Nebenpflichtverletzung
nach § 241 II BGB beim Mietvertrag: Beweislastverteilung für die objektive
Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB; Vertrag mit Schutzwirkung für
Dritte
BGH v. 16. Februar 2005 -
XII ZR 216/02
Fundstelle:
ZMR 2005, 520, 522
Leitsatz:
Zur Beweislastverteilung
nach Gefahrenbereichen bei der Haftung für Schutzpflichtverletzungen
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung betrifft noch das frühere Schuldrecht,
jedoch ist die Rechtslage nach neuem Recht identisch, s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2009, 142,
wo die vorliegende Entscheidung zitiert wird.
©sl 2008
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz des Schadens, den er durch den
Brand des Wohnwagens des Beklagten erlitten hat.
Die Parteien waren benachbarte Mieter von Stellplätzen auf einem
Dauercampingplatz, auf denen sie jeweils ihren Wohnwagen abgestellt hatten.
Am 24. April 1999 gegen 3 Uhr nachts brach in dem Wohnwagen des Beklagten
Feuer aus. Der Kläger versuchte den um Hilfe rufenden Beklagten zu retten.
Dabei erlitt er Verletzungen und verlor Brille und Gebiß. Darüber hinaus
wurde sein Wohnwagen und andere ihm gehörende Campinggegenstände beschädigt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 27.826,11 DM nebst Zinsen
gerichteten Klage in Höhe von 19.735,11 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das
Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil aufgehoben,
soweit dem Kläger Schmerzensgeld (500 DM) zuerkannt wurde. Im übrigen hat es
die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen
Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter, soweit er
zur Zahlung eines 598,34 € nebst Zinsen übersteigenden Betrages verurteilt
worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Aufwendungsersatzanspruch des Klägers wegen
des Verlusts von Brille und Gebiß (598,34 €) - insoweit mit der Revision
nicht angegriffen - und einen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung
seines Wohnwagens und anderer Campinggegenstände aus positiver
Vertragsverletzung des Mietvertrages zwischen dem Beklagten und dem
Campingplatzbetreiber bejaht. Es ist der Ansicht, dieser Mietvertrag
entfalte eine Schutzwirkung zugunsten der übrigen Stellplatzmieter, also
auch zugunsten des Klägers. Zwar lehne die Rechtsprechung die Einbeziehung
von Mitmietern in den Schutzbereich eines Raummietvertrages ab, da ein
Vermieter in der Regel für das Wohl und Wehe der Mieter nicht verantwortlich
sei und deshalb auch kein erkennbares Interesse daran habe, die vertragliche
Schutzwirkung auf die übrigen Mieter zu erstrecken. Das gelte jedoch nicht
für Mieter auf Campingplätzen. Diese seien erheblich schutzwürdiger als
Mieter von Wohnungen und anderen Räumen. Denn sie seien nicht durch Mauern
voneinander räumlich getrennt und deshalb den Beeinträchtigungen durch
Mitmieter stärker ausgesetzt. Deshalb sei in diesen Fällen die Verantwortung
des Vermieters und damit sein Interesse an der Einbeziehung der Mitmieter in
den Schutzbereich der einzelnen Verträge größer. Dieses Interesse sei für
die einzelnen Mieter auch erkennbar.
Die Einbeziehung von Dritten in den Schutzbereich des Mietvertrages ergebe
sich im vorliegenden Fall auch aus Abschnitt VI des zwischen dem Beklagten
und dem Vermieter abgeschlossenen Mietvertrages, wonach der Mieter für alle
Schäden hafte, die von ihm auf dem Campingplatz einschließlich seiner
Einrichtungen verursacht würden. Diese Formulierung sei dahingehend zu
verstehen, daß der Mieter nicht nur für Schäden an dem Campingplatz mit
seinen Einrichtungen hafte, sondern auch für andere Schäden, die auf dem
Gelände entstünden.
Zwar stehe nicht fest, ob der Brand durch eine Pflichtverletzung des
Beklagten, nämlich durch einen fahrlässigen Umgang mit einer Zigarette, oder
durch eine andere Ursache ausgelöst worden sei. Nach der Beweislastregel des
§ 282 BGB, die für die positive Forderungsverletzung analog anzuwenden sei,
habe der Beklagte aber für die verursachten Vermögensschäden einzustehen, da
sie seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen seien. Denn der Wohnwagen,
durch dessen Brand die Schäden verursacht worden seien, unterliege allein
dem Verantwortungsbereich des Beklagten. In solchen Fällen könne aus der
Schädigung auf eine Pflichtverletzung geschlossen werden, so daß der
Beklagte sich entlasten müsse, um eine Haftung auszuschließen. Diesen Beweis
habe er jedoch nicht geführt. Er habe infolge seiner starken Alkoholisierung
keine Angaben dazu machen können, wo der Brandherd gelegen und wie sich das
Feuer entwickelt habe. Er habe deshalb seine Schuldlosigkeit bezüglich der
möglichen Verursachung des Brandes durch fahrlässigen Umgang mit der
Zigarette nicht bewiesen.
Demgegenüber scheide eine Haftung des Beklagten nach § 823 BGB und damit ein
Anspruch des Klägers auf Zahlung von Schmerzensgeld aus, da die
Beweislastregel des § 282 BGB im Deliktsrecht nicht gelte und es dem Kläger
nicht gelungen sei, eine schuldhafte Schadensverursachung durch den
Beklagten zu beweisen. Nach dem Gutachten des Brandsachverständigen könne
zwar die unstreitig vor Ausbruch des Brandes von dem stark alkoholisierten
Beklagten angezündete Zigarette zu dem Feuer geführt haben. Der
Sachverständige habe aber nicht ausschließen können, daß auch ein Fehler an
der Elektrik, für den der Beklagte nicht verantwortlich sei, das Feuer
verursacht haben könne.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Mietvertrag über einen
Stellplatz auf einem Campingplatz wegen der besonderen Umstände auf einem
Campingplatz generell vertragliche Schutzpflichten des Mieters zugunsten der
anderen Mieter begründet. Im vorliegenden Fall ergibt sich jedenfalls
ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus
Abschnitt VI des zwischen dem Beklagten und dem Campingplatzbetreiber
abgeschlossenen Mietvertrages.
Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise davon ausgegangen, daß die in Abschnitt VI des Mietvertrages
getroffene Vereinbarung, wonach der Mieter für die Schäden haftet, die auf
dem Campingplatz einschließlich seiner Einrichtungen von ihm verursacht
werden, eine Einbeziehung der Mitmieter und damit des Klägers in den
Schutzbereich des Mietvertrages zwischen dem Beklagten und dem
Campingplatzbetreiber enthält. Die Auslegung von Verträgen ist
grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Sie kann deshalb vom
Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der
Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder
allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf einem im
Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht (BGH Urteil vom 13. März
2003 - IX ZR 199/00 - NJW 2003, 2235, 2236 m.w.N.). Solche
revisionsrechtlich relevanten Auslegungsfehler vermag die Revision nicht
aufzuzeigen. Sie liegen auch nicht vor. Sowohl der Wortlaut als auch der
Sinn und Zweck der Vereinbarung in Abschnitt VI lassen eine Auslegung dahin
zu, daß der Beklagte als Mieter für alle von ihm schuldhaft verursachten
Schäden an Gegenständen, die sich auf dem Campingplatz befinden, auch soweit
sie nicht dem Vermieter, sondern Dritten gehören, diesen gegenüber direkt
haften soll. Mit dieser Vereinbarung soll dem für den Beklagten erkennbaren
Interesse des Campingplatzbetreibers und der anderen Mieter an einem
störungsfreien Zusammenleben auf engem Raum Rechnung getragen werden.
2. Die Revision rügt auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe die
Beweislastverteilung (§ 282 BGB a.F.) verkannt.
Steht nämlich fest, daß als Schadensursache nur eine solche aus dem
Obhuts- und Gefahrenbereich des Schuldners in Betracht kommt, muß sich der
Schuldner nicht nur hinsichtlich der subjektiven Seite, sondern auch
hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit entlasten (BGHZ 131, 95,
103; 126, 124, 127; 27, 236).
Diesen Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt. Denn nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Brand entweder durch einen
fahrlässigen Umgang des Beklagten mit der Zigarette oder durch einen Fehler
in der Elektrik des Wohnwagens verursacht worden. Beide möglichen
Schadensursachen liegen damit im Gefahrenbereich des Beklagten. Der Beklagte
hat, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, nicht bewiesen, daß
der Brand durch einen von ihm nicht zu vertretenden Fehler in der Elektrik
verursache worden ist.
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