IZPR: Anerkennung
ausländischer Unterhaltsentscheidungen nach der EuGVO ("Brüssel I-VO");
Verbot der "révision au fond" und anerkennungsrechtlicher ordre public (Art.
34 Nr. 1 EuGVO)
BGH, Beschluss vom 26.
August 2009 - XII ZB 169/07
Fundstelle:
NJW 2009, 3306
BGHZ 182, 188
s. auch BGH v.
10.12.2014 - XII ZB 463/13
Amtl. Leitsatz:
a) Hat ein ausländisches Gericht in
einem Statusverfahren die Vaterschaft ohne Einholung eines
Sachverständigengutachtens und nur gestützt auf die Aussage einer Zeugin vom
Hörensagen festgestellt, obwohl der Antragsgegner jeden geschlechtlichen
Verkehr mit der Mutter geleugnet und angeboten hatte, an der Erstellung
eines von ihm angeregten Vaterschaftsgutachtens mitzuwirken, kann diese
Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre
public nicht in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt werden (Abgrenzung
zu den Senatsurteilen vom 9. April 1986 - IVb ZR 28/85 - FamRZ 1986, 665,
667 und vom 22. Januar 1997 - XII ZR 207/95 - FamRZ 1997, 490, 491 f.).
b) Hat das ausländische Gericht neben der Vaterschaftsfeststellung zugleich
eine Unterhaltspflicht ausgesprochen, ist die Entscheidung wegen dieses
Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nicht in der
Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar zu erklären (im Anschluss an
BGHZ 64, 19, 22 = FamRZ 1975, 273, 274 und das Senatsurteil vom 14. Februar
2007 - XII ZR 163/05 - FamRZ 2007, 717).
Gründe:
I.
1 Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit der Unterhaltspflicht des
Antragsgegners aus dem Urteil des polnischen Amtsgerichts M. vom 3. Februar
2005.
2 Der am 1. August 1999 nichtehelich geborene Antragsteller lebt in Polen
bei seiner Großmutter mütterlicherseits, die mit Beschluss des polnischen
Amtsgerichts M. vom 16. April 2004 zu seiner rechtlichen Pflegerin bestellt
worden ist. Die Mutter des Antragstellers ist seit dem Jahre 2003
unbekannten Aufenthalts. Ein Antrag auf Namenswechsel des minderjährigen
Kindes wurde abgewiesen.
3 Die Klage des Antragstellers auf Feststellung der Vaterschaft und auf
Zahlung von Kindesunterhalt wurde dem in der Bundesrepublik Deutschland
wohnenden Antragsgegner am 16. Juli 2004 im Wege der Rechtshilfe zugestellt.
Zur Zustellung im Ausland sieht das polnische Zivilverfahrensgesetzbuch vom
17. November 1964 (im Folgenden: ZVGB) in Art. 1135 folgende Regelung vor
(zitiert nach Bergmann/Ferid/Gralla Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht Länderabschnitt Polen Stand 1. Oktober 2007 S. 89):
"Art. 1135
§ 1
Eine im Ausland wohnhafte Person ist verpflichtet, wenn sie nicht einen
in Polen wohnhaften Bevollmächtigten zur Führung einer Rechtssache
bestellt hat, einen Zustellungsbevollmächtigten in Polen zu benennen.
§ 2
Wird ein Zustellungsbevollmächtigter nicht benannt, so verbleiben die
für die Partei bestimmten gerichtlichen Schriftstücke in den Akten der
Sache mit der Wirkung der Zustellung. Die Partei ist hierüber bei der
ersten Zusendung zu belehren. Die Partei muss auch über die Möglichkeit
zur Einreichung einer Erwiderung auf den das Verfahren einleitenden
Schriftsatz und schriftliche Erklärungen belehrt werden sowie darüber,
wer zum Bevollmächtigten bestellt werden kann."
4 Mit der Zustellung der Klageschrift
wurde dem Antragsgegner folgende Belehrung übersandt:
"Belehrung
Betreffend Ladungen lt. Mustern 8, 9, 10 und 11
1. Falls die im Ausland wohnhaften Parteien bzw. Teilnehmer des
Verfahrens keinen in Polen wohnhaften Verfahrensbevollmächtigten
bestellen, sollen sie innerhalb eines Monats ab Zustellung der
vorliegenden Ladung dem Gericht den Vor-, Zunamen und die Adresse des
Zustellungsbevollmächtigten mitteilen. Jede in Polen wohnhafte,
volljährige und geschäftsfähige Person kann zustellungsbevollmächtigt
werden.
Nach erfolglosem Ablauf der vorgegebenen Frist werden die an die
Parteien bzw. Teilnehmer des Verfahrens gerichteten Schriftstücke gem.
Art. 1135 der Zivilverfahrensordnung den Akten der Sache mit
Zustellungswirkung beigefügt ..."
5 Der Antragsgegner hat keinen
Verfahrensbevollmächtigten und auch keinen Zustellungsbevollmächtigten in
Polen benannt. In der Folgezeit sind ihm deswegen weder weitere Mitteilungen
oder Ladungen, noch die Entscheidung des Amtsgerichts zugestellt noch sonst
übersandt worden.
6 Auf Antrag des polnischen Amtsgerichts wurde der Antragsgegner am 20.
Dezember 2004 durch das Amtsgericht G. im Wege der Rechtshilfe vernommen. Er
räumte ein, die Mutter des Klägers vor vielen Jahren in K. kennen gelernt
und ihr eine Übernachtungsmöglichkeit in seiner Wohnung eingeräumt zu haben.
Er habe mit der Mutter des Klägers allerdings nie geschlechtlich verkehrt.
Sie selbst habe ihm gegenüber eingeräumt, in einem Bordell gearbeitet zu
haben, wobei es möglicherweise zu der Empfängnis gekommen sei. Als die
Mutter des Antragstellers später in hochschwangerem Zustand bei ihm
erschienen sei, habe er diese ins Krankenhaus gebracht, wo sie entbunden
habe. Um zu vermeiden, dass aufgrund irgendwelcher Angaben, möglicherweise
falscher Aussagen der Kindesmutter, in Polen seine Vaterschaft festgestellt
werde, regte er ausdrücklich an, nicht ohne Einholung eines Gutachtens in
der Sache zu entscheiden. Er sei bereit, sich hier in Deutschland
entsprechenden Untersuchungen zu unterziehen.
7 Nach Rückkehr der Akten wurde die Großmutter des Antragstellers im
Verhandlungstermin vom 3. Februar 2005 vom polnischen Amtsgericht angehört.
Danach sei die Mutter des Antragstellers seit mehreren Jahren nach
Deutschland gereist, um dort zu arbeiten. Von dort habe sie geschrieben,
dass sie schwanger sei und bei dem Antragsgegner wohne. Als der
Antragsteller 16 Monate alt gewesen sei, sei sie mit ihm nach Polen
zurückgekehrt und habe ihr gegenüber den Antragsgegner "entschlossen" als
Vater des Kindes benannt. Sie wisse allerdings nicht, ob der Vorwurf des
Antragsgegners, die Mutter des Antragstellers sei der Prostitution
nachgegangen, richtig sei.
8 Im Anschluss an die Vernehmung der Großmutter des Antragstellers wurde die
Sache "für klar erklärt", ein Urteil verkündet und mündlich begründet. In
dem Urteil vom 3. Februar 2005 wurde festgestellt, dass der Antragsgegner
Vater des Antragstellers sei. Er wurde unter Abweisung der weitergehenden
Klage verurteilt, an den Antragsteller monatlichen Unterhalt in Höhe von 500
PLN, beginnend ab dem 21. April 2004, zu zahlen. Eine schriftliche
Begründung des Urteils liegt nicht vor. Das Urteil ist seit dem 25. Februar
2005 rechtskräftig und vollstreckbar.
9 Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2007 hat der Antragsteller
Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung der
Unterhaltspflicht aus dem Urteil des Amtsgerichts M. vom 3. Februar 2005 in
Deutschland beantragt. Den zugleich begründeten Vollstreckbarkeitsantrag hat
er lediglich für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe erhoben und
dazu in den Gründen ausgeführt:
"Da alle Ansprüche ausschließlich nur im Rahmen gewährter Prozesskostenhilfe
geltend gemacht werden, wird gebeten, diesen Antrag auf
Vollstreckbarerklärung so lange als Entwurf zu behandeln, bis die beantragte
Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen gewährt worden ist."
10 Mit Beschluss vom 16. Januar 2007 erklärte das Landgericht K. die
Unterhaltspflicht aus dem Urteil des Amtsgerichts M. vom 3. Februar 2005 für
in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar. Zugleich bewilligte es dem
Antragsteller für das Verfahren ratenlose Prozesskostenhilfe. Das
Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners gegen diesen
Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des
Antragsgegners, mit der er seinen Abweisungsantrag weiter verfolgt.
II.
11 Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 c und Nr. 2 b, 15 Abs. 1
AVAG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr.
2 ZPO auch zulässig, weil sie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Rechtsbeschwerde
ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen
und zur Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung.
12 1. Im Ansatzpunkt zu Recht ist das Oberlandesgericht allerdings davon
ausgegangen, dass die Anerkennung und Vollstreckung des polnischen Urteils
über Kindesunterhalt hier ausnahmsweise von der Anerkennungsfähigkeit der
zugleich getroffenen Vaterschaftsfeststellung abhängt.
13 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hängt die Anerkennung und
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels allerdings nur
dann von einer Statusentscheidung ab, wenn der Unterhaltstitel auf dieser
Statusentscheidung beruht. Das ist zwar hinsichtlich eines Scheidungsurteils
nicht der Fall, weil die Unterhaltspflicht für ein Kind unabhängig von der
Ehescheidung der Eltern besteht (Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - XII ZR
163/05 - FamRZ 2007, 717 Tz. 17 f.). Schafft die Statusentscheidung aber
erst das Eltern-Kind-Verhältnis als Grundlage der Unterhaltspflicht, kann
der Unterhaltstitel nur dann vollstreckt werden, wenn auch die
Statusentscheidung nicht gegen den verfahrensrechtlichen ordre public
verstößt. Insoweit ist über die Vaterschaft dann als Vorfrage in dem
Vollstreckbarkeitsverfahren hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs mit zu
entscheiden (BGHZ 64, 19, 22 = FamRZ 1975, 273, 274).
14 Allerdings darf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung sowohl
nach Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO), als
auch nach Art. 12 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und
Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73)
nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden. Während Art. 27 Nr. 4 des
Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom
10. September 1988 (LugÜ) noch ausdrücklich einen Verstoß gegen Vorschriften
des internationalen Privatrechts im Rahmen einer Vorfrage als
Anerkennungshindernis bezeichnet, werden diese Entscheidungen jetzt
unmittelbar durch Art. 33 Brüssel I-VO bzw. Art. 4 HUVÜ 73 anerkannt (Martiny
FamRZ 2008, 1681, 1686). Im Hinblick auf das Verbot der révision au fond
darf die Vorfrage der Abstammung nur noch bei besonders gravierenden
Verstößen gegen den ordre public überprüft werden (vgl. auch OLG Hamm
FamRZ 2006, 968; 2004, 719 und IPRspr 2004, 403 sowie Geimer IPRax 2004,
419, 420). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch vor.
15 a) Die Vollstreckbarkeit des polnischen Titels auf Kindesunterhalt
richtet sich nach den Vorschriften der Brüssel I-VO. Gemäß Art. 1 Abs. 3
der Brüssel I-VO ist diese seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union
zum 1. Mai 2004 auch im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Polen
anwendbar (vgl. Bergmann/Ferid/Gralla Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht Länderabschnitt Polen Stand 1. Oktober 2007 S. 18 und 21).
16 Zwar ist eine Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über
Unterhaltspflichten im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Polen
auch nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung
von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73) möglich. Dieses
Übereinkommen bleibt von der Brüssel I-VO nach dessen Art. 71 Abs. 1 auch
unberührt. In jedem Fall können daneben aber die Bestimmungen der Brüssel
I-VO über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
angewandt werden (Art. 23 HUVÜ 73; vgl. auch Heiderhoff IPRax 2004, 99, 100
f. und Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis §
9 Rdn. 226 f.).
17 Die weiteren Einzelheiten des Anerkennungsverfahrens richten sich nach
den Vorschriften des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge
und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem
Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen
(Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz; im Folgenden: AVAG).
18 b) Auf die hier als Vorfrage zu klärende Anerkennungsfähigkeit des
Vaterschaftsfeststellungsurteils sind allerdings weder die Brüssel I-VO noch
das HUVÜ 73 anwendbar. Nach Art. 1 Abs. 2 a der Brüssel I-VO ist diese
ausdrücklich nicht auf Entscheidungen über den Personenstand anwendbar. Auch
das HUVÜ 73 ist nach dessen Art. 1 Abs. 1 lediglich auf Entscheidungen über
Unterhaltspflichten anwendbar. Die Anerkennung der polnischen
Vaterschaftsfeststellung richtet sich somit nach dem autonomen
innerstaatlichen Recht in § 328 ZPO (vgl. Geimer IPRax 2004, 419). Im
Rahmen des Vollstreckbarkeitsverfahrens kann die Anerkennung eines als
Vorfrage erheblichen Statusurteils aber nur bei besonders gravierenden
Verstößen im Sinne der Versagungsgründe des § 328 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZPO
abgelehnt werden. Auf die verbürgte Gegenseitigkeit i.S. des § 328 Abs.
1 Nr. 5 ZPO kommt es hier allerdings nicht an, weil die Anerkennung eines
ausländischen Urteils zur Feststellung des Bestehens eines
Eltern-Kind-Verhältnisses betroffen ist (§ 328 Abs. 2 i.V.m. § 640 Abs. 1
ZPO).
19 2. Das Landgericht hatte zwar verfahrenswidrig über einen bedingten und
daher unzulässigen Antrag entschieden, dies ist aber im Beschwerdeverfahren
geheilt worden.
20 Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2007 hatte der Antragsteller
Prozesskostenhilfe für ein Vollstreckbarkeitsverfahren begehrt und
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zugleich beantragte und begründete
Vollstreckbarerklärung des polnischen Unterhaltstitels bis zur Bewilligung
der beantragten Prozesskostenhilfe als Entwurf behandelt werden solle. Damit
lag zunächst lediglich eine bedingte Klage vor. Nach Art. 40 Abs. 1 der
Brüssel I-VO ist für den Vollstreckbarkeitsantrag das Recht des
Vollstreckungsstaats maßgebend. Gleiches gilt für die Vollstreckung nach dem
HUVÜ 73 und die Anerkennung nach § 328 ZPO. Danach ist der Antrag als eine
ein beschränktes Erkenntnisverfahren einleitende Prozesshandlung allerdings
bedingungsfeindlich (vgl. BGH Urteil vom 10. Juli 2003 - IX ZR 113/01 -
NJW-RR 2003, 1558 f. Tz. 10 m.w.N.). Der hier unter der Voraussetzung der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedingt erhobene Vollstreckbarkeitsantrag
war somit zunächst unzulässig.
21 Gleichwohl ist die Beschwerdeentscheidung nicht schon deswegen
aufzuheben. Denn der Antragsteller hat jedenfalls durch seinen Antrag auf
Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners, der nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auslegungsfähig ist, nach Bewilligung
der Prozesskostenhilfe einen unbedingten Antrag auf Vollstreckbarerklärung
(vgl. Artt. 38 Abs. 1, 39 Abs. 1 Brüssel I-VO; Art. 13 HUVÜ; § 4 Abs. 1, 2
AVAG) gestellt, über den das Beschwerdegericht in der Sache entscheiden
durfte. Dem steht auch nicht entgegen, dass dem Antragsteller durch diese
Sachentscheidung des Beschwerdegerichts eine Instanz verloren gegangen ist.
Nachdem der Antragsgegner bereits beteiligt wurde, ist dem Antragsteller an
einer schnellstmöglichen Entscheidung über den Vollstreckbarkeitsantrag
gelegen. Weil in Verfahren nach der Brüssel I-VO oder dem HUVÜ 73
erstinstanzlich über den Vollstreckbarkeitsantrag ohne Anhörung des
Antragsgegners entschieden wird (Art. 41 Brüssel I-VO und § 6 AVAG) und
dieser eventuelle Einwendungen erst im Beschwerdeverfahren vorbringen kann,
ist auch er durch den Verlust der ersten Instanz nicht beschwert.
22 3. Die Rechtsbeschwerde hat gleichwohl Erfolg und die Sache ist aus
anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 ZPO). Denn die
Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das dem polnischen Urteil zugrunde
liegende Verfahren gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nach Art. 34
Nr. 1 der Brüssel I-VO und Art. 5 Nr. 1 HUVÜ sowie nach § 328 Abs. 1 Nr. 4
ZPO verstößt.
23 a) Zwar dürfen die Behörden und Gerichte des Vollstreckungsstaates
nach Art. 31 Abs. 3 der Brüssel I-VO und nach Art. 12 HUVÜ 73 die zu
vollstreckende Entscheidung grundsätzlich nicht auf ihre Gesetzmäßigkeit
nachprüfen. Die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung darf
lediglich versagt werden, wenn einer der in den Artt. 22 bis 24 der Brüssel
I-VO bzw. in Art. 5 HUVÜ 73 genannten und besonders gravierenden
Verfahrensverstöße vorliegt. Dabei führt selbst eine Verletzung des
verfassungsrechtlich geschützten Grundsatzes des rechtlichen Gehörs noch
nicht stets zu einem Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public im
Sinne dieser Vorschriften.
24 aa) Wie im Rahmen des früheren Brüsseler EWG-Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 in der
Fassung des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29. November 1996 (EuGVÜ; BGBl.
II 1998 5. 1412; vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 21. März 1990 - XII ZB
71/89 -FamRZ 1990, 868, 869) und der Brüssel I-VO ist der Grundsatz des
rechtlichen Gehörs auch im Rahmen der Vollstreckbarkeit nach dem HUVÜ 73
insoweit gewährleistet, als das verfahrenseinleitende Schriftstück
ordnungsgemäß und so rechtzeitig zugestellt worden sein muss, dass der
Beklagte sich hinreichend verteidigen konnte. Dem Beklagten muss ausreichend
Zeit verbleiben, um seine Verteidigung vorzubereiten und die zur Vermeidung
einer Versäumnisentscheidung erforderlichen Schritte einzuleiten (vgl.
EuGHE 1981, 1573, 1608 f.).
25 Darüber hinaus greift der Vorbehalt des ordre public aber nur in
Ausnahmefällen ein. Die Vollstreckbarerklärung kann insbesondere nicht
schon deshalb versagt werden, weil die ausländische Entscheidung in einem
Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des deutschen
Prozessrechts abweicht. Ein Versagungsgrund ist vielmehr nur dann
gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines
Verfahrens ergangen ist, das von den Grundsätzen des deutschen
Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass es nicht als in einem
geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann
(EuGH Urteil vom 11. Mai 2000 - C-38/98 - veröffentlicht bei Juris;
Senatsbeschluss vom 21. März 1990 - XII ZB 71/89 - FamRZ 1990, 868, 869 Tz.
12).
26 Der Schutz des rechtlichen Gehörs erstreckt sich also nicht auf eine
bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung. Bei der Anwendung jener
Verfahrensbestimmung zur Konkretisierung des gemäß Art. 23 Ziff. a Brüssel
I-VO bzw. Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73 maßgeblichen verfahrensrechtlichen ordre
public ist vielmehr auf die Grundsätze abzustellen, die Art. 103 Abs. 1 GG
schützen will. Dies ist einmal das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das
grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene
Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ferner verlangt das Gebot der Achtung
der Menschenwürde, dass ein Beteiligter in der Lage sein muss, auf den
Verfahrensablauf aktiv Einfluss zu nehmen (BVerfGE 63, 332, 337 und BGHZ
118, 312, 321 jeweils m.w.N.; Rauscher/Leible Europäisches Zivilprozessrecht
Bd. 1 Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 13 ff.; Kropholler Europäisches
Zivilprozessrecht 7. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 13 ff.).
27 Darüber hinaus hat in erster Linie jede Partei selbst nach besten Kräften
für ihre eigene ordnungsgemäße Vertretung in einem ihr bekannten
Gerichtsverfahren zu sorgen (BGHZ 141, 286, 297 f.). Der Grundsatz des
rechtlichen Gehörs gilt also nicht unabhängig von der Verfahrensart und
nicht ohne Einschränkung in jedem Fall. Vielmehr tritt der Grundsatz, dass
rechtliches Gehör vor der Entscheidung zu gewähren ist, zurück, wenn sich
aus dem Zweck und der Besonderheit einzelner Verfahren zwingend
Beschränkungen ergeben, wie z.B. bei der Zwangsvollstreckung von Forderungen
(§ 834 ZPO), im Arrestverfahren (§ 921 ZPO) oder bei Erlass eines
Haftbefehls (§ 114 a StPO). Ferner kann auch nach deutschem Prozessrecht
eine Partei durch eigenes schuldhaftes Verhalten den Anspruch auf Gewährung
rechtlichen Gehörs verlieren, etwa nach §§ 296, 530 f. ZPO, wenn sie
Angriffs- oder Verteidigungsmittel später als möglich vorbringt. Ihr
Vorbringen kann dann unter bestimmten Voraussetzungen zurückgewiesen werden.
Art. 103 Abs. 1 GG ist ferner nicht verletzt, wenn der Beteiligte gemäß §
177 GVG wegen eines die Ordnung störenden Verhaltens aus dem Sitzungszimmer
entfernt werden muss und deshalb kein rechtliches Gehör mehr finden konnte;
er hat dann die an sich gegebene Gelegenheit zur Äußerung durch sein eigenes
Verhalten verloren (BGHZ 48, 327, 332). Entsprechend sehen auch das HUVÜ 73
und die Brüssel I-VO nach dem zu ihrer Ausführung erlassenen § 6 AVAG in
erster Instanz des Vollstreckbarkeitsver-fahrens keine vorherige Anhörung
des Schuldners vor. Dieser kann Einwände erst mit seinem Rechtsmittel
vorbringen.
28 bb) Hinzu kommt, dass der Ablauf des ausländischen Verfahrens im Rahmen
des - hier relevanten - ordre public nur unter Berücksichtigung des Systems
und der Struktur des ausländischen Rechts gemessen werden kann. Dabei ist
allerdings zu beachten, dass die Feststellung der Vaterschaft auch nach
polnischem Recht lediglich durch Anerkennung der Vaterschaft oder durch
Gerichtsurteil erfolgen kann (Art. 72 des polnischen Familien- und
Vormundschaftsgesetzbuches vom 25. Februar 1964, im Folgenden: FVGB). Die
gerichtliche Feststellung der Vaterschaft setzt voraus, dass diese im Wege
der Beweisaufnahme geklärt wird, wobei eine Vaterschaftsvermutung gegen den
Mann besteht, der der Mutter des Kindes nicht früher als 300 Tage und nicht
später als 180 Tage vor der Geburt des Kindes beigewohnt hat (Artt. 84 ff.,
85 § 1 FVGB). Ein einheitlicher Maßstab, wie ein Gericht seine Überzeugung
von der Vaterschaft gewinnen muss, lässt sich dafür nicht aufstellen.
Vielmehr kommt es darauf an, ob die Art und Weise, wie der ausländische
Richter im Einzelfall verfahren ist, den Prinzipien zuwiderläuft, auf denen
Art. 103 Abs. 1 GG beruht. Auch insoweit ist also auf die Grundwerte
abzustellen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will (BGHZ 48, 327, 332 f.).
29 Das Gebot der Achtung der Menschenwürde ist allerdings auch im
Verfahren der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung verletzt, wenn einem
Verfahrensbeteiligten nicht die Rolle eines Verfahrenssubjekts eingeräumt
würde, das aktiv die Gestaltung des Verfahrens beeinflussen kann, sondern
nur die Rolle eines - passiven - Verfahrensobjekts, mit dem im gerichtlichen
Verfahren etwas geschieht (BGHZ 118, 312, 321 und 48, 327, 333).
Schließlich schützt der ordre public auch vor willkürlichen Entscheidungen,
die in dem Vortrag der Beteiligten und den weiteren Feststellungen keine
Grundlage finden.
30 cc) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat der Senat bereits wiederholt
entschieden, dass ein die Anerkennung eines ausländischen Urteils
ausschließender Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nicht
vorliegt, wenn das ausländische Gericht allein aufgrund der Aussage der
Mutter eine Vaterschaft festgestellt hat, weil eine Begutachtung des
mutmaßlichen Vaters nicht möglich war (Senatsurteile vom 9. April 1986 - IVb
ZR 28/85 - FamRZ 1986, 665, 667 und vom 22. Januar 1997 - XII ZR 207/95 -
FamRZ 1997, 490, 491 f.). Zwar wird sich eine Vaterschaftsfeststellung
allein aufgrund der Aussage der Kindesmutter, sie habe in der gesetzlichen
Empfängniszeit mit keinem anderen Mann Geschlechtsverkehr gehabt, nach
deutschem Recht in der Regel verbieten. Andererseits ist aber auch im
deutschen Statusverfahren die Aussage der Kindesmutter unbeschadet der
verfeinerten Methoden naturwissenschaftlicher Begutachtung als Beweismittel
weiterhin von Bedeutung. Wenn eine ausländische Entscheidung der Aussage
der Kindesmutter mangels abweichender Anhaltspunkte sogar so viel Gewicht
beimisst, dass es sie als Grundlage einer Vaterschaftsfeststellung
ausreichen lässt, gerät allein dies noch nicht in unerträglichen Gegensatz
zu den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts. Auch nach deutschem Recht
ist eine Vaterschaftsfeststellung allein aufgrund der Aussage der
Kindesmutter jedenfalls dann denkbar, wenn der als Vater in Anspruch
genommene Mann die medizinische Begutachtung vereitelt (Senatsurteil vom
9. April 1986 - IVb ZR 27/85 - FamRZ 1986, 663, 664 f.). Das gilt
insbesondere dann, wenn der Vater eingeräumt hatte, mit der Mutter während
der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt zu haben (Senatsurteil vom 22.
Januar 1997 - XII ZR 207/95 - FamRZ 1997, 490 Tz. 29; vgl. auch OLG
Düsseldorf FamRZ 1998, 694).
31 b) Auch auf dieser rechtlichen Grundlage ist vorliegend allerdings von
einem so gravierenden Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs in
seiner Ausprägung als Willkürverbot auszugehen, dass eine Vollstreckung des
polnischen Unterhaltstitels gegen den verfahrensrechtlichen ordre public
verstoßen würde. Denn das polnische Gericht hat seine Statusentscheidung
auf eine Aussage vom Hörensagen gestützt, statt das angebotene unmittelbare
Beweismittel des Sachverständigengutachtens einzuholen und die Aussage des
Antragsgegners zur Kenntnis zu nehmen. Der Entscheidung ist deswegen die
Vollstreckbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu versagen.
32 aa) Umstände, die auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung
eine Vaterschaft des Antragsgegners mit der im Statusverfahren gebotenen
Sicherheit begründen könnten, sind auch sonst nicht ersichtlich. Im
Gegensatz zu den genannten früheren Fällen hat die Mutter des Antragstellers
hier keine eigene Aussage abgegeben. Sie ist vielmehr unbekannten
Aufenthalts. Die Großmutter des Antragstellers, die vom polnischen
Amtsgericht vernommen worden ist, konnte zur Empfängnis und zur Abstammung
des Antragstellers keine eigenen unmittelbaren Tatsachen bekunden. Auch zur
Vaterschaftsvermutung des Art. 85 § 1 FVGB ist ihre Aussage unerheblich,
zumal sie keine konkreten Fälle der Beiwohnung schildern konnte. Ihre
Aussage beschränkt sich allein auf die Wiedergabe einer pauschalen Äußerung
der nicht erreichbaren Kindesmutter zur Vaterschaft des Antragsgegners,
mithin auf eine Aussage vom Hörensagen.
33 Dem steht die Aussage des Antragsgegners im Rahmen seiner
Rechtshilfevernehmung vor dem Amtsgericht Gummersbach am 20. Dezember 2004
entgegen. Der Antragsgegner hat darin nicht bestritten, dass er die
Kindesmutter in Deutschland kennen gelernt hatte und in seiner Wohnung
übernachten ließ. Einen Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter hat er
allerdings entschieden bestritten. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner eine
weitere plausible Möglichkeit der Abstammung behauptet hat, zumal die
Kindesmutter nach seiner Aussage der Prostitution nachgegangen ist und ihm
gegenüber eine mögliche Empfängnis in diesem Zusammenhang offenbart habe.
Diesem Vortrag zum Mehrverkehr durch Prostitutionsausübung hat auch die
Großmutter mütterlicherseits nicht widersprechen können.
34 Schließlich hat der Antragsgegner im Rahmen seiner
Rechtshilfevernehmung ausdrücklich angeregt, über den Antrag des Kindes
nicht ohne Einholung eines Gutachtens zu entscheiden. Auch hat er sich
eindeutig zur Mitwirkung an der Erstellung eines solchen Gutachtens
einverstanden erklärt.
35 bb) Wenn das polnische Amtsgericht lediglich aufgrund der Aussage der
Großmutter, einer Zeugin vom Hörensagen, und ohne weitere Ermittlungen zu
einer Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners gelangt ist, obwohl
die Einholung eines Gutachtens möglich gewesen wäre, liegt darin ein
Verstoß, der den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen
Maße widerspricht, dass die Entscheidung nicht als in einem geordneten
rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann.
36 Die Entscheidung verstößt gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs,
weil sie die Aussage des Antragsgegners in seiner Rechtshilfevernehmung
nicht zur Kenntnis nimmt und sich damit als willkürlich darstellt. Nach den
vom polnischen Amtsgericht im Rahmen seiner Ermittlungen erhobenen Beweisen
konnte es nicht von einem Beweis der Abstammung des Antragstellers vom
Antragsgegner ausgehen. Die Großmutter des Antragstellers hat lediglich eine
pauschale Aussage vom Hörensagen abgegeben, die für sich genommen kaum
Beweiswert hat. Entscheidend ist aber, dass es im Statusverfahren die
substan-tiierte Aussage des Antragsgegners und insbesondere seine als Antrag
aufzunehmende Anregung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht
berücksichtigt hat (zum Ermittlungsgrundsatz im polnischen Verfahrensrecht
vgl. Gralla in: Gralla/Leonhardt Das Unterhaltsrecht in Osteuropa S. 137 f.;
zum "obersten Grundsatz der objektiven Wahrheit" vgl. Gralla JOR 1969 1.
Halbjahr S. 213). Dieser Fehler im Erkenntnisverfahren erschöpft sich auch
nicht in einer fehlerhaften Beweisaufnahme. Im Hinblick auf den
eingeschränkten Beweiswert der Aussage der Großmutter des Antragstellers und
die widersprechende sub-stantiierte Aussage des Antragsgegners sind dessen
Vortrag und Beweisangebot offensichtlich unberücksichtigt geblieben. Das
kann auch unter Beachtung des hohen Maßstabs des verfahrensrechtlichen ordre
public nicht hingenommen werden.
37 Das polnische Urteil ist auch nicht in zulässiger Weise allein auf den
Vortrag des Antragstellers gestützt. Der besonderen Bedeutung des
Ermittlungsgrundsatzes im Statusverfahren mit Rechtsfolgen für und gegen
jedermann ist das Amtsgericht zwar dadurch nachgekommen, dass es den
Antragsgegner im Wege der Rechtshilfe in Deutschland angehört hat. Nach der
Rechtshilfevernehmung des Antragsgegners durfte es dessen Aussage aber nicht
unbeachtet lassen. Entsprechend ist das Urteil vom 3. Februar 2005 im
Hinblick auf die besondere Bedeutung des Statusverfahrens auch nicht als
Versäumnisurteil ergangen. Es ist mit Gründen versehen, wenngleich diese -
ausweislich des Protokolls vom 3. Februar 2005 - lediglich mündlich
verkündet worden sind. Dies entspricht trotz der Säumnis des Antragsgegners
der besonderen Bedeutung des Statusverfahrens mit der inter-omnes-Wirkung
des Feststellungsurteils.
38 cc) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung ohne schriftliche
Gründe ergangen ist. Allein darin liegt zwar noch kein Verstoß gegen den
ordre public. Die Prüfung des ausländischen Urteils auf seine Vereinbarkeit
mit dem ordre public wird dadurch allerdings erschwert, so dass eine
Unsicherheit zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers geht (Zöller/Geimer ZPO
27. Aufl. § 328 Rdn. 257 m.w.N.). Der Antragsteller hat auch nicht die
Möglichkeit genutzt, im Rahmen des Vollstreckbarkeitsverfahrens gemäß Art.
1144 ZVGB eine nachträgliche Begründung zu beantragen.
39 dd) Der Umstand, dass der Antragsgegner kein Rechtsmittel gegen das
amtsgerichtliche Urteil eingelegt hat, steht seinem Einwand eines Verstoßes
gegen den verfahrensrechtlichen ordre public hier ausnahmsweise nicht
entgegen.
40 Grundsätzlich ist die Rüge eines Verstoßes gegen den
verfahrensrechtlichen ordre public zwar dann ausgeschlossen, wenn der
Antragsgegner des Vollstreckbarkeitsverfahrens im Erkenntnisverfahren nicht
alle nach dem Recht des Erststaates statthaften, zulässigen und zumutbaren
Rechtsmittel ausgeschöpft hat (vgl. Geimer in: Geimer/Schütze
Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 57;
Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht 7. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 42;
Zöller/Geimer ZPO 27. Aufl. § 328 Rdn. 237; Schlosser EU-Zivilprozessrecht
3. Aufl. Artt. 34 - 36 EuGVVO Rdn. 4; Geimer IPRax 2004, 419, 420). Dem
liegt der Gedanke zugrunde, dass dem Schuldner im
Vollstreckbarkeitsverfahren keine Verfahrensrüge zustehen soll, die er mit
einem Rechtsmittel im Erkenntnisverfahren hätte vorbringen können und auf
die er in Kenntnis des ausländischen Titels verzichtet hatte.
41 Hier hatte der Antragsgegner allerdings keine Kenntnis von der mit der
Appelation anfechtbaren (vgl. Bergmann/Ferid/Gralla Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht Länderabschnitt Polen Stand 1. Oktober 2007 S. 32 a)
amtsgerichtlichen Entscheidung. Denn weil er weder einen
Prozessbevollmächtigten noch einen Zustellungsbevollmächtigten benannt
hatte, wurde er an dem weiteren Verfahren - bis auf seine
Rechtshilfevernehmung - nicht mehr beteiligt. Weil er hier auf eine
Fortsetzung der Beweisaufnahme durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens vertrauen durfte, hat er durch seine Untätigkeit
nicht auf die Rüge eines ihm bekannten Verfahrensverstoßes verzichtet. Zwar
sieht Art. 1135 § 2 ZVGB für eine im Ausland wohnende Person die
Verpflichtung vor, in Ermangelung eines Prozessbevollmächtigten einen
Zustellungsbevollmächtigten in Polen zu benennen. Kommt er dem nicht nach,
verbleiben die für ihn bestimmten gerichtlichen Schriftstücke mit der
Wirkung der Zustellung in den Gerichtsakten, worüber die Partei bei der
ersten Zustellung zu belehren ist. Zugleich ist die Prozesspartei aber auch
über die Möglichkeit zur Einreichung einer Erwiderung auf den das Verfahren
einleitenden Schriftsatz und zu weiteren schriftlichen Erklärungen zu
belehren.
42 Art. 1135 § 2 ZVGB beschneidet das durch Art. 103 Abs. 1 GG
gewährleistete rechtliche Gehör nicht unerheblich. Zwar sieht auch die
deutsche Verfahrensvorschrift des § 184 ZPO die Verpflichtung einer
ausländischen Prozesspartei vor, einen Zustellungsbevollmächtigten zu
benennen. Wird ein Zustellungsbevollmächtigter entgegen dieser Verpflichtung
nicht benannt, können spätere Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung
allerdings nur dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der
Anschrift der Partei zur Post gegeben wird (§ 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das
Schriftstück gilt dann zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§
184 Abs. 2 Satz 1 ZPO), wenn das Gericht keine längere Frist bestimmt. Auch
nach deutschem Recht ist auf diese Rechtsfolgen hinzuweisen. Allerdings
enthält die Vorschrift damit lediglich eine Zustellungsfiktion, zumal die
Schriftsätze weiterhin der Prozesspartei übersandt werden. Die nach
polnischem Recht bewirkte Zustellung durch Verbleib der Schriftstücke in der
Prozessakte geht weit darüber hinaus.
43 Entscheidend ist in dem hier vorliegenden Einzelfall aber, dass der
Antragsgegner auf der Grundlage seiner Aussage und des Angebots zur
Mitwirkung an einer Begutachtung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Amtsermittlung noch nicht mit einer abschließenden Entscheidung des
polnischen Gerichts rechnen musste. Selbst wenn ihm die unterlassene
Übersendung der Schriftstücke im Anschluss an seine Rechtshilfevernehmung
wegen der fehlenden Angabe eines Zustellungsbevollmächtigten in Polen
zuzurechnen wäre, durfte er zunächst auf eine Begutachtung im Rahmen der von
Amts wegen durchzuführenden Beweisaufnahme und auf eine spätere Möglichkeit
der Teilnahme am Verfahren auf der Grundlage des Ergebnisses des
Sachverständigengutachtens vertrauen. Auch das Unterbleiben eines
rechtzeitigen Rechtsmittels durch den Antragsgegner ist deswegen auf die
vorzeitige Entscheidung und somit auf den Verstoß des polnischen
Amtsgerichts gegen den verfahrensrechtlichen ordre public zurückzuführen und
steht der Ablehnung der Vollstreckbarkeit somit nicht entgegen.
44 ee) Der Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public ist
schließlich auch für die zu vollstreckende Entscheidung kausal geworden.
Denn wenn das polnische Amtsgericht den Vortrag des Antragsgegners in seinem
Statusverfahren zur Kenntnis genommen hätte, hätte es nicht ohne Verstoß
gegen das Willkürverbot abschließend entscheiden dürfen, sondern ein
Sachverständigengutachten einholen müssen. Ob dieses Gutachten schließlich
für oder gegen eine Vaterschaft des Antragsgegners spricht, kann vorab nicht
beurteilt werden; die Unsicherheit steht dem Verstoß gegen den
verfahrensrechtlichen ordre public deswegen nicht entgegen. |