IPR: Unterhaltsstatut des Kindesunterhalts nach
Art. 3 HZP; selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorfrage der
Vaterschaft; Abstammungsstatut gem. Art. 19 EGBGB; Formwahrung durch
Ortsform (Art. 11 EGBGB)
BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 - XII
ZB 277/16 - OLG Hamm
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die in Spanien vor dem
zuständigen Standesamt erklärte Anerkennung der Vaterschaft ist der
Anerkennung nach deutschem Recht gleichwertig und ersetzt die hierfür
vorgeschriebene Form der öffentlichen Beurkundung.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Anknüpfung des Kindesunterhalts an den gew,.
Aufenthalt des Kindes (Art. 3 HUP). Da der Schuldner im Unterhaltsprozess
die Vaterschaft geleugnet hatte, kam es auch auf die Vorfrage der
Vaterschaft an. Ob diese selbständig oder unselbständig anzuknüpfen ist,
konnte offen bleiben, da das Statut der Hauptfrage (Unterhaltsstatut)
bereits deutsches (Unterhalts-)Recht war. Da (wandelbares!)
Abstammungsstatut nach Art. 19 EGBGB hier deutsches Recht war, konnte auf
die Form der in Spanien erfolgten Anerkennungserklärung Art. 11 EGBGB
angewendet werden - die Wahrung der spanischen Ortsform genügte also. Das
Problem mehrerer konkurrierender Vaterschaften stellte sich hier nicht (s.
dazu BGH vom 3. August 2016 - XII ZB 110/16).
©sl 2017
Gründe:
I.
1 Das antragstellende Land (im Folgenden: Antragsteller) macht gegen den
Antragsgegner aus nach § 7 UVG übergegangenem Recht Kindesunterhalt geltend.
2 Der Antragsteller erbrachte für das im Januar 2004 geborene Kind J.
Unterhaltsvorschussleistungen. Der Antragsgegner lebte früher mit der Mutter
des Kindes auf Mallorca (Spanien), wo das Kind geboren wurde. Auf
Veranlassung der Mutter und des Antragsgegners wurde der Antragsgegner in
die spanische Geburtsurkunde und in das spanische Familienbuch als Vater
eingetragen. Die Mutter und der Antragsgegner heirateten im Januar 2007. In
der Anmeldung zur Eheschließung wie auch in der deutschen Geburtsurkunde ist
J. als Kind des Antragsgegners verzeichnet. Die Ehe wurde im Januar 2012
geschieden. Die elterliche Sorge für J. wurde allein der Mutter übertragen.
3 Der Antragsteller macht für die Zeit ab November 2013 den gesetzlichen
Mindestunterhalt abzüglich des (vollen) Kindergelds geltend. Hinsichtlich
der Zeit ab Januar 2016 haben die Beteiligten vor dem Oberlandesgericht
wegen des Auslaufens der Unterhaltsvorschussleistungen den Rechtsstreit in
der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Antragsgegner
wendet ein, nicht der Vater des Kindes zu sein.
4 Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die
Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine
zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der er die Abweisung des Unterhaltsantrags
erreichen will.
II.
5 Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
6 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts besteht ein
Verwandtschaftsverhältnis im Sinne von §§ 1601 ff. BGB. Der Antragsgegner
sei der Vater des Kindes.
7 Für die Frage der Abstammung als so genannte Vorfrage sei im vorliegenden
Unterhaltsverfahren deutsches Recht maßgeblich. Im Unterhaltsverfahren finde
nach Art. 3 Abs. 1 des Protokolls über das auf Unterhaltspflichten
anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsprotokoll, HUP) das Recht des Staates
Anwendung, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Das unterhaltsberechtigte Kind habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland. Die Vorfrage der Abstammung folge nach zutreffender Auffassung
dem Unterhaltsstatut als Hauptfrage.
8 Für einen Unterhaltsanspruch müssten die Voraussetzungen einer rechtlichen
Vaterschaft vorliegen, die gegeben seien. Denn der Antragsgegner habe die
Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkannt. Er habe die Anerkennung seiner
Vaterschaft gegenüber den spanischen Behörden erklärt. Gemäß Art. 120 Nr. 1
des Spanischen Zivilgesetzbuchs werde die nichteheliche Abstammung unter
anderem bestimmt durch Anerkennung vor der mit der Führung des
Zivilregisters betrauten Amtsperson, in einem Testament oder in einer
anderen öffentlichen Urkunde. Gemäß Art. 124 des spanischen Zivilgesetzbuchs
setze die Wirksamkeit der in Bezug auf einen Minderjährigen abgegebenen
Anerkennung die ausdrückliche Zustimmung von dessen gesetzlichem Vertreter
oder die richterliche Genehmigung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und
des gesetzlich benannten Elternteils voraus. Sowohl in der spanischen
Geburtsurkunde vom 10. Februar 2004 als auch im spanischen Familienbuch sei
der Antragsgegner auf seine und der Kindesmutter Veranlassung als Vater
eingetragen worden. Die Anmeldung zur Geburt sei von der Kindesmutter und
dem Antragsgegner unterzeichnet worden. Damit habe der Antragsgegner seine
Vaterschaft entsprechend den spanischen Rechtsvorschriften anerkannt.
9 Diese Anerkennung entfalte auch im deutschen Rechtskreis Wirkung. Nach
Art. 4 des Römischen CIEC-Übereinkommens über die Erweiterung der
Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden
können, vom 14. September 1961 (im Folgenden: CIEC-Übereinkommen vom 14.
September 1961) könne jeder Staatsangehörige eines Vertragsstaats in jedem
beliebigen Vertragsstaat die Anerkennungserklärung in der Form öffentlich
beurkunden lassen, die das Ortsrecht vorschreibt.
10 Ungeachtet dessen sei jedenfalls gemäß § 1598 Abs. 2 BGB von einer
wirksamen Anerkennung auszugehen. Aus einem Auszug aus dem Geburtenregister
der Stadt E. ergebe sich, dass der Antragsgegner seit dem 13. Januar 2011
und damit mehr als fünf Jahre als Vater des Kindes eingetragen sei. Durch
die Vorschrift entstehe durch Heilung rückwirkend eine vollwertige
Vaterschaft. Gegen eine Anwendung von § 1598 Abs. 2 BGB spreche auch nicht,
dass die Erstellung der deutschen Geburtsurkunde allein auf Veranlassung der
Mutter und ohne Kenntnis des Antragsgegners erfolgt sei. Das folge aus dem
Wortlaut der Vorschrift und deren Sinn und Zweck, für Rechtsklarheit zu
sorgen. Die Kenntniserlangung des Antragsgegners sei für die Fristberechnung
nicht maßgeblich.
11 Der Antragsgegner könne sich auch nicht auf fehlende Leistungsfähigkeit
berufen. Der Anspruch sei wirksam auf das antragstellende Land übergegangen.
Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltendmachung des Unterhalts
seien gegeben.
12 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Der
Antragsgegner ist rechtlicher Vater des Kindes und als solcher für den
Anspruch auf Kindesunterhalt nach § 1601 BGB passivlegitimiert. Der
Anspruch ist nach § 7 UVG kraft Gesetzes auf den Antragsteller übergegangen.
13 a) Der Antragsgegner ist Schuldner des Anspruchs auf
Kindesunterhalt nach § 1601 BGB (iVm Art. 3 HUP). Für die
Verwandtschaft im Sinne von § 1601 BGB ist auf die rechtliche Verwandtschaft
gemäß §§ 1589 ff. BGB abzustellen. Ein Fall der vom Senat für
Ausnahmekonstellationen zugelassenen inzidenten Feststellung der leiblichen
Vaterschaft (vgl. Senatsurteile BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 und BGHZ
176, 327 = FamRZ 2008, 1424) liegt ersichtlich nicht vor.
14 aa) Ob die sich beim Verwandtenunterhalt stellende Vorfrage der
Abstammung unter der Geltung des Haager Unterhaltsprotokolls vom 23.
November 2007 (HUP) selbständig oder unselbständig anzuknüpfen ist, ist zwar
umstritten (vgl. zum Streitstand Staudinger/Mankowski BGB [2016]
Vorbem zum HUP Rn. 12 ff.; Lehmann GPR 2014, 342, 349 ff.).
Insbesondere ist es streitig, ob die zum Unterhaltsanspruch des
nichtehelichen Kindes nach früherer Rechtslage ergangene Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Senatsbeschluss BGHZ 90, 129 = FamRZ 1984, 576,
579 und Senatsurteil vom 27. Juni 1984 - IVb ZR 2/83 - FamRZ 1984, 1001,
1002 mwN; grundlegend BGHZ 60, 247 = FamRZ 1973, 257, 258 f.), nach
der die Vaterschaft durch Anerkennung nach deutschem Recht zu beurteilen
ist, wenn dieses für die Unterhaltspflicht des Vaters maßgeblich ist, auch
unter Geltung des Haager Unterhaltsprotokolls fortzuführen ist
(vgl. Staudinger/Mankowski BGB [2016] Vorbem zum HUP Rn. 29 ff. mwN; OLG
Frankfurt FamRZ 2012, 1501).
15 Diese Fragen können im vorliegenden Fall indessen offenbleiben.
Denn auch bei selbständiger Anknüpfung der Vorfrage ist auf die Abstammung
nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB deutsches Recht anzuwenden, weil das
unterhaltsberechtigte Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das
Aufenthaltsstatut wandelbar ist. Es ist im Gegensatz zum
Ehewirkungsstatut nach Art. 19 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nicht auf einen festen
Zeitpunkt bezogen, sondern stellt auf den aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt
des Kindes ab. Überdies dürfte aber schon gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
- seit der Geburt des Kindes - deutsches Recht anwendbar sein, weil der
Antragsgegner offensichtlich deutscher Staatsangehöriger war und ist.
16 Das Problem konkurrierender Vaterschaften aufgrund mehrerer in
Betracht kommender nationaler Rechte (vgl.
Senatsbeschluss vom 3. August 2016 - XII ZB 110/16
- FamRZ 2016, 1847) stellt sich im vorliegenden Fall nicht.
Dass eine andere Rechtsordnung, insbesondere das neben dem deutschen Recht
noch in Betracht kommende spanische Recht, zur gesetzlichen Vaterschaft
eines anderen Mannes als des Antragsgegners führen könnte, wird von der
Rechtsbeschwerde nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (zur
Frage wohlerworbener Rechte vgl. Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB
Rn. 14; MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 26).
17 bb) Der Antragsgegner ist gemäß § 1592 Nr. 2 BGB durch
Anerkennung der Vaterschaft rechtlicher Vater des Kindes geworden. Die vor
dem zuständigen spanischen Standesamt abgegebenen Erklärungen der Mutter und
des Antragsgegners ersetzen die nach dem anwendbaren deutschen Recht
erforderliche Form der Erklärungen (Anerkennung und Zustimmung) gemäß §§
1595 ff. BGB.
18 (1) Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen
wurde die Anmeldung der Geburt des Kindes gegenüber dem Standesamt von der
Mutter und dem Antragsgegner unterzeichnet. Danach hat der
Antragsgegner die Vaterschaft entsprechend den spanischen Rechtsvorschriften
(Art. 120, 124 des spanischen Zivilgesetzbuchs - Codigo civil; vgl.
auch Ferrer y Riba in Spickhoff/Henrich/Schwab/Gottwald Streit um die
Abstammung S. 293, 301 f.) anerkannt. Dem
entspricht die Eintragung des Antragsgegners als Vater des Kindes in der
spanischen Geburtsurkunde und im Familienbuch (vgl. auch
Senatsbeschluss vom 20. Juli 2016 - XII ZB 489/15 - FamRZ 2016, 1747). Aus
dem angefochtenen Beschluss ergibt sich zudem die nach § 1595 Abs. 1 BGB
erforderliche Zustimmung der Mutter. Die Rechtsbeschwerde hat bezüglich der
Ermittlung des ausländischen Rechts keine Verfahrensrüge erhoben (vgl.
Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 - XII ZB 337/15 - juris Rn. 13 ff.).
19 (2) Die in Spanien erklärte Anerkennung ist auch formwirksam.
Dass die in § 1597 BGB für im Inland beurkundete Anerkennungen vorgesehene
Form nicht erfüllt ist, steht der Formwirksamkeit nicht entgegen.
Nach Art. 4 des CIEC-Übereinkommens vom 14. September 1961 (BGBl. 1965 II S.
19; zur materiellrechtlichen Bedeutung s. Staudinger/Henrich BGB [2014]
Vorbem zu Art. 19 EGBGB Rn. 5; MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Anh. I zu Art. 19
EGBGB Rn. 2) hat die nach Ortsrecht von der zuständigen Behörde
beurkundete Anerkennungserklärung die gleichen Wirkungen, wie wenn sie vor
der zuständigen Behörde des Heimatstaats des Erklärenden abgegeben worden
wäre. Spanien und Deutschland sind Vertragsstaaten des
Übereinkommens (vgl. BGBl. 1987 II, S. 448). Der Austritt der Bundesrepublik
Deutschland aus der Internationalen Zivilstandskommission (CIEC) mit Wirkung
zum 30. Juni 2015 lässt für sich genommen die Fortgeltung der
abgeschlossenen Übereinkommen unberührt (vgl. Kohler/Pintens FamRZ 2015,
1537, 1545).
20 Die Maßgeblichkeit der Ortsform folgt damit übereinstimmend auch
aus Art. 11 Abs. 1 EGBGB (BGHZ 64, 129 = NJW 1975, 1069).
Das Oberlandesgericht ist im Ergebnis ferner zutreffend davon ausgegangen,
dass die Beurkundung durch das zuständige spanische Standesamt der nach
deutschem Recht vorgeschriebenen Beurkundung gleichwertig (äquivalent) ist,
was durch die Regelung des CIEC-Übereinkommens vom 14. September 1961
bekräftigt wird (vgl. Staudinger/Winkler v. Mohrenfels BGB [2013]
Art. 11 EGBGB Rn. 131; MünchKommBGB/Spellenberg 7. Aufl. Art. 11 EGBGB Rn.
86 ff.).
-
21 Auch die Zustimmung der Mutter (vgl. MünchKommBGB/Spellenberg
6. Aufl. Art. 11 EGBGB Rn. 22 mwN), hinsichtlich deren das CIEC-Übereinkom-men
vom 14. September 1961 keine gesonderte Regelung enthält, ist
aufgrund des nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB alternativ anwendbaren spanischen
Rechts formwirksam erklärt worden. Die gegenüber dem zuständigen spanischen
Standesamt abgegebene Zustimmungserklärung ist mithin in Deutschland
ebenfalls formgültig.
22 (3) Selbst wenn die Anerkennung der Vaterschaft nach spanischem
Recht und zu einem Zeitpunkt erklärt worden sein sollte, zu dem deutsches
Recht noch keine Anwendung fand, hinderte dies ihre Wirksamkeit nicht. Denn
auch in diesem Fall ersetzt die nach spanischem Recht erklärte Anerkennung
die nach deutschem Recht erforderliche Form. Entgegen der
Auffassung der Rechtsbeschwerde entfällt die Wirkung auch nicht mit einem in
der Hauptfrage (hier der Abstammung) erfolgten Statutenwechsel. Dass das
Gesetz in Art. 11 Abs. 1 EGBGB die Ortsform neben der Geschäftsform zulässt,
belegt, dass zur Frage der Form ein anderes Statut anwendbar sein kann als
hinsichtlich der Hauptfrage. Da die Anerkennung mithin auch nach
deutschem Recht wirksam erklärt worden ist, kommt es auf die vom
Oberlandesgericht weiter aufgeworfene Frage einer Heilung gemäß § 1598 Abs.
2 BGB nicht mehr an.
23 b) Die vom Oberlandesgericht festgestellten weiteren Voraussetzungen des
von ihm zugesprochenen Anspruchs auf den Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs.
1 BGB sind von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen worden und lassen
Rechtsfehler nicht erkennen. Die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde erfolgt
allerdings mit der - vom Oberlandesgericht im Tenor des
Beschwerdebeschlusses versehentlich nicht wiedergegebenen - klarstellenden
Maßgabe, dass die titulierte Unterhaltsverpflichtung nach den
übereinstimmenden teilweisen Erledigungserklärungen der Beteiligten nur bis
einschließlich 31. Dezember 2015 dauert.
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