihre Anwendung auch schon dann in Betracht kommt, wenn die
individuelle Ehe im konkreten Einzelfall nach dem Primärstatut nicht oder
nicht mehr geschieden werden kann (vgl. Johannsen/Henrich Eherecht 4.
Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 26 m.N.).
21 Umstritten ist lediglich die Frage, ob die subsidiäre Anwendung deutschen
Scheidungsrechts bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die Ehe derzeit,
d.h. im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, nach dem Primärstatut noch
nicht oder nur unter erheblichen Erschwernissen geschieden werden kann.
Dies wird von der herrschenden Meinung insbesondere auch für den Fall
bejaht, dass eine nach ausländischem Recht erforderliche Trennungszeit noch
nicht abgelaufen ist (OLG Celle FamRZ 1987, 159, 160; OLG Köln [10.
Zivilsenat] FamRZ 1996, 946, 947; KG IPrax 2000, 544 ff.; OLG Zweibrücken
IPRspr 2002 168, 170; OLG Schleswig OLGR 2004, 7 f. m.Anm. Finger FamRB
2004, 187 f.; AG Mainz NJW-RR 1990, 779 f.; AG Weinheim IPrax 1998, 374 m.
Anm. Jayme; Staudinger/Mankowski aaO Art. 17 EGBGB Rdn. 168; Erman/Hohloch
BGB 11. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 24; MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO
Art. 17 EGBGB Rdn. 67; Soergel/Schurig BGB 12. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 26;
Palandt/Heldrich aaO Art. 17 EGBGB Rdn. 9; Bamberger/Roth/Otte BGB Art. 17
EGBGB Rdn. 10; Uecker in Scholz/Stein Praxishandbuch Familienrecht P 37;
Kegel Internationales Privatrecht 7. Aufl. 20 VII 2 a bb S. 652; Lüderitz
IPrax 1987, 74, 75; Dopffel FamRZ 1987, 1205, 1213; kritisch: Henrich FamRZ
1986, aaO 850 f. und Johannsen/Henrich aaO Art. 17 EGBGB Rdn. 26 f.; ohne
Einschränkung nunmehr ders., Internationales Scheidungsrecht 2. Aufl. Rdn.
92; Kropholler Internationales Privatrecht 2. Aufl. § 46 I 5 S. 325; a.A.
OLG Stuttgart FamRZ 2006, 43 f.; AG Hamburg FamRZ 1998, 1590; AG Bergisch
Gladbach und nachfolgend OLG Köln [14. Zivilsenat] IPrax 1989, 310; AG
Sin-zig FamRZ 2005, 1678).
22 Jedenfalls für Fallkonstellationen der vorliegenden Art, in denen das
primär berufene ausländische Scheidungsrecht für eine nicht einverständliche
Scheidung eine gleich lange Trennungsfrist von drei Jahren vorsieht wie §
1566 Abs. 2 BGB, die Trennungsfrist nach dem ausländischen Recht aber
mangels Einleitung eines förmlichen Trennungsverfahrens noch nicht zu laufen
begonnen hat, schließt der Senat sich der Ansicht des Berufungsgerichts an,
und zwar aus den nachstehend dargelegten Erwägungen:
23 c) Die Regelung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist rechtspolitisch
fragwürdig (vgl. Jayme IPrax 1989, 310, 311), weil sie den ausländischen
Ehegatten benachteiligt, indem sie ihm unter Umständen deutsches Recht
aufzwingt, wenn sein Ehegatte die Scheidung in Deutschland begehrt, während
er selbst als Antragsteller die möglicherweise gewünschte Anwendung
deutschen Rechts nicht erreichen kann. Auch läuft diese Regelung dem
erstrebenswerten Ziel einer einheitlichen Entscheidung im Inland und im
Ausland zuwider (vgl. Henrich FamRZ 1986, aaO 850 a.E.; Jayme IPrax 1987,
aaO 168). Sie erweist sich auch deshalb als Ausnahmevorschrift gegenüber dem
allgemeinen Grundsatz des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, weil sie einerseits
die Anwendung deutschen Rechts (regelwidrig, vgl. Palandt/Heldrich aaO Art.
17 EGBGB Rdn. 9) auch unterhalb der Schwelle ermöglichen will, die für die
Inanspruchnahme des deutschen ordre public zu beachten ist (vgl. BT-Drucks.
10/504 S. 61), andererseits aber die Möglichkeit ausschließt, die durch
Nichtanwendung der ausländischen Vorschrift entstehende Lücke vorrangig
durch eine äquivalente Ersatzlösung des ausländischen Rechts zu schließen,
wie dies bei einem Verstoß gegen den deutschen ordre public grundsätzlich
geboten ist, bevor auf die Regelung des deutschen Rechts zurückgegriffen
werden kann (vgl. Münch-Komm-BGB/Sonnenberger aaO Art. 6 EGBGB Rdn. 95).
Statt dessen schreibt Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die lex fori zwingend als
Ersatzrecht vor, und zwar auch dann, wenn bei nur ehemaliger deutscher
Staatsangehörigkeit des Antragstellers allenfalls ein schwacher Inlandsbezug
gegeben ist (vgl. Kersting FamRZ 1992, 268, 273).
24 Bereits aus diesen Gründen verbietet sich nach Auffassung des Senats eine
weitestmögliche Auslegung dieser Vorschrift, wie sie die herrschende Meinung
befürwortet.
25 Die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist daher auf die Fälle
zu beschränken, in denen der deutsche oder ehemals deutsche Antragsteller
des Schutzes dieser Vorschrift bedarf, um seine Eheschließungsfreiheit
wiederzuerlangen. Das ist aber nicht schon immer dann der Fall, wenn er die
Scheidung bei Anwendung deutschen Rechts schneller erreichen könnte. Wenn
der Gesetzgeber dies bezweckt hätte, hätte er eine Meistbegünstigungsklausel
geschaffen, die eine wahlweise Anwendung des deutschen oder des
ausländischen Scheidungsrechts ermöglicht, je nachdem, welches Recht
schneller oder einfacher (z.B. ohne die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme)
zu der begehrten Scheidung führt. Statt dessen schreibt Art. 17 Abs. 1 EGBGB
aber zwingend vor, zunächst die Scheidbarkeit nach dem primär berufenen
ausländischen Recht zu prüfen, bevor die Anwendung deutschen Rechts in
Betracht kommt. Es genügt daher nicht schon die Feststellung, die Ehe könne
"jedenfalls" nach deutschem Recht geschieden werden (vgl. Erman/Hohloch
aaO Art. 17 EGBGB Rdn. 24).
26 Dem Gesetzgeber, der eine derartige IPR-rechtliche Regelung trifft, kann
nicht unterstellt werden, er habe die Schwierigkeiten übersehen, die in der
Praxis mit der Feststellung ausländischen Rechts verbunden sind und häufig
zu einer erheblichen Verlängerung des Verfahrens (z.B. durch Einholung eines
Rechtsgutachtens) führen. Gleiches gilt für die Notwendigkeit einer unter
Umständen im Ausland vorzunehmenden Beweisaufnahme, wenn etwa das
ausländische Recht die Scheidung nur aus einem Verschulden des anderen
Ehegatten zulässt. Diese Erschwernisse und Verzögerungen mutet der
Gesetzgeber dem deutschen Antragsteller zu und nimmt dabei auch in Kauf,
dass sich gegebenenfalls erst nach längerer Zeit herausstellt, dass
schließlich doch auf deutsches Sachrecht zurückgegriffen werden kann und
muss. Auch angesichts eines zusammenwachsenden europäischen Rechtssystems
kann und darf der Staat seinen eigenen Bürgern derartige Opfer bis zu den
Grenzen des ordre public auferlegen (vgl. Rüberg, Auf dem Weg zu einem
europäischen Scheidungskollisionsrecht, Diss. [2005] S. 124 f.; vgl. auch AG
Hamburg aaO 1591).
27 Insoweit weist der Senat darauf hin, dass das sogenannte "Deutschenprivileg"
des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB voraussichtlich ohnehin nicht von Bestand
bleiben, sondern durch ein harmonisiertes europäisches Kollisionsrecht ("Rom
III") ersetzt werden wird. Nach dem endgültigen Vorschlag der Kommission der
Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 2006 für eine Verordnung des Rates
zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die
Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend
das anwendbare Recht in diesem Bereich (KOM
[2006] 399) soll sich das Scheidungs- oder Trennungsverfahren in
Ermangelung einer (gemeinsamen) Rechtswahl der Parteien vorrangig nach dem
Recht des Staates richten, in dem die Ehegatten ihren gemeinsamen
gewöhnlichen Aufenthalt haben. Fehlt es an einem solchen gemeinsamen
gewöhnlichen Aufenthalt, soll der letzte gemeinsame Aufenthalt maßgeblich
sein, sofern einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort dort
noch hat (Art. 20 b lit. b des Vorschlags). Das Recht des Staates, in dem
der Antrag gestellt wird, soll äußerst ersatzweise nur dann anwendbar sein,
wenn die zuvor genannten Anknüpfungsvoraussetzungen nicht gegeben sind und
auch die Anknüpfung an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit ausscheidet (Art.
20 b lit. c und d des Vorschlags). Die Anwendung des danach berufenen Rechts
soll nur bei einem offenkundigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des
Staates des angerufenen Gerichts versagt werden können (Art. 20 e des
Vorschlags).
28 Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist daher nicht als Garantie für den
deutschen Antragsteller zu verstehen, die Scheidung ebenso schnell und
problemlos erreichen zu können, wie dies der Fall wäre, wenn von vornherein
nur deutsches Sachrecht in Betracht käme.
29 Eine Scheidung nach deutschem Recht ist daher nicht gerechtfertigt, wenn
der Antragsteller beispielsweise einen nach dem ausländischen Recht
gegebenen Scheidungsgrund (z.B. Ehebruch) nicht mehr geltend macht (oder den
erforderlichen Vorschuss für eine Beweisaufnahme nicht zahlt) und damit eine
Prozesslage, die die Scheidung nach ausländischem Recht unmöglich macht,
selbst herbeiführt.
30 Gleiches gilt aber auch, wenn der Antragsteller es unterlässt,
rechtzeitig die ihm zumutbaren Schritte zu unternehmen, die ihm in
absehbarer, hier sogar den Trennungsfristen des deutschen Rechts
vergleichbarer Zeit die Scheidung nach ausländischem Recht ermöglicht
hätten. Ein solcher Fall liegt hier vor.
31 d) Der Senat schließt sich der Beurteilung des Berufungsgerichts an,
dass die für die Scheidung nach italienischem Recht erforderliche
materiellrechtliche Voraussetzung, die Trennung gerichtlich bestätigen oder
aussprechen zu lassen, keine unzumutbare Erschwernis darstellt, zumal ein
solches Verfahren auch vor den deutschen Gerichten durchgeführt werden kann
(BGHZ 47, 324, 335 ff.).
32 Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen eines Trennungsverfahrens hier
bereits seit 1995 gegeben waren, hätte die bei Einleitung des Verfahrens im
Juni 1999 anwaltlich vertretene Antragstellerin jedenfalls sogleich auf
Bestätigung oder Ausspruch der Trennung antragen können, und auch hierfür
wäre ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen gewesen. Nach dem als lex fori
anwendbaren deutschen Verfahrensrecht hätten auch keine Bedenken bestanden,
vorsorglich hilfsweise zugleich die Scheidung zu beantragen, oder auch
umgekehrt (vgl. AG Hamburg aaO 1591). Dann hätte die Ehe möglicherweise,
nachdem die Antragstellerin das Verfahren von September 2000 bis April 2002
nicht betrieben hatte, bereits auf die mündliche Verhandlung erster Instanz
am 15. August 2002 nach italienischem Recht geschieden werden können,
spätestens jedoch auf die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am
20. November 2003.
33 Es kommt daher nicht darauf an, dass die Antragstellerin einen in diesem
Sinne auszulegenden Antrag, nämlich "festzustellen, dass die Parteien seit
1995 getrennt leben", erst in der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2002
gestellt, aber sogleich wieder zurückgenommen hat. Deshalb bedarf es auch
keiner Entscheidung darüber, ob das Berufungsgericht andernfalls am 20.
November 2003 gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Recht hätte
anwenden müssen, weil eine Scheidung nach italienischem Recht frühestens im
August 2005 möglich gewesen wäre.
34 Wegen der ausdrücklichen Rücknahme des auf die Feststellung oder den
Ausspruch der Trennung gerichteten Antrages bedarf es hier auch keiner
Entscheidung, ob ein solcher Antrag generell als in einem Scheidungsantrag
enthaltenes Minus angesehen werden kann (so AG Hamburg aaO 1591). Abgesehen
davon, dass dies dem Scheidungsbegehren der Antragstellerin (nach
italienischem Recht) wohl nur zum Erfolg hätte verhelfen können, wenn sie
den "weitergehenden" Scheidungsantrag zurückgenommen und nach dem
Trennungsausspruch erneut gestellt hätte, hat die Antragstellerin hier mit
der ausdrücklichen Rücknahme ihres Antrags auf Bestätigung oder Ausspruch
der Trennung ihr schon zuvor geäußertes Begehren verdeutlicht, (nur) nach
deutschem Recht geschieden zu werden. Ihr Scheidungsantrag kann daher nicht
dahin ausgelegt werden, er umfasse (ungeachtet der Rücknahme des
ausdrücklich darauf gerichteten Antrags) nach wie vor auch die Feststellung
oder den Ausspruch der Trennung, so dass das Berufungsgericht jedenfalls in
diesem Umfang ihrem Begehren gegebenenfalls hätte stattgeben müssen.
35 e) Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende
Entscheidung nicht etwa bedeutet, dass die Ehe der Antragstellerin nun
überhaupt nicht mehr geschieden werden kann, was auf verfassungsrechtliche
Bedenken stoßen könnte (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2006 - XII ZR
87/04 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Die Rechtskraft der vorliegenden
Entscheidung steht beispielsweise nicht einem erneuten Scheidungsbegehren
entgegen, das darauf gestützt wird, inzwischen seien die nach italienischem
Recht bestehenden Scheidungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. MünchKomm-BGB/Wolf
aaO § 1564 Rdn. 104, 106).
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