Verhältnis zwischen §
2038 BGB und § 2040 BGB bei der Verwaltung des Nachlasses: Vertragskündigung
durch Miterben mit Stimmenmehrheit
BGH v. 11.11.2009 - XII ZR
210/05
Fundstelle:
NJW 2010, 765
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die Erben können
ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit
Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme
ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.
Zentrale Probleme:
Bei der Verwaltung des Nachlasses können Miterben mit
Stimmenmehrheit die notwendigen Maßnahmen treffen. Das ergibt sich aus §§
2038 I, II, 745 BGB. Verfügungen können aber gem. § 2040 BGB nur
gemeinschaftlich getroffen werden. Der BGH entscheidet hier die in
BGH NJW
2007, 150 noch offen gelassene Frage, ob §
2038 BGB auch dann gilt, wenn die ordnungsgemäße Verwaltung eine Verfügung
(hier: Kündigung eines Mietvertrages als schuldrechtliches
Verfügungsgeschäft) erfordert, nunmehr zugunsten der Anwendbarkeit von §
2038 BGB. Die Entscheidung ist insoweit grundlegend, weil sie die bisherige
Rspr. aufgibt und daher zu recht für BGHZ vorgesehen. Allerdings beschränkt
der Senat die Aussage noch auf den Fall einer Vertragskündigung. Zentrales
Sachargument: Wenn die Miterben mit Stimmenmehrheit im Rahmen der
Nachlaßverwaltung einen schuldrechtlichen Vertrag schließen können, müssen
sie einen solchen auch aufheben bzw. durch Kündigung beenden können.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die Kläger begehren vom Beklagten Entschädigung für die
Nutzung einer Immobilie.
2 Im Jahr 1980 vermietete Herr E. S. (im Folgenden: Erblasser) das mit der
"Villa H. " bebaute Grundstück in R. (im Folgenden: Grundstück H.) an die
Staatlichen Kunstsammlungen D. Der monatliche Mietzins betrug 399,25 M/DDR.
Das Grundstück H. diente der Unterbringung der Puppentheatersammlung. 1989
verstarb der Erblasser; Erben nach ihm wurden Frau E. zu %, Herr B. zu % und
Frau U. zu %. Letztere schenkte ihren Erbteil im Jahre 1996 dem Landesverein
S. Heimatschutz e.V. (im Folgenden: Landesverein). Auf Seiten der Mieterin
trat nach der Wende zum 3. Oktober 1990 der beklagte Freistaat Sachsen als
Rechtsnachfolger in den Vertrag ein.
3 Die Miterben E. und B. verhandelten in der Folgezeit mit dem Beklagten
vergeblich über eine Erhöhung des Mietzinses, der sich nach der
Währungsunion auf 399,25 DM und ab 1. Januar 2002 auf 204,13 € belief.
4 Rechtsanwältin R. kündigte u.a. mit Schreiben vom 4. März 2002 den
Mietvertrag gegenüber dem Beklagten zum 31. Mai 2002 "im Namen der
Erbengemeinschaft nach E. S."; gleichzeitig widersprach sie einer
Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den bisherigen Konditionen. Die
Beklagte räumte das Grundstück in der Folgezeit nicht.
5 Mit notariellem Vertrag vom 15. April 2003 verkauften die drei Miterben
das Grundstück H. an die Kläger. Unter Ziffer 4 des Kaufvertrages war
vereinbart, dass Besitz und die Nutzungen mit vollständiger Kaufpreiszahlung
auf die Kläger übergehen. Die Kläger wurden am 14. August 2003 als
Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
6 Nachdem der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 5. August 2003 für das
Grundstück H. einen monatlichen Mietzins von 4.078 € angeboten hatte,
erklärte er schließlich seinerseits mit Schreiben vom 30. September 2003 die
Kündigung des Mietverhältnisses mit Wirkung zum 31. Dezember 2003. Der
Beklagte gab das Grundstück H. am 5. Januar 2004 an die Kläger zurück.
7 Das Landgericht hat der auf Nutzungsentschädigung gerichteten Klage für
den Zeitraum vom 4. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2003 in Höhe von
23.788,23 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die von dem Beklagten eingelegte
Berufung hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und
die Klage abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom Senat
zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Zurückweisung der Berufung, soweit die Klage noch aufrechterhalten
worden ist.
I.
9 Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, das Mietverhältnis zwischen
den Parteien sei erst durch die Kündigung des Beklagten zum 31. Dezember
2003 beendet worden, weshalb bis dahin auch lediglich der vertraglich
bestimmte Mietzins in Höhe von 213,04 € monatlich von der Beklagten
geschuldet werde.
10 Der Kündigung vom 4. März 2002 ermangele es an der notwendigen
Vertretungsmacht. Es sei erforderlich gewesen, dass alle drei Miterben
gemeinschaftlich i.S. von § 2040 BGB die Kündigung des Mietverhältnisses
erklärten. Die Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Handelns aller Miterben
ergebe sich daraus, dass die Kündigung das Mietverhältnis beende, mithin
eine Verfügung hierüber im Sinne von § 2040 BGB getroffen werde und damit
elementar der zentrale Satzungszweck des Landesvereins - Betreiben der
Puppensammlung -verloren gehe. Eine Mitwirkung des Landesvereins sei auch
nicht im Hinblick auf eine optimale Nachlassverwaltung - auch nicht unter
dem Gesichtspunkt der Nachlasserhaltung (§§ 2038 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 745
BGB) - nach § 242 BGB entbehrlich gewesen. Einer Zustimmung zur Kündigung
des Grundstücks H. hätte der eigene Satzungszweck des Landesvereins
entgegengestanden.
11 Der Landesverein als Miterbe habe weder der Zeugin R. noch dem Zeugen F.
eine wirksame Vollmacht erteilt. Eine wirksame Bevollmächtigung der Zeugin
R. ergebe sich auch nicht nach den Grundsätzen der Anscheins- oder
Duldungsvollmacht.
II.
12 Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen
Überprüfung stand.
13 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
dass die Kündigung des Mietverhältnisses eine Verfügung i.S. des § 2040 Abs.
1 BGB ist.
14 Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung hat der Senat für
Landwirtschaftssachen nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die
Kündigung eines Pachtvertrages über ein Nachlassgrundstück durch eine
Erbengemeinschaft als Verpächterin eine Verfügung i.S. des § 2040 Abs. 1 BGB
ist (BGH Urteil vom 28. April 2006 - LwZR 10/05 - FamRZ 2006, 1026). Eine
solche Kündigung sei zwar keine Verfügung über das verpachtete Grundstück,
wohl aber eine Verfügung über die Rechte aus dem Pachtvertrag wie die
ebenfalls zu dem Nachlass gehörende Pachtzinsforderung. Auch sie gehöre zu
den Rechten, auf die sich eine Verfügung i.S. von § 2040 Abs. 1 BGB beziehen
könne. Durch die Kündigung des Vertrags werde das Recht aufgehoben, denn
damit erlösche der Anspruch der Erbengemeinschaft auf Zahlung des
Pachtzinses (BGH aaO).
15 2. Jedoch war es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die
Wirksamkeit der Kündigung vom 4. März 2002 nicht erforderlich, dass alle
drei Miterben gemeinschaftlich die Kündigung des Mietverhältnisses
erklärten. Das ergibt sich aus § 2038 BGB, der die Vorschrift des § 2040 BGB
im vorliegenden Fall verdrängt.
16 Gemäß § 2038 BGB steht auch die Verwaltung des Nachlasses den Erben
grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber
allerdings verpflichtet, an Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen
Verwaltung erforderlich sind. Gemäß § 745 Abs. 1 BGB, der nach § 2038 Abs. 2
Satz 1 BGB zur Anwendung gelangt, kann durch Stimmenmehrheit eine der
Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende
ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Fügt sich
der überstimmte Miterbe dem Mehrheitsbeschluss nicht, so können ihn die
übrigen Miterben etwa auf Abgabe der für die Verfügung erforderlichen
Willenserklärung verklagen. Die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen
Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung des anderen treffen. Nach §
2040 Abs. 1 BGB können die Erben über einen Nachlassgegenstand jedoch nur
gemeinschaftlich verfügen.
17 Die Frage, ob § 2040 Abs. 1 BGB für Verfügungen über einen
Nachlassgegenstand ausnahmslos anwendbar ist oder ob § 2038 Abs. 1 Satz 2
Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB im Falle mehrheitlich
beschlossener Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses
gegenüber § 2040 Abs. 1 BGB vorrangig ist, ist umstritten.
18 a) Bislang ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass
Verfügungen i.S. von § 2040 Abs. 1 BGB stets sämtliche Miterben
gemeinschaftlich vornehmen müssen, auch wenn sie zugleich Maßnahmen der
ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung sind (V. Zivilsenat BGHZ 38, 122,
124). Allerdings hat der V. Zivilsenat in dem Verfahren LwZR 10/05 auf
Anfrage des Senats für Landwirtschaftssachen mitgeteilt, dass er an dieser
Auffassung nicht mehr festhalte (vgl. BGH Urteil vom 28. April 2006 - LwZR
10/05 - FamRZ 2006, 1026,1027).
19 Der Senat für Landwirtschaftssachen hat sich in seinem Urteil vom 28.
April 2006 mit der Streitfrage eingehend beschäftigt, sie im Ergebnis jedoch
offen gelassen (BGH aaO S. 1027 f. m.w.N.). Allerdings hat er zum Ausdruck
gebracht, dass er die strikte Einhaltung des - aus der gesamthänderischen
Bindung herrührenden - Prinzips des gemeinschaftlichen Handelns bei
Verfügungen jedenfalls dann nicht für einsichtig halte, wenn sich die
Verfügungen nicht nachteilig auf den Nachlassbestand auswirkten (aaO S.
1028).
20 In seiner Entscheidung vom 28. September 2005 (BGHZ 164, 181, 184 f.) hat
der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der u. a. über die Frage zu
entscheiden hatte, ob ein Miterbe im Rahmen der Nachlassverwaltung zur
Mitwirkung an einer Verfügung verpflichtet ist, klargestellt, dass unter den
Begriff der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses i.S. von § 2038
Abs. 1 BGB alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und
Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden
Verbindlichkeiten fallen. Dazu zählten grundsätzlich auch Verfügungen über
Nachlassgegenstände, nur müsse neben der Ordnungsmäßigkeit die
Erforderlichkeit einer solchen Verwaltungsmaßnahme durch besondere Umstände
belegt sein, um eine Mitwirkungspflicht zu begründen (BGHZ 164, 181, 184).
Die systematische Stellung des engeren § 2040 Abs. 1 BGB, der dem
weitergehenden § 2038 Abs. 1 BGB nachfolge, unterstütze ein solches
Verständnis, das auch durch die Entstehungsgeschichte belegt werde. Nach den
Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch umfasse die Verwaltung - ähnlich weit -
die gesamte tatsächliche und rechtliche Verfügung über das verwaltete Gut,
schließe also Veräußerungen, zu denen der Verwalter berechtigt sei, nicht
aus (BGHZ 164, 181, 185 unter Verweis auf Mugdan, Die gesamten Materialien
zum Bürgerlichen Gesetzbuch 5. Bd. S. 337 zu § 1978 Abs. 1).
21 b) In der Literatur werden verschiedene Auffassungen zu dem Verhältnis
zwischen § 2038 BGB und § 2040 BGB vertreten (zum Meinungsstand s. bereits
BGH Urteil vom 28. April 2006 - LwZR 10/05 - FamRZ 2006, 1026, 1027).
22 aa) Eine Meinung spricht sich für einen Vorrang der Regelung des §
2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB aus. Danach sollen mehrheitlich beschlossene
Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung auch Verfügungsgeschäfte
umfassen; Einstimmigkeit wäre demzufolge nicht erforderlich (AnwK-BGB/Ann
2. Aufl. § 2040 Rdn. 13; ders. Anm. MittBayNot 2007, 133, 134 f.; Jauernig/Stürner
BGB 12. Aufl., § 2040 Rdn. 2; Soergel/M. Wolf BGB 13. Aufl. § 2038 Rdn. 5;
Frank Erbrecht 4. Aufl. § 19 Rdn. 19; Leipold Erbrecht 17. Aufl. Rdn. 736;
Muscheler ZEV 1997, 222, 230 f.; Schopp ZMR 1967, 193, 195; Kipp/Coing
Erbrecht 14. Aufl. S. 613 f.; vgl. auch Palandt/Edenhofer BGB 68. Aufl. §
2038 Rdn. 5).
23 bb) Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, dass Verfügungen über einen
Nachlassgegenstand als Maßnahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung mit
Stimmenmehrheit vorgenommen werden könnten, wenn dadurch das nach § 2040
Abs. 1 BGB geschützte Interesse der anderen Miterben an der Werterhaltung
des Nachlasses nicht wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. RGRK/Kregel 12.
Aufl. § 2040 Rdn. 2; Johannsen WM 1970, 573, 576; Ann MittBayNot 2007, 131,
134 f.; neuerdings auch Brox/Walker Erbrecht 23. Aufl. Rdn. 507).
24 cc) Die wohl überwiegende Auffassung nimmt mit der früheren
Rechtsprechung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs an, dass auch für
Verfügungen über einen Nachlassgegenstand, die zugleich Maßnahmen der
ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung sind, die speziellere Vorschrift des §
2040 Abs. 1 BGB gelte; danach müssten solche Verfügungen von sämtlichen
Miterben gemeinschaftlich vorgenommen werden (Bamberger/Roth/Lohmann BGB
2. Aufl. § 2040 Rdn. 2; Erman/Schlüter BGB 12. Aufl. § 2040 Rdn. 3; ders.
Erbrecht 15. Aufl. Rdn. 685; MünchKomm/Heldrich BGB 4. Aufl. § 2040 Rdn. 3
und Rdn. 7 ff.; Staudinger/Werner BGB 2002 § 2038 Rdn. 40, § 2040 Rdn. 1 und
18; ders. ZEV 2006, 360 f.; Bartholomeyczik FS Reinhardt 1972 S. 13, 30 ff.;
Lange/Kuchinke Erbrecht 5. Aufl. S. 1130; Olzen Erbrecht 3. Aufl. Rdn. 986;
Palandt/Edenhofer aaO § 2040 Rdn. 1, vgl. aber auch § 2038 Rdn. 5).
25 Allerdings soll nach Auffassung einiger Autoren § 2038 Abs. 1 BGB in
den Fällen gegenüber § 2040 Abs. 1 BGB den Vorrang genießen, in denen gemäß
§ 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB jeder Miterbe die zur Erhaltung
notwendigen Maßregeln ohne Mitwirkung der anderen treffen kann; insoweit
soll er auch wirksam verfügen können (so Schlüter aaO Rdn. 686;
MünchKomm/ Heldrich aaO § 2040 Rdn. 3; Palandt/Edenhofer aaO § 2040 Rdn. 1;
Bartholomeyczik aaO S. 27 f.; Olzen aaO Rdn. 987; s. auch
Bamberger/Roth/Lohmann BGB § 2040 Rdn. 2; dagegen Staudinger/Werner aaO §
2038 Rdn. 40).
26 c) Der Senat folgt jedenfalls für den Fall der Kündigung eines
Mietverhältnisses der erst genannten Auffassung (oben aa). Danach können die
Erben ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit
Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme
ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.
27 aa) § 2038 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB ermöglicht den Erben, aufgrund
eines Mehrheitsbeschlusses wirksam Verpflichtungsgeschäfte zum Zwecke
ordnungsgemäßer Verwaltung abzuschließen (s. nur BGHZ 56, 47, 52). Die
Nachlassverwaltung umfasst sowohl Geschäftsführung wie Vertretung, betrifft
also sowohl das Innen- wie das Außenverhältnis (h.M.; BGHZ 56, 47, 52;
Staudinger/Werner aaO § 2038 Rdn. 40 m.w.N. zum Meinungsstand; siehe auch
Schopp ZMR 1967, 193, 195). Wenn aber die Erben durch Mehrheitsbeschluss
im Rahmen der Nachlassverwaltung verbindlich Verträge mit Dritten
abschließen und damit obligatorische Rechtspositionen begründen können, ist
nicht ersichtlich, wieso es ihnen verwehrt sein sollte, diese Rechte -
ebenfalls mehrheitlich - wieder aufzuheben (s. dazu auch Schopp ZMR
1967, 193, 195). Die Kündigung ist ein bezogen auf das Schuldverhältnis
unselbständiges, akzessorisches Gestaltungsrecht (vgl. BGHZ 95, 250, 254;
Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 - XII ZR 119/96 - NJW 1998, 896, 897
m.w.N.). Es liegt nahe, dem Recht, einen Vertrag zu begründen, auch das
Recht folgen zu lassen, diesen wieder zu kündigen.
28 Zwar bezieht sich die hier im Streit stehende Kündigung auf ein
Mietverhältnis, das bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hatte und
damit nicht erst von den Erben begründet worden ist; sie stellt mithin eine
Verfügung über die zum Nachlass gehörende Mietzinsforderung dar (vgl. BGH
Urteil vom 28. April 2006 - LwZR 10/05 - FamRZ 2006, 1026 zur
Pachtzinsforderung). Nichts anderes würde sich aber ergeben, wenn die Erben
im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss gemäß §§
2038, 745 BGB selbst einen Mietvertrag mit einem Dritten über eine zum
Nachlass gehörende Immobilie abschlössen. Denn gemäß § 2041 Satz 1 BGB würde
die aufgrund dieses Vertrages entstehende Mietzinsforderung im Wege der
Surrogation ebenfalls in den Nachlass fallen (vgl. BGH Urteil vom 6. Mai
1968 - III ZR 63/66 - NJW 1968, 1824).
29 Das Argument, aus dem der Gesamthandsgemeinschaft innewohnenden Prinzip
der Gemeinschaftlichkeit folge die Notwendigkeit, einstimmig zu handeln,
vermag nicht zu überzeugen. Denn dieser Grundsatz ist bereits durch die
Verwaltungsregelung in § 2038 BGB, die u.a. auch Mehrheitsentscheidungen
zulässt, mehrfach durchbrochen (BGH Urteil vom 28. April 2006 - LwZR 10/05
-FamRZ 2006, 1026, 1028). Hinzu kommt, dass selbst Vertreter der
überwiegenden Auffassung bei Maßregeln, die gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs.
2 BGB zur Erhaltung des Nachlasses notwendig sind, mit guten Gründen jeden
Miterben ohne Mitwirkung der anderen für verfügungsberechtigt erachten,
obgleich § 2040 Abs. 1 BGB seinem Wortlaut nach (auch) keine Ausnahmen für
so genannte Notverfügungen zulässt (vgl. Muscheler ZEV 1997, 222, 231 und
Frank aaO Rdn. 19).
30 Schließlich sind die Erben, die sich in der Minderheit befinden, auch
ohne ein aus § 2040 Abs. 1 BGB hergeleitetes "Vetorecht" (so MünchKomm/
Heldrich aaO § 2040 Rdn. 1) hinreichend geschützt. Zwar kann die Mehrheit
der Erben - folgt man der überwiegenden Auffassung - gegen das Veto des
überstimmten Erben ohne ein gerichtliches Verfahren, das auf Abgabe der für
die Verfügung erforderlichen Willenserklärung gerichtet ist, über den
Nachlassgegenstand nicht wirksam verfügen. In diesem Verfahren kann der
überstimmte Erbe überprüfen lassen, ob der Mehrheitsbeschluss den
Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung genügt. Das ändert aber
nichts daran, dass Verfügungen, die diesen Anforderungen nicht genügen,
ohnehin unwirksam sind und damit eine Rechtsänderung nicht zu begründen
vermögen. Dass eine etwa notwendig werdende Rückabwicklung mitunter
Schwierigkeiten bereiten kann, muss im Interesse der Verkehrsfähigkeit des
Nachlasses hingenommen werden, zumal Schadensersatzansprüche gegen die
Mehrheitserben hinreichenden Schutz gewähren (vgl. BGHZ 164, 181, 184;
Muscheler ZEV 1997, 222, 231).
31 Der überwiegenden Auffassung, wonach bei Verfügungen, die ordnungsgemäße
Verwaltungsmaßnahmen i.S. des § 2038 Abs. 1 BGB darstellen, ausnahmslos §
2040 Abs. 1 BGB als speziellere Norm zur Anwendung gelangen soll, vermag der
Senat daher jedenfalls für den vorliegenden Fall der Kündigung nicht zu
folgen.
32 bb) Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist freilich, dass es
sich bei ihr um eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme handelt. Zur
Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung,
Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der
laufenden Verbindlichkeiten (BGHZ 164, 181, 184; Palandt/Edenhofer aaO §
2038 Rdn. 3). Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme ist aus objektiver Sicht
zu beurteilen. Entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und
wirtschaftlich denkenden Beurteilers (BGHZ 6, 76, 81; 164, 181, 188; Palandt/
Edenhofer aaO § 2038 Rdn. 6). Gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 3
BGB kann eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes, also des gesamten
Nachlasses (BGHZ 164, 181, 186), nicht beschlossen werden.
33 Daraus folgt, dass Kündigungen, die dem Interesse des einzelnen Miterben
an der Werterhaltung des Nachlasses nicht gerecht werden, mithin zu einer
Entwertung des Nachlasses führen, keine ordnungsgemäße Verwaltung darstellen
können (vgl. auch Soergel/M. Wolf aaO § 2040 Rdn. 1; Frank aaO; offen
gelassen von BGH Urteil vom 28. April 2006 - LwZR 10/05 - FamRZ 2006, 1026,
1027). Einer gesonderten Heranziehung des diesen Kriterien entsprechenden
Schutzzweckes des § 2040 Abs. 1 BGB (so BGH aaO; Ann MittBayNot 2007, 133,
134 f.) bedarf es daher nach Auffassung des Senats nicht. Schließlich darf
nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Minderheitserbe gemäß § 2038 Abs. 1
Satz 2 Halbs. 1 BGB ohnehin verpflichtet ist, an den Maßregeln mitzuwirken,
die zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sind.
34 Geschützt ist allerdings nur das Interesse der Erben, eine Entwertung des
Nachlasses zu vermeiden (BGH aaO). Darüber hinaus gehende Interessen, wie
vorliegend etwa das Interesse des Landesvereins, den Mietvertrag
fortzuführen, um die Unterbringung der staatlichen Puppentheatersammlung zu
gewährleisten, oder ein etwaiges Interesse, die Räumlichkeiten entsprechend
ihrer historischen Bedeutung kulturell für die Öffentlichkeit zugänglich zu
nutzen, bleiben außer Betracht. Denn nach §§ 2038, 745 BGB muss der einzelne
Miterbe den Entzug der konkreten Nutzungsmöglichkeit hinnehmen, weil die
vorgenannten Normen nur die Nutzungsquote, nicht aber die reale Eigennutzung
gewährleisten (BGHZ 164, 181, 188).
35 d) Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene und zugleich verneinte
Frage, ob eine Mitwirkung des Landesvereins als Miterbe nach § 242 BGB im
Hinblick auf eine "optimale Nachlassverwaltung" entbehrlich gewesen sei,
kommt es mithin nicht an. Deshalb kann auch die Frage dahinstehen, ob das
Berufungsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör der Kläger verletzt hat,
weil es seiner Entscheidung fälschlicherweise zugrunde gelegt hat, dass der
Erblasser den Landesverein als Erben eingesetzt habe.
36 3. Gemessen an den vorstehend genannten Anforderungen ist der mit dem
Beklagten bestehende Mietvertrag mit Schreiben vom 4. März 2002 von der
Erbengemeinschaft wirksam zum 31. Mai 2002 gekündigt worden. Die Kündigung
erfolgte durch Mehrheitsbeschluss seitens der Erben und entsprach
ordnungsgemäßer Verwaltung.
37 a) Zwar hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines Mehrheitsbeschlusses
i.S. von § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB - aus seiner Sicht
konsequent - nicht ausdrücklich festgestellt. Gleichwohl kann der Senat
gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Dass das
Berufungsgericht vom Vorliegen eines Mehrheitsbeschlusses ausgegangen ist,
lässt sich den Urteilsgründen entnehmen. Nachdem das Landgericht zunächst
festgestellt hatte, dass die die Kündigung aussprechende Zeugin R. hierzu
von allen drei Miterben bevollmächtigt worden sei, hat das Berufungsgericht
ausgeführt, dass alle drei Miterben gemeinschaftlich i.S. von § 2040 Abs. 1
BGB die Kündigung des Mietverhältnisses hätten erklären müssen, eine
wirksame Vollmacht hinsichtlich des Landesvereins jedoch gefehlt habe. Nach
den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts waren die übrigen
Mitglieder der Erbengemeinschaft Erben zu % und zu %. Damit war
Stimmenmehrheit nicht nur nach Köpfen, sondern - was hier gemäß §§ 2038 Abs.
2 Satz 1, 745 Abs. 1 Satz 2 BGB maßgeblich ist - auch nach der durch den
Erbfall begründeten Erbteilsgröße gegeben (Muscheler ZEV 1997, 169, 173). Da
es zur Beschlussfassung nicht der Einhaltung eines bestimmten Verfahrens
bedarf (BGHR BGB § 745 Abs. 1 - Verwaltungsmaßnahme 1), die Beschlussfassung
damit auch konkludent erfolgen kann (Muscheler ZEV 1997, 169, 173), lagen
hier die Voraussetzungen für einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss vor.
38 b) Die Kündigung entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung. Zwar hat sich das
Berufungsgericht nicht damit befasst, ob die Voraussetzungen der §§ 2038,
745 BGB vorliegen. Andererseits hat es Feststellungen dazu getroffen, was
die Beklagte ausweislich des Mietvertrages an Miete zu zahlen hatte, nämlich
monatlich 204,13 €. Außerdem hat es im Tatbestand seines Urteils
festgestellt, dass der Beklagte ausweislich seines Schreibens vom 5. August
2003 einen monatlichen Mietzins in Höhe von 4.078 € angeboten hatte. Aus
diesem Schreiben geht zudem hervor, dass der Beklagte diesen Betrag unter
Zugrundelegung des örtlichen Mietzinsniveaus ermittelt hatte. Die Kündigung
des Mietvertrages gegenüber dem Beklagten stellt sich demnach objektiv als
wirtschaftlich vernünftig dar, weil die Vermietung des - unstreitig - 4.900
m2 großen Hausgrundstückes (mit 1.090 rr|2 Nutzfläche) für nur 204,13 €
monatlich für die Erbengemeinschaft offenkundig unwirtschaftlich war. Hinzu
kommt, dass der Beklagte ersichtlich selbst von einem angemessenen Mietzins
von monatlich 4.078 € ausgegangen ist. Bei einem so offensichtlichen
Missverhältnis zwischen angemessener Miete und bezahlter Miete bedarf es
keiner weiteren Feststellungen. Damit führt die Kündigung des
Mietverhältnisses auch nicht zu einer Entwertung des Nachlasses; vielmehr
ermöglicht sie den Abschluss eines neuen Mietverhältnisses zu besseren, den
Wert des Nachlasses steigernden Konditionen.
39 4. Da die Kündigung mithin zum 31. Mai 2002 wirksam ausgesprochen
worden ist, der Beklagte das Mietobjekt indes erst Anfang 2004 an die Kläger
zurückgegeben hat, hat das Landgericht ihnen zu Recht für den hier
streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung
gemäß § 546a Abs. 1 BGB zugesprochen. Die Höhe des Anspruchs bemisst sich
nach der ortsüblichen Miete, die nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien
mit 4.078 € monatlich in Ansatz zu bringen ist. Diesem vom Landgericht
gewählten Ansatz ist der Beklagte mit seiner Berufung nicht
entgegengetreten. Freilich ist hiervon der vom Beklagten in dem fraglichen
Zeitraum gezahlte Mietzins in Abzug zu bringen. Soweit den Klägern
Nutzungsentschädigung für die Zeit bis zu ihrer Eintragung ins Grundbuch aus
abgetretenem Recht zuzuerkennen ist, beruht dies auf den entsprechenden vom
Beklagten mit seiner Berufung nicht angegriffenen und vom Berufungsgericht
in Bezug genommenen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen
Urteils.
III.
40 Demgemäß war das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung zu
rückzuweisen. Die im Tenor enthaltene Einschränkung beruht auf dem Umstand,
dass die Kläger ihre Klage wegen der von dem Beklagten geleisteten
Mietzahlungen in der Berufungsinstanz teilweise zurückgenommen haben. |