Schriftformerfordernis von langfristigen
Mietverträgen (§ 550 S. 1 BGB), Folge des Formverstoßes; Anwendbarkeit auf
Vertragsänderungen; treuwidrige Berufung auf den Formmangel
BGH, Urteil vom 25. November 2015 -
XII ZR 114/14
Fundstelle:
NJW 2016, 311
Amtl. Leitsatz:
a) Die Änderung der Miethöhe stellt stets eine
wesentliche und - jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und
nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann - dem Formzwang des §
550 Satz 1 BGB unterfallende Vertragsänderung dar.
b) Zur Frage, wann eine Vertragspartei nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben gemäß § 242 BGB gehindert ist, sich auf einen Schriftformmangel zu
berufen.
c) Zur Formbedürftigkeit von Vereinbarungen zu am Mietobjekt
durchzuführenden Um- und Ausbaumaßnahmen.
Zentrale Probleme:
Nach § 550 S. 1 BGB bedarf ein befristeter
Mietvertrag, der für eine längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, der
Schriftform. Wird diese nicht gewahrt, gilt der Vertrag als auf unbestimmte
Zeit abgeschlossen mit der Folge, dass die Parteien ihn ordentlich kündigen
können (§ 542 I BGB). Hier war ein Vertrag schriftlich für 20 Jahre
geschlossen worden, später wurde die Miete einverständlich, aber nur
mündlich erhöht. Dann kündigte der Mieter u.a. ordentlich. Ein solches Recht
könnte er haben, wenn auch die Vertragsänderung dem Schriftformerfordernis
unterlegen hätte. Der Senat bejaht das und beschäftigt sich anschließend mit
der Frage, ob der Mieter nicht gegen § 242 BGB verstößt, wenn er nunmehr
ordentlich kündigt. Er erklärt auch die Fallgruppen, in welchen das
besonders in Frage kommt (etwa bei einer Vertragsänderung zugunsten des
Mieters). S. zu diesen nunmehr auch
BGH v. 12.7.2017 - VIII ZR 214/16.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Kläger begehren die
Feststellung, dass sie als Mieter das zwischen den Parteien bestehende
Gewerberaummietverhältnis wirksam durch Kündigung zum 31. Juli 2014 beendet
haben.
2 Die Kläger hatten im Jahre 2001 vom Rechtsvorgänger der beiden Beklagten
(im Folgenden: Erblasser) zum Betrieb einer Zahnarztpraxis Räume im
Erdgeschoss seines Anwesens angemietet. Zum Zweck der Praxisvergrößerung
schlossen die Kläger mit dem Erblasser am 2. Mai 2005 einen neuen
schriftlichen Mietvertrag, der sich neben den Erdgeschossräumen auch auf
Räume im ersten Obergeschoss bezog. Es erfolgten Umbaumaßnahmen wie ein
Deckendurchbruch und der Einbau einer Verbindungstreppe zwischen den beiden
Geschossen, deren Kosten die Kläger trugen. Als Vertragsende war der 30.
April 2020 vereinbart, als monatliche Miete ein Betrag von 1.350 €.
Knapp acht Monate nach dem Vertragsabschluss vereinbarte der Kläger zu 2 mit
dem Erblasser mündlich, dass die monatliche Miete ab 1. Januar 2006 um 20 €
auf 1.370 € erhöht werde, und vermerkte dies auf dem Mietvertragsexemplar
der Kläger. Der Erblasser verstarb und wurde von den beiden
Beklagten beerbt.
3 Mit Schreiben vom 26. Oktober 2013 kündigten die Kläger das Mietverhältnis
zum 31. Juli 2014 aus wichtigem Grund, weil die Räume nicht mehr den
gestiegenen Anforderungen an den Platzbedarf der Praxis und an die
Einhaltung von Hygienevorgaben entsprächen. Mit der am 20. Februar 2014
eingereichten Klage auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses
erklärten die Kläger die ordentliche Kündigung zum 31. Juli 2014. Die Kläger
haben die Praxisräume inzwischen geräumt.
4 Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Feststellungsbegehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
7 Die Befristung des Mietvertrags sei trotz der geringfügigen Änderung der
Miete wirksam und die Voraussetzungen einer außerordentlichen sowie einer
ordentlichen Kündigung hätten nicht vorgelegen. Die Schriftform sei zwar nur
gewahrt, wenn sich die notwendige Einigung über alle wesentlichen
Vertragsbedingungen aus einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten
Urkunde ergebe. Dieses Erfordernis beziehe sich auch auf Vertragsänderungen.
Ausgenommen seien von der Schriftform aber solche Abreden, die für den
Inhalt des Vertrags von nur nebensächlicher Bedeutung seien.
8 Im vorliegenden Fall hätten sich die Vertragsparteien rund acht Monate
nach Vertragsabschluss auf eine Mieterhöhung von knapp 2 % verständigt. Es
sei umstritten, ob zeitlich nicht beschränkte Abänderungen der Miete stets
als wesentlich zu erachten seien oder nur dann, wenn sie eine
Wesentlichkeits-grenze von etwa 10 % oder mehr überschritten. Der hier
gegebene Erhöhungsbetrag von 20 € erscheine nach vernünftiger Beurteilung
als unwesentlich, da er zu marginal und für einen potenziellen Erwerber
nicht nachteilig sei. Anders als bei einer Mietminderung würde es bei dieser
Sachlage gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, wenn sich die
Kläger mit dieser Begründung der vertraglichen Bindung für noch sechs Jahre
entziehen könnten.
9 Der Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis sei nicht formbedürftig,
weil es sich um einen gesetzlichen Eintritt aufgrund von Universalsukzession
handele. Auch dass die Kläger mit Genehmigung des Vermieters die
Räumlichkeiten umgestaltet hätten, habe nicht der Schriftform bedurft. Ein
sog. verlorener Baukostenzuschuss sei nicht gegeben, eine Erweiterung der
vermieteten Fläche habe nicht stattgefunden.
10 Schließlich rechtfertige auch der gestiegene Raumbedarf der Kläger weder
eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung. Gleiches gelte für
gegebenenfalls nach Vertragsabschluss verschärfte Hygienevorschriften im
Bereich der Zahnheilkunde. Denn das Verwendungsrisiko trage stets der
Mieter.
II.
11 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
12 1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des
Berufungsgerichts, wonach die von §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 BGB geforderte
Schriftform nur gewahrt ist, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags
notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere
über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des
Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde
ergibt (Senatsurteil vom 30. April 2014 - XII ZR 146/12 - NJW 2014,
2102 Rn. 23 mwN). Von der Schriftform ausgenommen sind lediglich
solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrags, auf den die Parteien sich
geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind
(Senatsurteil vom 22. April 2015 - XII ZR 55/14 - NJW 2015, 2034 Rn. 15 mwN).
Für Vertragsänderungen gilt nichts anderes als für den
Ursprungsvertrag. Sie müssen daher ebenfalls der Schriftform des § 550 BGB
genügen, es sei denn, dass es sich um unwesentliche Änderungen handelt
(st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Senatsurteile vom 13. November
2013 - XII ZR 142/12 - NJW 2014, 52 Rn. 22 mwN und vom 30. Januar 2013 - XII
ZR 38/12 - NJW 2013, 1083 Rn. 22 mwN).
13 2. Richtig hat das Berufungsgericht auch gesehen, dass der Eintritt der
Beklagten als Erben des Vermieters in den Mietvertrag nicht
schriftformschädlich ist. Denn er hat sich aufgrund der gemäß §§ 1922, 1967
BGB erfolgenden Universalsukzession kraft Gesetzes vollzogen und beruht
nicht auf einer vertraglichen Abrede, für die allein § 550 BGB gilt (vgl.
Blank in Blank/Börstinghaus Miete 4. Aufl. § 550 BGB Rn. 29; jurisPK-BGB/Schur
[Stand: 23. Juni 2015] § 550 Rn. 9; MünchKommBGB/Bieber 6. Aufl. § 550 Rn.
7).
14 3. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, auch die
nachträgliche Vereinbarung einer um 20 € - oder rund 1,5 % - höheren
Monatsmiete könne schon deshalb keine Verletzung des
Schriftformerfordernisses nach § 550 Satz 1 BGB begründen, weil es sich
nicht um eine wesentliche Vertragsänderung handele. Vielmehr ist
auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht
auszuschließen, dass die Änderung der Miete einen Verstoß gegen die
Schriftform darstellt und die Kläger das dann gemäß § 550 Satz 1 BGB für
unbestimmte Zeit geschlossene Mietverhältnis wirksam ordentlich gekündigt
haben.
15 a) Die Frage, ob eine nachträgliche dauerhafte Änderung der Miete
stets und unabhängig von ihrer Höhe wesentlich ist oder es der
Überschreitung einer Erheblichkeitsgrenze bedarf, ist umstritten und
höchstrichterlich nicht geklärt. Die wohl überwiegende Meinung in
Rechtsprechung und Literatur geht dahin, dass nur unerhebliche
Mietänderungen nicht dem Formzwang des § 550 BGB unterfallen, wobei die
(regelmäßig in Prozentwerten angegebene) Grenze der Erheblichkeit nicht
einheitlich festgelegt wird (vgl. etwa OLG Jena NZM 2008, 572, 575
f.; OLG Naumburg OLGR 2008, 225, 227 f.; OLG Hamm OLGR 2006, 138, 140;
BeckOK BGB/Herrmann [Stand: 1. Mai 2015] § 550 Rn. 20; Erman/ Lützenkirchen
BGB 14. Aufl. § 550 Rn. 17; Ghassemi-Tabar/Guhling/ Weitemeyer/Schweitzer
Gewerberaummiete § 550 BGB Rn. 61; Heile/ Landwehr in Bub/Treier Handbuch
der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Rn. 2508; Leo NZM 2006, 452, 453;
Neuhaus Handbuch der Geschäftsraummiete 5. Aufl. Kap. 5 Rn. 104 f.;
Staudinger/Emmerich BGB [2014; Updatestand: 22. September 2015] § 550 Rn. 29
a; Sternel Mietrecht aktuell 4. Aufl. Rn. I 131; Timme/Hülk NJW 2007, 3313,
3316).
16 Demgegenüber wird auch vertreten, eine dauerhafte Änderung der
Miethöhe sei immer vertragswesentlich und daher stets nach § 550 BGB
schriftlich zu vereinbaren (vgl. etwa Blank in Blank/Börstinghaus
Miete 4. Aufl. § 550 BGB Rn. 53; FA-MietRWEG/Schmid 5. Aufl. Kap. 3 Rn. 362;
MünchKommBGB/Bieber 6. Aufl. § 550 Rn. 7; Schmidt-Futterer/Lammel Miete 12.
Aufl. § 550 BGB Rn. 41 f.; Soergel/Heintzmann BGB 13. Aufl. § 550 Rn. 8;
Späth ZMR 2010, 585, 589; wohl auch OLG Karlsruhe NZM 2003, 513, 517).
17 b) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Die Änderung
der Miethöhe stellt stets eine wesentliche und - jedenfalls soweit sie für
mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen
werden kann (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861
f.) - dem Formzwang des § 550 Satz 1 BGB unterfallende
Vertragsänderung dar.
18 aa) Bei der Miete handelt es sich per se um einen vertragswesentlichen
Punkt, der für den von § 550 BGB geschützten potenziellen
Grundstückserwerber von besonderem Interesse ist. Dies gilt umso mehr, als
sich Änderungen unmittelbar auf die Möglichkeit des Vermieters zur
fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs auswirken. So kann sich etwa die
Nichtzahlung selbst eines vergleichsweise geringfügigen Erhöhungsbetrags bei
einem langfristigen Mietvertrag nicht nur aufsummieren und gegebenenfalls zu
einem für eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b BGB
ausreichenden Rückstand führen. Vielmehr kann der Verzug mit auch nur einem
solchen Erhöhungsbetrag im Zusammenspiel mit anderweitigen
Zahlungsrückständen des Mieters dazu führen, dass ein wichtiger Grund i.S.d.
§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zu bejahen ist. Mithin kann jede Mietänderung
unabhängig von ihrer relativen oder absoluten Höhe "das Fass zum Überlaufen
bringen" und auch sonst kündigungsrelevant sein.
19 bb) Außerdem ist es - wie im Übrigen auch die Uneinheitlichkeit der von
den Befürwortern einer Erheblichkeitsgrenze genannten Prozentwerte belegt -
angesichts der Vielgestaltigkeit von Mietverhältnissen nicht möglich, eine
feste Prozentgrenze (und noch viel weniger eine bestimmte Änderungssumme)
festzulegen, bis zu der eine Mietänderung nicht wesentlich ist. Daher
spricht auch das Gebot der Rechtssicherheit gegen die Annahme einer solchen
Erheblichkeitsgrenze. Letztlich haben es die Parteien langfristiger
Mietverhältnisse ohne weiteres in der Hand, bei der Vereinbarung von
Mietänderungen (jedweder Höhe) der Formvorschrift des § 550 BGB zu genügen.
20 cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die
Formbedürftigkeit nach § 550 Satz 1 BGB ohne Bedeutung, ob die Mietänderung
zu einer dem Vermieter und damit auch dem potenziellen Grundstückserwerber
günstigen Erhöhung oder aber zu einer Ermäßigung geführt hat. Dies
folgt schon daraus, dass die Schriftform nicht nur den Grundstückserwerber,
sondern auch die Vertragsparteien schützen soll (st. Rspr. des
Senats, vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rn. 26 und
BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rn. 16 f.). Der Formzwang des § 550
Satz 1 BGB greift auch dann ein, wenn eine Vereinbarung keine
Verpflichtungen für einen potenziellen Erwerber, sondern ausschließlich
Verpflichtungen des Mieters zum Inhalt hat (Senatsurteil vom 29.
April 2009 - XII ZR 142/07 - NJW 2009, 2195 Rn. 30; Staudinger/ Emmerich BGB
[2014; Updatestand: 22. September 2015] § 550 Rn. 28). Im Übrigen nützt dem
Erwerber eine ihm grundsätzlich günstige Vertragsänderung nichts, wenn er
von ihr mangels Beurkundung keine Kenntnis erlangen kann.
21 c) Dass für die mithin gemäß §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 Satz 1 BGB
formbedürftige Vereinbarung zur Mieterhöhung die Schriftform gewahrt ist,
lässt sich den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht
entnehmen, so dass revisionsrechtlich von einem Schriftformverstoß
auszugehen ist.
22 Das Landgericht hat zur Änderungsvereinbarung festgestellt, die Miete sei
zum 1. Januar 2006 erhöht worden. Der Kläger zu 2 habe auf seinem
Mietvertragsformular die ursprüngliche Miete durchgestrichen und
handschriftlich "1370 ab 1.1.06" darüber geschrieben; dies sei im
Einvernehmen mit dem Erblasser erfolgt. Mit ihrer Berufung haben die Kläger
- wie schon in erster Instanz -geltend gemacht, die Vereinbarung sei
telefonisch erfolgt und den Vermerk habe der Kläger zu 2 nur zu
Erinnerungszwecken aufgebracht. Das Berufungsgericht hat dazu, wie es zu der
Änderungsvereinbarung und dem Vermerk auf dem Vertragsexemplar gekommen ist,
keine Feststellungen getroffen.
23 Ausgehend vom in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Vortrag der
Kläger genügt die Vertragsänderung nicht der von § 550 Satz 1 BGB
geforderten Schriftform der §§ 126, 126 a BGB. Für die Einhaltung
der Schriftform einer Urkunde ist zwar ohne Belang, ob die Unterzeichnung
der Niederschrift des Urkundentextes zeitlich nachfolgt oder vorangeht. Es
bedarf deshalb für die Rechtsgültigkeit einer Änderung des Vertragstextes
keiner erneuten Unterschrift, wenn die Vertragspartner sich über die
Änderung einig sind und es ihrem Willen entspricht, dass die Unterschriften
für den veränderten Vertragsinhalt Gültigkeit behalten sollen
(Senatsurteil vom 29. April 2009 - XII ZR 142/07 -NJW 2009, 2195 Rn. 32;
vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 1994 - III ZR 117/93 - NJW 1994, 2300,
2301; Urteile vom 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88 - NJW-RR 1990, 518, 519
und vom 7. Februar 1973 -VIII ZR 205/71 - WM 1973, 386, 387). An
einem solchen übereinstimmenden Willen fehlt es aber, wenn lediglich eine
Partei ohne Wissen der anderen auf einem Vertragsexemplar eine Änderung etwa
nur zur Gedächtnisstütze vornimmt.
24 d) Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen sind
die Kläger auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242
BGB gehindert, sich auf den Schriftformmangel zu berufen.
25 aa) Grundsätzlich darf sich jede Vertragspartei darauf berufen,
die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur
ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem
schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB
rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Partei sich darauf beruft, der
Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Das kann
insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen
schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst
einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder
wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht
wäre (Senatsurteil vom 30. April 2014 - XII ZR 146/12 - NJW 2014,
2102 Rn. 27 mwN). Zum Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das
Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
26 bb) Eine Treuwidrigkeit folgt nicht aus dem vom Berufungsgericht
erwähnten Umstand, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit noch sechs Jahre
beträgt, weil es gerade die langfristige Bindung ist, die von der Einhaltung
der Schriftform abhängt (BGHZ 99, 54 = NJW 1987, 948, 949). Das Gleiche gilt
mit Blick darauf, dass die Parteien ihren Pflichten aus dem Mietvertrag über
einen längeren Zeitraum bis zur Kündigung durch die Kläger nachgekommen
sind. Daraus lässt sich nicht herleiten, sie hätten darauf vertrauen können,
der Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit
Gebrauch machen, die das Gesetz vorsieht, wenn die Schriftform nicht
eingehalten ist (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Senatsurteile vom 30.
Januar 2013
- XII ZR 38/12 - NJW 2013, 1083 Rn. 26 mwN und vom 9. April 2008 - XII ZR
89/06 - NJW 2008, 2181 Rn. 28 mwN).
27 Es liegt auch keine einseitig die Mieter begünstigende Änderung
vor, bei der es gegen § 242 BGB verstoßen kann, wenn die Mieter aus ihr den
weiteren Vorteil ziehen wollen, sich nunmehr ganz von dem ihnen lästig
gewordenen Mietvertrag zu lösen (BGHZ 65, 49 = WM 1975, 824, 826).
Schließlich kann für sich genommen nicht die Annahme eines Rechtsmissbrauchs
rechtfertigen, dass der Änderungsbetrag vergleichsweise gering ist. Denn die
Änderung der Miethöhe ist - wie dargelegt - unabhängig von ihrem Umfang
vertragswesentlich, unterfällt daher § 550 BGB und führt dann, wenn sie
nicht der Schriftform genügt, kraft gesetzlicher Anordnung zu einem auf
unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverhältnis und damit zur Kündbarkeit.
28 4. Auf rechtliche Bedenken trifft auch die Auffassung des
Berufungsgerichts, eine über den Vertragstext hinausgehende Vereinbarung zu
den von den Mietern vorgenommenen und vom Vermieter gestatteten
Umbauarbeiten unterfalle nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB.
Dies wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.
29 a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen auch Nebenabreden der
Schriftform, wenn sie den Inhalt des Mietverhältnisses gestalten und nach
dem Willen der Vertragsparteien wesentliche Bedeutung haben (Senatsurteil
vom 22. Dezember 1999 - XII ZR 339/97 - NJW 2000, 1105, 1106). Treffen die
Mietvertragsparteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und
Ausbauarbeiten und dazu, wer diese vorzunehmen und wer die Kosten zu tragen
hat, so liegt die Annahme nicht fern, dass diesen Abreden
vertragswesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Ghassemi Tabar/Guhling/Weitemeyer/Schweitzer
Gewerberaummiete § 550 BGB Rn. 43; Lindner-Figura in Lindner-Figura/Opree/Stellmann
Geschäftsraummiete 3. Aufl. Kap. 6 Rn. 31 f.). Dies gilt im vorliegenden
Fall umso mehr, als das Berufungsgericht festgestellt hat, der Grund des
Vertragsabschlusses sei die Vergrößerung der Praxis gewesen.
30 Von den im schriftlichen Mietvertrag enthaltenen Bestimmungen könnte
insoweit allenfalls § 8 Abs. 2 relevant sein, der regelt, dass die weitere
Ausstattung und das Herrichten der Mieträume dem Mieter nach eigenem
Ermessen freistünden. Mangels näherer Feststellungen zu Zeitpunkt und Inhalt
der getroffenen Vereinbarungen, zu Zeitpunkt und Umfang der Um- und
Ausbauarbeiten und zur Bedeutung, die die Vertragsparteien diesem Punkt
beigemessen haben, ist weder eine abschließende Beurteilung der
Formbedürftigkeit noch der Frage möglich, ob mit dieser Vertragsbestimmung
die Schriftform gewahrt
ist.
31 b) Mit der vom Berufungsgericht gewählten Begründung lässt sich eine
Formbedürftigkeit der Vereinbarungen jedenfalls nicht verneinen. Eine
vertragswesentliche Nebenabrede zu Um- und Ausbauarbeiten kann nicht nur bei
einer Flächenvergrößerung oder bei einem verlorenen Baukostenzuschuss
vorliegen. Im Übrigen setzt ein verlorener Baukostenzuschuss entgegen der
Annahme des Berufungsgerichts nicht zwingend eine Zuschusszahlung des
Mieters voraus, sondern kann auch etwa in Bauleistungen auf Kosten des
Mieters bestehen (vgl. BGH Urteil vom 22. Mai 1967 - VIII ZR 25/65 - NJW
1967, 2255, 2256; Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/Guhling Gewerberaummiete
§ 547 BGB Rn. 6; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 12. Aufl. § 547 Rn. 13).
32 c) Einer eventuellen Formbedürftigkeit der Abreden zu den Umbaumaßnahmen
steht im Übrigen nicht entgegen, dass die Maßnahmen gegebenenfalls im
unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss durchgeführt
werden sollten. Auch dann stünde nicht ohne weiteres fest, dass diese
Abreden einen potenziellen Grundstückserwerber keinesfalls beträfen oder
jedenfalls keine längere Gültigkeitsdauer als ein Jahr hätten (vgl. dazu
Senatsurteil BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861, 1862; Ghassemi-Tabar/Guhling/
Weitemeyer/Schweitzer Gewerberaummiete § 550 BGB Rn. 46; Staudinger/
Emmerich BGB [2014; Updatestand: 22. September 2015] § 550 Rn. 25 f.). Die
Pflicht des Mieters zur Vornahme einschließlich Kostentragung kann sich
ebenso ohne weiteres noch nach der Jahresfrist des § 550 Satz 2 BGB
auswirken wie die Pflicht des Vermieters zur Duldung. Vor allem kann ein
verlorener Baukostenzuschuss auch nach Jahren noch dazu führen, dass bei
vorzeitiger Vertragsbeendigung - etwa aufgrund außerordentlicher Kündigung
des Vermieters - wegen des noch nicht "abgewohnten" Teils ein
Bereicherungsanspruch des Mieters besteht (vgl. Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/Guhling
Gewerberaummiete § 547 BGB Rn. 6; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 12.
Aufl. § 547 Rn. 15 ff.). Der Schutz des potenziellen Grundstückserwerbers
gebietet daher auch in einem solchen Fall, dessen Information durch die
Schriftform sicherzustellen.
33 5. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist hingegen, dass das
Berufungsgericht das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes i.S.d. §
543 BGB verneint hat. Wie es zutreffend ausführt, liegt das
Verwendungsrisiko für die Mieträume bei den Klägern als den Mietern (st.
Rspr. des Senats, vgl. etwa Senatsurteile vom 13. Juli 2011 - XII ZR 189/09
- NJW 2011, 3153 Rn. 9 mwN und vom 17. März 2010 - XII ZR 108/08 - NZM 2010,
364 Rn. 17 mwN). Dass sich im Laufe der Jahre ein erhöhter Platzbedarf für
die Praxis ergeben hat, kann ebenso wenig eine außerordentliche Kündigung
rechtfertigen wie der von den Klägern angeführte Umstand, infolge neuer
Hygienerichtlinien sei die Auflage zu erwarten, dass das Labor geschlossen
werden müsste. Unabhängig davon, dass ein entsprechendes behördliches
Eingreifen bislang nicht erfolgt ist und ein Mangel der Mietsache damit
nicht vorliegt (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2013 - XII ZR 77/12 - NZM
2014, 165 Rn. 20), hat das Berufungsgericht - von der Revision unangegriffen
- im Einzelnen ausgeführt, dass allenfalls ein Teilbereich der
Labortätigkeit betroffen sein kann.
34 6. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil diese
noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Nach Zurückverweisung wird das
Berufungsgericht insbesondere Feststellungen dazu zu treffen haben, wie es
zur Vereinbarung der Mieterhöhung und der Ergänzung des Vertragsexemplars
der Kläger gekommen ist. Gegebenenfalls sind - nach ergänzendem Vortrag der
Parteien hierzu - dann auch Feststellungen zu den Vereinbarungen betreffend
die Umbaumaßnahmen erforderlich.
35 Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - einen
Schriftformverstoß unterstellt - das Mietverhältnis erst mit Ablauf des 30.
September 2014 beendet worden sein kann. Denn die Kündigungsfrist bestimmt
sich nach § 580 a Abs. 2 BGB. Sofern die außerordentliche Kündigung vom 26.
Oktober 2013, die sich ausschließlich mit der Nichterfüllung der gestiegenen
Anforderungen befasste, in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist (vgl.
dazu etwa Senatsurteil vom 24. Juli 2013 - XII ZR 104/12 - NJW 2013, 3361
Rn. 17 f. mwN), wäre die ordentliche Kündigung mithin spätestens am dritten
Werktag eines Kalendervierteljahrs zum Ablauf des nächsten
Kalendervierteljahrs und daher frühestens zum Ablauf des 30. Juni 2014
zulässig gewesen. Die Kläger haben aber nicht zu diesem Termin, sondern zum
31. Juli 2014, also einem weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehenen
Zeitpunkt, gekündigt (vgl. nur Palandt/Weidenkaff BGB 74. Aufl. § 580 a Rn.
15; Schmidt-Futterer/ Blank Mietrecht 12. Aufl. § 580 a Rn. 15), so dass
ihre Kündigung erst mit dem nächstfolgenden Ende eines Kalendervierteljahrs,
hier dem 30. September 2014, Wirksamkeit entfalten konnte (vgl. dazu
Senatsbeschluss vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 245/94 - NJW-RR 1996, 144).
Scheidet eine Umdeutung hingegen aus, hätte die mit der Klageerhebung im
Februar 2014 erfolgte ordentliche Kündigung ohnedies zu einer Beendigung des
Mietverhältnisses frühestens mit Ablauf des 30. September 2014 führen
können.
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